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nach dem Vorbilde seines verstorbenen Bruders zu tragen gedenkt, so lange ihm Gott noch dazu Kraft verleiht. Bereits am gestrigen Freitag Vormittag leistete König Georg den Eid auf die Verfassung. Der feier« lichen Handlung wohnte der Kronprinz Friedrich August und die Minister, mit dem Ministerpräsidenten v. Metzsch an der Spitze, bei. Tas sächsische Staatsministerium hat dem Könige Georg noch im Verlauf des gestrigen Freitags den Treueid geleistet. Auch die Eidesleistung der Truppen ist bereits erfolgt. Erlaß an die Armee. Das „Dr. Journ." veröffentlicht folgenden Erlaß des Königs Georg an die Armee: Soldaten! Nach Gottes unerforschlichem Rathschluß seid Ihr Eueres Königs beraubt — Eueres Königs, der mit höchstem Schlachtenruhme in guten und bösen Tagen Euere Fahnen schmückte, der für jeden von Euch ein treusorgendes Herz hatte. Mit unerschütterlicher Treue und unwandelbarer Liebe habt Ihr Euerem Könige vergolten und mit unbegrenztem Vertrauen blicktet Ihr zu Ihm auf. So weiß Ich Mich denn heute in aufrichtiger Tauer mit Meiner Armee vereint, und es ist mir ein Bedürfniß, Euch Meinen Königlichen Dank für diese Euere Gesinnungen und Euere Treue, mit denen Ihr allezeit zu Meinem nun in Golt ruhen den Bruder gestanden, auszusprechen. Ich knüpfe daran die feste Zuversicht, daß Ihr auch Mir und dem König, lichen Hause allezeit unverbrüchliche Treue bewahren und die Bundestreue als ein von Meinen Vorgängern auf dem Throne überkommenes werthvolles Erbe mit Mir pflegen werdet, zum Nutzen des Reiches, zum Ruhme der Armee, zu Euerer Ehre und zum Wohle des ge liebten Vaterlandes. Sibyllenort, den 20. Juni 1902. Georg. Armeetrauer. Vom Kriegsministerium ist über die Trauer in der Armee folgende Verordnung erlassen worden: Auf Allerhöchsten Befehl hat die Armee sofort Trauer anzulegen, deren Dauer noch bestimmt wird. Es tragen die Generale die Raupe und das Schultergeflecht nebst Achselband deS Parade-Waffenrockes, sämmtliche Offiziere den Zierrath am Helm rc. und die Landeskokarde am Helm, Tschako und der Mütze, die Schärpe, Feldbinde Epauletten, Achselstücke, Epaulettehalter, das Portepee und das Kartuschebandolier von Tresse mit Flor über zogen, sowie einen Flor am linken Oberarm sowohl am Rock wie am Mantel. Außerdem tragen noch die General-Adjutanten und Flügel-Adjutanten das Achsel band, die Husaren- und Manen-Offiziere das Feldzeichen und die Fangschnur mit Flor überzogen. Für die Sanitätsoffiziere und die Beamten gelten die gleichen Bestimmungen in entsprechender Weise. An den Fahnen werden zwei lange, herabhängende Flore getragen, die unter der Spitze zu befestigen sind. LS flaggen sämml- liche militärischen Tienstgebäude halbmast, auch darf bis auf Weiteres außer bei Feuerlärm und Generalmarsch kein Spiel gerührt werden. Dresden, den 20. Juni 1902. Kriegsministerium, v. der Planitz. Armeebefehl des Kaisers. Eine Sonderausgabe des Armeeverordnungsblattes veröffentlicht einen Armeebefehl des Kaisers: Nach Gottes unerforschlichem Rathschlusse erfolgte das Ableben Seiner Majestät des Königs Albert von Sachfen und hat Mich aufs Tiefste erschüttert. Mein Haus, Meine Armee und unser ganzes Vaterland haben einen schweren Verlust erlitten. Von allen Orten werden die Herzen, die eine Empfindung für Deutschlands Glanz und Größe haben, mit Mir in tiefster Trauer den Heim- gang deS heldenhaften deutschen Fürsten beklagen. Mit ihm ging der letzte jener mit dem Großkreuz des Eisernen Kreuzes geschmückten Heerführer dahin, die an der Spitze der deutschen Armee unter Meinem in Gott ruhenden Herrn Großvater uns unvergleichlichen SiegeS- lorbeer erkämpften. Im Gedächtniß des Volkes wird der Held von St. Privat und Führer der Maasarmee fortleben, solange deutsche Herzen schlagen. Schwer aber lastet in Sonderheit auf der Armee, die mit hoher Ver ehrung und stolzem Vertrauen auf den bewährten ruhm gekrönten Feldherrn blickte, das Bewußtsein seines Ver lustes. Es wird ihr ein tiefempfundenes Bedürfniß sein, auch die äußeren Trauerzeichen anlegen zu dürfen und bestimme Ich hierdurch: Sämmtliche Offiziere der Armee legen 14 Tage Trauer an. Bei dem zweiten Gardeulanen-Regiment und den 10. Dragonern währt die Dauer drei Wochen. An den Beisetzungsfeierlich- keiten nehmen Abordnungen der genannten beiden Re gimenter Theil, bestehend aus dem Commandeur, einem Stabsoffizier, einem Rittmeister, zwei Leutnants, einem Unteroffizier und einem Gemeinen. Billa Hügel, den 20. Juni 1902. (gez.) Wilhelm. I. R. Die Ueberführung. König Georg wird in Löbau, nach der Ueberschreitung der Grenze seines Landes, die Meldung der Staats minister entgegennehmen. Von hier aus wird der Ueberführungszug auf der Fahrt durch alle Stationen sein Tempo etwas verlangsamen, damit die auf dem Bahnhof angesammelte Bevölkerung ihrem tobten König die letzten Grüße nachsenden kann. Der Zug wird 10 Minuten später, als fahrplanmäßig, in Dresden ein- trcffcn. Tie Königin wird in Neustadt einsteigen. Auf dem Hauptbahnhof Altstadt wird der Sarg von commandirenden Generalen auf den Leichenwagen ge tragen. Ter Leichenzug wird den Weg durch die Prager Straße, Seestraße, Altmarkt, König Johannstraße, Neu markt und Augustusstraße nehmen. ^PreWimmen.^Z Aus Wien, Rom,Londonund zahlreichen anderenHaupt- städten des Auslands liegen Beileidskundgebungen vor. Ueberall sucht die Presse dem verstorbenen König gerecht zu werden. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß sich ganz besonders auch die englische Pesse in sehr sympathischer Weise über die hohen Verdienste des ver blichenen Fürsten äußert. Ter „Reichsanzeiger" sagt in seinem Nachruf: Seit einer Reihe von Tagen mußte daS Eintreffen dieser tiefschmerzlichen Trauerkunde erwartet werden. Dennoch wirkt sie erschütternd im ganzen Reich, wo die Nach richten von dem Krankenlager des allverehrten Bundes- fürsten überall mit sorgenvoller Theilnahme und mit innigen Wünschen für seine Genesung begleitet wurden. Aus der Herzlichkeit der Empfindungen, mit denen in allen Gauen unsres Vaterlandes die nationalen Ver dienste deS Heimgegangenen Herrschers geehrt werden, möge die so schwer getroffene edle Königin Trost und Erhebung schöpfen. König Albert gehört für immer zu den heroischen Gestalten, die am Eingang der durch ihr Wirken heraufgeführten neuen Epoche des deutschen Lebens stehen. Ebenbürtig den berühmtesten Führern des großen Krieges hat der königliche Generalfeld, marschall seinen Namen mit Erfolgen verknüpft, die zu den schönsten Waffenthatcn des einigen Deutschland ge hören. Nicht minder hat er im Frieden als weiser ge rechter Landesherr sein Königreich zu hoher Blüthe ge bracht. Reich gesegnet war sein Alter, und allen Patrio ten galt es als eine lieb gewordene Vorstellung, daß diesem edlen Könige die gleiche Lebensdauer beschicken sein möchte, wie seinem Waffenbruder, Kaiser Wilhelm dem Großen. Bewegte» Herzens trauert der Kaiser um den väterlichen Freund, die Nation um einen Helden und König, in dem sich große Erinnerungen ihrer Ge schichte verkörperten. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Das sächsische Land hat einen edlen und weisen König, Kaiser Wilhelm einen treuen Freund, daS deutsche Reich einen allezeit bewährten Bundesfürsten verloren. Wie Sachsen dem Könige Albert sein erfolgreiches Schaffen für des Landes Wohlfahrt niemals vergessen wird, so gedenkt das ge- sammte deutsche Volk an der Bahre des erlauchten Fürsten in Dankbarkeit seines Wirkens in Rath und That, als es galt, das neue deutsche Reich zu begrün den! In den Reihen der Ersten, die damals, als die Würfel fielen, durch hervorragende Mitarbeit an dem großen Werk sich auSzeichneten, stand König Albert. Und seit das Werk vollendet war, blieb der Monarch ein eifriger Wahrer und Mehrer des nationalen Guts. Seinen nimmer welkenden Lorbeerkranz legt das deut sche Vaterland auf den Sarg des Königs Albert. Tie Geschichte unsres Volkes wird den Heimgegangenen Monarchen SachsenS stets unter den Edelsten und Besten zu nennen haben und waS die Nation in den so in haltsvollen letzten Decennien errungen und geschaffen, bleibt für ewige Zeiten der miliärischen Begabung, der hohen geistigen Auffassung, dem vollen nationalen Em pfinden des Entschlafenen im hohen Grade mitzudanken. Eine bemerkcnswerthe Würdigung König Alberts bringen die „Hamburger Nachrichten", die mit Vorliebe vom verstorbenen Altreichskanzler Fürsten Bismarck als Sprachorgan gebraucht wurden. Es heißt in dem von einem Trauerrand umrahmten Artikel: „Die ganze Nation steht tief trauernd an der Bahre dieses herrlichen Königs, dieses illustersten Repräsentanten der Zeit Kaiser Wilhelms I. und deS Fürsten Bismarck unter den deut schen Bundesfürsten, des treuen, besonnenen und wahr haftigen Freundes dreier Kaiser. WaS dieser Verlust für Deutschland zu bedeuten hat, kann nur beurtheilen, wer Kenntniß besitzt von dem segensreichen Wirken dieses Königs und von seinem heilsamen Einfluß auf den Gang der Tinge im Deutschen Reiche. Im Gegensatz zu denjenigen Bundesfürsten, denen mit den bewährten Traditionen der großen Vergangenheit unseres Volkes auf allen Gebieten des staatlichen Leben- nicht schnell und ausgiebig genug gebrochen werden konnte, war König Albert stets sorglich bemüht, seinen Rath nach der entgegengesetzten Seite hin geltend zu machen; er soll die Ausführung so mancher Projecte gehindert haben, die sich in der gleichen Richtung bewegten, wie etwa die Nichterneuerung des deutsch-russischen Neutralitäts vertrages, die Herausgabe des WelfenfondS, die Auf hebung des Diktaturparagraphen u. s. w. Wer kann wissen, welche Folgen dieser Todesfall in heutiger Zeit nach sich ziehen wird, wo Elemente zu Einfluß gelangt sind und noch gelangen, die früher in der Nähe deS Hofes nicht einmal geduldet wurden, wo deutsche Bundes fürsten mit Socialdemokraten fraternisiren und andere bedenkliche Erscheinungen die Besorgniß der nationalen Patrioten von Tag zu Tag steigern? Mit um so tieferem Schmerze stehen wir unter diesen Umständen an der Bahre des theueren sächsischen Herrn, des wohl- wollendenFreundes und Gesinnungsgenossen des Schöpfers des Deutschen Reiches. Wie sehr Fürst Bismarck den König Albert liebte und ehrte, und wie gern er dies öffentlich bekundete, zeigte sich u. A. am 8. Mai 1895 beim Empfange der zur Huldigung nach Friedrichsruh abgesandten Vertreter von 78 sächsischen Städten. Fürst Bismarck schloß seine Erwiderung mit einem Hoch auf König Albert wie folgt: „Ich will Sie bitten, mit mir einzustimmen in ein Hoch auf Ihren Monarchen, der einer der wenigen Ueberlebenden ist von Denen, die mit dem Degen in der Faust unsere Einheit haben erkämpfen helfen, und der unter allen Umständen — ein seltenes Muster — das Wohl seiner Unterthanen im Auge behalten hat, aber auch ein reichstreuer, national gesinnter Monarch geblieben ist. Seine Majestät, König Albert, er lebe hoch, nochmals hoch und wiederum hoch!" Im Anschluß an das von ihm ausgebrachte und be geistert aufgenommene Hoch bemerkte der Fürst dann noch in Bezug auf König Albert: „Er ist immer ein gnädiger Herr gewesen und wird es hoffentlich bleiben, so lange ich noch auf dieser Welt bin." Am 23. Mai desselben Jahres widmete der Fürst in Erwiderung auf eine Begrüßung von 1400 Leipzigern sein Hoch eben falls dem König und sprach: „Meine Herren, einer der geschicktesten Pfleger einer ruhigen, erhaltenden Politik, nicht blos conservativ erhaltenden, sondern den Frieden erhaltenden Politik ist Ihr König Albert und ich kann den Leipzigern gegenüber meinen Dank für Ihre Begrüßung und mein erwidertes Wohlwollen nicht anders bethätigen, als indem ich mit Ihnen zusammen ein Hoch auf Ihren Hohen Herrn ausbringe. Mein gnädiger Gönner, der König Albert, er lebe hoch!" Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Kaisertage am Rhein haben infolge des Ab lebens des Königs Albert eine Trübung und eine Ein schränkung erfahren. Am Freitag haben die Majestäten noch MörS und Krefeld besucht, der Besuch der Düssel dorfer Ausstellung dagegen ist bis auf Weiteres abgesagt worden. In Mörs fand die Enthüllung eines Denk mals König Friedrichs I. statt. Der Kaiser lobte in seiner Antwort auf die Begrüßungsansprache die Graf schaft wegen ihrer Treue zu Kaiser und Reich. Der Einzug in Krefeld vollzog sich unter Glockengeläut. Düsseldorfer Ulanen geleiteten den kaiserlichen Wagen. In den Straßen bildeten Schulkinder und Vereine Reihen. Am Kaiser Wilhelm-Museum bewillkommnete der Oberbürgermeister das Kaiserpaar, worauf dieses daS Standbild Kaiser Wilhelms I. und die Ausstellung der Seiden- und Sammetindustrie besichtigte. Ter Kaiser nahm einen Ehrentrunk entgegen, dabei das Wohl Krefelds ausbringend. Nach einem Vorbeimarsch der Ehrencompagnie verließen die Majestäten unter jubelnden Zurufen einer gewaltigen Menschenmenge die Stadt, um nach Villa Hügel bei Essen, von wo sie morgens ab gereist waren, zuriickzukehren. Aus der Krefelder Rede deS Kaisers geben wir Nachstehendes wieder: Wie ein so bedeutender Feldherr und Herrscher wie Friedrich der Große Zeit gefunden habe, die Krefelder Industrie zu fördern, so zeige sein Kommen, daß die Hohenzollern den Werth derselben zu schätzen wissen. Dann wieS der Monarch auf die Armee als den Schutz des Frie den« hin und sagte, daß ebenso nothwendig, und zwar gerade für den Handel, eine starke Flotte sei. Mit jedem neuen Kreuzer und jedem neuen Kriegsschiff werde dieses mehr gewährleistet. Ter Kaiser wandte sich sodann an die Ehrenjungfrauen und fragte scherzhaft, ob sie wohl acht Tage in der Woche tanzen. Dies wurde lächelnd verneint. Darauf bemerkte Se. Majestät, jede der Damen solle aber doch einen hübschen Leutnant bekommen. Am 29. Juni wird der Kaiser in der Kieler Garnisonkirche der Einweihung der Marmortafel für die Opfer der „Gneisenau"-Katastrophe und der Gedenktafel für die Gefallenen des Chinafeldzuges beiwohnen. Die Aachener Kaiserrede ist eine bedeutsame. Der Monarch ging, nachdem er über die historische Be deutung und Entwickelung des deutschen Kaiserthums gesprochen, auf die Religion als Grundlage des ganzen menschlichen Lebens über. Hier sagte der Kaiser: Hier steht General v. Loe, ein treuer Diener seines Herrn und der preußischen Könige. Er war von mir gesandt nach Rom zum Jubiläum des heiligen Vaters. Als er meine Glückwünsche und meine JubiläumSgabe über brachte und im intimen Gespräch mit dem hl. Vater sich äußerte, wie es bei uns in Deutschland steht, da hat der hl. Vater geantwortet: „Ex freue sich, ihm sagen zu können, daß er stets hochgehalten hab« den Sinn der Frömmigkeit der Deutschen, zumal des deutschen Heeres. Er könne ihm aber noch mehr sagen, und das solle er seinem Kaiser bestellen: Das Land in Europa, wo noch Zucht, Ordnung und Disciplin herrsche, wo Respect vor der Obrigkeit, wo Achtung vor der Kirche bestehe und wo jeder Katholik ungestört und frei seinem Glauben dienen und seinen Glaubensvorschriften nachkommen könne,