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Haus und Herd. Sonntag 16. Juli. Redaction von Silvia Brand, Dr e s d on- Yer sechste eArzt. Bei vier Aerzten war sie. Nicht etwa, wie so viele Vertreterinnen des schwachen Geschlechte-'s- in Folge hysterischer Anwandlungen, sondern weil der häßliche Husten die Schüler vertrieb und mit ihnen das täg liche Brod. Jeder der vier Aerzte erkannte eine andere Krankheit, jeder beschrieb auf Verlangen einen anderen Krankheitsverlauf Nur in einem Punkte stimmten die Herren überein: Schonung, absolute Schon ung sei von Nöthen, gute, kräftige Kost unsd Waldluft vor allen Dingen; sie miisse fort aus der Stadtwohnung, fort aus der kleinen, dumpfigen Stube, je eher, je besser-. . Dabei blickten die Herren halb gewohnheitsmäßig halb mitleidig aus den schäbigen Anzug der Frau, die sich ihnen als Privatlehrerm eingestellt hatte, und wünschten ihr eine glückliche Reise. Der fünfte Arzt, der allgemeinen Ansicht nach der hervorkagendste erklärte den Fall überhaupt für hoffnungslos. Er meinte, länger als risse bist- fechg Wochen würde es mit ihr kaum noch dauern, er dürfe das sagen, weil sie eine so überaus vernünftige Person wäre und bei ihrer niiibfeligen Stellung, ihrer Armuth und ihrer völligen Verein tamuna tat-in am Erdendafein hängen könne« Jm Uebrigen rathe er dringend, wenn sie ein paar Thaler auf der Sparkasse liegen habe, so feste sie dieselben schleunigst abholen, davon leben und sonst den lieben Herrgott einen frommen Mann sein lassen. Fürs Weitere werde die Stadt schon sorgen, liegen bleibe Keiner, namentlich im Sommer nicht. , Die Frau dankte dem Arzt, wankte nach der Sparkasse, hob dort er unter Hunger nnd Kummer ersparten fünfzig Thaler ab, packte ihre habteligteiten zusammen und fuhr dann hinauf ins Gebirge, in ein stilles, tveltvergessenes Dorf. . Hier finden wir sie. ( Der Winkel, den die Kranke zum Sterben ausgesucht hat, ist schön nnd friedlich. Es ist ein Häuschen dicht am Walde. Gewaltig über- Fvam die Wipsel der alten Bäume das rothe Ziegeldach, zu dem EIN-» preu emporranli. Schaut man aus den blitzblanken Fenstern, sp- ssebt man Eichkatzen behend nach dein in den Zweigen weilenden Sonnenstrahl klettern und junge Haseubrui das Heidelbeergefträuch hliebäugeln. Dazu hämmert, accurat wie ein Uhriverk, der Specht, pfeier die Staate eine lustige Erzählung von den Kirschbäumen unten MI- Tbale, die immer uns immer wieder zu Gaste laden, obschon der Eigenthümer, darob erg sisrnmt, die große Flinie vom Oberboden brrnnkergeschleppi hat und alle Staate unbarmherzig zu vertilgen droht. » Die armen Staate, nun wissen sie nicht, welcher von ihrerSippe zu- Wchst das Zeitliche segnet, und doch sind sie lustig und sorglos und bauen Fuxtschlössen deren Säulen Kirschen, reife, süße, rothleuchteude Kirschenj m . M Das Sprichwort von den verbotenen Früchten wird allenthalben l. LAuch die Frctu empfindet das. Seitdem ihr der Doktor das Wsitåtleben abgesprochen hat, fängt es erst an, ihre Aufmerksamkeit zu « Len. Wie hat sie denn eigentlich gelebt? Die Kinderjahre waren schön, schön und glücklich. Da gab es im Elketnhause, das tief drinnen im Forst stand, sdie wundersame und Uksvetgeßliche Weihnachtsfeier, auf die man sich das ganze Jahr fkeuFr. NJckdt nur eine Tanne erglänzte im Lichtes-schmuck, v nein, so alltaglcch smg es nicht her, in dem großen Saale waren ein Dutend Tannen Zähron nochmehr eingepflanzt in weite, mit Watte verbtamtc Holz e. Und das Meer von Licht unsd bamtek Macht Und die Pupppen, die Bilderbücher, das Kripplein, der zari duftesnde Marzipan! Dann, gegen Fastnacht, kam der Mutter Geburtstag mit den ersten Frühlingsblumen und den Körben voll Pfannkuchen, von denen Jeder sein Theil erhielt, gleichviel ob er als Gratulant oder als Bagabond, als Bettler anklopftr. Der Juli brachte Vaters Geburtstag, an dem die Flagge stolz vom Rats-se wehte und die Dorfmusikanten vollzählig ihre besten Stücke Ie en. Dazwischen Ostern,Pfingsten, später Johannis unddas Kinderfest, ach, es war zu herrlich, die Freude, der Jubel hörte nie auf. · Einmal freilich verstummte er jäh; damals, als es hieß, Wild diebe hätten den Vater erschossen. Damals-, als die Mutter sich immer wieder auf den im Schnee liegenden Leichnam warf und das Blut, das aus der Brustwunde scckerte, mit ihrem langen, aschblonden Haar zu trocknen versuchte. Von diesem Zeitpunkte an, von der Stunde an, in der die Mutter ins Jrrenhaus, der Vater in die Gruft getragen werden mußte, verlor die Sonne ihren goldenen Glanz, die Welt sah anders aus, kahl, nüchtern. Man feierte Weihnacht nicht mehr in einem Walde von Tannenbäumen, sondern in der unbehaglichen, frischge scheucrten Stube einer griesgrämigen Anverwandten. Die hielt nichts von Festen und Frühlings-blumen, ihr altes Herz war verschrumpft und verbittert und begriff nicht, daß ein junges Menschenherz, und obendrein ein Mädchenherz, Sehnsucht hegen kann nach theilnahmsvollee Liebe und Zärtlichkeit, nach ein wenig Glück. ! Jn Ria nahm die Sehnsucht, das Heimweh nach Liebe und Glück nach und nach einen krankhaften Charakter an, sie ward bleich und muth-» los, der Unterricht, den ihr idie Verwandte ertheilen ließ, damit sie? sich endlich durch Stundengeben forthelsen könne, drückte sie nieder.! Das war Alles so eintönig, so schablonenhaft. Die Brust ward dabei eng, der Kon schwer. Bleierne Fliigel hefteten sich an den einst so elastischen Geist; anstatt ihn zu heben, zogen sie ihn herab. So ver wandelte sich Ria, das fröhliche Waldkind, in ein mißmuthiges und unzufriedenes Geschöpf. Der lichten Kindheit folgte eine trübe Jugend. Während Rias Llltergqenossinnen unter der Obhut treuer Eltern die Darbietungen des Daseins in vollen Zügen genossen, während sie mit ihren Angehörigen auf Reisen gingen, Theater, Concerte, Gesellschaften nnd Bälle besuchten. während sie scherzten und lachten und plauderten, saß Ria über die Bücher gebeugt - die Stube der Tante war düster- und des Abends aus Sparsamkeitsriicksichten nur nothdiirftig beleuchtet - oder sie bemühte sich, dem alten defecten Clavier sdie Fingeriibungen abzuringew ! Nachdem Muster der Verhitterten alten Damen, die ganz und gar bemessen, daß sie auch einmal jung gewesen find nnd das vollkommene, iehlerlofe Betragen auch erst lernen mußten, tadelte die Tante das Mädchen ohne Unterlaß: mit einem Worte, Ria entbebrie ienet erzieh lichen Pflege, ohne die Seele und Körper allmälig hinwellen, wie die Blumen die man zu begießen vergißt » Aus diesem Grunde war sie mit sechzehn Jahren schon eine alte Jungfer und mit zwanzig Jahren eine gereifte, des Lebens satte Frau. Was hatte sie von dem gepriesenen Erdenleben? Essen und Trinken und Schlaf. Aber nicht etwa erauickendes Essen und Trinken, sondern erbärm liche Kost; zufammenaehraut von Zimmerveemietherinnen, die ihre jeweiligen Pfleaebefohlenen nach Kräften augmiltzen und angsauaen:» Schlaf. der durch Soraen um die allernächste Zukunft unsd durch einen» aualvollen Huften heeinteiichtiqt wurde. » Sie mußte ja von früh hie spät in Wind und Wetter umherlaufen mußte sich htee abwetfen lassen und das stundenaeld etnbssem wetl sdag Fräulein Schülerin vor ab, krank zu sein; dort mußte sie unver richteter Sache und um 50 Jsennige betrogen umkehretn weil das det hätschelte Muttersöhnchen noch nicht ausgeschlafen hatte. Wer das Loog einer von den Laune-n der lieben Nebennienschen abhängenden Privatlehrerin kennt, begreift, daß dieselbe mit mehr Berechtigung als jede Andere von Enttäuschungen aller Att, von Kummer und Hunger reden darf. Daß es Ria nicht that, das sie ihr Leid gewaltsam verbarg, Niemand mit einer Klage, einer Bitte bes. helligte, kostete sie den Rest der Gesundheit. ' Kehren wir zu dem Häuschen am Walde zsuriicr. An einem der Fenster hat Ria auf dem hochlehnigen Lederstuhle Platz genommen. Gefaltet ruhen die schlanken hände im Schoße, das Auge, das vor Secunden in der Vergangenheit weilte und uns die Bekanntschaft mit Rias Kindes-fahren und mit ihrer Jugend und Leidenszeit vermittelte, hastet wie gebannt an einem Baumzweige. Ein Schmetterling probirt die Schwingen. Der Bursche scheint in Gefahr gewesen zu sein, der Schmelz ist ihm geraubt; doch das Leben das Leben wird der Kampf nicht kosten. Bewahre, noch· kann er fliegen und Morgenthau schlürfen, von den Blumen naschen, es wird ganz erträglich sein. Nur darf kein neuer Kampf kommen, ein zweiies Mal würde er nicht blos den Schmelz, sondern die Flügel selbst einbüßen. Wie steht es denn eigentlich mit ihr, ist der Schmelz nur fort durch das jahrelange Entbehren und Kämpfen nach einer Existenz, oder sind die Flügel gebrochen, muß sie wirklich sterben? Jn der Stadt, in der Sprechstube des Arzte-, war ihr der Gedanke willkommen, mit einem Lächeln auf der Lippe erhol- sie das Geld zu den letzten Mahlzeitenz Hier aber, sonderbar, hier martert sie der Husten nicht so, hier vermag sie freier zu athmen, hier bespöttelt Niemand ihr wachsng Gesicht, ihre eingefallene Gestalt, ihr verblichenes Kleid, hier sind sdie Leute herzlichers man läßt es ihr nicht entgelten, daß sie eine arme Privatlehrerin ist. Jm Gegentheil, das alte Ehepaar, hei dein sie Unterkunft fand, behandelt sie achtunggvoll, als wäre sie eine feine Dame; und der junge Försier, wie aufmerksam ist der, wie oft be gegnen ishr die klaren, grauen Augen des Mannes, als wenn sie sagen wollten: Fasse Muth, arme Seele, es wird noch Alles qui werden. Alles gut? Was dennk Wird sie, muß sie nicht in wenig Wochen mit dem Dasein cis schlieka . Ob es wirklich so ist? Ob es keine Rettung giebt? Rias Wangen glühen, wozu Rettung! Damit sie wieder von srith bis zum Abend sich abhetzt mit Claoier- und Sprachstunden, damit sie mit ihren einundzwanzig Jahren wie eine Frau betrachtet wird, m der man nicht weiß, ob sie verwitwet oder geschieden ists . Nein, es ist doch besser, sie stirbt, zumal der so mühevoll erdardte Nothpfennig asuch schon im Vergehen ist, sie hätte ja nicht das Reise geld nach der Stadt, geschweige die Mittel, dort vor der Hand ohne Schiller zu existiren· Leise umschmeichelt der frische Gebirgslvind Rias Haupt, sie schließtv »die Augen, vieLeicht kann sieschlurnmern · A » f Esenfo leise foie der Widssffiivtvtffssr junge Förster an des Seite seines PüktFkagz«hexan. Sip jlüjtertxspmiteinawder. - »Sie schläfi«, sagt er, Meinst Du Muttel, daß sie sich wieder et bolen wird? Wie schön wird das Mädchen fein, wenn das Tut Mk mehr farblos ist; wie liebenswürdig wird Ria sein, W sie uk mes arlldeki und cekdsiausfctifs in dee saeanqenstst Mit IS esse Zucker 30, 100—14U Pf. Pflaumenmus "00 Marniclade O("s—-00. Honig jako Pfd. :Sauer kraut«pro Pfd. 7—·B Pf- Blgetto Werkstatt ITIUMW Muth Pkktmts lSpieleud leichter Lanf. Präeisioucarbeit. Fjährige Garantie. Depart-taten billig-St Union-, früher Pfeil-FathFYFk:YF-Cjk-Fq» CdllmMeißctr. Moos