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Sonntag Hchnapø - HotmtagL Sonnabend Abend. Jm Hofe eines Doppelhauses der Großstadt, unmittelbar vor der Thüre, die in das Ointergebäude und in die dort befindlichen düsteren und dunstigen Wohnungen führt, lauern und stehen Kinder, Knaben und Mädchen. Zwei kleine, jedenfalls Zwillinge, liegen zwischen schmutzigen, rothcarrirten Betten und bearbeiten mit den noch sahn losen Mäulchen Brodrinden, die schon mehrmals im Sande gelegen zu haben scheinen. Ob diese Art Nahrung Appetit verursacht? Fast scheint es so, denn der Junge, der den alten Kinderwagen hin und her schiebt, stößt plötzlich einen Pfiff aus Und blickt dann erwart ungsvoll am Hause in die Höhe. Ein Fenster im obersten«Stockwerl wird geöffnet, eine Frau mit vergrämtem, fahlem Antlitz schaut heraus. »Mutter, uns hungert, gieb mir eine Bemme!« »Ich lann Dir jetzt keine Bemtne geben, der Vater ntuß erst Geld nitbringenx tomm’ ’rauf, iß ein Paar kalte Kartoffeln.« Der Knabe entfernt sich; in einer Weile lehrt er zurück, die K’:inen im Wagen kriegen auch eine kalte Kartoffel. Inzwischen hüpfen aus dem Vorder-hause zwei sauber gekleidete Mädchen herbei, sie halten Syrupöbrod in sen Händen und betrachten dasselbe freudestrahlend. »Eisch, wir haben ’was Feines, hm, sa ’was Feines - —« Um des Knaben Mund lagert sich ein Zug von unendlicher Bitter keit, er vergleicht zweifellos die.leckere Bespermahlzeit mit den so eben verspeisten kalten Kartoffeln. ss »Thut nur nicht so dicke, wenn«ich’s wollte, könnte ich egal Syrnp e en.« . . »Gut nicht wahr, Jhr seid doch arm. Du denlft wohl, wir w!ssen’s nicht, daß der Auspfänder gejtern bei Euch war? Mein großer Bruder hat ihn gesehen. Und wir wissen auch, daß Dein Vater Alles ve·ririnkf. Freilich, er sitzt ja immer drüben in der Schänke, wenn wer Bier Abends holen. Unser Vater ist immer richtig zu Haufe, Gntek niemals.« » Den Knaben verdrießt die kecke Rede, er holt aus, als ob er das Mai-them das ihn zum Zorn reizt, schlagen wollte —laut schreiend laufen die Schwestern davon. Das Fenster im Hintergebiiude wird wieder aufgemacht, die bergeömte Frau schaut wieder heraus. »Hermann, brina’ die Kinder ’rauf, Du mußt noch nach Kohlen schen, ich geb’ Dir fünf Pfennige, morgen früh ist zu; ich könnte nicht mal Kassee lochen.« Hermann wickelt die beiden Kleinen in die Betten, dann fährt er den alten Kinderwagen in diejenige Ecke des Hofes, in der leere Fässer und Kisten friedlich neben einem Berge von Asche und Scherben lagern und dann steigt er mit der keineswegs leichten Bürde die Treppe empor-. Oben am Treppenabsatz erwartet ihn die vergrämte Frau, seine Mutter. und zugleich die der Zwillinge. Sie deutet auf die Bettbiindeb »Ich bin noch nicht ganz mit Scheuern fertig, Hermann, in die stzmer kannst Du noch nicht, leg’ sie in den Wafchtorb. Ach nee,; »der ist nicht leer wohin denn gleich in der Angst - i, leg’ sie« rein, das bissel nasse Wäsche wird nicht gleich schaden, die englische Rtanlheit haben sie doch schon!« Die Frau schleicht miiden Schrittes zum Scheueeeimer und läßt sich tm demselben nieder-gleiten, ihr Aeltester, Herinann, greift nach 111 Kasten. der als Kohlenbehältek dient Hans nnd Herd. Reduktion von Silvia Brand, Dresden. »Wv sind denn die fünf Pfennige?« · »Jeses, ja, die fünf Pfennige - ich fteh’ jetzt nicht wieder auf, lauf’ nur, er wird Dir doch die lappigen paar Kohlen borgen, Montag bezahlsx··xvir gewiß, lauf’ doch, dummer Ker«1!« » « . » »Esällt mir gar nicht ein, ich werde mich von Matthesen ’rauS schmei en lassen, er borgt keine Kohlen mehr, er sagt, er könnte sie auch nicht mausen.« »Versuch’g bei einem Anderen, Kohlen müssen wir haben, schon wegen der Mehlsuppe siir die Zwillinae. Dein Vater kanns vor Gatt nicht verantworten, die armen Würmer werden wohl noch verhungern müssen. Wo ist denn Anna hin?« - »Die hat sich bei der Geißner Male Pflaumen gebettelt, und das alte Reff hat ihr halbverfaulte gegeben, nun hat sie schreckliche Leib schmerzen und grinst und windet sich vorne im Hause hihi, am Ende kriegt sie die Cholera, und dann muß die ganze Gesellschaft sterben, die reichen Gerbers zu allererst, nachher können sie Shrup wo anders lecken, die albernen Möbel-« »Red’ nicht solchen Unsinn, lauf - und bring’ Anna’n mit, der Vater hat noch einen Rest Schnaps in der Flasche, den mag sie trinken, da wird ihr besser.« Hermann horcht auf. ’ ~Schnaps? Wo soll er denn stehen?« . ~Jn der Kammer-, hinter den zerrissenen Stiefeln, ich habe ’lvas drüber gedeckt - —« s Während die Frau emsig scheuert, schlüpft Hermann in dieKammer und sucht die Flasche mit dem köstlichen Schnapse. Wozu soll er darben, Anna hat halbversaulte Pflaumen aus Hunger gegessen und er kalte Kartoffeln, wen die Cholera packen soll, den packt sie und wenn Anna stirbt, braucht er ein oder zwei Tage nicht in die Schule zu gehen und lann ihr Dreierbrod Sonntags erben —- freilich, mit den Zwillingen muß er sich immerzu allein abquälen, mit den schreiigen Bälgent Ein paar Tropfen Schnaps in den Gummihut, an den sie zuweilen saugen, das wird sie einschläsern. Gluck! - Gluckgluckt —- Die Flasche wandert leer in den Schlupfwinkel zurück. Mit gerötheten Wangen und glänzenden Augen eilt Hermann an der Mutter und an den Zwillingen vorüber aus die Straße hinaus. otetzt hat er Courage Kohlen zu borgen, jetzt läuft er zu Mathesen. Der soll ihn nur ’rausschmeißen, er soll’Z nur wagen, er giebt ihm eins mit der Faust aus die Nase, daß er daran vier Wochen zu lauen hat, der ajte Wathesem « « · « » g Das Kohlenaeschäst ist schon geschlossen, Hermann hat die Rech nung ohne den Wirth gemacht. Teuernng muß die Mutter babenqe nun, da klemmt man eine leere iste aus dem Hase und zersägt sie ben ganz still, »anz siill, daß der Nachbar nichts merkt. Angeseuert vom Schnaps stieth der Junge Zeäuschlos die Kiste, zerlleinert sie und stellt das Holz vor den Ofen. ie Mutter ist mit Scheuern fertig, aber sie hantirt mit den Zwillin gen umher und sieht nur halb hin. Was kümmert es sie auch, mas der Junge bringt und woher er es bringt; sie ist mit der Zeit so tniirbe geworden, so stumpfsinnig —- die Noth, die furchtbare Noth, der Kampf ums elende Dasein, die Schläge - und immer auf den Kopf, immer auf den Kopf - wenn sie todt tvätk. tpäre es das-Lllxcrbeste.- · Jndem sie so denkt, stopft sie den Zwillingen nochmals kalte zer dtiickie Kartoffeln in den Mund und beißt felbst hinein. Drei Stück läßt sie für Anna in der Schüssel, das Mädchen muß doch etwas haben, es ist fo wie so recht schwach nnd lia- eimn garstigen hohlen Husten vom Barfnßlaufer 23. October. Da tritt Anna in die Stube, sie will zu Bett, sie mag nichts ge nießen; eine Viertelstunde später liegt sie auf dem Strohsa mit einem Unterrock zugedeckt. Noch später kommt die Mutter und legt sich weinend neben das Mädchen; die Zwillinge schlafen in heraus-gezogenen Kommodenkasten, Hermann wirft sich aufs Sopha er wartet aus« den Vater, der wird wieder betrunken sein und dann giebt’S wieder Ir;«ch, und die Leute im Hause gebieten Ruhe. Hihi. zu komisch! i i. Sonnabend Abend. Jn einen-c Schanklocal der Vorstadt geht es lustig her. Männer in Arbeits-Neidern sitzen an den Tischen, sie verzehren Schweinsknöchel und Klöße, buyerisch Bier und Doppel iiimmeL sie reißen mit schlechten Witzen der Kellnerin beinahe die weiße Schürze vom Leibe. Ein Mann will ausbrechen, drei, vier Andere halten ihn fest. ! »Du bleibst, Hermann, die ganze Woche hast Du geschuftet, heut »machen wir Leben schön! Was, Deine Alte hat kein Geld zu Haufe, die Kinder hungern? Mensch, Du bist verrückt, die werden schon sehen, wo sie bleiben. Verdirb uns die Laune nicht, nieder gesetzt! Fanny, ein Baherisch!« Ein paar kräftige Hände drücken den Mann wieder auf den Stuhl, hastig stürzt er das Bier hinunter-, schmecken wills ihm nicht, gar nicht. Das hindert die Nebenihmsitzenden nicht, nach neuem Getränk zu rufen. Fanny kredenzt ein Glas nach dem andern. Dazu wird getaucht, gejohlt, eg ist eine Luft zum Ersticken, ein Lärm zum Davon au en. l Gegen 11 Uhr kommt die dicke Wirthin und bietet Fleisch saat an. O, sie kennt ihre Pappenheimer. Der Salat ist im Nu vergriffen und nun beginnt die Zecherei erst recht, zum Vergnügen am Trinken gesellt sich ein rasender Durst. Aug dem Jogen wird ein kaum verständliches Lallen, hier fliegt ein Bierglas zur tde, weil Einer mit dem Kon auf den Tisch fällt, dort kollern Münzen in den weißen Stubensand, weil Einer das Porje monnaie nicht mehr halten kann. Er bückt sich darnach pardauz, da liegt cr, und die Andern brüllen in thierischet Lust. ~.Dennann, paß auf - die Drefche von Deiner Alten - Her mann, Du alte Schlafmiitze - krieche nur recht zu Kreuze an Deiner Stelle ließ icks mir den Pantossel an die Uhrkette hängen —- Fannn - noch einen Schnapg Schnaps, Sehnt-PS, Schnapg, Du edeles Getränke! Schnapk —- -- Schnapu - —« Der Sonntag Morgen ist angebrochen Rosige Wollen mit goldenen Rändern, Gratulationgkarien für Sonntagsaugflüglet tahmen den Horizont ein. Pfeifend eilen die Bäckerjungen, die Früh stücks- und Zeitungsfröger straßauf, straßab. Da schwanken Männer, in unsauberen Kleidern, den Hut im Nacken daher. Der eine der Männer ist trunkenek als der andere, der ihn führt. Jeht stehen sie vor dem Doppelhausr. ’ »Laß Dir nur nichts gefallen, Hekmanm die muß froh sein, daß Du überhaupt kommst. Solche Weiber, kein Vergnügen gönnen sie uns, nicht die Luft gönnen sie uns, laß Dir ja nichts gefallen, det siehst Du, immer feste eins auf den Kopf, immer festes« Hex-mann, der Vater des Knaben Hermanm derßater derswilliuge und der Anna, die· aus Hunger halbverfaulte Pflaumen aß, währender-, der Vater, im Wirthshaus eine Mark nach der andern ve te, Dermamy des Gaste der vergrätnten Frau« die auf dem SQMEI