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Odium-g Rein ftywatzeg Mund In meinem Bücherschrank weit entfernt von den Elassikern und den Modernen steht ein dickleibigeö, schwarzeingebundenes All-um mit Silbsischlszhx .. « , Das Ålbum gleicht einem Sarge, es enthält nur Porttaits Ab - senkt-edeer Jch wollte neulich nach langer Pause wieder einmal Cicerog »Frösche« lesen und da siel es mir in die Hände. Nun saß ich vor einer Lertiire eigener Art: « Bilder, gut und schlecht ausgeführte Photograpzilem wohl erhaltenl und bereits derblichen, schauten mich an, und Alle, lle erzählten einel Geschichte aus der Vergangenheit, eine Geschichte von Glück und Lust, Schmerz und Weh. Den Reigen eröffnet ein schönes, liebliches Frauenbild, eine in Schlesien verstorbene und begrabene Schauspielerin. Jch erinnere mich ihrer so lebhaft, als ob sie noch vor mir stände, den Kopf mit dem üppig braunen Haar ein wenig vorgebeugt, den ileinen Mund iiber bliszenden Zalknreihen geöffnet, plaudernd, lachend, singend, bald himmelhoch jauchzen , bald zum Tode betrübt, heute voll Jubel, mittheilsam, von glänzenden Zukunftspliinen erfüllt, morgen zaghaft, traurig, still, ganz still. So sehe ich sie vor mir, die Alma —- und höre sie w e einst vor Jahrzehnten mit unendlich weicher Stimme zu mi—r sprechen. U » , " Gus- A"lma, ich weiß ja schon, was Du mir mittheiteu wiastz Du gingst als uneheliches Kind einer Dame, die nach wie vor im zlssklimtel der Tugend umherwandelte, blutjung und unerfahren zur «hn3- ,· » Du hattest Säuldens Du mußtest an die Lehrerin, welche Dich ausbildete, monatli zehn Mart abzahlen, Du mußtest Dir die hübschen gleißenden Kleider anschaffen, auf welche das Theaterpubliium, inz besondere das weibliche, das Hauptgewicht legt, von denen es sich in seinen Kasseei und Theeiriinzchen unterhält, über die es unbarmherzig den Stab bricht, falls ste nicht immer die neuesten Schnitte, die neuesten Besitze zur Schau tragen. Das Theaterpublilum fragt nicht, woher solch armes Ding von Schauspielerin oder Sängerin die Garberobe nimmt, es verlangt sie aber; es schämt sich nicht gelegentlich auszurufem »Ach, die hat wieder die Toilette gemacht, die ich schon in etlichen Stiicken an ihr bemerkte, dagegen senkt et züchtig erröthend das Auge, wenn böse Zungen erörtern, woher die also ne maßregelte Schauspielerin oder Sängerin die Mittel zu dem unter haltenden Kleideraufwande nimmt. Ei, wie das Theatervuhliium da die Ohren feint, si und pfui sliisteril Du ha test das, trok Deiner sechzehn Lenze, richtig erkannt, arme gute Alma, und weil Du durchaus d e Höhe erreichen wolltest, warfst Du Dich einem Baron in Breslau in d e Arme - und fielsi. Das Heißt, Du sielst nach dem Begriff Derjenigen, die niemals fallen können, deren moralischer Bestand entweder von Geburt an ein Desicii ist. oder denen die Larve, das Geschick und die Gelegenbeii zum Fallen mangelt; nach der SchätungDverntinftiger Personen sie st Du nicht, Du opfertesi Dich der Eitelkeit, einem Streben und den Forderungen des Theaters-abmqu Der Baron gah Dir Anfangs as, was Dein ätztger heiser Sinn begehrte: Schmuck, prächtige Sachen, Delieatessern ampa net. Daten heztihlte er fiir Dich den mehrmonatlichen Aufenthalt in einer Privatent ndunssanstalt ver Großßavtz dann, als Du mit der Saiten an die provinzhtihne surticktehrte , liei er Dich mit Lorbeer- Hays kmd Hers? Nevacuou von Cum Braut-, Die-vä- kränzen empfangen, das erste Confeetionsgeschiift des Ortes erhielt den Austrag, Dir wiederum die nöthigen Garderobenstiicke zu liefern, in deß, so glänzend, so auserwählt wie im Vorjahr brauchten sie nicht zu sein, bewahre, die Rechnungen waren doch sehr hoch, zu hoch für den Herrn Baron, der sich auch anderwärts engagirt hatte. Welcher Cavalier wäre so hausbacken, so spieszbiirgerlich, mit einer Blume fiirlieb zu nehmen, wenn er ein Bouquet haben kann. Unter bitteren Thränen lerntest Du das erkennen, gute Alma. Und noch Schlimmeres brach iiber Dich herein. Als Du Dich zum zweiten Male nach einer verschwiegenen Unteriunft umthun mußtest, ging Dein Baron, der Vater Deiner Kinder, zum Theater director und gab ihm den Wink, Dich fortzuschicken. Das gechah natürlich. Theaterdireetoren sind von Eavalieren ab hängig, kurz vor Weihnachten wurdest Du entlassen. Gegen Ostern iam das zweite Kindchen zur Welt, sein Vater schickte Dir und ihm und dem anderen Wurm, der bei einer Ziehmutter untergebracht war, fünf Hundert Mark mit dem ausdrücklichen Gebot, ihn niemals zu belästigen, seine Cavaliersehre niemals zu verun glimpsen, Dich ihm niemals mit den Kindern zu nahen. . » Was Du damals littest, wer vermag es im vollen Umfange nach zuempsmden. Aber Du hieltest Dich tapfer, Du gabst das zweite Kind zu derselben Ziehmutter, die das erste durchfristete, bezahltest das Ziehgeld von dem Erlös Deines Schmuckes auf Monate hinaus? und legtest die fünf Hundert Mart als Kapital Deiner Kinder, als Deinen und ihren Nothpfennig in den leeren Schmucktasten. Der Herbst und Winter fand Dich in Deinem Berufe, in der Stadt, in der ich Dich sah. Man bewunderte Dich, inan freute sich an Deiner Frische, Deinem herzerquickenden Humor. Plähli wurdest Du bleich, kränklich und mußtest ausruhen. Der Arzt erklärte, es sei eine Operation erforderlich. Du überstandest sie, Du besaßest die Natur einer Deldinz Du äußertest: »Ich will jeden Schmerz erdulden, wenn ich nur am Leben bleibe, um meiner Kinder willen; was sollte aus ihnen werden, die Bantnote im Kasten reicht wohl fiir den Unterhali auf ein Jahr, doch länger taum, und sie brauchen so Manches die Kleinen, isie zerreißen Schuhe, Qiischem Strümpfe, ich muß in den nächsten Tagen ein Kistchen fortschicken mit solchen Sachen. Das- Kisichen ward nicht abgesandt. Eines Nachmittags brachte Deine Hauswirthin die Kunde von Deinem iiihen Tode. gute Alma, ein Herzschlag hatte Dich am Nähtisch bei der Arbeit siir die Kinder ereilt, drei Tage später trugen sie Dich als A r m e n· le ich e aus Kosten der Stadt hinaus zur ewigen Ruhe. ; Eine bei der Dauswirthin gehaltene Nachfrage nach der Banknotes und nach der Adresse der Ziehmutter blieb erfolglos, die kluge Frau uckte die Achseln, sie meinte, in der Berwirrun , in dem Schreck, der ffch ihrer beim Anblick der Todten bemächtigt Tabe, sei die Borsaali thiir offen geblieben, vielleicht hätte Jemand das Geld gestohlen. Ja, begohlen warst Du worden, illma, bestehlen von dem Taonlier um Deine ugend, Deine Reinheit, Dein Lebensglück, dann bestehlen den der Frau um Deinen und Deiner Kinder Nothpsennig. Wie traurig mich seht Dein Bild anschaut. Was mag aus den atmen Waisen geworden seini« Sind sie in Armuth verdorben, haben ihnen mitleidige Menschen eine Fussuchth gäyeekereiten oder bast Du sie heimgeholt, schlafen fie auch n ttihler r e - Das zweite Mumblatt enthält ei Photographien, die eines reisrn vorneknien Mannes, der tm Frucht-use starb und die eines Di ers, den te sorge um das tsgli Ind- aufric. 9. October. Von dem vornehmen, reichen Manne isi mir bekannte Er war einmal in jungen Jahren von einem tollen Hunde gebissen, von einem Arzt zum anderen, von einer Universität zur anderen gereist, er hatte sich überall untersuchen, beobachten, heilen lassen und doch war er nicht geheilt. Nach kurzer animirter Unterhaltung sing er ku lveilen an, die Lippen zu bewegen wie ein hund, der bellen will; blitz schnell griff der arme, reiche Mann dann in die Westentasche und brachte ein Fläschchen mit Gist hervor. Das Gift hatte man ihm gegeben als letztes Mittel, dem Wahn sinn zu entrinnen· Lächerlich, der Wahnsinn stellte sich gerade bei einem Gastmahle, an einem Tage ein, an dem der reiche Mann das armselige Fläschchen einzusteclen vergaß. Solchen Schabernack treibt das Schicksal. habe ich laut gedachti Die Photographie des todten Dichters nickt. Jch errathe schon warum, er tann auch von Schicksalsspäßen be richten, der verstorbene ~Lieblina der Götter«, der sich leider nie zu passender Stunde in ihren Himmeln als Gast einsand. Seine Gattin litt es nicht« sie zählte zu den praktischen Haus stauen, die zuerst an den eigenen Magen denken. An den Tagen, an denen ihr Mann sitr ein paar Mart den Pegasus einspannen mußte, wie einen halbverhungerten Droschtengaul, den man nur noch mit Peitschenhieben vom Flecke treibt, an diesen wish-vollen Tagen kochte sie eine Kanne voll Rassen legte ein Stückchen Kuchen aus den Tisch neben das Manuskript und wünschte ihrem Eheherrn - schwungvolle » Begeisterung Sie selbst spazierte zu Bekannten, namentlich zu einer wohl habenden Stadtrathsatnilie und aß sich an deren Tische satt. Nachdem Du todt warst, leidvoller Dichter, wurde sie noch viel praktischer, noch brutaler, sie sammelte das Unkraut von Deinem Grabe als Ersah siir Grüniohl zur Mittagsmahlzeit. Schade, daß ich das seiste Gesicht der Frau nicht in dem schwarz eingebundenen Album habe. wer weiss, wo sie jetzt noch immer schmaust und sich traetiren läßt als Wittwe eines Dichters. Erbärmlich selbsisiichtiges, brutales Weib! « Jch schlage das dritte und vierte Blatt des Albums aus, es ist nichts Besonderes von diesen Bildern zu erfahren. Daß eine Mutter mitten im Glück an einer verschluckten Steck nadel starb, baß ein liebes junges Mädchen als Braut Abschied nehmen mußte, daß der Stolz, die Sttile alter Eltern, ein stattlicher Seemann bei einem Sturme auf dem Meere das Leben einbiißte, was ist dabei Außergewöhnlichest Nichts, gar nichts, das passirt allerwegen - Blättern wir ’weiter, immer weiter, vorüber an den Illltagk gesichtern und Alltagsgeschichtem Da, ein wundersußes schmales Mädchenantliß blickt empor, zarte Lippen finstern Schweig, schweig armes Rind, Deine Geschichte isi die lehrreichsie von Allen, aber auch die schmerzlichste. « Du heirathetek aus Wunsch der Eltern einen heuchlertschen Musi ling. er trug Dir as Gist ins haus, das er im Umgange mti seilen Dirnen schbpste. Siecb lasjsi Du jahrelang in Deinem von Spitzen besehten Bett, man hob D ch von einem seidenen Chaiselongue sun anderen, der Gtststoss war nieg auszufangen Du, die Schuldloak ingst an der Schuld Degen zu runde, der ir Schu! nnd Stab sollte aus dem eilen ebensvsnde,« Du siarbsi, ene MIM Jst-Inn conveninensehe, eine «W alter und- W is I- « , .;