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MbeMFn;eiqrr M Tageblatt. Amtsblatt für die Nützliche« und städtische« Behörde« z» Freiberg Md Brand, Vmostwortwber Redakteur: Iuliu» Braux ix Freiberg. °^r as. iZLÄ.WKkSLL.s°?c Sonntag, »e» 17. »Srz. »""--srÄfÄLL^-^I IE. Die Woche. Seit Mittwoch ist in der deutsche« Reichshauptstadt die so ost beklagte gleichzeitige doppelte parlamentarische Arbeit wieder im vollen Gange und zeigen sich dabei deutlich die vielfachen Wechselbeziehungen, die zwischen dem deutschen Reichstage und dem preußischen Abgeordnetenhause bestehen. Das Letztere hat erst am Donnerstag nach vieltägigen Ver handlungen dm Kultusetat erledigt, bei dem d e Opposi tion stets mit besonderer Vorliebe allerhand Ausstellungen zu machen pflegt. Eine jener Angelegenheiten, welche für beide Parlammte von Bedeutung ist, scheint das Privilegium der Reichsbank zu sein. Da eine darauf bezügliche Vor lage im Reichstage noch nicht zu erwarten steht, wollen einzelne Parlamentarier die Angelegenheit im preußischen Abgeordnetenhause zur Sprache bringen, um die Regierung zur offenen Kennzeichnung ihrer Stellung zu dieser Frage zu veranlassen. Einen tiefen Eindruck machte eine in diesen Tagen an den Reichskanzler gerichtete Ordre des Kaisers, welcher darin seine Befriedigung über die Verwaltung der Reichsbank ausdrückte, die bedeutende Entwickelung des Giroverkehrs und die dadurch herbeigeführte Umgestaltung deS Geldumlaufs in Deutschland betonte und der Leitung deS Instituts nachrühmte, die Ziele deS letzteren richtig er saßt zu haben. Bekanntlich gingen Diejenigen, welche bis her für die vollständige Verstaatlichung der Reichsbank agitirten, immer von der Ansicht aus, daß die „Ziele- der Reichsbank bisher nicht richtig erfaßt wordm seien. Der Reichstag war am Mittwoch, dem Tage des Wiederbeginns der Plenarsitzungen, in fast beschämender Weise spärlich be setzt, weshalb auch die Sitzung zuletzt wegen Beschlußun- sähigkeit abgebrochen werden mußte. Die Berathung des Rechenschaftsberichtes über die auf Grund deS Soziausten- acsctzes getroffenen Anordnungen gab den sozialdemokrati schen Avgg. Sabor, Frohme und Liebknecht Anlaß zu Kundgebungen über die Wirkungen deS Sozialistengesetzes, wurde aber am Tage darauf, nachdem noch der sozial demokratische Abg. Singer und der deutschfreistnnige Abg. Schrader dazu das Wort genommm hatten, einfach für erledigt erklärt. Von den anwesenden Regierungsvertretern ist jede Aeußerung über diese Angelegenheit wohl deshalb vermieden worden, well die Frage, ob das Sozialistengesetz als Ausnahme gesetz fortbestehen oder durch Ueberführung seiner Be stimmungen in das gemeine Recht in Wegfall kommen soll, noch der Entscheidung harrt. Dem Reichstag ist das in Folge des Nachtragsetats nothwendig gewordene Anleihegesetz für die Zwecke der Verwaltung des Reichsheeres bereits zuge- gangen. Entsprechend der Höhe der einmaligen Ausgaben des außerordentlichen Etats, soll die Anleihe 12 495575 Mark betragen. Die zweite Lesung des Alters- und Jn- validitätsversicherungsgesetzes dürfte im Plenum des Reichs tages erst am 26. d. M. ihren Anfang nehmen, trotzdem die Kommission ihre in 36 mühevollen Sitzungen be wältigten Vorberathungen bereits abgeschlossen und die Vorlage mit allen gegen 5 Stimmen angenommen hat. Aus den Ergebnissen der Kommisfions-Berathungen zieht die offiziöse „Nordd. Allg. Ztg - den Schluß, daß der Regie rungsentwurf sich keineswegs, wie die Gegner desselben vor her behaupteten, als eine fehlerhafte Unterlage erwies. So vielfache Aenderungen die Kommission bei einzelnen Be stimmungen Vorschläge, seien dock die Grundlagen der Vor lage intakt gebliebm. Da in der Kommission über viele Punkte eine Verständigung der ausschlaggebenden Parteien des Hauses erzielt wurde, dürfte dieser Umstand auch für die Plenarberathungen seine Wirkungen dahix äußern, daß in diesem Stadium der Behandlung nur noch eine geringe Zahl von tiefergehenden Meinungsverschiedenheiten zu beheben fein kann. Nach diesem Verlaufe der Komunsstons-Ver- handlungen über die Vorlage wird man sich in gesteigertem Maße der gesicherten Erwartung bingeben dürfen, das Gesetz über die Alters- und JnvalrditätSversicherung der Arbeiter noch in dieser Session zu Stande kommen zu sehen. Um dies zu ermöglichen, müßte man aber auf den vielfach gehegten Wunsch verzichten, die Session noch vor Ostern abzuschließen. Im österreichische« Abgeordnetenhause gab die mehr tägige Berathung über das Budget des Ministeriums deS Innern dm Wortführern der Linken, Knotz, Menger u. s. w., Gelegenheit zu scharfen Auslassungen über das Regierungs- shstem deS Grafen Taaffe, der sich davon aber nicht sehr erschüttern ließ, sondem einfach den Standpunkt des sogenannten „Versöhnungsministeriums- betonte. Die Deutschen, Czechen und.Palm könnten, wie er sagte, ihre Nationalität in Oesterreich frei pflegen, nur müßten sie dabei immer innerhalb des daS gemeinsame Bindemittel bildenden Oesterreicherthums bleiben. Durch die mehrfachen Er örterungen über verschiedene Mängel der Verwaltung er hielt die Debatte wiederholt einen sehr ermüdenden Charakter. — Im «»garischt« Unterhause wurden die Verhaut» lungen über daS Wehrgesetz noch immer fortgesetzt, trübem die Kräfte der Opposition schon sichtlich erschöpft sind und die Regierungspartei sich wieder fesier um den Minister präsidenten Tisza fchaart. Der zähe Staatsmann erklärte im liberalen Klub zum größten Jubel seiner Anhänger, er erachte es bei ausdauernder Gesundheit als seine Pflicht, im Interesse der öffentlichen Angelegenheiten auf seinem Postm auszuharren, so lange es die Krone und die Kam- mermehrhrit wünschten. DaS in Ungarn durch die regierungs feindliche Partei verbreitete Gerücht von der bevorstehenden Besetzung Serbiens wurde von den offiziösen Blättern als völlig aus der Lust gegriffen bezeichnet. ES machte sowohl in Pest wie in Wien emen vortrefflichen Eindruck, daß der Note des serbischen Ministers des Aeußeren, Grnir, an dm Gesandt« Petroniewic die Versicherung hinzugefügt war, die nme Regierung sei WlllenS, die freundschaftlichen Be ziehung« zu dm benachbarten Monarchien fortzufetzm, um sich daS Wohlwollen des österreichisch-ungarischeu Monar ch« zu erhalten. Der Geburtstag deS Königs von M«lk« ist am Donnerstag in Rom uxd in den Provinz« durch Truppen revuen und vielfache Festlichkeiten begangen wordm. Ueberall, wo sich der König und die Königin an diesem Tage in der italienisch« Hauptstadt zeigt«, wurden sie von der Be völkerung auf das Sympathischste begrüßt. Nachmittags 4 Uhr fand durch dm König ux Beisein der Königin und des Kronprinzen, sowie zahlreicher hoher Würdenträger und Notabilitäten die feierliche Grundsteinlegung zu dem neuen Justizpalast statt, dessen Errichtung einer großen Zahl von jetzt ungenügend beschäftigten Arbeite« lohnende Arbeit verspricht. Bei dem Amtsantritt des M inisteriums Tstard hat man solche bedeutende Wandlungei , nie sie sich jetzt in Frank reich vollzieh«, kaum gradlu. Einer der auffallendsten Vorgänge ist die Aufhebung der Verbannungsmaßregel gegen dm Herzog von Aumale, vrr wegen eines an den Präsi denten Grsoy gerichteten »„ehrerbietigen Briefes drei Jahre hindurch daS Land meid« mußte, die jetzige Erlaubniß zur Rückkehr aber nicht nur der großartigen Schenkung des Schlosses Chantilly, sondem auch seiner Gegnerschaft wider Boulanger verdank, den man dadurch wieder aus den aristokratischen Pariser Kreis« zu vertreiben hofft. Nicht minder bemerkenswerth ist daS von dem Smat und den Deputirtenkammern unterstützte scharfe Vorgehen der fran zösischen Regierung wider die den Parlamenten angehören den Führer der Patriotenliga. Die ix Paris und in den Departements bet vielen Mitgliedern der Liga vorgenommenen Haussuchungen sollen vollgiltige Beweise für eine geplante Empörung geliefert haben. Das Einschreiten der Regierung gegen seine hervorragendsten Anhänger wird sehr wahrschein lich Boulanger selbst aus seiner bisherig« vorsichtigen Zu rückhaltung herauslock« und damit dem Minister des Innern Constans sowie dem Justizminister Thövenet den erwünschten Grund schaffen, auch gegen den Haupturheber der regierungsfeindlichen Bewegung ihre Thatkraft zu beweisen. Mit Spannung erwartet man im englische« Parlament die Freisprechung des irischen Rationalistenführers durch die Parnell-Kommission, vor der sich am letzten Dienstag aber mals ein für dre „Times' nicht sehr angenehmer Zwischen- fall abspielte. Der als Zeuge der „Times- vernommene irische Journalist Coffey au- Cork bekundete, als ihn der Vertreter Parnells ms Kreuzverhör »ah«, daß er von dem Tityblatte für die ihm gemacht« sensationell«, aber gänzlich falsch« Enthüllung« i« Ganzen 115 Pfd. Sterl, empfangen habe, mit welchem Gelde er in London 3 Monate lang ein lustiges Leben sührte. Der Präsident faßte dm von Coffey der „Times- gespielt« Streich und die vorher vor dem Ausschuß gemachte falsche Aussage sehr ernst auf und ließ Coffey ins Gefängniß abführen. Die Absicht der Anhänger Gladstones, nach der Freisprechung Parnells ein Tadelsvotum gegen daS ihrer Ansicht nach bei dem Verfahren der „Times- betheiligte Kabinet Salisbury zu beantragen, verursacht der Regierung keine groß« Sorgen. Die Zuverlässigkeit der Unterhaus-Mehrheit erprobte sich noch am 13. d. M., als in zweiter Lesung die von de« Paruelliten beantragte BA, welche eine bessere Behandl»»- der irisch« politischen Gefangen« bezweckte, «st 25S gegen 193 Stimm« verworfen wurde. König Milax von Serble« erklärte ix dies« Tag« einem Berichterstatter der „N. Fr.Pr', er habe abyedaukt, well ein Monarch im modem-konstitutionell« Sinne letzt auf der Balkanhalbinsel ein Unding sei. Er werde nach Jahres frist nach Serbien zurückkehren und die Erziehung fester» Sohnes leiten. DaS Berhältniß zu Natalie Keschko sei für ihn abgeschlossen, auch die Verfassung habe stmschwei- gmd die Scheidung anerkannt. Er werde niemals dies» entscheidendsten Schritt seines LebmS bereuen. Bi» jetzt scheint daS serbische Volk mit der Regentfckast uxd dem nm« radikal« Ministerium, daS sich besonders «st Regelung der arg zerrüttet« Finanz« de» Lande» eifrig befaßt, außerordentlich zufried« zu sein. Tagesschau. / Freiberg, de» 16. Mst» Leber dm Empfang de» Zmtrut-Juouuglau-schuße» durch dm deutsche« Soifer wird nachträglich w der .«MU» Preuß. Mg." »och Folgende» berichtet: „Se. Majestät knüpfte bei der Unterredung «st de« Obermeister des Sattlrrvrrbande» au da- Freimaurerzetchm au, welch«- Herr Toda» au der Uhrkrtte trug, erwähnt«, daß er über dm Freimaurer orden von sei««« Großvater uxd Vater diel Gute- gehört habe, und fragte Her« koban, ob er bei der Aufnahme de- Prinzen Friedrich Leopold tu dm Orden zugegen gewesen sei. Herr Lobau verneinte da-, gab aber zugleich der Hoffnung Su-druck, auch Se. Majestät noch al- Mitglied d«- Ordeu- begrüßen zu können. Der Kats« antwortrte auf diese Aeußerung lediglich «tt «inen Lächeln.* — In der am 14. d. M. abgehaltenm Plenarsitzung de» deutschen Bunde-rath- gab der Staat-sekretär von Bötticher, de« Bedauern üb«r da« am S. d. M. erfolgte Ab leben d«- Bevollmächtigt« für Bremen, Smator- vr. Meter Ausdruck. Sodano wurde über dte Zollbrhandluug ver- schiedmer Gegenstände, sowie über dm Erlaß von Aulführung«, kustimmung« zu dem Branntwein- und dem Zuckerstruergesetz Beschluß gesaßt. Brrfchtedme Vorlagen wurden dm Au-« schössen zur Vorberathung übergeb««. Ei» Schreib« de» Präfidmtm de- Reichstage», betreffend dm Beschluß de» letz ter« zu der Petition der Gemeinde Lott« um Zutheilung zu dem Post-Orttvestellbezirk von Dr«»dm wurde dem Vorsitzender» de» BundrSrath» übrrwi«sm. Die Hauptstmrrämter zu König-- berg in Ostpreußen und zu Sera erhielt« dte Besugniß zur Absertigung von Wollengarn. Der deutsche Relch»tag »ah« gestern deu Antrag Singer weg« Einstellung de- gegen dm sozialdemokratisch» Abg. Grillmbergcr bet« Landgericht zu Nürnberg weg« Preß- vergehen« schwebenden Strafversahren- ohne Debatte an, er- theilte bezüglich der Kaffe der Oberrechnungtkammer für, da» Jahr 1886/87 betreff» de- auf die Reich-Verwaltung bezüg lich« Theil» Decharge und ging dann zur erst« Berathung de- NachtragS«tat- tu Berblndwlg mit de« entsprechend« Anlethrgesrtz über. — Der Schatzsekretär Frhr. v. Maltzahu bezeichnete e» al« unerwünschte Rothwrndigkett, d« Rachtrag»- etat eivzubring«. Die Hauptforderung beziehe sich aus da» militärische Gebiet und aus da-jenige der Marine. E» be find« sich aber auch darin dir Etatlsiruogm bereit» vom Rrtch-tag« bewilligter Summ«. Wa» die Deckung betreffs so s«i bei der Scheidung tu Ordtuarlum «ud Extraordinarien» nach dtnfelbru Grundsätzen, wir tm Hauptttat versahreu worden. Bet Beibehaltung der Summe von 12 4S5 57L M. werd« sich dir Matrikularbetträge um 9 390000 M. erhöh«. Da» stelle ein« Dtsfermz grgm dm Voranschlag von 7 Million« Mark Matrikularbeiträge sür dir Etnzelstaatm Hera»». Dte Einstellung dieser Summr tu die verschieden« Budget- werde keine Budgetstörwig Hervorruf«, da dte einzelnen Su«m« nur gering erschein«. — Abg. v. Bennigsen (uat.-ltb.) bah die Vorlagen der Budget-Kommisfiou zu überweisen. Er wolle aber gleich zur Sprache bring«, daß ihm z« viele der Nach trag» forderungm durch dte kälethe gedeckt werd« sollen. Ma» werde r» zwar tu dm ander« deutschen Ländern nicht sehr empfind«, daß etwa 7 Millionen im Ganzen nachträglich von ihn« zusammen zu decken find. Die Frage fei aber doch ernstlich zu erwägen, ob nicht die Anleihe durch Deckung an» dm laufmdru Einnahmen zu umgeh« sein werde. — Abg. Richter (dmtschsr.) erklärte sich mit dm Rachsordermrge» für Heer und Marine nicht einverstanden. Wenn mau auch sage, jdaß dte Orkonomtrhaudwerktr künftig Wegfall« werd«