Volltext Seite (XML)
eine als Frau verkleidete Mannsperson gehalten. Die Dame hat Beschwerde beim Polizeidirector erhoben.^ > Oesterreich-Ungarn. kHUeber den Stand der Ausgleichsverhandlungen liegen wieder einmal günstigere Nachrichten vor, neben denen allerdings auch weniger zuversichtliche einherlaufen. Der Entwurf des neuen Zolltarifs soll fertig gestellt sein; man erwartet in Wien, daß dieser Entwurf in den Parlamenten Oesterreichs wie Ungarns angenommen sein werde, ehe noch die Verhandlungen mit Teutsch, land ausgenommen sein werden. Der österreichische Reichsrath wird zu Beginn der zweiten Octoberhälfte zusammentreten. Frankreich. Aus dem französisch-siamesischen Confliet, an dem Eng land seine Freude hatte, ist zu dessen bitterem Mißver gnügen ein französisch-siamesischer Vertrag heraus- gewachsen. Diesem Vertrage zufolge werden einige Gebietstheile zwischen Frankreich und Siam ausgetauscht, letzteres verpflichtet sich außerdem, längs des Mekong nichts ohne französische Einwilligung construiren zu lassen und dort nur siamesische Truppen unter siamesischen Offizieren zu verwenden. Die von England angestrebte franco-englische Verständigung ist nicht erreicht worden. Trotz der liebenswürdigen Worte des Ministerpräsi denten Combes an die Arbeiter wird der Kohlen bergarbeiterstreik dennoch ausbrechen. Wenn auch der Ausbruch eines allgemeinen Streiks nicht befürchtet wird, so rechnet man doch damit, daß in den verschiedenen Districten im Ganzen etwa 100,000 Personen in den Ausstand treten werden. Belgien. Tie in der Brüsseler „Harmonie" abgehaltene Ver sammlung gestaltete sich zu einer überwältigenden Sympathiekundgebung für die Burengenerale. Die Anwesenden wollten den Saal nicht verlassen, ohne den Generalen die Hand gedrückt zu haben. Es war bereits 1 Uhr nachts, als die Generale endlich den Saal verlassen konnten, die Menge begleitete sie unter fortwährenden Hochrufen bis zum Hotel. Die Polizei verhaftete einige Personen, welche die Rufe: Nieder mit den Engländern! Nieder mit Chamberlain! ausge- stoßen hatten. Gestern Nachmittag besuchten die Generale das Schlachtfeld von Waterloo. England. Wie es englischen Bundesgenossen ergeht, er fährt Japan jetzt in sehr nachdrücklicher Weise. Japan muß auf Betreiben Englands ganz gewaltige Rüstungen zu Wasser und zu Lande vornehmen, damit es seinem Bundesgenossen, wenn dieser im fernen Osten in Con- flicte gerathen sollte, sofort thatkräftig beispringen könne. Japan baut nun Kriegsschiffe und vergrößert seine Armee nach einem auf 6 Jahre berechneten Plane, der für jedes Jahr Ausgaben von mehr als 40 Millionen Mk. Vorsicht. Japan hat bekanntlich kein Geld, England streckt's ihm vor, streckt's ihm gegen einen hohen Zins satz gern und bereitwillig vor. Japan aber, das das geborgte Geld in Englands Interesse anlegt, gelangt durch seine Schulden in immer tiefere Abhängigkeit von England, das, sobald es sich erst genügend sicher fühlt, auch den Japanern seine wahre Gestalt zeigen wird. Amerika. Eine Verschlimmerung im Befinden des Präsi- denten Roosevelt wird von Newyorker Blättern ge meldet. Es heißt da, die Heilung der Kniewunde lasse viel zu wünschen übrig. Die Aerzte hätten dem Präsi denten nach den letzten arbeitsreichen Tagen vollständige Ruhe für 8 Tage verordnet. Das klingt recht bedenk- lich. Ist die Wunde bisher nicht geheilt, dann liegt auch eine tiefere Entzündung vor, die zu ernsten Be sorgnissen Anlaß bietet. Die amerikanischen Aerzte nehmen die Dinge zu leicht, das steht außer Frage. Obwohl die Conferenzen bei Roosevelt zwecks Bei legung des Kohlenarbeiterstreiks vollständig ge scheitert sind, so giebt der Präsident doch die Hoffnung noch nicht auf, den Ausstand friedlich beizulegen. Er hat den Präsidenten des Bergarbeiterverbandes dringend gebeten, das Mögliche zur Beilegung des Streiks zu thun, mit dem Versprechen, seinerseits darauf hinzuwirken, daß alle berechtigten Forderungen der Bergarbeiter er füllt würden. Da die Arbeiter längst die Gewißheit erlangt haben, daß sie die Allmächtigen geworden sind, so werden sie sich auf freundliches Zureden und Ver sprechungen kaum einlassen, sondern sofortige Abhilfe der von ihnen gerügten Mißstände verlangen. Und dieser Forderung kann Herr Roosevelt und seine Re- gierung nicht entsprechen. Tas ist Sache der Kohlen- Magnaten, die einstweilen noch nicht gewillt sind, den Arbeitern auf ihre Kosten Zugeständnisse zu machen. Aus dem Muldenthale. ^Waldenburg, 8. October. Tie Staalsregierung hat auf Antrag der Eisenbahnverwaltung die versuchs weise Einführung von Motorwagen auf normalspurigen Bahnen beschlossen. Tie ersten Wagen sollen am I. Mai 1903 in Betrieb gesetzt werden. *— Tie neuerbaute Turnhalle des hiesigen Turn vereins wurde mit dem gestrigen Tage auch von der hiesigen Schuljugend in Benutzung genommen. Herr Director Bürger hielt vor Beginn der ersten Turnstunde in den Oberklassen selbst eine kurze Ansprache an die Kinder, in welcher er seiner Freude Ausdruck gab, daß auch die Schuljugend in der schönen neuerbauten Turnhalle Aufnahme gefunden habe. Er wies die Kinder darauf hin, daß sie nur Gäste in diesem Hause seien und sich deshalb jederzeit durch ein gesittetes, wohlanständiges Betragen auszeichnen möchten. Zur Erinnerung an diese Stunde wurden unter die Kinder Postkarten mit der Ansicht der neuen Turnhalle ver- thcilt, die Herr A. Leonhardt als aufrichtiger Freund der Schuljugend in sinniger Weise gestiftet hatte. Auch in den übrigen Klassen wurde von den betreffenden Turnlehrern in ähnlicher Weise auf die Bedeutung dieses Tages hingewiescn. *— Nach Paragraph 29 der Postordnung dürfen bei den posthülfstellen gewöhnliche Briefsendungen und bei denjenigen Posthülfstellen, welche zur Annahme von Packeten ermächtigt sind, auch gewöhnliche Packete ein geliefert werden. Die Annahme von Einschreibsendungen, Sendungen mit Werthangabe und Postanweisungen ge hört dagegen nicht zu den dienstlichen Verpflichtungen der Posthülfstellen; es können jedoch auch solche Sen dungen, im Einzelnen bis zum Werthbetrage von 800 Mark, bei den Posthülfstellen zur Weitergabe an die Landbriefträger niedergelegt werden. Diese Niederlegung ist indeß lediglich Vertrauenssache der Absender gegen über dem Inhaber der Posthülfstelle. Die Haftpflicht der Postverwaltung beginnt erst mit erfolgter Ablieferung der Sendung an den Landbriefträger. In ähnlicher Weise, wie dies für die Landbriefträger hinsichtlich der auf ihrem Beftellgang angenommenen Sendungen vor geschrieben ist, hat auch der Inhaber der Posthülfstelle die bei dieser eingelieferten Packete, sowie die niederge legten Einschreibsendungen, Sendungen mit Werthangabe und Postanweisungen, sogleich in sein Annahmebuch ein- zutragcn. Davon, daß dies geschieht, kann sich der Einlieferer selbst überzeugen; er ist indessen auch befugt, die Eintragung in das Annahmebuch selbst zu besorgen. Im allseitigen Interesse empfiehlt es sich sehr, von dieser Befugniß Gebrauch zu machen, also die bei den Posthülfstellen niederznlcgenden Packele, Postanweisungen, sowie Werth- und Einschreibsendungen ebenso wie die den Landbriefträgern mitzugebenden Sendungen thun- lichst eigenhändig in das Annahmebuch der Posthülf stelle oder des Landbrieflrägers einzutragen oder wenigstens sich von der Buchung durch den Posthülf- stelleninhaber oder den Landbriefträger zu überzeugen. *— Tie vom „Leipz. Tageblatt" gebrachte Meldung, daß im Glauchau-Meerane-Greizer Jndustriebezirk von 45,000 Webstühlen 15,000 außer Betrieb sind, ist, wie die zuständigen Jndustriellcnverbände mittheilen, bedeutend übertrieben. In den angeführten Städten stehen nicht ein Tritte! so viel Stühle als die obener wähnten 15,000 *— Wir lesen in der „Franks. Ztg." Folgendes: „In einer Stuttgarter Versammlung des Volksvereins für das katholische Deutschland hat unlängst Prinz Max von Sachsen (ein Sohn des Königs Georg), der sich, wie bekannt, dem geistlichen Stand gewidmet hat, einen Vortrag über die Makkabäer gehalten und eine Reihe von politischen Nutzanwendungen daraus gezogen . . . Prinz Max wies in seiner Rede auf die Begeisterung, den Kriegsmuth und die Unerschrockenheit der Makkabäer für die heilige Sache hin und wünschte diese Eigen schaften den Kämpfern für die katholische Kirche, die mit reiner religiöser Begeisterung und einer aus reiner Absicht hervorgehendcn Aufopferung den Kampf mit den Gegnern führen möchten. Man dürfe nicht mit leib lichen und fleischlichen Waffen kämpfen, sondern nur mit geistigen; niemals dürfe man sich beflecken durch Mittel der Lüge oder irgendwelche andere Mittel, die gegen die Nächstenliebe seien. Niemand werde an den Makkabäern jenes Ungestüm billigen, womit sie die Feinde dem Fluche weihten oder die Frevler ohne Weiteres dem Flammentod überlieferten, Niemand werde ihr Abweichen vom Religiösen und Sichvcrlieren in politischem Ehrgeiz gutheißen. Von jenen Fehlern sollen wir uns freihalten, denn wenn wir sie begehen würden, Unterhaltungstheil. Äug' um Auge, Zahn um Zahn. Roman von Karl Eden. 69) (Fortsetzung.) Sie bieten einen schrecklichen Anblick, diese wilden Thiere in Menschengestalt, diese Verbrecher, welche zu harter Arbeit im Innern der Erde verurtheilt sind, bis sie sich öffnet, um sie für immer aufzunehmen. Es ist kaum eine Stunde nach Tagesanbruch. Die Sonne gießt ihre Strahlen über die Erde aus, die Vögel Hüpfen fröhlich von Zweig zu Zweig, alles wäre ruhig, friedlich, schön ohne die Gegenwart dieses Auswurfs der Menschheit. Plötzlich verstummt alles: der Com- Mandant, Oberst Newkin, tritt in die Einzäunung. Er schreitet die Reihen der Gefangenen entlang, dann wird in scharfem Tone ein Befehl gegeben, und die Ver brecher marschiren ab an ihre tägliche Frohnarbeit. Sie haben drei Meilen zu gehen, bis sie den Arbeitsort er reichen. So war es gestern, so ist es heute und so wird es morgen sein, bis endlich das Ende kommt. Die Sträflinge waren durch den Pallisadenzaun ver schwunden und der Commandant unterhielt sich mit den ihm untergebenen Offizieren. „Todesfälle, Doctor?" fragte er nachlässig und ohne die Cigarre aus dem Mund zu nehmen. „Nur einer, Herr Oberst," antwortete der Arzt, die Mütze berührend. „Nr. 27 — ein nichtsnutziger, unzu friedener Bursche! Gut, daß wir ihn endlich los ge- worden sind!" „Nr. 27," widerholte der Commandant nachdenklich, „war das der Schurke, der meinen Vorgänger anzeigte, weil er ihn an den Schubkarren schmieden ließ?" „Derselbe," erwiderte der Arzt lachend, „aber der gleichen hatten wenig Einfluß auf meinen damaligen Chef, und die Drohung, ihn sechs Monate in der ver lassenen Mine arbeiten zu lassen, brachten den Burschen auf bessere Gedanken, und er zog die Klage wieder zurück." „Die verlassene Mine ist wirklich ein Segen für uns," bemerkte der Commandant, „die unbändigsten Schurken werden gefügig bei der bloßen Drohung, sie dorthin zu senden." „Tort wird ein anderer Arbeiter nöthig sein," be merkte der Adjutant, „da Nr. 27 uns weiteren Sorgen seinetwegen überhoben hat; wen soll ich hinschicken, Herr Oberst?" „Wo ist der Bursche, der mit dem letzten Transport kam und der die Unverschämtheit hatte, mir ins Ge sicht zu sagen, er sei ein Engländer?" „Iwan Iwanowitsch?" fragte der Doctor, „der ist im Hospital; aber ich glaube, jetzt ist er wieder gesund genug, um zu arbeiten." „Dann schicken Sie ihn heraus, Doctor, ich will ihn sehen; ein durchtriebener Schurke! Bodiskow deutet an, er möchte ihn gerne los sein! Was für ein Glück der Graf hat! Ich war länger als er im Regiment, und jetzt höre ich, daß er bald eine Gouverneurstelle in Polen erhalten wird, während ich die besten Jahre meines Lebens unter diesen asiatischen Wilden verliere! Ah, da kommt der Gefangene!" Vor der Thür eines einzeln stehenden Hauses, welches bald als Hospital, bald als Leichenhaus diente, näherte sich eine Gestalt in Sträflingskleidung, aber ohne Ketten, begleitet von zwei Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten. Ter Gefangene ging langsam, da er noch schwach war; aber den Kopf trug er hoch, und seine ganze Haltung war gänzlich verschieden von dem schleichenden Gang, den man gewöhnlich bei Sträflingen bemerkt. Er näherte sich der Gruppe, deren Mittelpunkt der Com- mandant war, und blieb vor diesem auf Geheiß der Wache stehen, doch ohne ein Zeichen von Unterwürfigkeit. „Nun, Iwan Iwanowitsch," bemerkte der Oberst, „der Toctor sagt mir, Tu seist arbeitsfähig. Hoffentlich hast Tu jetzt den dummen Witz, Du seist ein Eng länder, aufgegeben?" Eine Röthe stieg auf dem bleichen Gesicht des Ge fangenen auf, aber er erwiderte kein Wort. „Warum antwortest Du nicht?" fragte der Oberst laut und ungeduldig. „Ta Sie darauf bestehen, muß ich antworten," er widerte der Gefangene. „Ich bin ein Engländer, ob gleich die bloße Thatsache meiner Nationalität mir hier wenig Helsen kann." „Unverschämter Strolch!" rief der Offizier wüthend. „Du wagst es, mir diese Lüge ins Gesicht zu wider holen? Deine Papiere beweisen klar, daß Du Iwan Iwanowitsch bist, der Nihilist Nikitzki." „So sagen die Richter, die mich ungerechter Weise verurtheilt haben, aber ich habe von dem Manne nie etwas gehört. Ja, Sie können mich bestrafen," fuhr der Gefangene fort, beim Anblick der Zornröthe, die auf dem Gesicht des Obersten aufstieg, „Sie können mich mißhandeln und mit Ketten beladen, aber ich werde niemals aushören, zu sagen, wer ich bin, und der Tag wird einst kommen, wo Sie alle Ihre Beleidigungen bitter bereuen werden." Sein Ton war trotzig und die hohe Gestalt richtete sich auf; aber einer der Nebenstehenden schlug ihm auf den Mund, während auf ein Zeichen des Adjutanten die Wachen den Gefangenen ergriffen, und nach dem Hospital zurückführten. „Bestie! Nihilistischer Hund!" schrie der Oberst wüthend, „das wirst Tu bereuen! Ein Engländer will er sein! Nun, in der verlassenen Mine kann er über seine Heimat nachdenken! Hören Sie, Adjutant, er soll die Stelle von Nr. 27 einnehmen, und sagen Sie Pugatschin, daß er kurz gehalten wird. Nach einigen Monaten dort unten wird er ein anderes Lied singen!" Damit wandte er sich um und entfernte sich, um zu frühstücken, nachdem er den Unglücklichen zu der schlimmsten Strafe verurtheilt hatte, die zu seiner Verfügung stand. (Fortsetzung folgt.)