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nach Möglichkeit gepriesen wird. Ganz Petersburg hatte sich zum Empfange seines Gastes in ein Festgewand ge hüllt. Da im letzten Augenblick günstigere Eisvrrhält- nisse eintraten, so war die Begrüßung und der Empfang des Präsidenten in Kronstadt möglich. Dorthin hatten sich von Petersburg aus Hunderte von bewimpelten Schiffen begeben, deren Insassen Zeugen des feierlichen Actes sein wollten. Hoffentlich verlaufen die Feste ohne Zwischenfälle, die Polizei thut jedenfalls ihre Schuldig, keit, um einen ungetrübten Verlauf zu sichern. Afrika. Die Engländer hatten sich doch ganz gewaltig ver rechnet, als sie in die Welt hinausposaunten, das Pfingstfest werde ihnen den Frieden in Südafrika bringen. Sie sind infolgedessen doch auch merklich klein lauter geworden, und registriren es schon als »inen höchst erfreulichen Umstand, daß die Buren in Vereeniging überhaupt zu Berathungen zusammengctreten seien, wenn man auch noch nicht sagen könne, wie lange diese Con- ferenz noch andauern und zu welchem Ergebniß sie führen würde. Die Buren lassen sich eben durch die nervöse Ungeduld der Engländer, endlich zum Frieben zu gelangen, in ihrer Ruhe absolut nicht stören. Sie nehmen nicht die geringste Rücksicht auf Englands Wünsche, sondern prüfen lediglich ihre eigenen In teressen. Diese ihre correcte Handlungsweise zeugt aber doch offenbar von einem nicht zu verkennenden Kraft bewußtsein, so daß die öffentliche Meinung mehr und mehr Anlaß findet, der Ansicht zuzuneigen, daß die eng lischen Friedensanerbietungen Seitens der Buren keine Annahme, sondern eine schlanke Ablehnung erfahren werden. Amerika. In hohen militärischen Kreisen der Vereinigten Staaten von Nordamerika ist man nach einer Newyorker Meldung erstaunt über das Ausbleiben der Einladung zur Vertretung der Vereinigten Staaten bei den diesjährigen deutschen Herbstmanövern. Die Generale Wood und Corbin waren auf die Andeutung des Prinzen Heinrich, daß eine förmliche Einladung erfolgen würde, bereits für diese Mission in Aussicht genommen wor den. Dazu bemerkt die „Post": Falls die Einladung noch nicht in Washington eingetroffcn sein sollte, dürfte es sich wohl nur um eine formelle Verzögerung handeln. Denn die Meldung, daß an amerikanische Offiziere eine Einladung zu den deutschen Manövern ergehen. werde, ist mit großer Bestimmtheit aufgetreten und von keiner einziger Seite bestritten worden. Ans dem MnlSenthale. *Waldenb«rg, 21. Mai. Ter Bau der vom hie sigen Turnverein schon seit mehreren Jahrzehnten ge planten Turnhalle schreitet rüstig vorwärts. Tas Wohn gebäude, das im Parterre ein Vereinssitzungszimmer enthalten wird, ist nahezu bis zum ersten Stockwerke gediehen und auch das Mauerwerk der Halle, deren Größenverhältnisse dem der städtischen Turnhalle in Lößnitz entsprechen, hat bereits eine derartige Höhe erreicht, daß man sich ein Bild von den räumlichen Verhältnissen machen kann. Zur Beschaffung weiterer Mittel für die Kosten des Baues beabsichtigt der Turn verein demnächst eine Haussammlung, für welche die stadträthliche Genehmigung crtheilt ist, zu veranstalten und hoffen die betheiligten Kreise, daß das gemeinnützige Unternehmen, das auch dem Schulturnen zur Verfügung gestellt werden soll, allseitige reichliche Unterstützung findet. *— AuS dem amtlichen Berichte der Commission für das Veterinärwescn über die in der Zeit vom 1. bis mit 15. Mai d. I. im Königreich Sachfen constatirten ansteckenden Thierkrankheiten entnehmen wir, daß im ganzen Königreich Sachsen 12 Mal Milzbrand vor gekommen ist. *— Zahlungseinstellungen in Sachsen sind im April 84 eröffnet worden gegen 118 in demselben Monat des Vorjahres. Es ist demnach endlich einmal ein nennenswerther Rückgang zu verzeichnen. *— Die Staatseisenbahnverwaltung hat, um den Umfang des Pfingstverkehrs festzustellen, bei allen Fahr kartenausgabestellen die in der Zeit vom 16. bis mit 20. Mai verkauften Fahrkarten zählen lassen. — Bei dem kürzlich aus Zwickau gemeldeten großen Gelddiebstahl handelt es sich um den Betrag von 7200 Mk. in Baar und einen Check von 1100 Mk. Diese Beträge waren von dem Vertreter eines in der Nach barschaft Zwickaus gelegenen großen industriellen Unter nehmens für seine Firma eingezogen worden; dieser, der in Glauchau wohnt, mußte auf einige Tage verreisen, und diese Gelegenheit benutzte sein jugendlicher Sohn, der in Zwickau die Schule besuchte, um das in einem Lederbeutel verwahrte Geld an sich zu bringen. Einen Theil davon verjubelte er mit einigen gleichalterigen Kameraden. Der größte Theil des Geldes ist gerettet. Ans dem Sschse«lan-e. — Mit der Prinzessin Heinrich von Preußen werden deren beiden jüngsten Söhne, der sechsjährige Prinz Sigismund und der zweijährige Prinz Heinrich, am DirnStag im Lahmannschen Institut auf dem „Weißen Hirsch" bei Dresden zum Curgebrauch eintreffen. — Zum Schutze des Deutschthums gegen die immer zahlreicher auftretende tschechische Einwanderbewegung in die Grenzgebiete, sowie gegen die Zurückdrängung des Tentschthums aus Oesterreich und Ungarn hat sich in Dresden ein Ausschuß gebildet zur Gründung eines deutschen Südostmarken-Vcreins. — Der sächsische Landesverband der Gabelsberger'schen Stenographenvereine, der den Namen führt „Gcsammt- verein der Gabelsberger'schen Stenographenvereine im Königreiche Sachsen" uud an dessen Spitze das könig liche Stenographische Institut in Dresden steht, hält vom 2l. bis 23. Juni dieses Jahres in Leipzig seine 41. Jahresversammlung ab. — Ein Lehrerseminar wird in Leipzig errichtet; der Rath hat einen umfangreichen Bauplatz im Süden der Stadt, an der Elisen-, Scheffel- und Gustav Freytag straße dazu bestimmt. — Von einer ungenannten Dame in Leipzig wurden dem Evangelischen Bunde zur Förderung seiner Zwecke, insbesondere zur Förderung der evangelischen Bewegung in Oesterreich, 6000 Mk. übermittelt. — Ter akademische Senat der Universität Leipzig hat, wie das „Leipziger Tageblatt" berichtet, in seiner am Mittwoch abgehaltenen Sitzung beschlossen, daß, abgesehen von etwaigen ganz besonderen Anlässen, öffentliche theatralische Aufführungen von Studirenden der Universität Leipzig als unvereinbar mit den Zwecken und Zielen des akademischen Studiums in Zukunft nicht mehr zu gestatten sind. — Die am Dienstag und Mittwoch im großen Fest saale des Kaufmännischen Vereinshauses in Chemvitz stattfindenden Hauptversammlungen der deutschen Lehrer beschäftigen folgende Punkte: 1. Universität und Volks schullehrer, 2. Die Bedeutung der Volksbildung für die Volkssittlichkeit, 3. Die Bedeutung der Kunst für die Erziehung, 4. Wie stellen wir uns zur Einführung des HauShaltungsunterrichts in den Lehrplan der Mädchen schulen. Es ist außerdem eine große Anzahl Neben versammlungen vorgesehen, in denen fast ausschließlich Fachgegenstände zur Erörterung gelangen. Im Weitern finden statt: Die Hauptversammlung der vereinigten deutschen Jugendschriften-Ausschüsse, die Versammlung des deutschen Lehrervereins für Naturkunde, die Ver sammlung der Vertreter deutscher Pestalozzivereine, die Versammlung des deutschen Vereins zur Bekämpfung von Sprachstörungen unter der Schuljugend, die Ver sammlung deS deutschen Vereins abstinenter Lehrer re. Am Montag Abend von 6 bis 7 Uhr fand in der Turnhalle an der Hedwigstraße eine vom Chemnitzer Samariter-Verein veranstaltete Ucbung statt, zu der sich eine ansehnliche Zuschauermenge, namentlich auch eine stattliche Anzahl Lehrer, eingefunden hatte. Bei der Begrüßungsversammlung am Montag Abend hielt der zweite Vorsitzende des Ortsausschusses, Herr Lehrer Gelfert, die Begrüßungsansprache, an die sich in bunter Reihe allgemeine Gesänge, Concertvorträge der städtischen Kapelle, Gesänge eines Doppelquartetts, sowie humo ristische Vorträge und eine große Reihe von Ansprachen knüpften. In der ersten Hauptversammlung begrüßte Cultusminister vr. v. Seydewitz die Anwesenden im Namen der sächsischen Regierung, Oberbürgermeister vr. Beck namens der Stadt, Lehrer Thicrich-Chemnitz namens deS Ortsausschusses. Den ersten Vortrag hielt Univer- sitätSprofessor Or. Rchmke-Greifswald über „Universität und Volksschullehrer". Nach einer Pause sprach Lehrer Pretzel-Berlin über „Die Bedeutung der Volksbildung für die Volkssittlichkeit". Zum Schluß sprach noch Lehrer Agath-Rixdorf über gewerbliche Kinderarbeit. Um 4 Uhr fand ebenfalls im großen Saale des Kauf männischen Vereinshauses die Festtafel statt, an der gegen 600 Personen theilnahmcn und welche bis 7 Uhr währte. Ein Fest am Schloßteich, bestehend in Illu mination und Concerten, bildete den Abschluß des Tages. — Zwei Kellnerinnen in Chemnitz fuhren von dort im November v. I. nach Mittweida. Obwohl sie Fahr karten 3. Klasse lösten, stiegen sie doch in ein Abtheil 2. Klasse ein. Kurz vor dem Abgänge des Zuges er schien ein die Fahrkartencontrolle ausübender Beamter, Unterhaltungstheil. Auf Hohen Moor. Novelle von Claire von Glümer. 25) (Fortsetzung.) Es könnte auch noch anders gewesen sein, — aber das wollte niemand aussprechen. Jedenfalls war eS auffallend, daß Wulf so eifrig bemüht gewesen, ein längeres Suchen nach der Leiche zu verhindern, — die Schußwunde sollte nicht entdeckt werden, und auffallend war die Ruhelosigkeit, die ihn seit Jobst Clamors Tode befallen. Während niemand zweifeln konnte, daß der Unglück liche im Schwarzen Moor begraben liege, hatte Wulf am zweiten Tage plötzlich nicht mehr daran glauben wollen, war nach Eisenhof geritten, um sich — ver gebens natürlich — bei allen Bahnbeamten nach dem Verschwundenen zu erkundigen; einstimmig hatten sie die Versicherung gegeben, daß Jobst Clamor, der allen ge nau bekannt war, weder mit dem Nachmittags- noch mit dem Abendzuge thalab gefahren sei. Nur das Schänkmädchen am Büffet wollte durch einen Reisenden, der den SechSuhr-Zug thalauf benutzt hatte, an den jungen Herrn von Hohen-Moor erinnert worden sein. Aber man wußte ja, wie gern sich Minchen Kahle wichtig machte. Außerdem konnten sich der Billeteur und der Telegraphist genau auf diesen Fremden besinnen, der ein Telegramm nach Langersheim aufgegeben und, wie sie versicherten, nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Junker von Hohen-Moor gehabt hatte. Des Junkers helltönende Stimme und befehlende Redeweise war ihnen genau bekannt; der Fremde im Jagdrock hatte aber in leisem, heiserem Ton gesprochen. Die Urschrift des Telegramms konnte leider nicht als Be weisstück dienen; der Telegraphist hatte auf Wunsch des Reisenden, dessen Hände vor Kälte steif waren, die paar Worte selbst niedergeschrieben; sie lauteten: „Gasthaus zum Bären, Langersheim, sofort zwei gute Schlafzimmer heizen, Heinrich Müller." Warum Wulf daraufhin nach Langersheim fuhr, war unbegreiflich, aber er that es. Der Förster von Allrode war gerade in der Schänkstube, als er kam, die Wirthin bei Seite zog und ausfragte, und obwohl sie leise sprachen, hatten des Försters Luchsohren alles ver standen. Der Fremde, um den es sich handelte, ein verdrießlicher, wortkarger Herr, war mit Frau und Kind gekommen; die Eheleute hatten sich gezankt, schienen — den herabgebrannten Lichtern nach — die halbe Nacht aufgeblieben zu sein und waren am nächsten Morgen mit einem Miethwagen nach GoSlar auf den Bahnhof gefahren. Die Personalbeschreibungen, welche Wirthin, Kellner und Stubenmädchen lieferten, waren so widersprechend, daß sie nicht den geringsten Anhalt gaben. Die Wirthin hatte den Fremden groß und dunkelhaarig gefunden, der Kellner klein und blond; das Stubenmädchen nannte ihn einen ältlichen Herrn, hatte ihn aber, wie sie gestand, wenig beachtet, da seine junge Frau oder vielmehr deren Falbeln und Spitzen, Sammet mantel und Federhut ihr ganzes Interesse in Anspruch genommen. So kam denn Wulf — wie ihm jeder Einsichtige zum voraus gesagt haben würde, und leise fügte man hinzu: wie er selbst am besten vorher wissen mußte — ohne Erfolg von seinen Erkundigungen zurück, und Graf Hohen-Moor, dem er darüber Bericht erstatten wollte, bat, ihm die Einzelheiten zu erfparen. „Obwohl ich keinen Augenblick an Jobst Clamors Tod gezweifelt habe, danke ich Dir für jeden Schritt, den Tu gethan hast," fügte er hinzu; „aber nun laß es genug fein; quäle Dich und mich nicht länger mit nutzlosem Sträuben gegen das Unabänderliche. Du hast besseres zu thun; denn in Deinen Händen liegt fortan die Zukunft von Hohen-Moor, — meine Kraft ist gebrochen." Es war, wie er sagte, und nicht nur seine Kraft, auch sein Interesse an der Aufgabe, die er seit sieben- ^zehn Jahren ebenso energisch wie erfolgreich durchge- sührt, schien plötzlich erschöpft. Ein anderes war an seine Stelle getreten: das wachsende Verlangen nach dem Besitz des Enkels, das ihn umsomehr in Anspruch nahm, da er es mit einer Art von Scham und Scheu in sich verschloß. Sittenstreng, wie er sein Leben lang gewesen war, konnte er sich nicht entschließen, die vermeintliche Ver irrung Jobst Clamors den Seinigen einzugestrhen — wenigstens jetzt noch nicht. Wulfs Anerbieten, nach Leipzig zu gehen, um persönlich die Verhältnisse des Verstorbenen zu ordnen, wies er mit der Erklärung zurück, daß er bereits einen Sachwalter damit beauf tragt habe; als jedoch der erwartete Brief von der Mutter des Kleinen nach Verlauf der zweiten Woche nicht gekommen war, überraschte er die Seinigen mit der Ankündigung, daß er selbst nach Leipzig reisen müsse. Nach wenigen Tagen kam er zurück, noch finsterer, als er gegangen war. Seine Erkundigungen hatten ergeben, daß die Frau Wenzel, bei der Jobst Clamor gewohnt, mit Vornamen Regine hieß, und die An deutungen des Hausbesitzers hatten ihm keinen Zweifel darüber gelassen, daß seines SohneS Verhältniß zu der jungen Frau zu allerlei Vermuthungen Anlaß ge geben. Der Hauswirth hatte Frau Regine Wenzel dem alten Grafen gegenüber als eine ordentliche Frau bezeichnet, die keinem Menschen einen Pfennig schuldig geblieben sei; aber über ihren jetzigen Aufenthalt wisse er nichts zu sagen. In Leipzig war sie sicher nicht geblieben; denn sie hatte alles, was schwer zu verpacken ist: GlaS, Porzellan, Lampen und dergleichen verkauft — Möbel hatte sie außer einem schönen Flügel, der ebenfalls ver kauft war, nicht besessen — war am Morgen des 8. Januar, also an dem Tage, an dem Jobst Hohen-Moor verlassen, mit ihrem Kindchen und ihren Koffern nach dem Magdeburger Bahnhof gefahren, und das war das letzte, was der Wirth von ihr zu sagen wußte. (Fortsetzung folgt.)