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von Stahl und Eisen nach Nordamerika bemerkt der „Newyorker Commercial Advertiser": Wenngleich von den amerikanischen Industriellen nicht bestritten wird, daß Deutschland und England bedeutende Lieferungen nach Amerika machen, so halten diese doch daran fest, daß es sich nur um vorübergehende Verschiffungen handelt. Die Geschäftsführer der Export- und Jmport- abtheilungen der großen Stahlgesellfchaften erklären, daß in den letzten sechs Wochen mehrere hunderttausend Tonnen Stahl und Eisen in Deutschland und England bestellt wurden. Frankreich. Die Kaiserin-Wittwe von Rußland, begleitet vom König von Griechenland und vielleicht auch vom Könige von Dänemark, wird dem „Figaro" zufolge Mitte October nach Paris kommen und dem Präsidenten Loubet einen Besuch abstatten. Wahrscheinlich ist bei dieser Meldung des französischen Blattes jedoch nur der Wunsch der Vater des Gedankens. Der Schah von Persien scheint Paris nicht be suchen zu können, ohne dort sein kleines Abenteuer zu erleben. Als er vor einigen Jahren an der Seine weilte, näherte sich der Anarchist Saison dem Wagen „des Königs der Könige" in verdächtiger Weise, den Revolver in der Hand. Tie Gefahr wurde bekanntlich verhütet, der Schah aber gewann wegen feiner be- wiesenen Kaltblütigkeit die Sympathie aller Pariser. Am vergangenen Sonntag drängte sich nun wieder ein verdächtiges Individuum an den Wagen des in Paris weilenden Schah's. Der Mann, ein Armenier, wurde verhaftet; er erklärte, er habe den Schah nur um eine Geldunterstützung bitten wollen. Weiter wird's wohl auch nichts gewesen sein, da Waffen bei dem Verhafteten nicht gefunden wurden. England. Die englische Regierung ist einer Londoner Meldung der „Voss. Ztg." zufolge entschlossen, einen beträchtlichen Theil der Kriegsschuld aus dem zu erwartenden Reichthume Transvaals zn begleichen. Tie Ein künfte Transvaals und der Oranjecolonie dürften mit nicht weniger als 2000 Millionen Mark belastet werden und die bisherigen Abgaben der Goldminen würden erhöht werden, namentlich solcher, welche auf Grund neuer Commissionen erschlossen werden. Die beiden neuen südafrikanischen Colonien sollen von den Engländern also wie eine Citrone ausgeprcßt werden. Tas war vorauszusehen. Die Goldgier und nichts weiter war ja das Motiv dieses Krieges, der von der Geschichte als eine Schmach des Jahrhunderts gebrand- markt werden wird. Dagegen haben die Engländer absolut keine Eile, den Buren die in Aussicht gestellten Rechte zu gewähren. Nach dem Londoner „Standard" wird die Einsetzung einer verfassungsmäßigen Regierung so lange unterbleiben, bis die Finanzlage in den annec« tirten Burenstaaten geordnet worden ist; das heißt also bis die Milliarden in ihnen flüssig gemacht sind und das Burenvolk an den Bettelstab gebracht worden ist. In Uebereinstimmung damit steht die gleichlautende Meldung aller Londoner und auch einiger Brüsseler Blätter, daß die Verhandlungen der Burengenerale mit dem Colonialminister Chamberlain erfolglos geblieben und die Generale rein gar nichts erreicht hätten. Gegen Tewet habe sich Chamberlain auch persönlich sehr un freundlich benommen, während er Botha mit einer ge wissen Artigkeit behandelte. Telarey soll leicht erkrankt sein. Am heutigen Dienstag werden die Generale bereits die Rückreise nach Holland antreten und am Freitag in Brüssel eintreffen. Es ist möglich, daß Delarey bis zu seiner vollständigen Wiederherstellung seiner Gesundheit in London bleibt. Tie englischen Generale Lord Roberts und Hamil ton haben sich gemüßigt gefühlt, ihr Urtheil über die Kaiserparade bei Frankfurt a. M. in Londoner Blättern zu veröffentlichen. Mr. Hamilton namentlich erlaubt sich in seiner Kritik mancherlei Ausstellungen, die wenig angebracht erscheinen. So bemängelt er z. B. das Pferdematerial unserer Kavallerie, das durch das englische bei Weitem übertroffen werde. Nun weiß man aus dem südafrikanischen Kriege doch gar zu genau, welcher Beschaffenheit die englischen Pferde waren, als daß man den General Hamilton als Kritiker der deutschen Kavallerie vom hohen Kothurn herab ernst nehmen könnte, auch was Mr. Hamilton über den Drill der preußischen Truppen, der deren Bewegungsfreiheit hindern müsse, zu sagen hat, soll er doch der Deutschen Angelegenheit sein lassen. General Hamilton macht sich jedenfalls einer Voreiligkeit schuldig, die einem hohen Offizier fchlecht ansteht, wenn er nach einer einzigen Parade über fremdländische Truppen von oben herab urtheilen zu dürfen glaubt. Ans dem Muldenthale. "Waldenburg, 9. September. In der gestern Abend von 6 Uhr ab stattgehabten Sitzung des Stadt- verordnetencoÜegiums hierselbst theilte der Vorsitzende Herr Geiler zunächst mit, daß außer der Tagesordnung noch ein Gesuch um Legung der Wasserleitung in die Turnhalle vorliege, welches er nach Erledigung der Tagesordnung zur Berathung stellen werde. Alsdann wurde die Stadt kaffenrechnung auf das Jahr 1899/1900, welche in Einnahme und Ausgabe mit 59,997 Mk. 7 Pf. ab schließt, richtig gesprochen und hierbei dcr Bitte Aus druck gegeben, daß bei größeren Ueberschreitungen der Voranschläge dem Collegium Bericht erstattet werden möchte. Ebenso wurde die Budenbaukassen-Rechnung (561 Mk. 20 Pf. Einnahme, 394 Mk. 24 Pf. Aus gabe), die Schulkassenrechnung auf das Jahr 1900/01, die in Einnahme und Ausgabe mit 26,599 Mk. 91 Pf. abschließt, die Sparkassenrechnung auf das Jahr 1901 (Ueberschuß 9813 Mk. 33 Pf.) und die Feuer- löschgeräthekassen-Rechnung auf das Jahr 1900/01 (857 Mk. 93 Pf. Einnahme, 583 Mk. 44 Pf. Aus gabe) richtig gesprochen. Der Beitrag, welchen die Hausbesitzer am Markt hier zu den Kosten der Trottoir legung zu zahlen haben, wurde dem Stadtrathbeschlusse entsprechend für den laufenden Meter auf 7 Mk. 50 Pf. festgesetzt. Von dem erfolgten Umbau ver hiesigen Bürgerschule wurde Kenntniß genommen und eine Ueberschreitung der Kosten in Höhe von 17 Mk. 20 Pf. nachträglich genehmigt. Ebenso wurde von dem Dankschreiben des Rathsexpedienten Peukert hier und von einem Schreiben der Firma H. Pätzmann betreffs der Grenze der sogenanten schwarzen Gasse in der Mittelstadt Kenntniß genommen. Schließlich wurde noch die Gemeindeanlagenkassen-Rechnung auf das Jahr 1899/1900, die mit einer Einnahme von 47,282 Mk. 90 Pf. und einer Ausgabe von 31,155 Mk. 73 Pf. abschließt (der Ueberschuß von 16,127 Mk. 17 Pf. ist der Stadtkaffe zugeführt worden), richtig gesprochen und die Eingangs erwähnte Angelegenheit wegen der vor geschrittenen Zeit auf die nächste Sitzung vertagt. *— In der gestern Abend in der Reichskneipe statt gehabten Sitzung der Turnhallenbau-Commission wurde an Stelle des verstorbenen Oberrentmeisters und Stadt raths Herrn Oswald Müller Herr Fabrikant Alfred Leonhardt zum Vorsitzenden der genannten Commission gewählt und wegen der Heizeinrichtung und der Ver gebung der Malerarbeiten Entscheidung getroffen; mit letzteren sollen die Herren Malermeister Schnabel und Wunderlich hier beauftragt werden. *— Mehrfach ist in diesem Jahre die Beobachtung zu machen, daß die Weinbeeren im Wachsthum zurück bleiben. Nach Mittheilung des kaiserlichen Gesundheits amtes in Berlin an den hiesigen Obstbauverein handelt es sich hierbei um eine Erscheinung, die man als „Durchfallen", „Turchröhren" oder „Durchrieseln" be zeichnet. Es beruht dieselbe auf mangelhafter Selbst befruchtung. Zur Beseitigung des Uebelstandes dürfte es sich empfehlen, in nächster Nähe des vorhandenen Stockes einen weiteren zu pflanzen, und zwar solcher Sorte, die zu derselben Zeit, wie jener blüht. Ver mittelst dieses neuen wird sich dann eine bessere Be fruchtung vollziehen. *— Nach dem Statistischen Jahrbuch für das König reich Sachsen war am 1. Tecember 1900 in den Stadt gemeinden der Amtshauptmannschaft Glauchau eine orts- anwescnde Bevölkerung von 36,385 männlichen und 39,751 weiblichen, zusammen 76,136 Personen vor handen. Die Bevölkerungszahl in den Landgemeinden der Amtshauptmannschaft betrug 34,707 männliche und 36,622 weibliche, zusammen 71,329 Personen. Das Gesammtergebniß der Bevölkerungszahl des amtshaupt mannschaftlichen Bezirks ergiebt somit 71,092 männliche und 76,373 weibliche, zusammen 147,465 Personen. — Der vor ca 2 Jahren nach Verübung von Wechselfälschungen, sowie unter Hinterlassung zahlreicher Gläubiger aus Glaucha« verschwundene frühere Buch druckereibesitzer Arthur Schröder soll neueren Nachrichten zufolge sich gegenwärtig in der Türkei aufhalten. Schr., dessen Signalement in den polizeilichen Publications- organen veröffentlicht wurde, ist mit Bestimmtheit zuletzt in Bukarest gesehen und erkannt worden, wo er mit knapper Noth der Verhaftung entging. Er hatte schon längere Zeit vorher seine Flucht sorgfältig vorbereitet. Dies geht u. A. auch daraus hervor, daß er sich einige Wochen zuvor dort einen Auslandspaß besorgte, den man ihm, weil damals nichts gegen ihn vorlag, auch anstandslos verabfolgte. In den letzten Tagen vor seiner heimlichen Abreise nahm er dann eine ganze Anzahl Anleihen auf, verkaufte u. A. einige seiner Uten- Unterhaltungstheil. Äug' um Auge, Zahn um Zahn. Roman von Karl Eden. 51) (Fortsetzung.) Aber Bodiskow hatte mit einem Menschen zu thun, der ein noch größerer Schauspieler war als er selbst und seine Gesichtsmuskeln noch besser zu beherrschen verstand. „Ja," erwiderte Schimkow, „unsere Züge kreuzten sich in Kiew, und da ich niemals eine Gelegenheit ver säume, mich mit dem Gesicht einer Berühmtheit bekannt zu machen, suchte ich Iwan Iwanowitsch auf, anstatt mich am Büffet aufzuhalten. Mißhandlungen und Knebel verzerren die Gesichtszüge eines Menschen," fuhr der Spion mit gut gespielter Gleichgültigkeit fort, „aber ich glaube, ich würde den Menschen überall wiederer kennen, ja, ich bin überzeugt davon; sein Gesicht schien mir nicht unbekannt zu sein ... ich meine eigentlich —" „Was meinen Sie?" fragte der Graf mit scharfer Stimme. „Es muß ein Jrrthum sein, Excellenz, aber die Züge waren mir bekannt, und seit der Zeit mühe ich mich ab, mir klar zu machen, wo ich ihn gesehen haben kann. Wahrscheinlich bloßer Zufall, der sich bald aus klären wird." „Ein hübsches, kleines Versteckenspielchen haben die beiden mit einander," dachte Kurilowitsch. „Schimkow hat augenscheinlich den englischen Hund wiedererkannt und will sich für sein Schweigen bezahlen lassen. Er hat vortreffliche Karten in der Hand, und beim Zeus, er spielt sie gut! Nun, ich verstehe mich auch ein Bischen darauf, aber mit Bodiskow möchte ich nicht lange spielen. „Da fällt mir ein, Excellenz," fuhr Schimkow fort, bei dem Gefangenen ist ein Telegramm gefunden worden; die Gensdarmen baten mich, es zu übersetzen, da es in einer fremden Sprache geschrieben ist. Ich sagte, es habe keine Bedeutung und steckte es in meine Tasche, um es ihnen zu zeigen. Es lautet: „Ihr Feind ist eben nach Odessa abgefahren; habe nie im Leben ein so schurkisches Gesicht gesehen; thun sie ein gutes Werk und schießen ihn todt! Verfügen Sie über mich in jeder Beziehung." Die Unterschrift zeigt den Namen: Arthur Middleton," bemerkte Schimkow mit einem scharfen Blick nach dem Grafen. „Das Telegramm war adressirt an Georg Tonnington. Wie kann solch ein Dokument in den Besitz des Nihilisten Nikitzki gekommen sein, möchte ich wissen?" „Haben Sie das Telegramm hier?" fragte Bodiskow mit gleichgültiger Stimme. „Nein," antwortete der Spion, „es ist in meinem Koffer auf dem Bahnhof; ich wiederhole den Inhalt nur aus dem Gedächtniß und wollte Excellenz mit einer solchen Kleinigkeit heute Abend nicht stören." „Gut, bringen Sie es mir morgen früh um zehn Uhr, dann wollen wir versuchen, zu enträthseln, was es bedeutet. Jetzt werden wir Ruhe nöthig haben, also auf morgen! Und senden Sie mir Schlumm herein, wenn Sie ihn sehen." Mit tiefen Verbeugungen empfahlen sich die Polizei agenten, und der Graf blieb allein. Er füllte ein Glas mit Champagner, leerte es auf einen Zug und schritt gedankenvoll in dem geräumigen Zimmer auf und ab. Bodiskow war eben so kühn als gewissenlos; aber die Sache schien eine Wendung zu nehmen, die ihm nicht gefiel. Es war klar, daß Schimkow entweder wußte, wer der angebliche Nihilist war, oder einen Verdacht in dieser Richtung hatte, und wenn auch sein Schweigen erkauft werden konnte, so würde es doch viel Geld kosten, und baares Geld war ein Artikel, mit dem der Graf eben wenig prahlen konnte. Vielleicht waren Kuri lowitsch und Schimkow obendrein Verbündete! Doch nein, — das konnte kaum sein, denn der erstere er- ! wartete eine Belohnung für seinen Antheil an dem An-! schlag, und es war nicht wahrscheinlich, daß er davon einem Menschen Mittheilung machen wird, der sogleich „Halbpart" schreien würde. Nein, Kuri lowitsch würde in seinem eigenen Interesse schweigen; aber Schimkow war so schlau, daß voraus zu sehen war, er werde seinen Genossen ganz und gar aus holen; deshalb mußten sie getrennt werden. Doch heute war dies unmöglich, und morgen konnte das Mißgeschick schon geschehen sein. Aber diese Gefahr war gering im Vergleich mit der, die ihm jetzt drohte. Middleton, der englische Telegraphenbeamte in Tiraspol, war Donningtons Freund; wie konnte man das ver gessen — und Georg hatte ihm augenscheinlich alle Einzelheiten über den Streit und über das angebliche Duell in Rasdelnaia mitgetheilt. Ter Bursche war wie die ganze Station dickköpfig und eigensinnig, und es war anzunehmen, daß er über das Plötzliche Ver schwinden seines Freundes nicht schweigen werde. Die englische Regierung war so unsinnig kleinlich in Bezug auf ihre Unterthanen, und die letzteren machten immer einen solchen Lärm, wenn sie sich verletzt fühlten, daß der Spektakel im ganzen civilisirten Europa Aufsehen erregte, und dieser Middleton war gerade einer von der Sorte, die weder König noch Kaiser, fürchten. War es anzu nehmen, daß dieser Mensch glauben würde, Tonnington sei von Nihilisten beseitigt worden? Keinenfalls! Eher würde er in den Straßen von Odessa auf- und ab rennen wie ein toller Hund und nach Gerechtigkeit für seinen Freund schreien, und den Generalconsul und den Botschafter in Bewegung setzen, bis er seinen Zweck erreicht hätte. Der Bursche konnte gefährlich werden; ihn zu verhaften und seinem Freund nach Tula nachzu senden war kaum rathsam. „Warum kommt Moses nicht, der Hund? Vielleicht findet seine Schlauheit einen Ausweg aus dem Labyrinth?" Der Graf trat an den Klingelzug und zog hastig, bis er die abgerissene Schnur in seiner Hand hielt. (Fortsetzung folgt.)