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Erschein« jeden Wochentag Nachmilt. Uhrsürden andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Psq., zweimonatlich 1 M. 50 Ps. und einmonatlich 75 Pf. 42. Jahrgang. Sonntag, de« 23. Juni. ' und Tageblatt. Amtsblatt fiir die kömglichm und städtischen Behörden zn Freiberg and Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. ! Inserate werden bis Bormittag 11 Uhr angenom- men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile H OO V oder deren Raum >5 Pfg. Die Woche. Für das ganze deutsche Reich hat das in diesen Tagen hon dem sächsischen Volke mit seinem angestammten Herrscher- hanse in so herrlicher Weise gefeierte Wettin-Jubiläum einen Gegenstand der freudigsten Theilnahme gebildet. Das dabei lebhaft bekundete Gefühl der Zusammengehörigkeit von Fürst und Volk berührte fast allerwärts um so sympathischer, als man sich überall vergegenwärtigte, welchen großen Antheil das Fürstenhaus Wettin sowie der sächsische und thüringische Volks- stamm im Lause der Jahrhunderte an den mannigfachen Ge staltungen der deutschen Geschichte gehabt und welchen Ehren platz in der Neuzeit das jetzige Oberhaupt der Wettiner Fürsten- Familie, König Albert, sich unter den deutschen Fürsten er worben hat. Kaiser Wilhelm bewies durch sein persönliches Erscheinen in der Hauptstadt Sachsens seine freudige Theil nahme an dem Ehrentage des Fürstenhauses Wettin und des ihm so innig befreundeten sächsischen Monarchen. Außerdem hat aber dem bei dieser Jubelfeier von einem Kranz erlauchter 'Gaste aus den deutschen Fürstenhäusern umgebenen sächsischen Königspaarc auch der deutsche Bundesrath durch eine von dem Staatssekretär v. Bötticher geleitete Abordnung die herzlichsten Glückwünsche zu dem Jubelfeste ausdrücken lassen. Ein von den Hochschulen in Dresden, Freiberg nnd Tharandt gebrachter Fackelzug leitete am Abend des 15. Juni die Wettin-Feier in Dresden ein, die in den folgenden Tagen selbst in der kleinsten Ortschaft Sachsens zu seftlichenVeranstaltungen Veranlassung gab. Nach dem Festgottesdienste am Sonntag nahmen die sächsischen Majestäten im Dresdner Schlosse zahlreiche Beglückwünschungen entgegen nnd wohnten an demselben Abend mit ihren hohe» Gästen dem historischen Armeefeste bei, welches einen glänzenden Perlauf nahm. Montag Vormittag empfing das sächsische Königspaar die erwähnte Abordnung des deutschen Bundesrathes, die sächsischen Mitglieder des deutschen Reichstages nnd zahl reiche andere inländische Deputationen, insbesondere eine aus 22 Herren bestehende Abordnung sümmtlicher Städte Sachsens. Bei der sich anschließenden Hoftafcl gedachte König Albert in seinem Trinkspruch auf das Vaterland mit beredten Worten der innigen Beziehungen, die seit Jahrhunderten in Sachsen zwischen Fürst und Volt herrschen, nnd ferner der Treue, mit der das Volk seinem Königshause zngethan ist. Am Dienstag traf Kaiser Wilhelm in Dresden ein, wohnte der große» Parade auf dem Alaunplatze bei und führte bei derselben das Grenadier- Regiment Nr. 101 „Kaiser Wilhelm" dem Könige vor. Der später erfolgenden feierlichen Enthüllung des König Johann- Denkmals auf dem Theaterplatze in Dresden sah der deutsche Kaiser nur von ferne von dem Fenster des Kgl. ResidenzschlvsseS «aus zu. Aus den ihm von dem König Albert bei der Galatafel «gewidmeten Trinkspruch dankte der Kaiser mit herzlichen Worten und sagte u. A.: „Es war mir eine Pflicht als Monarch und «ein HerzenSbedürfniß als Verwandter des Hanfes, an dein Tage, an welchen: Ew. Majestät mit Ihrem Volke so ein einziges Fest feiern, auch meinerseits meine Reverenz zu bezeugen." Die erst ans Dienstag Abend 8 Uhr angesetzte Heimreise nach Potsdam verschob Kaiser Wilhelm unr drei Stunden, um noch «einer Wiederholung des prächtigen Armeefestes beizuwohnen. Der großartige Hnldignngszng am Mittwoch Vormittag und das römische Feuerwerk an: Mittwoch Abend bildeten Glanzpunkte der Wettinfeier in Dresden. Am Donnerstag Nachmittag wurde durch Se. Majestät den König der außerordentliche sächsische Landtag »nt einer Thronrede geschlossen. In dem gleichzeitig den Ständen überwiesenen Landtagsabschied wurde die ständische Bewilligung von 3 Millionen zur baulichen Veränderung des Dresdner ResidenzschlvsseS und des Moritzburger Schlosses ge nehmigt, sowie die Erklärung abgegeben, daß die Regierung von der Ermächtigung zn Beihilfen ans der Staatskasse für die Wasserbeschädigten Gebrauch machen werde. Den Schluß des Wettiner Jubiläums bildete die Veröffentlichung einer Dank sagung des Königs, welche mit den Worten schloß: „Gott segne mein Sachsenland und sein Volk!" Das tränte freundschaftliche Verhältniß zwischen dem deutschen Kaiser nnd dem König von Sachsen wird schon in den allernächsten Tagen wieder durch die Anwesenheit deS sächsischen Monarchen bei der Vermählung des Prinzen Friedrich Leopold von Preußen mit der Schwester der Kaiserin und bald darauf durch ein abermaliges Zusammentreffen in Stuttgart bei der Feier des Regierungs- Jubiläums des Königs Karl von Württemberg deutlich bekundet wer den. Der deutsche Bundesrath gedenkt noch eine Sitzung zu halten und dann endlich in die Ferien zu gehen. Auf den: Gebiete der auswärtigen Politik des deutschen Reiches war in der letzten Zeit besonders die Verstimmung bemerkenswerth, die zwischen Deutschland und der Schweiz seit den: Wohlgemuth-Zwischenfall eingetreten ist. Offiziös wnrde besonderer Werth darauf gelegt, daß die von Deutschland und Rußland in Bern behufs Ver- besterung der Fremden-Polizei gethanen Schritte auch vom dor tigen österreichisch-ungarischen Gesandten amtlich unterstützt worden sind. Die „Nordd. Allg. Ztg." theilte mit, es sei gleich zeitig in Bern' den: Gedanken Ausdruck gegeben worden, daß jeder Mißbrauch des Vorrechtes der Neutralität vermieden werden müsse. Dieses Vorrecht werde unhaltbar, wenn man von seiner Grundlage aus eine beleidigende Mißachtung der Interessen des Nachbarstaates für berechtigt halte. In dem Artikel des Kanzlerblattes wurde schließlich auch die Nichter füllung des Artikels 2 des Niederlassungsvertrages von: 27. April 1876 seitens der Schweiz betont. Die österreichische und die ungarische Delegation traten am Sonnabend in Wien zusammen, nachdem dvrt die erstere schon an: Freitag eine Vvrberathung über die Wahl des Präsi diums abgehalten hatte. Beide Delegationen werden bereits am 23.d.vom Kaiser von Oesterreich in derWienerHofburgempfangen. Die Session dürfte diesnial ziemlich glatt verlausen, da die gesammten neuen Anforderungen die Summe von 8 Millionen Gulden nicht übersteigen werden. Die Mißstimmung der Ar beiter-Bevölkerung der Stadt Steyr gegen die Leitung der Teufelmayerschen Windemverkstätte führte am letzten Montag zu heftigen Exzessen, welche sich am Dienstag nnd Mittwoch fortsetzten, worauf es endlich mit Hilfe des aus Linz, Enns und Freistadt hcrbeigezogenen Militärs gelang, die Ordnung wieder herznstellen. Noch ernster waren die Unruhen, welche an: Donnerstag unter den streikenden Bergarbeitern der böhmischen Stadt Kladno ausbrachen, wobei die Wohnungen des Bürger meisters und des Bergdirektors Bacher geplündert und ver wüstet nnd infolge des scharfen Einschreitens der Gendarmen 2 Personen getödtet und 12 schwer verwundet wurden. Zur Wiederherstellung der Ruhe gingen drei Bataillone Infanterie von Prag nach Kladno ab. Bei der Berathung des Kriegsbndgets verwarf die italie nische Depntirteiikammer an: Montag den Antrag Baeearinis auf Herabminderung des Kredits für Afrika und nahm mit großer Mehrheit ein Vertrauensvotum für die Regierung an. Anläßlich der Berathung des Budgets des Auswärtigen beant wortete der Ministerpräsident Crispi an: Mittwoch eine Inter pellation Brnnialtis über die Zwistigkeiten, welche kürzlich in Gondreconrt zwischen italienischen und französischen Arbeitern vorgekommc» sind, am Tage darauf mehrere Anfragen über die italienischen Schulen im Auslande, worauf auch das Budget des Auswärtigen genehmigt wurde. Unmittelbar nach seinen: Eintritte in die belgische Rc- präsentanten-Kammer hat der neugewählte liberale Abgeordnete der Stadt Brüssel, Paul Janson, durch eine scharfe Interpellation bewiesen, daß die Liberalen gewillt sind, alle Konsequenzen des zweideutigen Verhaltens der klerikalen Regierung in: Prozesse von MonS zu ziehen. Janson erklärte, daß sich d:e klerikale Mehrheit nach der bei der Brüsseler Wahl erlittenen Nieder lage entweder unterwerfen oder durch eine Kammerauflösung beseitigt werden müsse; der Ministerpräsident Beernaert habe selbst gesagt, daß die Wählerschaft von Brüssel ihr letztes Urtheil in der gegen die Regierung erhobenen Anklage sprechen werde. Beernaert bestritt darauf, daß die Thatsache seiner Wahl Janson das Recht gebe, die Entlassnng des Ministeriums zu verlangen; dasselbe habe niemals diese Absicht gehabt und werde auch seine Entlastung nicht fordern, so lange die jetzige klerikale Kammer mehrheit bestehe. Die Letztere bekundete erst neuerdings dem Ministerium Beernaert ihr volles Vertrauen; auf liberaler Seite meint man aber, daß sich der König der Belgier angesichts der in allen Theilen des Landes stattfindenden Protest-Kundgebungen veranlaßt sehen werde, sein jetziges Ministerin»: zu entlasten und die Kammer aufzulösen — ein Fall, welchen Beernaert bisher als ganz unmöglich von der Hand mies. Von den franzöfischenBehordenwerden die Versammlungen der Boulangisten jetzt aufs Scyärfste überwacht. Die Abhal tung einer von Lagnerrc, Laisant und Dsroulöde am letzten Sonn tag in Lisieux anberaumten Versammlung verhinderten die be hördlichen Organe gänzlich, weil die gesetzlichen Formalitäten nicht erfüllt waren. Eine am Montag in: Zirkns Fernando in Paris abgehaltene bonlangistische Massenversammlung verlief ohne ernstlichen Zwischenfall, doch kam es nach den: Schlüsse der Versammlung aus der Straße zu einigen Zusammenstößen nnd Verhaftungen. Der Ansturm der boulangistischen Presse richtet sich jetzt zumeist gegen den Opportnnisten-Führer Ferry, der ans seiner bisherigen Zurückhaltung neuerdings hervortrat, um mit den Boulangisten abzurechnen. Als eine erhebliche Friedenskundgebung ist eine Rede des englischen Unterstaatssekretärs Fergusson angesehen worden, in welcher derselbe an: Dienstag bei den: Jahresessen des kon servativen Vereins in Wandsworth erklärte, die Regierung habe betreffs der politischen Lage allen Grund für die Hoffnung, daß das gegenwärtige Jahr ebenso friedlich verlanfe, wie es be gonnen. Die orthodoxe Kirche Rußlands feierte am Donnerstag den fünfzigjährigen Gedenktag der unter dem Zaren Nikolaus I. erfolgten Wiedervereinigung von etwa 2 Mill, unirter griechischer Christen Lithauens und Polens mit dieser Kirche. Eine ähn liche Genugthuung bietet der orthodoxen russischen Geistlichkeit jetzt die Wiedereinsetzung des serbischen Metropoliten Michael in Belgrad, durch welche die geistliche Selbständigkeit Serbiens nach etwa siebenjähriger Dauer ein Ende nahm. Daß Michael auch die von seinem Vorgänger Theodosins bewirkte Scheidung des Königs Milan für ungiltig erklären werde, wie die rus sischen Panslavisten bisher annahmen, wird von den Regie rungskreisen in Belgrad aus ebenso entschieden bestritten wie das vielverbreitete Gerücht von dem Abschluß einer serbisch- russischen Militär-Konvention. Die Königin Natalie soll er klärt haben, sie werde nur dann um Aufhebung der Scheidung nachsuchen, wenn Milan ihr öftere Besuche ihres Sohnes, des Königs Alexander, verwehren würde. Des letzteren Reise nach Paris mit seinem Vater unterbleibt auf Beschluß des serbischen Ministerrathes aus ernste:: politischen Gründen. Tagesschau. Freiberg, den 22. Juni. lieber die Einholung der Schwester der deutschen Kaiserin, der Braut des Prinzen Friedrich Leopold von Preußen, erfährt die „N.Pr.Ztg." daß die Prinzessin Louise Sophie vonSchleswig- Holstein in Begleitung des herzoglich schleswig-holsteinischen Bevollmächtigten, Hofmarschalls Frhrn. v. Buddenbrock, von Dresden kommend, heute bei Falkenbergdie preußische Landesgrenze betreten und sich dann mit dem von dem Kaiser entgegen geschickten Sonderzuge nach Berlin zum Potsdamer Bahnhofe begeben wird. Von dort erfolgt die Fahrt nach Schloß Bellevue. In Falkenberg werden zum Empfange der Prinzessin im Namen des Kaisers der Vize-Ober-Schloßhanptmann Graf v. Dönhoff nnd die Kammerherren Frhr. v. Ende, Schloßhauptmann von Charlottenburg, nnd v. Alvensleben-NcugatterSleben anwesend sein und die Prinzessin-Brant nach Berlin geleiten. In Jüter bog findet auf dem Bahnhof großer Empfang seitens der Militär- und Zivilbehörden statt. Dort bewillkommnen General-Lieutenant, kommandirender General des 3. Armee korps Bronsart von Schellendorss und der Oberpräsident der Provinz Brandenburg, Staatsminister vr. von Achen bach, die Prinzessin-Brant und geben derselben, nachdem General-Lieutenant, kommandirender General des 4. Armeekorps v. Hänisch nnd der Oberpräsident der Provinz Sachsen v. Wolff sich verabschiedet haben, das Weitergeleit nach Berlin. Auf dem Potsdamer Bahnhofe sind znm Empfange besohlen Ober-Stall meister von Rauch, der Gouverneur von Berlin, General-Oberst der Infanterie v. Pape, und der Kommandant, General-Lieute nant und General ä la suite Graf v. Schlieffen, sowie der Polizeipräsident Frhr. v. Richthofen. Der Einzug in Berlin erfolgt unter Voraustritt einer Eskadron des 2. Garde-Ulanen- Regiments, dann folgen in 3 Sechsgespannen 1) die Kavaliere der Prinzessin Friedrich Karl und der Prinzessin-Brant, Kammer- Herr Fryr. v. Wangenheim und Premier-Lieutenant v. Trotha, 2) die Kammerherren Frhr. von Ende und von Alvensleben- NcugatterSleben nnd 3) Graf von Dönhoff nnd Freiherr von Buddenbrock; alsdann eine Halb-Schwadron Gardes du Corps, hierauf der große achtspännige Staatswagen mit der Prinzessin- Braut und Prinzessin Friedrich Karl von Preußen. Alsdann wieder eine Halb-Schwadron Gardes du Corps, zwei Sechsge- panne 1) mit den Damen der Prinzessin-Brant Gräfin zu Eulenberg und Gräfin Finck v. Finckenstein, 2) mit den Damen der Frau Prinzessin Friedrich Karl. Den Schluß des Zuges bildet eine Schwadron Garde-Kürassiere. Beim Durchfahren des Brandenburger Thores in Berlin werden im Lustgarten von einer Lehr-Batterie der Artillerie-Schießschnle dreimal 24 Kanonenschüsse abgegeben. Der Zug fährt alsdann innerhalb der Promenade der Straße „Unter den Linden" nach dem Schlosse. Die Trauung des Prinzen Friedrich Leopold und der Prinzessin Luise Sophie zu Schleswig-Holstein wird der Ober-Hofprediger v. Kögel verrichten. — An: 27. d. M. wird Kaiser Wilhelm der Feier der Vermählung des Erbprinzen von Hohenzollern mit der Prinzessin Maria Theresia von Bourbon, Gräfin von Trani, beiwohnen. Der Kaiser beabsichtigte ur sprünglich, sich von dort nach Karlsruhe zu begeben, woselbst am 28. Juni die Vermählung des Erbprinzen von Anhalt mit der Prinzessin Marie von Baden geseiert werden sollte. Da indessen die Nachrichten über das Befinden der Herzogin von Anhalt, welche an der Diphtheritis erkrankt ist, in den letzten Tagen weniger günstig lauten, so ist ein Aufschub der Feier wahrscheinlich geworden. Aus diesem Grunde verzichtet der Kaiser auf den Besuch in Karlsruhe und wird am 28. d. M. wieder in Berlin eintresfen. — Der „Rheinisch-westfälischen Zeitung" zufolge hat der Kaiserden bekannten Zentrumsabge ordneten Freiherrn v. Huene zum Verwalter der kaiserlichen Güter ausersehen. — Die „Nordd. Allg. Ztg." beschäftigt sich an leitender Stelle mit den Abzahlungs-Geschäften und ihrer wirthschaftlichen Schädlichkeit, die, wie sie hervorhebt, jetzt so ziemlich allseitig anerkannt werde. Das genannte Blatt stellt in Aussicht, daß gegen wucherische Auswüchse des Ge-