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LH LH Erscheint jeden Wochentag Rachinttt. '!,6 Uhr für den .HO ^«»11. andern Tag. Preis vierteljährlich2 Mark2ü Psg-, * zweimonatlich 1 M. VN Pf. und eimnonatlich 7ü Pf. ------ reißeM Ayeia^ und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen Md städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. 42. Jahrgang. - Mittwoch, de« Z. ONover^MLSWNMM " sj oder deren Raum lv Psg. Die Kückkehr -er Königin Natalie. Nach mehr als dreizehnmonatlicher Abwesenheit ist die Königin-Mutter Natalie von Serbien am Sonntag Nachmittag 41/2 Uhr wieder in Belgrad eingetroffen, wo ihre bevorstehende Ankunft seit Wochen das Juteresse aller Klaffen der Bevölkerung beherrschte. Wenn das Belgrader Blatt „Odjek", welches den Gang der Verhandlungen zwischen der serbischen Regentschaft und der Königin Natalie sehr eingehend schilderte, der Wahrheit durchweg getreu blieb, so hat der Regent Ristic das Möglichste gethan, um die Rückkehr der Mutter des Königs Alexander zu verzögern rind für das fernere Geschick der Dynastie Obrenovic gefahrlos zu gestalten. Durch Vermittelung deS serbischen Ge sandten in Bukarest, Kaljevic, wurde die Königin noch am lehtenSonnabend ersucht, ihre Reise nach Belgrad noch um einige Tage zu verschieben, bis wenigstens die Modalitäten des Empfanges vereinbart seien. Da Vieser Vorschlag des serbischen Ministerrathes gänzlich unbeantwortet blieb, wurde von dem letzteren beschlossen, jeden offiziellen Empfang zu unterlassen. Bei der leidenschaftlichen Thrclnahme,. welche besonders der weibliche Theil der Belgrader Gesellschaft dein Schicksal der schwergeprüften Gattin und Mutter zollt, bürste die Königin Natalie auf einen begeisterten Empfang rechnen, der sie für das Fernbleiben der Regenten und Minister bei ihrer Ankunst ent schädigte. Diese Erwartung ist denn auch nicht getäuscht worden, da eine überaus zahlreiche Menge die heimkehrende Königin von Serbien bei der Landung des Separatschiffes, das sie nach Belgrad brachte, auf das Herzlichste begrüßte. Als das Schiff in Sicht kam, brach dieMengeinZiviorufeauS,welche sich steigerten, als die Königin thronenden Auges das Schiff verließ und mit lautem Schluchzen Frau Bujak und Fräulein Bogitsche- witsch umarmte. Natalie sah zwar sehr blaß, aber noch schöner aus, als früher; sie trug ein schwarzes Kleid und einen schwarzen Hut. Die Königin wurde Vonden trotz des Verbot- anwesenden Offizieren zu der reich geschirrten, vom Schabacer Reiterklub gestellten Equipage geleitet; vieselbe fuhr alsdann durch die mit Teppichen und Blumen außerordentlich reich geschmückten Straßen in langsamem Schritt zum Absteigequartier der Königin. Mit dem enthusiastischen Empfang durch das Volk stand das Fernbleiben jeder offiziellen Persönlichkeit in schroffem Gegensatz. Auch der Metropolit Michael batte sich am Landungssteg nicht eingefunden. Der Wagen der Königin fuhr zunächst zur Kathe drale, aber eine herbe Enttäuschung harrte dort der hohen Frau. Auf Befehl des Metropoliten Michael waren die Thore der Kathedrale geschlossen; kein Geistlicher war anwesend. Unter dem Eindruck dieser Maßregel erneuerten sich vor dem Gottes hause die Ovationen für die Königin noch stärker als bisher; ebenso, als Natalie beim Konak vorbeifuhr und die sonst offenen Thore desselben geschlossen waren. Die Königin ist bei Frau Bujak abgestiegen, deren Haus nur aus Parterre-Räumen mit 7 Fenstern Straßenfront besteht. Vor diesem Gebäude ver- sammelte sich die Menge und brachte der Königin ununter brochene Huldigungen dar. Bis zum Einbruch der Dunkelheit mußte die Königin sechs Mal am Fenster erscheinen; jedesmal verneigte sie sich dankend nach allen Seiten. Bei ihrer Ankunft in der Villa der Frau Bujak fand die Königin dort den russischen Gesandten Persiani mit dem ge- sammten Gesandtschaftspersonal, sowie den Regenten Ristic vor, der sich zur Begrüßung eingefunden hatte und der Königin neue Ausgleichsvorschläge überbrachte. Später machten fast sämmtliche hervorragende Persönlichkeiten Belgrad- Besuche bei der Königin. Im Innern des Schlosses hatte sich schon Nach mittags eine bewegte Szene abgespielt. Der jnnge König drang lebhaft in seine Umgebung, man möge ihm da- sofortige Wieder sehen der Mutter gestatten und ihm erlauben, ihr entgegen zu gehen. Dies wurde ihm standhaft versagt, auch dann, als er bitterlich weinte und speziell Ristic um Erfüllung seiner Bitte beschwor. Die Regenten sahen die Unmöglichkeit ein, das Meversehen zwischen Mütter und Sohn länger als bis zum andern Tage hinauszusthieben, da der junge König sich in einer Aufregung befand, die für seinen Zustand Schlimmes be fürchten ließ. Die erste Begegnung Nataliens mit ihrem Sohne fand deshalb am Montag Vormittag in den noch in letzter Stunde vereinbarten Formen im Beisein des Gouverneurs des Königs Alexander, Dokic, und des ersten Adjutanten Ciric statt. Die Mit- theilung Wiener Blätter, daß König Mkläir diä Absicht hatte, diese langersehnte Zusammenkunft von Mutter und Sohn gänzlich zu verhindern und den König Alexander unter dem Vorwande eines Jagdausfluges mit sich in das Ausland zu nehmen, hat sich als völlig ungegründet herausgestellt. Glaubwürdiger war die Belgrader Meldung, daß Milan nach der serbischen Haupt stadt kommen wollte, um die Bedingungen für die Rückkehr seiner geschiedenen Gemahlin persönlich zu regeln, daß jedoch die serbische Regentschaft diese Einmischung höflich aber be stimmt ablehnte. Bei der Sympathie, die der russenfreundlichste Theil der serbischen Bevölkerung der vertriebenen Prätendenten-Familie Karageorgievic entgegenbringt, hielt es der Regent Ristic für ange- ;eigt, der Königin Natalie gegenüber jede Verantwortlichkeit für die Erhaltung des Thrones ihres Sohnes abzulehnen, wenn dessen Eltercc auf serbischem Boden ihren Zwist fortsetzen sollten. Auch dem König Milan gegenüber machte Ristic kein Hehl daraus, daß jedes neue offenkundige Aergerniß nur die Pläne der Feinde des Hauses Obrenovic fördern würde. Es ist nicht unmöglich, daß cs schließlich zu einem friedlichen Ausgleich zwischen den beiden getrennten Gatten kommt, weil die rege Theilnahme des Zaren für den montenegrinischen Schwiegervater des serbischen Prätendenten Karageorgievic bei der Königin Natalie Zweifel an der Zuverlässigkeit der ihr versprochenen russischen Protektion erwecken mußte. Die hohe Frau wird rS nicht verkennen, daß ihr alle Sympathien sicher sind, so lange sie in der weiblichen Sphäre verharrt und sich nicht in das politische Getriebe hinein zerren läßt. Das ministerielle Wiener .Fremdenblatt" erkannte es rühmend an, daß die Königin Natalie es bisher verstand, der Lage und den Pflichten ihrer Stellung in resignirter Weise nachzukommen. Gleichzeitig warnte aber das Wiener Blatt auch vor neuen Konflikten wir dem König Milan, weil die Ruhe Serbiens und des jungen Königs Alexander es dringend nöthig machen, daß die getrennten fürstlichen Gatten einander nicht mehr auf serbischem Boden als Gegner gegenüber treten. Bis jetzt weigerte sich die Königin-Mutter, auf die Verpflichtung eines nur zeitweiligen Aufenthaltes in Belgrad einzugehen. Serbien bedarf der Ruhe, um sich weiter günstig zu ent wickeln. Hoffentlich wird die Ankunft der Königin-Mutter in Belgrad das vielgeprüfte Land in dieser günstigen Entwickelung nicht hemmen, nachdem eben erst die Wahlen zur Skupschtina ohne Störung der Ruhe und Prduung vorübergeaangen sind und zum Siege der radikalen Sache geführt haben. Dieserbische Skupschtina zählt 117 Mitglieoer; von ihnen gehören in der neugewähltrn nur 15 der liberalen Partei an, während die Radikalen mit etwa 102 Abgeordneten die weit über wiegende Mehrheit haben werden. Die serbischen Fort schrittler, die sehr zusammengeschmolzen sind, haben sich ent weder der Wahl enthalten oder zu Gunsten der Liberalen ge stimmt. Der ruhige Verlauf der Wahl hat selbst die Regierung überrascht, welche bei diesem Anlaß Unruhen befürchtete und deshalb vorher umfassende Militärische Maßnahmen traf. Von gegnerischer Seite ließ man diesmal besondere Mäßigung walten, weil die meisten seiner Zeil an den Regierungsantritt der Radikalen geknüpften Besorgnisse keine Bestätigung durch den Verlauf der Begebenheiten fanden. Das radikale Kabinct wird wohl, dem Ruhebedürfniß Serbiens entsprechend, auch weiterhin die Ordnung im Innern erhalten und die auswärtige Haltung so einrichten, daß Verlegenheiten weder für das Land noch für die befreundeten Staaten erwachsen werden. Das Programm der serbischen Radikalen, welches in dem Satze gipfelt: „Serbien den Serben" dürfte nur dann eine Gefahr für den Frieden bedeuten, ivenn es dem Metropoliten Michael gelingen sollte, großserbische Ideen bei der radikalen Be- völkerungsmasse einzubürgern, uni durch sie Serbien in einen schroffen Gegensatz zu Oesterreich-Ungarn zu bringen und eben damit einen näheren Anschluß an Rußland vorzubereiten. Wahrscheinlich wird der unruhige radikale Führer, Pasic, dem die österreichischen Blätter wenig Wohlwollen und Vertrauen entgegenbringen, zum Präsidenten der Skupschtina gewählt werden. Deennoch erwartet man, daß die serbischen Abge ordneten Alles vermeiden werden, was die Befestigung der jetzigen Verhältnisse in Serbien hindern und die Noch dort vor handenen Wirren vergrößern könnte. Die Regentschaft er wartet unverkennbar den größten Bortheil davon, ebenso den König Milan wie die Königin Natalie von der Regierung fern zu halten. Letztere will man nicht mit Gewalt von Belgrad entfernen, aber man wird ihr ebensowenig irgend welchen Ein fluß auf die öffentlichen Angelegenheiten, wie auf die Person ihres Sohnes, einräumen. Am bemerkenswerthesten erscheint der Umstand, daß auch der Metropolit Michael der ihm sonst engbefreundetrn Königin-Mutter jetzt gegenüber eine seinem früheren Benehmen widersprechende Zurückhaltung beobachtet. Tagesschau. Freiberg, den1. Oktober. Der deutsche Kaiser hatte gestern Vormittag eine längere Unterredung mit dem Grafen Herbert Bismarck. Um 12*/, Uhr empfing der Kaiser die in Berlin eingetrofsene außerordent liche Gesandtschaft des Sultans von Zanzibar. Die beiden Gesandten waren in einem vierspännigen Galawagen vorge fahren. Hinter demselben kam je ein halber Zug des 3. Garde- Ulanen-Regiments. Bor dem neue« Palais, wo sie 12 Uhr 10 Minuten eintrafen, war die Leib-Kompagnie des 1. Garde- Regiments zu Fuß in Parade aufgestellt; die Gesandten fuhren die Front derselben entlang, während die Musik den Prkfentir- marsch spielte. Darauf verließ die Gesandtschaft den Wagen und begab sich in den Muschelsaal, wo die Lelbgendarmerie, die Krongarde und eine Abtheiluna der Garde du Corps auf gestellt waren. Kurz darauf erschien der Kaiser in der Um ¬ arm der Garde du Corps mit dem Prinzen Friedrich Leopold und in Begleitung des Staatssekretärs des Auswärtigen, StaatS- ministers Grafen Herbert Bismarck. Jeder der beiden Ge- ändten verlas ein Schreiben des Sultans, »vorauf der Kaiser juldvollst erwiederte. Nach Ueberreichung der Geschenke des Sultans wurde die Gesandtschaft auch von der Kaiserin em pfangen. Der für den Kaiser bestimmte Säbel, der überreich mit edlen Steinen besetzt ist, lag in einem Futteral aus rothem Sammet, die Geschenk für die Kaiserin, Schmuckgegenstände a ls edlen Metalle» in zierlicher Arbeit, lagen in einem roth braunen Holzschrein von 45 Ztm. Länge, 25 Ztm. Breite und gleicher Höhe. Nach dem feierlichen Empfange der Gesandt- chast sand für dieselbe in den dem Muschelsaale zunächstge- egenen Räumen ein Frühstück statt. Bei dem Kaiser und der Kaiserin wurde später zur Feier des Geburtstages der Kaiserin Augusta ein Mahl von einigen 30 Gedecken abgehalten. Heute Vormittag gedachte das deutsche Kaiserpaar das Neue PalaiS zu verlaffen, um mittels Sonderzuges von der Wildparkstation aus über Charlottenburg und Spandau, nach Ludwigslust und Schwerin abzureisen, .wo die Ankunft Nachmittags 2*/, Uhr erfolgen dürfe. Bei der Ankunft iy Schwerin findet auf dem dortigen Bahnhofe großer Empfang statt. Am Freitag den 4. Oktober werden der Kaiser und die Kaiserin wieder im Neuen PalaiS bei Potsdam eintreffeu. Wie verlautet, ist die Einberufung des deutschen Reichs tages für 21. oder 22. Oktober in Ausficht genommen. Bei dem gestrigen Vortrage des Ministers v. Bötticher bei dem Kaiser soll es sich um Ermächtigung zur Einberufung des ReichstaaeS gehandelt haben, lieber die vcrmuthliche Dauer der Session schreibt die .National Zeitung": .In mehreren Blättern wird als .offiziös" oder als Wiedergabe der in .amt lichen" Kreisen herrschenden Auffassung eine Korrespondenz veröffentlicht, der zufolge die Reichstagssession bereits zu Weih nachten beendet sein soll. Wir halten den Verfasser der frag lichen Korrespondenz weder für offiziös noch für eingeweiht in die Auffassung solcher amtlichen Kreise, auf welche es hier an kommen würde, und die Ansicht, daß oer Reichstag seine Arbeiten bis Weihnachten beenden könne, scheint uns völlig unbegründet. Es stehen außer der Etatsberatbung, die kaum in den sieben Wochen von Ende Oktober bis zu den Wcihnachts- ferien beendet werden kanu, eingehende Debatten über die Kolomalpolitik, über die Lebensmittelzöll«, wahrscheinlich auch über militärische Fragen bevor. Die Verhandlung über das Sozialistengesetz wird in allen Fällen, gleichviel, Ivas die Re gierung Vorschlägen mag, eine umfangreiche werden; und auch die Bankfrage wird sich nicht über das Knie brechen lassen, wie sich schon daraus ergiebt, daß die Regierung in derselben bis zu diesem Augenblicke noch zu Kiüem Entschluß gekommen ist. Darnach erscheinen die Angaben, wonach der Reichstag bereits vor Weihnachten geschlossen werden foll, werthloS." — Den „Berliner Politischen Nachrichten" zufolge ist der Marineetat den BundcSrathSauSschüssen gestern zugegangen. Der Militär etat und der Hauptetat dürften noch in dieser Woche zur Ver- theilung gelangen. — Der „Staatsanzeiger für Württemberg" meldet : „Die Genesung des Königs machte in den letzten Tagen erfreuliche Fortschritte. Die gastrische Störung ist gehoben, und konnte der König den größten Theil des Tages außer Bett zu- britigen. Die Abreise von Friedrichshafen dürste bei günstiger Witterung am Mittwoch erfolgen." — Heute findet die feierliche Eröffnung der Eisenbahnlinie Leutkirch-Memmingen statt. Der bayerische Minister Freiherr von Crailsheim und der württem-- bergische Minister Frhr. v. Mittnacht wohnen der Feier bei. — In der ersten Sitzung deS 9. deutschen Kongresses für erzieh liche Handarbeit, der in Hamburg tagte, erörterte am Sonntag Lehrer Rißmann-Berlin die Frage: „Welches Interesse hat die deutsche Lehrerschaft an der Förderung des Arbeitsunternchts?" Korreferent war vr. Goetze-Leipzig. Einen wetteren Bortrag hielt vr. Justus Brinckmann-Hamburg über daS Thema: „Welches Interesse hat der Gewerbestand an der Förderung des Arbeitsunterrichts?" Das Schlußwort erstattete der Geschäfts führer des Vereins Abgeordneter von Schenkendorff-Görlitz. Seitens des Deutschen Verein- wurde dem Reichskanzler fol gendes Telegramm übermittelt: „Ew. Durchlaucht bringt der in Hamburg tagende 9. deutsche Kongreß für eniehlicheKnaben-Hand- arbeit ehrerbietigsten Gruß und wärmsten Dank dar für die stimn Bestrebungen auch in diesem Jahre zugewendete wirkungsvolle Unterstützung. Die von Ew. Durchlaucht weit auSgesteckten Ziele für deutsche Arbeitskraft werden sicher und bewußt von einer Jugend fest im Auge behalten werden, welche werkthätige Arbeit übt und ehrt. Möge zum Heile der deutschen Land« eS Ew. Durchlaucht beschicken sein, noch lange Jahre hinaus zu wirken und auch unserm Vereine die Wege frei zu halten und zu sichern.'" Am Montag verlas der Vorsitzende, A. LammerS-Bremen, das vom Reichskanzler eingelaufene DankeStelegramm. Dem Bericht über die wirthschaftliche Lage des Vereins folgten Referate über Stand und Ausbreitung der Vereinsbeftrebungen in Deutschland, über die Thätigkeit der Sektionen für Knaben-Handarbeit rnde» Lehrervereinen zu Görlitz und Berlin, sowie ein Bericht kwL