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Gerede einer bevorstehenden Amerikanisirung der deut schen Rhedereien will doch nicht verstummen, und die Herren Ballin und Or. Wiegand werden jedenfalls gut daran thun, sehr sorgsam auf der Hut zu fein. Oesterreich-Ungarn. Ueber die Bedeutung der deutschen Sprache in Oesterreich hat der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand eine Hochbedeutfame Rede gehalten. Der Thronfolger betonte die Nothwendigkeit, daß di« deutsche Sprache als Vermittelungsfprache im Interesse des Staates und der Armee von ihrer Bedeutung nichts einbüße. Ta das deutsche Idiom das einzige sei, mit dem man sich in ganz Oesterreich-Ungarn verständigen könne, so müßte Deutsch die Armeesprache bleiben. Der Erzherzog versicherte weiter, daß die Bestrebungen der Deutschen, ihre Sprache als Staatssprache zur ge- schlichen Anerkennung zu bringen, seine vollsten Sym pathien haben und er sie darin, soweit es in seinen Kräften stände, unterstützen würde. Afrika. Auf dem westlichen Kriegsschauplätze müssen die Engländer noch eine ganz unerwartete Menge böser Erfahrungen sammeln. Die Kämpfe um Mafeking sind noch nicht verschmerzt, und schon sind den englischen Truppen in der Umgebung Kimberleys Ueber- raschungen unangenehmster Natur zu Theil geworden. Bei Griquatown versuchten die englischen Abtheilungen eine Colonne Buren aus einer festen Stellung zu ver treiben und auf das Freistaatgebiet zurückzuwerfen. Dieser Versuch kam den Briten theuer zu stehen, sie bezahlten ihn mit dem Verlust mehrerer Todten und Verwundeten, unter den Todten ein Major, der die Abtheilung commandirt hatte. Wie aus Calcutta gemeldet wird, sollen demnächst 6000 Mann aus verschiedenen indischen Regimen tern nach Südafrika entsandt werden. Die Ent blößung Indiens von Streitkräften, auf die sich Eng land schlimmsten Falls verlassen kann, rächt sich unter Umständen noch recht bitter. Wie ungern die Inder das Joch der englischen Oberherrschaft tragen, ist be kannt. Bietet sich ihnen die Gelegenheit, es abzuschütteln, so werden sie zu handeln wissen. Die Börsengerüchte, daß England die Entsendung weiterer Truppen nach Südafrika überhaupt eingestellt habe, da der Burenkrieg weitere Verstärkungen englischer Streitkräfte nicht mehr bedürfe, ist natürlich eitel Schwindel. Das neutrale Portugal hat sich während des ge- sammten bisherigen Kriegsverlaufs in Südafrika so wenig als selbständige Macht und so häufig als ge fügiges Werkzeug in der Hand Englands bewiesen, daß man die Nachricht nicht ohne Weiteres wird abweisen können, es sei nun ganz und gar zum Bundesgenossen Englands avancirt. Italienische Blätter wissen nämlich zu melden, Portugal wolle jetzt seine Neutralität ganz aufgeben, nachdem 880,000 Pfund Sterling, welche Portugal aus einer früheren Anleihe schuldete, Von England gestrichen worden sind. Sollte sich diese Meldung wirklich bestätigen, was wir schließlich doch kaum glauben können, dann würde Portugal nicht anders, als wie eine feile Dirne gehandelt haben. Unterhaltungstheil. Eine reiche Partie. Erzählung von Felix von Stenglin. 7) (Fortsetzung.) „Ja, hm." Herr von Jürgen sann nach. „Und Sie würden sie vorher keinem anderen —" „Wenn Sie einen Eventual-Vertrag mit mir ab schließen, halt ich sie Ihnen frei, — natürlich nur so weit es in meiner Macht steht." „Also darüber werden auch Verträge abgeschlossen?" „Geschäft —" „Nun freilich, Geschäft!" erwiderte Jürgen spöttisch. Und er trat ans Fenster und blickte hinaus auf die Straße. Ein lebhaftes Treiben hin und her. Drofchken und Pferdebahnen rollten vorüber, hastig eilten die Menschen aneinander vorbei. Wie kam er in diese Straße? In diese Behausung? War er wirklich hier bei dem sogenannten Generalagenten und Kassendirector von Warnshagen, der ihm neulich noch solche Miß achtung eingeflößt hatte? Stand er im Begriff, seinen Sohn um Geld zu verkuppeln? Und er ließ sich auf den Stuhl am Fenster fallen und barg stöhnend den Kopf in die Hände. Lange saß er so da, und Warnshagen störte ihn nicht. Endlich schien Jürgen seinen Gedanken eine andere Richtung gegeben zu haben, Er nahm die Hände vom Gesicht und hob den Kopf. „Tas Leben fordert Opfer, lieber Warnshagen," sagte er ruhig und ernst. „Wem sagen Sie das, Jürgen! Betrachten Sie mich, wie ich jetzt bin. Nur aus Opfern zusammenge setzt." Jürgen erhob sich entschlossen. „Ich werde mit meinem Sohne sprechen." Tas Blutregiment Kitcheners, dem der wackere ! Burencommandant Scheepers zum Opfer gefallen ist, und dem der heldenhafte Kruitzinger, dessen Sache gegen wärtig vor einem Kriegsgericht verhandelt wird, zwei felsohne gleichfalls anheimfallen wird, schreckt die Buren schon lange nicht mehr, bestärkt sie vielmehr nur in dem Entschluß, Alles zu wagen, um ihr geliebtes Land vor dem Schicksal zu bewahren, von einem Lande regiert zu werden, das einen Kitchener zu seinen Helden zählt. Die Buren verzichten auf jedes Friedensanerbieten, sie verfügen über Pferde, Munition und Lebensmittel und können und werden den Engländern noch recht lange Stand halten. Aus dem Muldenthale. »Waldenburg, 21. Januar. Auf Anordnung des königl. Landesmedicinalcollegiums in Dresden wurde heute das hiesige Seminar wegen Auftretens gastrischer Erscheinungen bei einer großen Anzahl Seminaristen geschlossen. *— Beim hiesigen Stadtrath ist eingegangen Reichs- Gesetzblatt Nr. 2, enthaltend: Bekanntmachung, betreffend die Anlegung von Mündelgeld in Kur- und Neumärkischen Ritterschaftlichen Communal-Scyuldverschreibungen. Be kanntmachung, betreffend die Vereinbarung erleichternder Vorschriften für den wechselseitigen Verkehr zwischen den Eisenbahnen Deutschlands und der Schweiz. *— Die Abschaffung der Gerichtsferien bezweckt ein Beschluß, der von der Handelskammer zu Dresden ge faßt wurde und an maßgebender Stelle angebracht werden soll. *— Eine körperliche Züchtigung fremder Kinder wegen der von ihnen begangenen Unarten ist oft am Platze, vielfach aber scheut sich derjenige, der die Veran lassung dazu hätte, die Züchtigung vorzunehmen, weil er fürchtet, er könne sich damit strafbar machen. Diese Befürchtung ist aber unbegründet! In der Rechtsprechung ,wird ein sogenanntes abgeleitetes Züchtigungsrecht an erkannt, d. h. es wird das Recht zur körperlichen Züchtigung von jugendlichen Personen auch denen zu gestanden, die nicht zur Erziehung dieser jugendlichen Personen berechtigt und verpflichtet sind unter der Voraussetzung, daß der dem Gezüchtigten zur Last fallenden Unart nur durch eine sofortige Züchtigung be gegnet werden kann, daß das Anrufen der Erzieher zu diesem Zwecke unmöglich ist, und daß die züchtigende Person annehmen kann, sie handle im Sinne der Er zieher des Gezüchtigten. Gegenüber der allgemeinen Klage über die zunehmende Roheit der Jugend erscheint ein Hinweis darauf geboten. *— Vom königlichen Ministerium des Innern wird folgende Verordnung erlassen: Im Hinblick darauf, daß der Z 136 der Gewerbeordnung durch den Artikel 12 des Gesetzes vom 30. Juni 1900 einen Zusatz er halten hat, wird der dritte Absatz des Abschnittes VI der Beilage IV zur Verordnung vom 28. März 1892, die Ausführung der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich betreffend, hiermit aufgehoben und durch folgen des ersetzt: „Zwischen den Arbeitsstunden müssen an jedem Arbeitstage regelmäßige Pausen gewährt werden. IV. „Lieber Helmuth, ich habe, glaub' ich, ein Mittel gefunden, Dir zu helfen. Zwingen kann Dich natürlich keiner zu dem Mittel, aber ich bitte Dich, betrachte die Sache vorurtheilsfrei und ruhig.". Diese Eingangsworte des Vaters, der den Sohn in dessen Wohnung aufgesucht hatte, waren nicht sehr er- muthigend für Helmuth. Fragend sah er auf. „Wenn Du ein Mittel weißt," erwiderte er gedrückt, — „es bleibt mir ja wohl nichts übrig, als es anzunehmen." Der Vater hielt es für das beste, gleich aufs Ziel loszugehen, aber er fühlte, daß es nicht das richtige war, die ernsten Seiten der Angelegenheit hervorzu kehren. Das konnte den Sohn leicht kopfscheu und un lustig machen. „Du erlaubst wohl, daß ich mich setze. Hast Du auch eine Cigarre?" Und behaglich nahm Herr von Jürgen Platz, nahm aus der Kiste, die der Sohn ihm hinreichte, eine Cigarre und zündete sie sich gemächlich an. „Sage mal, lieber Junge — aber setz Dich doch auch, wir können das ja in aller Ruhe besprechen — irgend welches Faible für eine weibliche Persönlichkeit hast Du nicht?" Helmuth sah erstaunt auf. „Nein. Wie kommst Du darauf, Papa?" „Na, wenn Dein Herz frei ist, wirst Du eher ge neigt sein, eine junge Göttin und — Gattin dort ein ziehen zu lassen — — sollte sie selbst Puhlmann heißen, wie?" „Ich verstehe Dich noch nicht recht, Papa. Ich soll -" „Tu sollst nicht. Aber es steht Dir frei, wenn Du willst, in kurzer Zeit sowohl Ehemann wie schuldenfrei zu werden." Helmuth erhob sich und trat ans Fenster. Der Vater fuhr fort. „Das klingt 'n bißchen un fein, nicht wahr? Hm, finde es ja auch. Es hat Für jugendliche Arbeiter, welche nur 6 Stunden täglich beschäftigt werden, muß die Pause mindestens eine halbe Stunde betragen. Den übrigen jugendlichen Arbeitern muß mindestens mittags eine einstündige, sowie vormit tags und nachmittags je eine halbstündige Pause ge währt werden. Eine Vor- und Nachmittagspause braucht nicht gewährt zu werden, sofern die jugendlichen Arbei ter täglich nicht länger als 8 Stunden beschäftigt wer den und die Dauer ihrer durch eine Pause nicht unter brochenen Arbeitszeit am Vor- und Nachmittage je vier Stunden nicht übersteigt (Z 136 Abs. 1)." — Ueber die Errichtung eines Genesungsheims, welche Frage bereits seit Jahren neben dem Bezirkstag selbst auch die städtischen Körperschaften in Glauchau und die Krankenkassen-Vereinigungen des Bezirks beschäftigte, wurde in der letzten Bezirksversammlung, die am Sonnabend im Sitzungssaale der Kgl. Amtshauptmann schaft in Glauchau stattfand, Beschluß gefaßt. Es wurde im Prinzip die Errichtung eines Bezirks-Ge nesungsheims beschlossen. Dagegen blieb die Frage, wann und wo dies geschehen soll, noch unerledigt. Eine diesbezügliche Vorlage seitens des Bezirksaus schusses soll in der nächsten Sitzung erstattet werden. Einstweilen hat sich Glauchau zur (ev. unentgeltlichen) Hergabe eines Bauplatzes im Rümpfwalde bereit erklärt. Der Bezirkstag beschäftigte sich u. a. auch mit der ev. Erweiterung der Bezirksanstalt in Lichtenstein, die regel mäßig zahlreiche Pfleglinge aus Glauchau aufweist. Es wurde beschlossen, den projectirten Umbau vorläufig nicht ausführen zu lassen. — Ein unverhoffter Familienzuwachs wurde am Sonntag Abend einer Familie in Glanchau durch die Geburt von Drillingen zu thcil. Leider ist von den drei kräftigen Knaben einer alsbald verstorben. — Unsere Nachbarstadt Glaachau, wo man trotz der günstigen Badegelegenheit in der Mulde bekanntlich ein Stadtbad gebaut hat, macht mit diesem ganz gute Geschäfte, denn in der Zeit seit Eröffnung des Bades (25. Mai) bis Ende Tecember sind 12,066.69 Mark Einnahme erzielt worden, das ist in 7 Monaten etwa so viel, als man für ein ganzes Jahr vorgesehen hatte. Aus dem Sachsenlande. — Tie 2. Kammer trat am Montag Mittag 12 Uhr zur 28. öffentlichen Sitzung zusammen, der am Regierungstische sämmtliche Herren Staatsminister, sowie mehrere Regierungscommissare beiwohnten. Auf der Tagesordnung stand die Interpellation des Abg. Gontard und Genossen: „Ist die Staatsregierung geneigt, den Ständen einen Gesetzentwurf über die Oberrechnungs kammer vorzulegen, der seinem Inhalte nach einer Vor lage Vom 18. October 1873 entspricht?" Abgeordneter Gontard begründet die Interpellation in eingehender Weise und sucht die Reorganisation der Oberrechnungs- kammer unter Anführung mehrerer gravirender Fälle zu begründen. Darauf ergriff Staatsminister v. Metzsch das Wort zur Beantwortung der Interpellation. Er legte die Gründe dar, die maßgebend gewesen seien, bisher von einer Reorganisation abzusehen, und er lehnte es auch ab, eine Verpflichtung zur Vorlage eines 'was Peinliches, aber man muß manchmal das Peinliche thun, um das noch Peinlichere zu vermeiden. So müssen wir die Sache ansehen. Kurz und gut, Herr von Warnshagen, ein früherer Kamerad von mir, dem ich mich anvertraute, hat mir diesen Rath gegeben. Er kennt in Friedrichsthal einen sogenannten Millionen bauern mit Namen Karl Puhlmann, Pisang, aber reich. Und Röschen ist seine einzige. Soll ja 'n Ausbund von Schönheit und Liebenswürdigkeit sein. Na, ich denke, da fährst Du mal mit Warnshagen herüber und machst die Bekanntschaft. Ansehen kostet ja nichts." Helmuth erwiderte nichts. Mit ernster Miene sah er zum Fenster heraus. „Nun? Hast Du keine Antwort für Deinen Vater?" Helmuth wandte sich um. Er ging auf den Vater zu und erfaßte dessen Hand. „Lieber Vater", sagte er, „Du meinst es ja gut, aber ich bitte Dich, erlasse mir das!" Nun nahm Herr von Jürgen ebenfalls eine sehr ernste Miene an. „Tu — willst nicht? Na ja. Deine Sache ist es ja. Aber ich weiß nun nichts mehr, mein Muth, meine Spannkraft ist erschöpft." Er erhob sich langsam. Helmuth blickte zu Boden. „Es scheint mir so ent würdigend, mich da einzudrängen und Liebe und alles mögliche andere zu heucheln. Ich bringe es nicht fertig. Ja, wenn das einfach geschäftsmäßig abzu- machen wäre, dann noch eher. Beide Theile wüßten, was sie geben und empfangen. Aber so — verlangen sie doch, daß man so thut, — — Nein, nein, Papa! Und die Verwandtschaft, denke doch nur! Was würde Mama dazu sagen! „Lieber Junge, wir sind alle Menschen vor Gott." „Ja, ja, aber verschiedene Menschen, aus einer anderen Sphäre. Das läßt sich doch nun einmal nicht verwischen, und wenn man noch so demokratisch ge sonnen ist." . ' - (Fortsetzung folgt.)