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BIEJFFIZJC Sonntag 29. Mai. Rebaction von Sclvia Brand, D re s d en. Ystngstyeikigaøend. Jn den letzten Maitagen des Jahres 18 . . war ich Gast eines Thüringer Pfarrhauses; die Giebelftube, von der man hinüber nach der kleinen, von Epheu umrankien Kirche und nach dem Friedhofe sah, diente mir als Ashl nach schweren sorgenvollen Arbeitswochen. Da saß ich nun am ofxenen Fenster, halbverdeckt von den schnee weißen Spitzenvorhängem en kostbarsten, welche die würdige Frau Pastorin einst vor länger denn dreißig Jahren unter der Braut ausstattung gefunden hatte; da sag ich nun und sog den Duft der Syringeu in vollen Zügen ein un dachte mit leiser Wehmuth dar über nach, wie glücklich, wie gar einfach und zufrieden die Bewohner solch stillen Dorfes im Gegensatze zu uns begehrlichen, immer mäleln en, immer Neues verlangenden Großstadtkindern leben- Der Bauer und die Bäuerin stehen frühzeitig aus und gehen frühzeitig schlafen; während wir die herrlichsten Morgenstunden in dunstigen Kamnieru verbringen und uns, Bleischwere in den Gliedern, von einer Seite auf die andere wälzen, hören sie draußen auf dem Felde schon ein tadellos schönes Friiheoncert aus hunderttausend subilirenden Vogelkehlen, funkeln ihnen und den lurzgeschürzten Magden in Thautropfen Diamanten von unerreichbarem Werthe entge en. ikliährend wir Großstadtlinder aber des Abends sade Salon- Ectchtvätztz Klatsch, conventionelle Lügen gegen gleiche oder mindestens hnllchc Leistungen austauschen, während wir uns von Cieäarrenqualm und Stickluft ie Gesundheit benachtheiligen lassen, w hrend wir,- imsstllch besorgt um die Aufrechterhaltung der althergebrachteii Formen beileibe nicht vor zehn Uhr das Bett aussuchen mögen, liegen le Dorfler schon ein paar Stunden in sanftem Schlummer unds sammeln Kraft und Muth zu neuem Tagwerke ! Ebenso wenig Seruvel, als diesen beneidenswerthen Leuten die» geiteiiitheilung verursacht, hegen sie in Bezug auf die MahlzeitenJ einer kostet ängstlich, ob der Kassee von erster Güte, die Seminel’ sein lnusperig, der Mittagstisch mit so und so vielen Leckerbissen be-! stbttsts Schwarzbrod, Mehlsuvpe, Hülfenfrüchte spielen die Haupt rolle bei Alt und Jung. Schmeckt’s Einem nicht, so ist’s wahrlich kein Malheur, höchstens fikaut die Bäuerin nach, ob das Naschmaul mckzt etwa dem Hühnersta eine Visite abgestattet oder einen kühnen letf in die Räucherkammer ewagt hat. Aehnliche Wünsche und Gepflogenheiten wie wir Großstadtkinder haben also die Dorfleute in Hinsicht auf Zeiteintheilung wie UUs·Nahrungsmittel nicht, sollten sie ja einmal hier und dort vereinzelt auftauchen, so sind sie nicht echt, sondern importirt, her ceschlcppt aus der Stadt von irgend einer Person. , Dagegen bleiben die Bauern den Städtern nicht das Geringste schuldig, sobald die Kleiderfrage in Betracht kommt. Hel- wie gern und wie eifrig verhandeln Miue und Trine mit tm thsschneiderin, wie ängstlich orschen sie vor Festen, ob auch der neue Staatsanzug rechtzeitig fertig werde, wie schwänzeln sie die defstraste entlang, das neue Räcklein mit zwei Fingiern raffend, die Rosenräthe der Freude auf den drallen Wangen, w e stolz lenkt die Väukkjm angethan mit nagelneuem Kleide und bitte, die Schritte zum Bornnttagsgottesdienst. Und er, der Bauer, und der männliche Nachwuchs und der Knecht-« schreiten sie im neuen Gewande nicht fiegesbewußter als die sämmtlichen römischen Kaiser und Feldberren in te Schänkei Das Alles und dazwischen manFes Andere fuhr mir durch den Sle als ich damals in meiner sti en Giebelstiibe einen Vergleich Zwischen dem Leben in der Großftadt und dein auf deni Landedo . Mitten in mein Sinnen und Denken hinein trat die eFtalt kkk Pfarrerin. Ich schreckte in die Höhe: sie hob drohend den Finger: »Schon w ever bei der aatäkzuchm Ponospphie oder qk Wille-i Sen ich scheuen L ebe, fest möchte iiokei Zu ’unserem stillen Dorfe plagt man sich nicht mit ernstem Nachdenken ab: blicken Sie hinunter auf die lachenden, barfüßigen Kinder hollah, das ist ein Spaß, wie sie traben und rennen und sich um den Burschen schaaren, der soeben den Leiterwagen mit grünen wogenden Birken schmückt. Ja, das ist so am Pfingstheiligabend. Geben Sie acht, in einer Viertelstunde gleicht der Leiterwagen einem grünen Haine. Bei Ta esanbruch werden die mit bunten Bändern und Blumensträuszen aufggeichirrten Pferde vorgespannt und dann geht«-T was hast Du, was kannst Du, ins Nachbardorf, auch wohl weiter in vollem Trabe, die Psingstburschen einzuholeni« »Die Pfingstburschen ?« ~Freilich, wußten Sie das noch nicht? Die Psingstburichen, die morgen hier singen und Maibäume einpflanzen und unserem Wein keller wacker zusprechen werden. Das ist eine alte Sitte. Verstohlen harrt heute so manche Dorsschöne schon auf den Herzallerlicbstem ob er auch kommen, ob auch die Maie morgen vor dem Fenster im Sonnenschein glänzen wird- Guck, guck, da humpelt auch schon die alte Gundel daher. Hören Sie, wie die Alte dringlich bitter, doch ihren Pfingstburschen, den Frieder, diesmal nicht zu vergessen? Hören Sic, wie Sie dazu schluchzt? Arme Alte, seit ich hier bin, jammert nnd weint sie an jedem Psingstheiligabend um den einstigen Geliebten; an jedcni Psingstmorgen, Wenn die jungen Männer ins Dorf einfahren und die Hüte jauchzend schwenken, steht sie auf den Stock gelehnt an der Straße nnd mustert heißen Auges die Voriiberkommenden und hält sie an und forscht, ob Niemand den Frieder bemerkt habe. Morgen wird sie genau dasselbe thun wie vor Jahren; sie ist eben närrisch, die arme alte GundeL Warum-? . - . . . » . »- O, es ist das alte, ewig neue und ewig variirende Lied. Die Gundel liebte als junges schmuckes Ding einen Bauers sohn, drei Meilen von hier wohnend. Oft kam er des Sonntags zum Tanz und zeichnete die Gundel vor allen anderen Mädchen aus, er versprach ihr sogar die Heirath· Die Gundcl hatte viele Neider, aberLuch viele Mitieidcy die .Einen»meinjen; « » · · » Wenn der Friede-r das eingebildcte Mädel nur gehörig in die Patfche brächte und sitzen ließe; die« Anderen sagten: Schade um die Gundel, er führt sie an der Nase herum und ruinirt ihre Existenz. Gundel achtete weder auf Neider, noch Mitleider, weder aus ihre Freunds noch auf die Feinde, sie glaubte an den Jst-krick wie an ren ott. Plötzlich hieß eg, der Frieder wolle bietetche Müllerstochtcr aus der Thaltnühle freien, mit der Gundel sei’6 aus. Die Hauptperson des Gerüchts, die Gundel selbst, ahnte nichts Arges, im Gegentheil, sie hoffte mehr denn je, daß der Frieder Ernst machen und als öffentliches Zeichen des Verlöbnisses den Pfingitbaum vor ihrer Thüre einpflanzen werde- Psingsten war da, Gundel lauschte mit»verhaltenem Athem in ihrer Kammer, die Psingstbnrschen waren langft, den Frieder in ihrer Mitte, eingezogen, aber draußen vor dem medrtgen Häuschen rührte und regte Lich nichts Drüben in er Thalmjihle herrschte indeß doppelt und dreifach lautes Treiben; die üupi ste Birke prangte vor dem Hause, und mit der Müllerlieselpnnd in Fand stand Frieder, der glückliche Bräutigam. Als die Gunde von dem Verlöbnis unterrichtet wurde, brach sie lautlos zufammen. » Der Kreisvhhsikus, der Tags darauf Rfällig im Dorfe bei einem grfofßbauern weilte, erklärte, sie habe das ervcnsieber, sei auch guter o nung. Ein halb Jahr später gehar die Gundel ein todtes Knäblein. Lästedrsungen behaupteten, sie hatte es erstickt; nachgewiesen ist’ö nie wor en. . Seit jenem Tage ist Gundel närrisch; sie fügt Niemand ein Leid zu; sie arbeitet wortlos«und klaglos, so viel sie noch arbeiten kanns sie behelligt keine Menschenseele Nur zu Pfingsten, da ist’6 allemal toll mit ihri« Die Pastorin schwieg, herein ins Zimmer klangen die Glocken; sie läuteten den Pfingstheiligabend und das Fest ein- Wie friedlich das klang, wie verheißungsvoll. Und doch mußte ich denken, wann wird der Geist der Pfingsten, wann wird die richtige Erkenntnisz für das Gute, Edle, Wahre unter die Menschen, unter die Dorfleute und unter die Großstadtbewohner kommen, wann wird die selbstlose, die opfer sreudige Liebe, wann wird die Christnstreue den Pfingst baum einpflanzen vor den Hütten der Armen, vor den Pruukgemiichern der Reichen! S. B. Ordnung-liebe- Wohl jede Mutter möchte bei Zeiten ihre Kinder an Ordnung gewöhnen, Ordnung in Contmode und Schrank, unter den Schul biichern und Heftem in der Puppenstnbe, am eigenen Anzug und an dem der Puppe des Töchterclsetis. Dem Kinde Heil, dessen Mutter tharsblick sofort den Mangel derselben entdeckt nnd riigt: möge dasselbe nicht schmollend sortlilicken, eigensinnig sich entschuldigen, sondern dankbar den warnenden Finger küssen. Jst doch vielleicht die nun strafende Mutter aus eigener trauriger Erfahrung klug geworden und will ihr Kind vor dem Lehrgeld schützen, welches sie selber in jungen Jahren aus Mangel an Ordnungsliebe zahlen mußte. . Wie schnell ist ein linker Handschithzuin rechten verloren, wenn sie nicht Beide nach einein Ausgang sorgfältig fortgelegt worden sind. Das neue Paar muß herbeigeschafft werden und dieses erleidet wohl bald dasselbe Schicksal des Verloren-, des Vertvorfcnwerdeiis. Nur 11 Taschentiicher als sog. Dutzend zu haben, beunruhigt ein gewissen haftes, auf Ordnung gerichteter? Geniüth, während es das unordentliche Mädchen ntitGleichgiltigkeit erfüllt. Wie viel Unheil hat ein fehlendes Löschblatt iin Schulhefte schon herbeigeführt: Da wird das Geschriebene schnell zugeklappt, das Löschblatt kann ia so eilig nicht esunden werden; große Eile aber thut noth, und die Lehrerin blickt ernizt darein, wenn sie die unsaubere Seite vor die Augen bekommt. Wie sieht es im Zimmer des Kindes aus, das achtlos mit dem Puppenzeug ver kehrtl Halb entkleidct liegen ost die Lieblingspiippchen theils aufdem Sopha, theils unter demselben; einem fehlt der Strumpf, dem anderen der Schuh, und das Kleid hat keinen Haken zum Schließen; die oft kostbaren Spielsachen liegen halb zertrümmert in den Ecken umher der Ball, den der Onkel jüngst zum Geschenke mitbrachte, der Freude erregte, liegt ini Staube hinter dein Schranke: er wird nicht ervori gesucht, denn das kostet ja Mühe, und Mühe scheut jedes Kind. Nur einmal lernte ich Kinder schätzen, deren inneres Leben sich ängstlich auch um das Wohlergehen ihrer Puppen drehte, die diese voll mensch licher Rücksicht behandelten, in ihnen gleichsam gleichberechtigte Wesen erblickten, an ihnen lernen mußten, ordnungsmäßig sie zu versorgen, die Pttvpenwiische derartig zu halten, als sei es er Kinder ei ene. Mit der Ordnung zieht der Wohlstand in das Haus, und kedes Familienglied, so lein es ist, kann helfen, dazu beizutragen. Wie man sagt, ich wage hier den Ver leich - wenn das Pferd gut gebiirstet ist, ist es halb gefiittertx Po ein ordentlich an gezogenes Kind mit so über- und glattgebürstetem Köpfchen egcheint lieblich und harmonisch, auch wenn nur einfache Totlette die estalt Lchmiickt oder unschöne Züge demtelben mitgegeben sind. Wiees in en Kammern und Schranken aussieht, so auch im Jnnern des kleine-I und des großen Menschen. Es ist kein geregeltes, charakteriestes Streben auf große Dinge gerichtet bei Ebenen-so kann man imÆ gemeinen annehmen d e achtlos an den sog. kleinen Din en des eigenen Pauses vorbeischlüpfen und über die Steine im Weg sgolpeem statt die e bei Seite zu legen. Der Stan aus Tisch und dichl-die El3·«Zi"li·«kzzäbsarzt"l)k. Didyoisg IT Billixjfrs gssüntfefs Eifkäåsfiiåk Aufenthalts 1677 O. Schönes Aussing für Gefellfchafteu, Vereine te. OO Achtungsvoll Max Bist-stets Besitzer-. Um zahlreichen Besuch bittend, zeichnet ——- f » Hochachtungsvoll A. lleytnh