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so daß sie die Zurückziehung ihrer Truppen aus Schanghai davon abhängig machen würde, daß England, Frankreich und Japan das Gleiche thun. Hierauf darf angenommen werden, daß in absehbarer Zeit in diesem Sinne gleich lautende Erklärungen der vier betheiligten Mächte vor liegen werden, wie dies seiner Zeit auch in Bezug auf Tientsin geschehen ist. Gerade so wie für Tientsin würde aber auch für Schanghai die thatsächliche Räu mung selbst eine spätere Phase bedeuten, weshalb ab- gewartet werden muß, wenn dieser Zeitraum eintreten wird. Die Errichtung der katholisch-theologischen Facul- tät in Straßburg erscheint nach einer Meldung der ,.Köln. VolkSztg." als gesichert. In den Grundlagen ist eine vollständige Einigung zwischen Berlin und Rom erzielt. Zu erledigen sei noch eine Nebenfrage, über welche die Verhandlungen noch schweben. Oesterreich-Ungarn. Die dritte Lesung des autonomen Zolltarifs durch die österreichischen und ungarischen Ministerialreferenten geht ihrem Ende entgegen. Für die allernächsten Tage steht der „Voss. Ztg." zufolge eine Reise des öster reichischen Ministerpräsidenten v. Körber nach dem Eommerfitz des ungarischen Ministerpräsidenten v. Szell bevor. Am 16. August findet ein österreichischer Ministerrath statt, zu dem alle Minister in Wien ein treffen werden. Tags darauf sollen Körber und Szell etwaige letzte Meinungsverschiedenheiten ordnen und sich dann zu Kaisers Geburtstag, den 18. d., an daS Jschler Hoflager begeben, wo dann in einem Kronrath der Aus gleich endgültig erledigt werden soll. Frankreich. Tie Verordnung bezüglich Schließung derjenigen geistlichen Schulen, die die Genehmigung deS Staates nicht nachgesucht haben, ist nun in ganz Frankreich bis auf drei Bezirke der Bretagne durchgeführt worden. In diesen Bezirken kommt es noch Tag für Tag zu mehr oder minder heftigen Zusammenstößen, und bei der Halsstarrigkeit der Bretonen ist auch ein voller Sieg der Regierung kaum so bald zu erwarten. Aber was will es für Frankreich bedeuten, wenn in diesem ent legenen nordwestlichen Zipfel noch einige Straßen tumulte stattfinden. Im Großen und Ganzen kann mau den Kampf um die Schulen bereits als beendigt ansehen, sogar trotz des Rundschreibens des Herzogs von Orleans an die royalistischen Vereine, in dem zur Ergreifung thatkräftiger Maßregeln aufgefordert wird. Nur noch ein wenig Geduld! England. England erlebt also das seltene und wahrlich nicht erfreuliche Schauspiel, daß in der Westminster-Abtei ein König gekrönt wird, über den noch fortdauernd Kranken berichte ausgegebrn werden müssen. Am Sonntag nach der Krönung wird ein neues Bulletin erscheinen, ebenso wie ein solches nach der Ankunft des Monarchen in London veröffentlicht wurde, worin mitgetheilt wird, daß der König die Reise ohne die geringste Ermüdung ertragen und darauf eine vorzügliche Nacht gehabt hat. Hoffentlich erträgt der König auch die Krönungsfeier ohne Schaden, so hart und rücksichtslos auch die Zu- muthung an den doch noch immer nicht völlig Genesenen war, sich den Strapazen dieser Feier schon jetzt zu unter ziehen, zumal es doch nun auf ein paar Wochen früher oder später garnicht ankam. Von fürstlichen Gästen nehmen der Prinz und die Prinzessin Heinrich von Preußen, der Großherzog von Hessen, das griechische Kronprinzenpaar und der Kronprinz von Dänemark als Anverwandte des englischen Königshauses an der Krö nungsfeier Theil. lieber den Besuch des Präsidenten Krüger bei seinem Freunde Steijn liegen eine Anzahl Berichte aus Scheveningen vor, die jedoch mit großer Vorsicht aufzunehmen find, da sie theilweise widersprechende An gaben enthalten. Als feststehend darf gelten, daß der alte Krüger nur etwa zwei Minuten am Lager Steijns weilte und gerade nur Zeit hatte, diesem seine herz lichsten Wünsche für baldige Genesung auszusprechen. Man darf nach dem Zustande des Kranken hoffen, daß diese Wünsche in Erfüllung gehen werden. Ueberall, wo sich der greise Krüger zeigte, war er der Gegenstand lebhaftester Ovationen. Namentlich erschollen nicht enden wollende Hochrufe, als Krüger vor dem Hause Steijns vorfuhr. Es verdient bemerkt zu werden, daß sich an diesen Kundgebungen auch die zahlreich anwesenden Engländer betheiligten. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 8. August. Die Firma Heinrich Christa Härtel hierselbst konnte am 1. d. auf ein 125jähriges Bestehen (begründet wurde das Geschäft am 1. August 1777) zurückblicken. Tas Geschäft hat sich im Laufe dieser Zeit zu einem der bedeutendsten in der Strumpfwaarenbranche entwickelt. *— Mit Toilette-Einrichtungen soll ein Theil der neu zu erbauenden Wagen 4. Klasse auf Verfügung der betheiligten Eisenbahn-Directionen versehen werden. Ta bereits einige Züge, z. B. auch auf der Thüringer Bahn, mit diesen neuen Wagen laufen, wird in Kürze bald einem dringenden Bedürfnisse abgeholfen sein, um so mehr, da jedem Personenzuge mindestens ein solcher Wagen beigegeben werden soll. *— Die Frage, ob bei Aufhebung des Verlöbnisses die gewechselten Briefe zurückzugebcn sind, beantwortet die juristische Zeitschrift „Das Recht" dahin, daß dem Briefschreiber ein Rechtsanspruch auf Rückgabe seiner Briefe nicht zusteht, wenn es auch allgemein als eine Anstandspflicht empfunden werde, die gewechselten Briefe zurückzugeben. Der vertrauliche Charakter der zwischen Verlobten gewechselten Briefe bedinge aber für den Empfänger die Verpflichtung, die Briefe discret zu be handeln und es könne die Verletzung dieser Verpflichtung geeignetenfalls eine Schadenersatzpflicht begründen. — Dienstag Abend traf in Glaucha« die erste Sendung russischer Gänse (1100 Stück) ein. Die Thiere kommen, sobald sie die vorgeschriebene dreitägige Quaran täne durchgemacht, durch die Unterhändler zum Verkauf. — In den Tagen vom 16. bis 18. August a. c. wird in Glauchau der 20. Verbandstag dramatischer Vereine Sachsens, verbunden mit 60jährigem Jubiläum des „Theater-VereinS Glauchau" abgehalten werden. — Eine für die Stadt Glaucha« sehr erfreuliche Mittheilung machte in der letzten Stadtverordnetensitzung Herr Stadtv.-Vorsteher Ulrich daselbst: Ein Glauchauer, dessen Name leider nicht genannt wurde, hat der Stadt 30,000 Mk. geschenkt, mit deren Zinsen alljährlich eine Reihe von Wohlthätigkeitsanstalten bedacht werden. — Der angesehene Kaufmann Hammer in Zwickau, welcher seit Montag Nachmittag vermißt wurde, ist am 6. d. gegen Abend im Weißenborner Walde erhängt aufgefunden worden. H., der bis vor Kurzem Mitglied des katholischen Kirchenvorstandes war, soll die That ans Schwermuth wegen eines körperlichen Leidens aus geführt haben. — Seinen Verletzungen erlegen ist im Kreiskranken- stift zu Zwickau der Schaubudenbefitzer Sintzenich, der sich am Sonnabend bei Eröffnung der Vogelwiese in Werdau in selbstmörderischer Absicht eine Kugel in den Kopf schoß. — Für die Zwickauer Bürgerschulen sind zur Be- schaffung von Wandkarten für die Heimatskunde und zur Drucklegung einer für die Unterstufe bestimmten Heimatskunde, bearbeitet von Herrn Schuldirector Zemm« rich daselbst, für dieses Jahr als erste Rate 600 Mark aus der Stadtkaffe bewilligt worden. — Die neue Wasserleitung für die Zwickauer Vor orte Bockwa, Cainsdorf und Niederhaßlau wird zum Theil Ende dieses JahreS, theils im Sommer nächsten Jahres in Betrieb gesetzt werden. Sie erhält 28^ km Leitungslänge und wird 550,000 Mk. Kostenaufwand erfordern. — Im historischen Park zu Ecktrsbach wurde am Sonntag Abend das Trillerfest durch einen Festzug und dramatische Darstellung des Prinzenraubcs zur Erinnerung an dieses Ereigniß gefeiert. Aus dem Sachsenlande. — Se. Maj. der König Georg hat aus Anlaß seines G eburtstages eine Amnestie erlassen, welche den größten Theil der leichteren Verfehlungen (Uebcrtretungen) des Reichsstrafgesetzbuches, die mit Haft oder Geldstrafe bis zu 150 Mk. bedroht sind, umfaßt. Die Vollstreckung ist am 8. d. vormittags 10 Uhr aufzuheben. Dis Gnadenerweisung greift auch Platz, wenn die Ent scheidung noch nicht rechtskräftig geworden ist, aber bis zum l4. d. eintritt. Tie von dem Gnadenerlaß aus genommenen Verfehlungen beziehen sich auf Betteln, Landstreichen, Vernachlässigung der Familie durch Spiel, Trunk, Müßiggang und ähnliche Zuwiderhandlungen, wegen deren qualifizirte Haft eintritt und wegen deren neben der Haft auf Ueberweisung an die Landespolizei- behördc erkannt werden kann. Für das Militär bleiben von dem Gnaden-Erlasse unberührt die Disciplinar- strafen „Entfernung von der Gefreitencharge", sowie „Einstellung in eine Arbeiter-Abtheilung." Bemerkens- Werth ist noch, daß auch der auf die militärischen Ver hältnisse bezügliche Erlaß die Unterschrift des civilen Justizministers Or. Otto trägt. DaS „Drcsdn. I." er wähnt noch: „Dafür, daß der Regierungsantritt eines Königs mit einer Amnestie begrüßt wird, fehlte es zeither in der Geschichte Sachsens an einem Vorgänge." Unterhaltungstheil. Äug' um Auge, Zahn um Zahn. Roman von Karl Eden. 32) (Fortsetzung.) Plötzlich ging eine andere Gedankenreihe ihm durch den Sinn, und er stampfte zornig auf den Fußboden. „Woher soll ich das Geld nehmen, um Baranow zu bezahlen? Der Bursche hat ein verteufeltes Glück! Geld muß ich haben! Und doch sagt mir Moses Schlumm, Isaak, der Schurke, wolle kein Geld mehr geben! Wenn ich den Wechsel nicht bezahlen kann, den ich Baranow gab, so ist's aus mit mir! Vielleicht ist er schon in andere.Hände übergegangen! O, ihr jüdischen Hunde!" rief er laut, mit den Zähnen knirschend, „ihr werdet eure Niederträchtigkeit noch bitter bereuen! Ei» kennen meine gespannten Verhältnisse und werden immer unverschämter, je mehr die Noth wächst; aber das sollen sie büßen! Wenn es nur erst bekannt wäre, daß ich mit der kleinen Bromirska verlobt sei, so würden ! die Schurken mir ihre Geldsäcke aufdrängen! Wie! schön sie aussah in ihrem Trotz, als sie die polnische Nationalhymne spielte! Schlumm sagte mir, ihr Vetter sei krank und könne nicht mehr lange leben, bei seinem Tode wird sie die reichste Erbin in Polen sein! Und sie muß mein werden!" rief er boshaft, nachdem er ein großes Glas Cognak hinabgegossen hatte, „ob sie will oder nicht! Zuweilen scheint es mir, daß sie diesen jungen Engländer gerne sieht! Ich muß sein Vorleben in die Berichte einflcchten. Ob er mir wohl einige Tausend Rubel leihen würde, um diesen ver fluchten Wechsel einzulösen? Wie wunderbar begünstigt diesen Baranow der Zufall, oder — dis Geschicklichkeit! Verdammt soll er sein!" ß jScine Cigarre war zu Ende, die Flasche geleert, und er legte sich zur Ruhe. Fürst Sudakow's Gedanken waren nicht heiterer Art. - Als Russe kannte er die Macht, die der Graf besaß, l und als Mann von Welt durchschaute er seine Absicht -und seinen Charakter. Seine ganze Natur lehnte sich dagegen auf, daß sein Mündel die Braut dieses be kannten Spielers werden sollte, dennoch wagte er nicht, Bodiskow offen abzuweisen. Was Tonnington dachte, war wieder anderer Art. „Einen netten Streich hat die niedliche, kleine Fürstin unserm Freund mit jenem Lied gespielt! Aber der Bursche benahm sich gut. Möchte wissen, ob er so höflich gegen mich wäre, wenn er wüßte, daß ich seinen Wechsel über zehntausend Rubel in meinem Geldschrank habe? Der Fürst Baranow schien ihn für eine merk würdig gute Sicherheit zu halten, und das ist er auch; aber der Graf würde sich sehr ärgern, wenn er wüßte, daß er in meinen Händen ist. Und ich glaube wirklich, der Bursche treibt sich hier herum in der Hoffnung, Janina werde Neigung für ihn fassen. Dieses un verschämte Thier. Aber er verliert unnütz die Zeit und wahrscheinlich auch seine gute Laune, denn ich weiß, daß sie eher sterben würde, als einen Russen ! heiraten, denn diese haßt sie mehr als alles! Was ist sie für ein Engel! Und wie schade, daß ich morgen nach Odessa zurückkehren und diesem kalbsäugigen Sol daten das Feld überlassen muß!" Bald machte der Schlaf Georgs Gedanken ein Ende, und am andern Morgen nach dem Frühstück fuhr er ab nach dem Bahnhof. Zu seinem Entzücken sah er, daß Bodiskow denselben Zug bestieg, da er ein Tele gramm erhalten hatte, das ihn sofort nach der Stadt berief. So hatte Georg wenigstens nicht da§ unange nehme Gefühl zu ertragen, daß ein Rivale zurückze- geblieben war. Keiner von beiden sprach; der Offizier schien mit der Depesche beschäftigt zu sein, während er in Wirklichkeit überlegte, ob er diese gute Gelegenheit benutzen solle, eine kleine Anleihe zu machen. Doch sie schieden sehr freundschaftlich auf dem Bahnhof, ohne von Geldsachen gesprochen zu haben, und jeder ging seines! j Weges. „Sage Moses Schlumm, er soll kommen," sagte Bodiskow, zu Hause angekommen, zu der Ordonnanz, „und während er bei mir ist, lasse niemand ein!" Er überflog die Briefe und Berichte, welche während seiner kurzen Anwesenheit sich angesammelt hatten, und schritt dann ungeduldig im Zimmer auf und ab. Ein leises Klopfen wurde gehört: „Herein!" rief der Graf; ! ein Kopf sah durch die halb geöffnete Thüre und eine weinerliche Stimme fragte ängstlich: „Was wünscht Excellenz vom armen, alten Moses Schlumm?" „Komm herein, und schließe die Thüre ab!" rief Bodiskow. Eine kleine gebückte Gestalt in einem langen, dunklen, mit Pelz besetzten Tuchrock, der fadenscheinig und fettig glänzte, trat ein und schlich schüchtern nach dem Stuhl, auf welchen der Offizier geringschätzig deutete. „Wann ist Kurilowitsch gekommen?" „Gestern, Excellenz, und Schimkow folgt in einigen Tagen." „Hat Schimkow alle Beweismittel gegen den Fürsten Sudakow gebracht, für den Fall, daß es nöthig ist, eine plötzliche Verhaftung vorzunehmen?" „Kurilowitsch sagte mir, er werde alles Nöthige mit- bringcn!" „Gut", bemerkte Budiskow, „aber jetzt sage mir, ob euer wucherisches Pack mir Geld anschaffen kann, oder ob ich eine kleine Judenhetze veranstalten soll? Du kannst ihnen begreiflich machen, was am besten für sie ist." Der Jude schüttelte die schmutzigen Locken, die zu beiden Seiten seines Gesichts herabhingen, während ein glühender Blick von Wuth und Haß den Grafen traf, der dies mit spöttischem Lächeln beobachtete; die Stimme dagegen war unterwürfig, als MoseS jammerte: „Ach Gott Abrahams, eine Judsnhetze! Excellenz belieben zu spaßen! Ach wir sind schon ganz zertreten, und eS würde Ew. Excellenz nichts nützen, das Volk gegen die Geldleiher aufzuhetzen." (Fortsetzung folgt.)