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Amtsblatt für die königliche» mid städtische» Behörde» z» Freiberg und Braud. Verantwortlicher Redakteur: Julius Brann in Freiberg. ^-118. Erscheint jeden Wochemag Nachmitr. '/»ülkhrfürden > andem Tag. Preis vieneljäkriich 2 Mark 25 Psq., zweimonatlich 1 M. 50 Pi. und einmonatlich 75 Pf. I 42 5?abraana. " Mittwoch, Se« 22. Mai. Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angenom men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile ' oder deren Raum 15 Pfg. 1889. König Humbert in Berlin. Ter treue Verbündete des deutschen Reiches, König Humbert von Italien, traf an diesem Dienstag in Berlin ein, um dem Kaiser Wilhelm H. seinen Gegenbesuch abzustatten. Tas Er- cheinen des italienischen Monarchen in der deutschen ReichShaupt- tadl kann schon deshalb nicht nur als ein Akt der Höflichkeit ange- eben werden, »veil König Humbert von dem Kronprinzen von Italien, dem Ministerpräsidenten Crispi und mehreren Sekre tären des auswärtigen Amtes begleitet wird, »veil aber auch diese Reise diejenigen italienischen Politiker verstummen machen muß, die Crispis Festhalten am Dreibund und seine kühle Haltung gegen Frankreich mißbilligen. Die Veranstalter jener sogenannten Friedenskongresse, welche doch nichts Anderes sein sollten als Kundgebungen zu Gunsten einer Verständigung mit dem französischen Freistaat, die Gegner der jetzigen die Ausfuhr nach Frankreich schmälernden italienischen Handelspolitik und die Versechter eines SparsamkeitSsystems, welches durch die be ständige Verstärkung der italienischen Wehrkraft vereitelt wird — sie Alle sehen in der Reise des Königs und des leitenden Staatsmannes von Italien in Berlin den klarsten Beweis, daß ihre Zeit noch nicht gekommen ist. König Humbert hat nicht Marten wollen, bis es die inneren Verhältnisse Rußlands dein Zaren, bis es die tiefe Familientrauer dem Kaiser von Oester reich gestatten, ihren Gegenbesuch in Berlin zu machen; es drängte ihn, seinen Dank dem deutschen Kaiser zu zollen, der durch seine Fahrt nach Rom und sein Verweilen im Qnirinal zum Entsetzen der Klerikalen Ron» als die Hauptstadt des geeinigten Italiens und die Residenzstadt seines Bundesge nossen offen anerkannte. Gerade jetzt, wo erst vor Kurzem in Wien und Madrid so volltönende Kundgebungen zn Gunsten Ler Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papstes in Szene gesetzt wurden, wo weite und einflußreiche Kreise Frank reichs sich mit Vorliebe mit einer Parteinahme gegen daS Königreich Italien beschäftigen, empfindet König Hnmbcrt sicher doppelt den Werth der deutschen BnndeSgenossenschaft, der er es gewiß mit zn danken hat, daß sich Graf Taasfe veranlaßt sah, im österreichischen Abgeordnetenhaus»; noch kurz vor der Vertagung des ReichsratheS den erwähnten Knndgebnngen jeden Einfluß auf den Gang der auswärtigen Politik Oesteneich- llngarns entschieden abzusprechen. Nicht aber nur als ein Empfangender, auch als ein Geben der erscheint König Humbert in Berlin. Die deutsche StaatS- kunst weiß sehr wohl den Werth der italienischen BundeSge- uoffenschast zu schätzen, die bei einem erneuten kriegerischen Vorgehen unserer unversöhnlichen westlichen Nachbarn die letzteren zwingen würde, ihre Macht zu theilen, um ihre süd östlichen Grenzen zu schützen. Weit entfernt von der ander wärts vielleicht vorhandenen Unterschätzung der italienischen Kriegsmacht, halten es die vorsichtigen Leiter des deutschen Reichsheeres für den Fall der Entzündung des Weltbrandes für sehr bedeutungsvoll, daß dann auch Italien sein Schwert in die Wagschale werfen und, selbst geschützt durch hilfsbereite englische Kriegsfahrzeuge, mit seiner aufstrebenden Flotte die französischen Geschwader im Mittelmcere festbannen würde, lieber die ideellen wie über die praktischen Vortheile des Bünd nisses Italiens mit Deutschland und Oesterreich-Ungarn haben sich Fürst Bismarck und der Ministerpräsident Crispi wieder holt in herzlichster Weise verständigt. Daß aber ihre An schauungen auch bei ihren Monarchen sowie bei den Be völkerungen Deutschlands und Italiens volle Würdigung fanden, daS bewiesen die herzlichen Begegnungen der beiden Herrscher, die jubelnde Ausnahme, die Kaiser Wilhelm II. in Rom und Mapel fand und der großartige Empfang, den die deutsche Reichshauptstadt an diesem Dienstag dem König von Italien bereitete. Ter Anhalter Bahnhof in Berlin war für die um 10 Uhr W Minuten erfolgte Ankunft deS hohen Gastes aufs Reichste geschmückt. Am Eingang zum Königszimmer zeigte sich ein von goldenen Stangen gehaltener rother Sammt-Baldachin, den eine Kaiserkrone in Gold und Silber überragte. Zur Seite des Baldachins standen prächtige Pflanzengruppen. DasKönigszimmer deS Bahnhofes war sinnig geschmückt. Vor dem Anhalter Bahn höfe in der Flucht der Königgrätzerstraße stehen vier mit Laub umwundene Riesenmasten, die mit Blumenkörben und italienischen Flagge» versehen sind. Jenseits des Schnittpunktes der Anhaltstraße ist in der Königgrätzerstraße ein großes Zelt errichtet, das mit der italienischen Königskrvue geschmückt ist, während an allen vier Seiten vier mächtige italienische Banner mit der Initiale des Königs „U" herabhängen. In den 4 Ecken stehen 4 riesige Masten, die an der Spitze eine Krone tragen und durch Laubgewinde mit dem baldachinartigen Zelt verbunden sind. Am Potsdamer Platz erhebt sich ein mächtiges Brunnenbecken mit Wasserkünsten, das von der Riesengestalt der Berolina über ragt wird. An den Seiten des Platzes erheben sich Masten- re»hen. Vor dem Brandenburger Thor sind große Postamente mit Trophäen und figürlichem Schmuck errichtet. Die geplante Ausschmückung des Pariser Platzes mußte in Folge der militärischen Dispositionen unterbleiben, ebenso die der Mittel allee der Linden. Nach Kaiserlicher Bestimmung erfolgte die Einfahrt durch den Mittelweg, während südlich auf dem Lasten damin Infanterie, nördlich auf dem Reitwege Kavallerie Spalier bildete. Auf dem Opernplatze, quer vor dem Opernhause steht ein 18 Meter großes Prachtzelt, das von einem mächtigen Adler über ragtwird; zwischen dem kaiserlichen Palais und dem Opernhanse die von Reinh. Begas modellirte Gruppe „Die Verbrüderung Deutschlands und Italiens". AuS der Spree, zn Seiten der Schloßbrücke steigen zwei Springbrunnen auf, die in jeder. Minute 4 Kbm. Wasser speien. Auf der Spree selbst liegen in» Viertelkreis Schiffe mit Ranken, Netzen, Fahne»» u. s. w. vor Anker, deren Mastei» mit solchen auf dem Lande korre- spondiren. Auf dem Lustgarten vor den» Kgl. Schloß sind 200 Fuß hohe Masten mit Wappen und Bannern aufgebaut. Sämmtliche Häuser ai» den Straßen, durch welche die Einfahrt des Königs von Italien erfolgte, sind abwechselnd mit deutsche»» und italienischen Flaggen geschmückt, wodurch diese Straßenzüge einen schönen einheitlichen Eindruck machen. Aus dem Bahnhof waren bei der Ankunft des Königs von Italien die gesammten aktiven Generäle der Berliner Garnison anwesend und eine Ehrenwache vom Gardesüselierregiment ausgestellt. Vor der Rampe des Königl. Schlosses stand eine ziveile Ehren wache von» 2. Garderegiment z. F. Vor dem Wagen der Majestäten ritt eine balbe Eskadron deS GardekürassierregimentS und hinter dem Wagen Sr. Königl. Hoheit des Kronprinzen von Italien ebenfalls eine halbe Eskadron des Gardekürassier regiments. Beiin Einfalwen der Majestäten in daS Branden burger Thor gab eine im Lustgarten ausgestellte Batterie des 1. GardefeldartilleAeregiments 101 Salutschüsse ab. Tagesschau. Freiberg, den 21. Mai. Bei dem am Sonntag im Schlosse zu Braunschweig abge haltenen Festmahl dankte der Prinz-Regent Albrecht dem deutschen Kaiser für die hohe Ehre seines Besuches. Ter Prinz-Regent sagte ferner, er heiße auS vollstem Herzen Se. Majestät willkommen und wisse sich damit eins mit dem Her- zogthnm Braunschweig, in welchem inan nicht vergessen habe, daß eS ein Theil von dem niedersächsischen Stämme sei, ans welchem dem Reiche Kaiser geboren wurden. Es sei Braun schweig seither noch nicht vergönnt gewesen, seinen Dank auS- sprechen zu können für alle die Segnungen, die ihm durch die Neubegründung des Reiches zu Theil geworden seien. Er lege jetzt Sr. Majestät den Tank dafür zu Füßen, in Erinnerung an den Großvater Allerhöchstdesselben, den unvergeßlichen Stifter des Reiches und in Erinnerung an allerhöchstdessen Vater: den edelsten Dulder auf dem Throne. Er wisse sich eins mit allen Bewohnern deS Herzvgthnms, »venn er ausrufe: Gott segne, leite und crballe, Goll schütze und schirme Seine Majestät den deutschen Kaiser und König von Preußen! Hierauf brachte der Prinz-Regent ein dreimaliges Hoch auf Se. Majestät auS. Der Kaiser reichte sichtlich gerührt dem Prinz-Regenten die Hand und trank ans das Wohl desselben mit gnädigen und anerkennenden Worten für Stadt und Land. — Der Ober bürgermeister Pockels in Braunschweig erließ eine Bekannt machung, welche mittheilt, daß er von Sr. Majestät dein Kaiser beauftragt sei, der Stadt Braunschweig und der gesammten Bürgerschaft für die Allerhöchstdemselben bei seiner Anwesen heit dargebrachten Huldigungen den besten Dank auszudrücken. — Gestern früh 8 Mir begab sich der am Abend vorher nach Berlin zurückgekehrte Monarch nach dein Tempelhofer Felde lind wohnte dort der Besichtigung von zwei Bataillonen des Garde-Füsilier-RegimentS bei. Vormittags 11 Uhr wurden dem Kaiser vor» dem Afrikareisenden Ehlers vier Tschagga- Krieger mit ihrem Dolmetscher vorgestelll, welche von EhlerS nach Berlin geführt worden sind, um dem Kaiser die Geschenke des Sultans von Mandara vom Berge Kilimandscharo zn über bringen. Nachdem der Kaiser die Krieger entlassen und reich beschenkt hatte, nahm derselbe von 12 Uhr an mehrere Vor träge entgegen. Der deutsche Reichstag setzte gestern die dritte Be- rathuirg deS Alters- und Jnvaliditätsgesetzes fort. — Abg. v. Helldorff meinte, die Belastung durch dieses Gesetz werde weit weniger auf den kleinen Grundbesitzer drücken als auf den größeren, weil erstere ihr Bedürfnis an Arbeitskräften meist selbst decken. Daß es, wie Abg. Holtz meinte, auf dem Lande keine Invaliden gebe, sei nicht richtig; auf dem Lande herrsche mit dein alten Arbeiter nicht viel Mitgefühl. Der in der Kaiserlichen Botschaft ansgesprochene Gedanke, daß die Organi sation aus korporativer Grundlage aufzubauen sei, sei ihm durch aus sympathisch, doch seien die Bernfsgenossenschaften nicht derart organisirt, um diese Grundlage bilden zn können. Er verstehe den Wunsch eines Theiles seiner Freunde nach einer Einheitsrente sehr wohl; auch er hätte eine Vereinfachung ge wünscht ; aber was für dei» einen Theil der Monarchie paßt, passe nicht für den anderen und die Konservativen müßten ihre speziellen Interessen denen des allgemeinen Wohls untcrordnen. Der große Streik, der soeben glücklicherweise beendet ist, war eine starke Mahnung an den Reichstag, auch seinerseits zu der nothwendigen Reform beizntragen, von der dieses Gesetz ein Stück auch sei. Ter große wirthschaftliche Kampf werde sich nnr auf dein hier vorgezeichneten Wege überwinden lassen, darum bitte er, das Okesetz anzunehmen. — Abg. Bebel nahm gegenüber den jüngsten Worten des Reichskanzlers eS als ein Verdienst in Anspruch, Unzufriedenheit zu erregen, denn ohne Unzufriedenheit würde sich die Menschheit noch im Anfangs stadium ihrer Entwicklung befinden. Auch dies Gesetz »väre nicht eingebracht, »venn nicht die Sozialdemokratie unter den Arbeitern Unzufriedenheit erweckt hätte. Der Reichskanzler habe die Sozialdemokraten Reichsfeinde genannt. Das seien sie nicht; sie lieben daS deutsche Vaterland wie jeder andere Deutsche, vielleicht noch mehr; aber sie halten die gegenwärtigen Zustände nicht für solche, welche erhallen bleiben müßten. Revolution wollten sie nicht anstiften, das überlassen sie den Lockspitzeln der preußischen Regierung. Kein Sozialdemokrat wolle Revolution mit Gewaltthktigkeiten, »veil er wisse, daß das der Sache nur schaden könne. Der Reichskanzler habe die gesammte Opposition gegen dieses Gesetz in einen Topf ge worfen : dem gegenüber müsse er darauf aufmerksam machen, daß nicht zwei Parteien im Hause aus gleichen Ursachen gegen daS Gesetz stimmen. Die Sozialdemokraten ständen dem Gesetz kühl gegenüber; ihre Sache wachse und werde endlich siegen. — Abg. Miquel führte aus, daß das Gesetz die natürliche Folge der vorangegangenen Gesetze, aber nur dann berechtigt und notywendig sei, »venn eS alle Arbeiter umfasse. Alle gegen- tbeiligen Versuche würden scheiten». Mit Hilfe der freiwilligen Versicherung komme man nicht vorwärts. Für gewisse Fälle möge zwar die Privatversicherung ausreichen, hier aber handele es sich um die umfangreichsten Bürgschaften, um Leistung und Okegenleistung, welche zeitlich sehr weit von einander entfernt eien. Ten Reichsznschuß habe der Abg. Windthorst mit Un recht als eine gefahrvolle Neuerung bezeichnet, denn dieser Zu schuß sei die Folge der ausgleichenden Gerechtigkeit. Schließlich bemerkte Redner man könne das Gesetz nunmehr ruhig verab schieden, denn was noch an der Höhe der Renten nnd an der Ausdehnung des Kreises der Versicherten fehle, werde an der Hand der Praxis leicht nachzuholen sein. — Abg. Windthorst rechtfertigte nochmals die ablehnende Haltung eines Theiles seiner politischen Freunde. Wenn der Staatssekretär v. Böt- icher und mit ihm der Abg. Miquel behaupteten, es werde in der Zukunft die Höhe der Renten gesteigert werden können, so meine er, eS werde am Ende Niemand mehr übrig sein, der noch etwas zn leisten im Stande »väre. — Abg. Fürst v. Hatzfeldt hielt nach einer so eingehenden Berathung diese Angelegenheit nun für völlig spruchreif. Von den erhobenen Einwänden sei lediglich derjenige gegen den Reichszuschuß der erheblichste, aber wodurch »volle man letzteren ersetzen ? Abg. Miquel habe durchaus Recht, wenn er den Reichszuschuß als Forderung der ausgleichenden Gerechtigkeit bezeichne; die Vor lage werde nie mehr von der Tagesordnung verschwinden, »venn man sie jetzt nicht verabschiede. Redner wandte sich sodann gegen den Abg. Bebel nnd dessen lobende Erwähnung der fran zösischen Revoiution. — Nachdem noch Abg. Rickert in längerer Rede gegen das Okesetz gesprochen, wurde der Antrag auf Schluß der Generaldisknjsion angenommen. Nach persönlichen Be merkungen der Abgg. Komiervwski, Miquel, Rickert, v. Kardorsf und v. Ünruhe-Bvmjst schlug der Präsident vor, die nächste Sitzung Dienstag Vormittag II Uhr abzuhalten. — Obwohl bei dem vertraulichen Charakter der Verhandlungen der Samoa-Konferenz alle Mittheilungen darüber sich von vorn herein als daS Ergebniß willkürlicher Vermnthungen darstellen, finden in den Zeitungen doch stets von Neuem darauf bezügliche Notizei» Aufnahme, so erst kürzlich neben Angaben über den Verlauf der Freitagssitzung die Meldung, daß voraussichtlich die Konferenz am Dienstag stattfinden werde. Die „Nordd. Allg. Ztg." bezweifelt, daß diese Ankündigung sich bestätigen werde» »veil sie eben so wie alle dazu gehörigen Ausschmückungen nur ans Vermuthungen entsprungen ist, welche mit den thatsächlichen Vorgängen in gar keinem Zusammenhänge stehen. — Der „Reichsanzeiger" bringt in einer Beilage eine ausführliche Dar stellung des bisherigen Verlaufs der Streik-Bewegung im Waldenburger Kohlenrevier nach amtlicher Feststellung, die in einer am 15. d. Ai. früh in Waldenburg abgehaltenen Kon ferenz erfolgte, an welcher der Regierungspräsident, mehrere Beamte der Regierung und deS Oberbergamtes, der Landrath, der Staatsanwalt, sowie die Direktoren der in Betracht kom menden Kohlengruben theilnahmen. In dein Bericht, welcher viel bereits Bekanntes anführt, wird der Ueberzeugung Ausdruck gegeben, daß das Vorgehen der Waldenburger Arbeiter von langer Hand vorbereitet sei, daß der westfälische Streik wohl mit den Anlaß gegeben habe, daß aber sicher auch sozialdemokratische Elemente dahinter stecken. Erwähnt wurde noch, daß, obwohl nach Anordnung des Landraths bereits seit Dienstag Mittag die sämmtlichen Kneipen in Waldenburg und Umgegend ge-