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heute an denkwürdiger Stätte, an der Wiege des deutschen Ordens, auf fremdem, heißem Loden, zur Unterstützung noth- leidender deutscher Brüder gegründet, an Seite des Ordens St. Johannes und der Tempelherren, war sein Zweck, Jerusalem die Freiheit wieder zu erstreiten und die Grabeskirche ein für allemal dem Kreuz zu erhalten. Doch diese Hoffnung trat nicht in Erfüllung, denn schon bald nach Gründung des deutschen Ordens mußte das heilige Land von der abend ländischen Christenheit als territorialer Besitz ein für allemal als verloren betrachtet werden. Gewiß wird damals mancher Ordensbruder schmerzlich aufgeseufzt und mancher Deutsche sich gefragt haben, was wird nun aus unS werden? Welche Aufgabe müssen wir uns stellen? Ich meine aber, daß gerade hier der Finger der Vorsehung zu erblicken ist, nicht aus fremdem Boden, wo der Europäer nicht heimisch ist und wo das Kreuz noch nicht festen Fuß gefaßt hat, sondern daheim an des Reiches Grenze, da stellt die Vorsehung dem Orden die Aufgabe und wie hat er sie erfüllt? Das hat ein beredterer Mund, als der meine, und in herrlicheren Worten in der Kirche geschildert. Erhaben und groß in allen seinen Arbeiten, allen seinen Plänen, sowohl in Bezug auf Politik, wie in Bezug auf seine Kriegszüge und Bauten, so stellt der Orden gewissermaßen die Blüthe deutscher Leistungsfähigkeit dar, und durch die ganze Zeit des Mittel alters hindurch, als die kaiserliche und Reichsherrlichkeit bald verblichen und dahinschwanden, hat das deutsche Volk sich an diesen Brüdern und Kindern seines Stammes gefreut und an den Leistungen des Ordens sich erbaut. Ich habe schon einmal Gelegenheit genommen, in dieser Burg, an dieser Stelle, zu betonen, daß die Marienburg, jenes einstige Boll werk im Osten, der Ausgangspunkt der Cultur der Länder östlich der Weichsel, auch stets ein Wahrzeichen für dis deutschen Ausgaben bleiben solle. Jetzt ist es wieder soweit. Polnischer Uebermuth will dem Deutschlhum zu nahe treten und ich bin gezwungen, mein Volt auf zurufen zur Wahrung sener nationalen Güter. Hier m der Marienburg spreche ich die Erwartung aus, daß alle Länder des Ostens Sl. Johann immer zu Diensten stehen werden, wenn ich sie rufe, deutsche Art und deutsche Sitte zu wahren, und in diesem Wunsche erhebe ich mein GlaS auf das Wohl des durchlauchtigsten Herrenmeisters und Ordens St. Johann, hurrah, Hurrab, hurrah!" Nach dem Essen machten die Majestäten einen Rund gang durch das Schloß. Gegen 4 Uhr begaben der Kaiser und die Kaiserin sich unter erneuten Ovationen nach Kadinen bei Elbing zu zweitägigem Verweilen. Mittwoch Nachmittag hatte der Kaiser den Vortrag des Reichskanzlers gehört. Kronprinz Wihelm fuhr dieser Tage 4. Klasse von Bonn nach Andernach. Ter Prinz, den seine Corps- brüder begleiteten, äußerte, in einem solchen Wagen sei es luftiger und geräumiger. Der Vicepräsident des Reichstages, Abgeordneter Graf Udo v. Stolberg, der sich beim Schießen auf Thon- tauben eine nicht unerhebliche Verletzung am Kopfe zu- gezogen hatte, kann an den Reichstagsverhandlungen bereits wieder theilnehmen. Graf Stolberg trägt um Stirn und Hinterkopf jedoch noch einen breiten schwarzen Verband. Ein Held aus den letzten Kriegen, General William v. Voigts-Rhetz, vor Allem bekannt als Führer der Königsgrenadiere bei Königsgrätz, ist im Alter von 90 Jahren soeben gestorben. Die Zolltarifcommission des Reichstages hat gestern die Berathung der Zölle für Farbstoffe fortgesetzt und die Positionen bis einschließlich 335 nach der Re gierungvorlage angenommen. Aus der Erledigung der Zuckersteuervorlage in der Commission und dem Gange der dort geführten Verhandlungen ergiebt sich der „Nat.-Ztg." zufolge, daß Zuckerconvention und Zuckersteuergcsetz auch im Plenum zur Annahme gelangen werden. Die Zustimmung der Commission zur Brüsseler Convention wurde bei der Annahme des Zuckersteuergesetzes mit großer Mehrheit formell dadurch ausgesprochen, daß auf Antrag des Grafen Limburg-Stirum der Schluß-Paragraph folgende Fassung erhielt: „Der Reichstag ertheilt seine Geneh migung zu dem am 5. März d. I. in Brüssel abge schloffenen Vertrage über die Behandlung des Zuckers. Tas Zuckersteuergesetz tritt gleichzeitig mit der Convention in Kraft." Vorher war ein an Stelle des Antrages Müller-Fulda gesetzter neuer Contingentirungsantrag des Prinzen Arenberg mit Stimmengleichheit abgelehnt worden. Am heutigen Freitag beräth die Commission daS Saccharin gesetz. Nach den Beschlüssen der Commission über die Zuckerfrage darf man mit Sicherheit darauf rechnen, daß im Plenum deS Reichstages den Wünschen der Regierung entsprochen werden wird. Der Bundesrath hat dem Gesetzentwurf, betr. die Aufhebung des Dictaturparagraphen in den Reichslanden, seine Zustimmung ertheilt. Die Bauarbeiten an der Schantung-Eisenbahn machen guten Fortschritt, womit die Verschiffungen und die Lieferungen der deutschen Werke gleichen Schritt halten. Bis Mitte 1902 sind nach der „Ztg. des Ver. deutsch. Eisenb.-Verw." auf 21 Dampfern der Hamburg- Amerika-Linie und des Norddeutschen Lloyd 80,000 Frachttonnen verschifft worden, worunter 48,000 Tonnen Oberbaumaterial, 6800 Tonnen Brücken, 20 Locomotiven, 40 Gepäck- und Personenwagen und 470 Güterwagen sich befinden. Oesterreich-Ungarn. Wie aus Wien gemeldet wird, hat die Regierung die Lloydgesellschaft beauftragt, sofort den Dampferdienst nach Südafrika aufzunehmen. Die erste Fahrt wird demnächst stattfinden. Zahlreiche große Wiener Industrie- firmen entsendten ihre Vertreter nach Transvaal zum Abschluß von Lieferungen und zur Anknüpfung des regulären Handelsverkehrs. Der österreichisch-ungarische Exportverein beschloß die Gründung eines besonderen Syndikats für Transvaal. England. England sieht der Entwickelung der Tinge in Südafrika anscheinend sehr hoffnungsfreudig ent gegen. Eine Rede des Schatzkanzlers Hicks Beach spricht sich in dieser Beziehung wenigstens sehr zuversichtlich aus. Es heißt darin u. a., daß die Haltung der Buren jetzt eine so freundliche sei, daß dir Zurücklassung be sonders starker Truppcnmassen in Südafrika nicht nöthig sein, es vielmehr genügen werde, in die wichtigsten Ortschaften kleine Garnisonen zu legen. Der Schatz kanzler wollte damit vornehmlich sagen, daß die Ausgaben für Kriegszwecke in Zukunft nur noch geringe sein werden, daß er aber trotz des Friedensschlusses von den einmal bewilligten Krediten nicht zurückgeben könne. Bewilligt waren bisher 176^ Millionen Pfund Sterling oder 3535 Millionen Mark. Der bisher gerettete Rest dieser Summe wird, wie der Schatzkanzler auSführte, für den der Armee zu zahlenden Ehrensold und für die zu Gunsten der Buren zu machenden Aufwendungen daraufgehen. Ganz nothwendig sei, darauf hinzuarbeiten, daß der Gewinn aus den Goldminen möglichst bald zur Verzinsung der Kriegsschuld oder doch wenigstens eines Theiles derselben Verwendung finde. Afrika. Ueber die Unterzeichnung des Friedensdocu- ments durch die Burenvertreter berichten die Lon doner „Times": Tie letzte Abstimmung über Krieg und Frieden Seitens der Buren fand in Form einer Ballotage statt und zwar am Freitag Abend (30. Mai) um 6 Uhr in Vereeniging. Nach der Ballo tage theilten die Telegirten den Abgesandten Lord Kitcheners, den Oberstleutnant Henduson, Chef des Nachrichtendepartements, und dem Adjutanten des Generalissimus, Capitän Parker mit, daß sie ihre Ent scheidung getroffen hätten. Sie seien unter den in Pretoria besprochenen Bedingungen bereit, die Waffen zu strecken. Tie Nachricht wurde sofort nach Pretoria telegraphirt und die Antwort ertheilt, daß die Delegirten mit Extrazug dorthin kommen sollten. Unterdessen war Lord Milner um 10 Uhr abends von Johannesburg aus in Pretoria eingetroffen. Die Delegirten gingen sofort nach ihrer Ankunft zu dem Hause, wo sie bei ihrer letzten Anwesenheit gewohnt hatten; sie erbaten Erlaubniß, noch einmal unter sich sprechen zu dürfen, ehe sie den von Kitchener und Milner entworfenen Vertrag unterzeichneten. Schalk Burger, Reitz und Botha, die Vertreter Transvaals, und General Tewet als Vertreter des Freistaats, an Stelle des durch Krankheit verhinderten Präsidenten Steijn, der bis da hin der Wortführer bei den Unterredungen gewesen war, betraten den Speisesaal, wo das Documcnt für ihre Unterschrift bereit lag. Unter tiefem Stillschweigen unterzeichneten die Burenführer das Schriftstück, durch Welches sie auf ihre so tapfer vertheidigte Unabhängig, leit verzichteten. Einer nach dem andern ergriff die Feder und unterschrieb. Das Tocument wurde alsdann )urch eine besondere Abordnung dem Könige übersandt, der es noch vor der Krönungsfeier in Empfang nehmen kann. In England ist eine Sammlung eröffnet worden, aus deren Ertrag dem General Dewet ein Ehrendegen gestiftet werden soll. Auf der Villa des Expräsidenten Krüger in Utrecht wehen noch immer die Fahnen der beiden südafrikanischen Republiken. Man fürchtet bei dem hart geprüften Manne eine sehr schnelle Katastrophe. Die Proklamation Schalk Burgers und Bothas an die Buren, insonderheit auch an die noch im Felde stehenden Commandos, der neuen Regierung nun in loyaler Weise Gehorsam zu leisten, hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Der Burencommandant Fouche, der bis zum Friedensschluß in der Kapcolonie kämpfte, hat die Waffen niedergelegt und sich ergeben; auch die übrigen Buren, die noch im Felde standen, sind zur Waffen niederlegung geschritten. Aus dem Muldeuthale. ^Waldenburg, 6. Juni. Am 5. d. fand im Schlosse zu Gauernitz in Anwesenheit Ihrer kaiserl. und königl. Hoheit, der Prinzessin Friedrich August, welche mit der Oberhofmeisterin Freifrau v. Fritzsch und dem Hofmarschall Baron v. Tümpling um 11 Uhr eintraf, die Taufe des erstgeborenen Sohnes Sr. Durchlaucht des Prinzen Friedrich von Schönburg-Waldenburg und dessen Ge mahlin, Ihrer königl. Hoheit Alicia von Bourbon, statt. Tie kirchliche Handlung vollzog Vicariatsrath Hofcaplan Klein aus Dresden nach römisch-katholischem Ritus. Der neugeborene Prinz erhielt die Namen: Maria Carl Leopold Salvator Ernst Anton Josef Friedrich rc. Als Pathen fungirten für den abwesenden Herzog von Madrid, Don Carlos, Erzherzog Leopold Salvator von Oesterreich und für die Großmutter, die Erzherzogin Beatrix von Oesterreich-Este, die Frau Gräfin Lasuen geb. Freiin von Reischach aus Bordeaux. Als Gäste sind noch Erzherzogin Blanca, Prinz Jaime von Bourbon, sowie dis Herren von Pereira, von Jeschki, OberstabS- arzt Or. Smitt mit Gemahlinnen und Or. Goedecke, sowie Baron Elterlein zu erwähnen. Nach der Taufe fand ein Essen zu 24 Gedecken statt. Der Ort hatte Flaggenschmuck angelegt. *— Ter 45. öffentliche Bezirkstag des Bczirksver- bandes Glauchau findet Montag, den 16. d., nachmittags 3 Uhr, im Sitzungssaale der kgl. Amtshauptmannschaft Glauchau, Königsstraße 3, statt. Einziger Gegenstand der Tagesordnung ist die Errichtung eines Bezirks genesungsheims. *— Bei dem gestrigen Gewitter schlug der Blitz in Reinholdshain in das Wohngebäude des Gutsbesitzers Müller ein, wodurch am Gebäude mehrfacher Schaden angerichtet wurde. Gezündet hatte der Blitz glücklicher weise nicht. In Callenberg und Langenchursdorf trat das Gewitter mit heftigem Rcgenwetter auf. *— Der Conservative Verein für Waldenburg und Umgegend hielt gestern Abend in der Reichskneipe hier- selbst seine Hauptversammlung ab, in welcher der Vor sitzende Herr Hofrath Or. Lamprecht einen Bericht über die Thätigkeit des Vereins im abgelaufenen Vereins jahre und namentlich über die letzte Landtagswahl gab und der Schatzmeister Herr Kaufmann Carl Opitz den Kassenbericht erstattete. Bei der alsdann vorgenommene» Neuwahl der Vorstandsmitglieder wurden sämmtliche seitherige Herren wicdergewählt. *— Herr Sanitätsrath Or. meck. Funkhänel hicrselbst ist als Jmpfarzt für Altstadtwaldenburg mit Grünfeld bestellt und verpflichtet worden. *— Der vielgenannte Wohnungsgeldzuschuß, der auf deutsch lediglich eine Gehaltszulage bedeutet, ist den sächsischen Staatsbeamten am Dienstag zugesprochen worden, wenn auch nicht in der Weise, wie sich die Regierung die Sache gedacht hatte, denn der Tarif hat eine bedeutende Herabsetzung erfahren. Die Wohnungs geldzuschüsse zerfallen in 3 Klassen, die bezugsberechtig ten Beamten werden in 6 Klassen eingetheilt. Die Tarifirung ist folgende: Beamtenklasse Ortsklasse 1 400 320 240 2 320 240 180 3 240 180 150 4 180 150 120 5 150 120 90 6 120 90 60 Der ersten Ortsklasse gehören an die Städte Chemnitz, Dresden, Leipzig und Plauen i. V., der zweiten Klasse in der Amtshauptmannschaft Glauchau die Orte: Calln- berg, Glauchau, Hohenstein-Ernstthal, Lichtenstein, Meerane, Oberlungwitz, Waldenburg. Alle übrigen Orte im Bezirk Glauchau gehören zur dritten Klasse. Tic Klasse der Beamten bestimmt der Haushalt-Etat. — Der Soldat Paul Naumann aus Reichenbach i. V. Von der 2. Compagnie des 9. Infanterie-Regiments Nr. 133 in Zwickau desertirte dieser Tage bereits zum iebentcn Male. Er wurde am Sonnabend von dem revidirenden Polzeibeamten in der Herberge zur Heimat in Lößnitz verhaftet und am anderen Tage von einem Sergeanten seinem Regiment wieder zugcsührt. Naumann hatte sich in voller Uniform einfach unter die in der Herberge anwesenden Fremden gemischt. — Von Zwickau aus fuhren am Donnerstag 40 ehe malige Angehörige des 105. Infanterie-Regiments nach Straßburg i. E., um an den in den nächsten Tagen tattfindendcn Festlichkeiten zur Feier des 200jährigen Bestehens des Regiments thsilzunehmen. Aus dem Sachsenlaude. — Aus Sibyllenort wird unterm 5. d. berichtet: Se. Majestät der König hat den gestrigen Tag zum Theil auf der Veranda liegend verbracht. Mehrere Stunden der Nacht hat der Monarch ruhig geschlafen. Der Apetit ist rege, doch ist eine Kräftezunahme nicht bemerkbar. — In der 2. Kammer beantwortete am Donnerstag Staatsminister vr. v. Seydewitz die Interpellation, be treffend den Toleranzantrag, die durch die Abgg. Leupold und Vogel vorher begründet worden war. Darauf be willigte das Haus die dreiprozentige Rentenanleihe mit 100 Millionen Mark. Alsdann wurde Kap. 18 des ordentlichen Etats, die Lotteriedarlehnskasse betreffend, berathen und beschlossen, an die Regierung die Aufforde rung zu richten, der nächsten ordentlichen Ständeversamm- lung Mittheilung zu machen sowohl über das Ergebniß der schwebenden Disziplinarverfahren und über die onstigen Erörterungen, wie auch über die endgiltigen Verluste bei dem Concurse der Leipziger Bank und über die zur Vermeidung ähnlicher Vorkommnisse zu treffenden Maßnahmen. Endlich gelangte noch die Denkschrift, betr. die Besteuerung der Großbetriebe im Kleinhandel, zur Berathung; es wurde beschlossen, die Staatsre gierung um Vorlegung eines bezüglichen Gesetzentwurfs zu ersuchen. Nächste Sitzung Freitag. — Die 1. Kammer des sächsischen Landtages nahm am Donnerstag dabattelos und einstimmig die WohnungS- geldvorlage an. — Die zweite Deputation der 1. Kammer bean tragt, 1. an die Staatsregierung die Aufforderung zu