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; sitt Flauet Soldaten, welches auf der Braudstätte lagerte, Iberittene eudarmen, welche hin- und hersprengten, vermehrten Iden diisieren Eindruck des Bildes, auf welches Johanna im tdichtesten Gedränge regungslos starrte. Es belebte sich für sie F mit den grauenhaftesten Bildern der Nacht, mit dem von wilden horden umjauchzten nngliicklichen Vater, dessen verworrene Schilderungen jetzt llare Gestalt annahmen, mit dem furchtbaren Ruf »Hurrah Ringelmannl«, der sie schon vor dem Hause, nur als fchtvaches Echo dessen, der hier die Lust erschütterte, so ent-» setzte; mit lodernden Flammen und mit noch etwas, mit einer. fraueugestalh ein blutrothes Tuch um das schwarze Haar, Hiordgier und Rachedurst im Blick, einer wahnsinnig-en Megäre. Barbaral Der sie den Geliebten geraubt in sträflichem Hochmuth ihres Herzens, die sie verachtet, ohne sie zu kennen; die sie, aus ihrer Heimath vertrieben, zu ewiger Sklaverei ver dammte. Die Gestalt wuchs vor ihr ins Unendliche, sie erblickte sie in dem feiu durchgliihten Rauche, der answaltte, wie einen Racheeugel, der drohend die Hand gegen sie erhob. . Wo war sie jetzt? Wohl gefangen als Rädelsfiihrerin; das Urtheil wird ein strenges sein, ein strengeres als irgend einen der Betheiligten trifft, ein viel strengeres gewiß als den Vater trifft. Da krampste sich ihr Herz zusammen, nnd ihr Antlitz brannte vor Scham. Wenn sie das Mädchen nur noch einmal sprechen könnte, einigermaßen das Unrecht wieder gut machen, ihr sagen - sie bitten aber sie hatte ja die Ver geltung allen erlittenen Unrechts längst vorgenommen, am unglücklicheu Vater vollzogen. Sie war eine Verlsrecherin trotz Allem oder eine Wahnsinuige. Sie waren quittl Fort von dem Anblickl Wozu ihn immer tiefer eingrabeu, fiir alle Zeiten? Sie brach sich rückwärts Bahn, entfloh förmlich durch eine enge Gasse und verirrte sich in dem engen Winkel wertr. Dann kam sie auf einen kleinen Platz. Hier mußte sich eine Seene des nächtlichen Dramas abgespielt haben. Vor einem stattlicheu, wenn auch verwahrlosten Hause hatte sich ein Schwarm Neugieriger gesammelt, größtentheils Weiber und Kinder, Be wohner von Walldorf selbst, der äußeren Erscheinung nach- Mau sliisterie nur nnd eonceutrirte seine ganze Aufmerksamkeit auf den Eingang des Hauses, vor welchem ein Gendarm Posten stand. Jn den verhärmten Gesichtern der Frauen ringsum lag Erwartung und dumpfe Sorge. . Johanna fragte nach dem Grunde dieser Ansammlung ; Man warf verächtliche, gehässige Blicke auf die vornehme « Dame, und die Antwort klang unwirsch genug. Ein Mädel · liegt drinnen im Sterben, die sie gestern nieder-geritten weiter · gar nichts, fügte die Berichterstatterin mit höhnischem Lachen hinzu. » h« Sehen Sie sichs doch au, siigte eine zweite Frau boshaft » Ins-t- Sie wird man schon hineinlassen die arme Leut war auch schon einmal etwa-I Besseres - Hausbesitzerint Ja wohl! Bis sie’·s hinansgesagt haben. Barbara Dorn doch nicht? Ja, die Barbara Dorn! Branchens nicht blas zu werden deswegen, die thut keinem Menschen mehr was. Johanna eilte gegen das Hauss, von dem Gelächter der Weiber verfolgt. Von den Hufen der Pferde zertreten sterbend - vielleicht mit einem Fluch aus sie auf den Vater« Sie mußte sie sehen! Das Weib hatte recht, der Gendarm salutirte und ließ sie ungehindert eintreten. Vielleicht führte ihn das sichere Auftreten Johannes irre. Die Stiege herab tönte das Gemnrmel Betender. Johanna folgte ihm. Auf dem Gange knieten Frauen, welche erstaunt ans die vornehme Dame blickten. Aus einer geöffneten Thiir drang ein ntatter Lichtschein, welcher auf einer dunklen Holzlvand hin- nnd her-zitterte. Dort lag die Sterbende. Angst befiel Johanna, der Schweiß stand ihr auf der Stirn. Was wollte sie denn bei ihr? Wozu drängte sie sich an diesen tran rigen Orts Buße thun, sühnen, danach dürstete sie. Dann durfte lie vielleicht gereinigt, geläutert vor ihn hintreten. Sie schloß die Augen« Inmitten der Todesschauern sah sie neues Leben bliihen. Sie trat rasch unter die geöffnete Thür. Uns dem Bette lag Barbara gerade ausgestreckt, in weißes, tadel loses Linnen gehüllt, die dunklen Haare nmrahmten zu beiden Seiten, wohlgeordnet in langen Striihnem das wächserne Antlitz der Werdende-. « . Deiva der Nacht war ein Engel des Friedens geworden. Der Fittich des Todes hatte von dieser Stirn den zornigen Wahnsinn gestreift. Die Hand, die das mirpntne Zeichen der Vetnichtung schwenkte, ruhte kalt in der Hand des gebeugten Greises nebenan, des Vaters-, dessen weiße Haare der Schimmer des brennenden Lichtes unter dem Madonnen- I »bilde verklärte (Forif.fvlgt.i Auch eine Hochzeitsreife. Von Alexander Engel. ———- Nacht-unt verboten- Wenn ich an das Sprichwort denke bon den Ehen, die im Himmel Itschlossen werden, befällt mich stets eine eigene Wehinuth. Das kalte, graue Leben straft täglich das alte, arme Sprichwort, das sich einst so sicher gefühlt, Lügen. Es gedeihen heutzutage fast nur mehr die Convenienz-Ehen«'. Die guten Menschen-, sie haben den egoistischen Derbiåidnngen von heute wenigstens diesen freundlich klingenden Titel derlie en. · Jch weiß nicht, warum ich so oft jenes»arnien, traurigen Mädchens gedenken muß sie steht meinem Herzen so ferne als möglich —- das eine so schöne Probe von uninoderner Aufrichtigkeit und alt .tnodischer Unverdorbenhe-t des naiven Herzens bekundete. Das kleine. Niädchen hatte einen bewunderndwertben Muth . . . . Sie heirathete auf Bitten ihrer Eltern einen reichen Mann, trotzdem sie sich fürchtete vor dieser Ehe. »Es wird schon gehen,« sagten die Alten, mit einein solch banalen Wo:t will man einen Bund fürs Leben abthun. Ja, die Alten! Und was weiß denn ein junges nnersahrenes Menschen tind vom Leben? Es versucht folgsain zu sein, selbst in Dingen, die tief sein Herz berühren nnd von elterlichem Einflusse frei sein sollten. Und es ging hin und heirathete den reichen Mann . . . Bevor sie vor den Tranaltar trat, wollte sie ihm noch ein Geständniß machen abcr dir Gedanke an ihre Eltern hielt sie davon ab. Er mußte ja Alles in ihren Augen lesen, der begüterte Dumnikobfl Auch auf ihrer weißen Stirne standen klar und dkutlirh ihre Gedanken. War er denn blind für jenes Wesen, das ihm ewig angehören sollte? Ein energisches »Nein« in der Seeke, sprach sie zitternden Tones das tra.itionelle ~Jn«. Und sie ergänzte in ihrem Herzen mit einem »Ja .. ~ ich will glücklich sein« « » 4 Das »Ehe-Pant« begab sich auf die Hochzeitsreisr. Er drückte sich mit einem gewissen Selbstbewußtsein legitim an sie, er hatte ja das unbestreitbare Recht dazu. Sie vermochte sich nicht länger zu beherrschen, die Tbränen, welche sie so lange im Auge zexdrikckt, drängten sicb nun gewaltsam vor . . . Die anwesenden Convcegenossen mochten sich wohl denken; »Die weint Freuden tlnänen, die Glückliche unt ihrer Flittersreude.« Selbst er dachte wthjchcinlich so .. . · » Tie zitvotskotiuuendeu Couveegenossen drückten sich sanst in ihre Ecken, unterhielten sich mit gedämpsten Stimmen, sahen mit deutlich zanchau getragener Absicht weg, nur um das junge Paar in seinem neuen Glücke nicht zu stören. - ~«Thenre-3 Kind«, besiinftigte er sie nnd zärtelte ungenitt ihr Kinn . . . Sie wehrte ihn ab, sie schämte sich vor sich selbst. Allein mit ihm Lillllc Uc ictil IUOJc-I· Itcilh UKIV Ulklwt sue-Jud . . . Ue Wild cD Will jetzt ins Ohr rannen . . . sie kann es nicht länger in ihrer Seele he wahren . . . es ringt nich heireiender Aussprache . . . ’ Und sie beugt sich zu ihm, um es ihin zuzusliistertr. Gerne neigt .er seinen Kopf ihr entgegen. ! »Verzeiht- uiir .. . wenn ich Dich bisher getäuscht ... Du mußtest es ja sehen, daß ich Dich nicht liebe . . . Jch versuchte es, oher es geht nicht länger. Jch fühlte mich so schwach und feige dieser Ehe gegenüber . . . Jch kann nicht lügen . . . wie Andere. Jch muß Dir die Wahrheit sagen- Es knüpft mich nichts an Dich. Es ist nichts an Dir, was mich harmonisch berühren würde . . . Und ich gehöre nicht zu Jenen, hie das Leben erlernen können, wie es die guten Eltern stets von ihren Töchtern voranssetzen.« »Ich fürchte mich vor der gevrieseneu Gewohnheit, welche die Liebe erzeugen soll, solche Liebe schreckt mich, sie unterscheidet sich gewiß von jener, die ich mir so heiß erträumt . . · Jch bitte Dich, nimm mir-Z nicht übel, daß ich nicht resigniken kann . . . Aber ich fühle meine«liiifäl)igteit.ss » Ä ~Hör’ auf mit diesen dummen Sachen. Die Anderen schauen schon her . . . Das wird sich im Laufe der Zeit Alles geben . . . Jetzt lass mich mit solchen unzeitgemäßen Bekenntnissen. Bedenk doch, wir befinden uns auf der Hoch·-.citsreise: wisch’ Dir rasch Lie Thränen aus den Augen, das schickt sich nicht für eine junge Urau . . .« Sie konnte jedoch ihre Thränenfluib nicht bemeistern. Was fragte sie dank-d, daß dies ihre Hochzeit-steife war ? Jhr Einvfinden kümmert sich in die-sein Momente nicht um diese gesellschaftliche Einrichtung. Der an verlangsamte sein Tempo . . . »Ams:etten« rief der Conducteur und öffnete den Coupåfchlag. Sie stiegen aus, er half iyr dabei plump nnd geichäftiq. Sie fah ibn bittend, stehend an, es nicht zu man, denn jede Berührung schien sie zu schmerzen. Sie haßie seinen Mich seine Miene, sein Antlitz und feinen« galant-en Dir-n . . , Und ich weiß nicht, warum ich stets an das kleine, mutksige Mädchen denken Jenes-, an daß achtzehnjährige Kliirchcm das die Toll »tühnheit besaß, ans feiner »Hochzeit6reise« so eigene Geständnisse dem ,Gatten« zuzuflinter:l. Deshalb berührt es mich stets so wrhmükhig, wenn man das alte Wort von den himmlischen Eben, dem die Zeit längst die Berechtigung genommer anwendet. Und immer taucht jener blonde, gute Mädchenkopf vor mir anf, wenn ein junger Mann im Ballsnale einer weisgelleideten Mitgifthesitzerin feine Liebe zn ihrem Gelde eriner oder ein geschänstüchtigek Freier-, des Feilschens müde, dem Schwiegervater offenlznrt: »Nun, ich bin mit Jhren Bedingungen eingerfzandkn . . . Jch heirathe Ihre Tochter, kann ich sie jetzt vielleicht an se en« .. .« Vcrantwortlichcr Redaetcurt Max Wundtkc. Druck n. Verlao von Ludwig Gümbcr Beide In Dresden-