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stehe der Valuta-Regulirung nicht im Wege. Die beider seitigen Regierungen seien bereit, die bezüglichen Vorbe- rathungeu zu begrünen, eS wäre indessen eine große Illu sion zu glauben, daß diese Frage in kurzer Zett zu lösen sei. Am 23. d. M. hatte der Sekretär der Pester Handels kammer, Steinacker, welcher einen siebenbürgischen Wahl kreis im ungarischen Reichstage vertritt, im letzteren eine Rede gehalten, welche sich gegen die schroffen Magyarisi- rungsversuche wandte. Die magyaristrten Deutschen der hauptstädtischen Handelskammer entschlossen sich darauf, entweder aus eigenem Antrieb oder auf einen höheren Wink hin, ihren Sekretär Steinacker zu maßregeln und dieser — that in der am Dienstag abgehaltenen Sitzung der Pester Handelskammer Buße und versprach Besserung, Die Handlungsweise der letzteren Körperschaft, die daraus von der Entlassung Stemackers absah, fand natürlich bei allen magyarischen Blättern die vollste Anerkennung. In der Schweiz herrscht aufrichtige Trauer über den Tod des eidgenössischen Bundespräsidenten Hertenstein, der am Freitag Vormittag in Bern mit militärischen Ehren bestattet wurde. Die meisten Schweizer Blätter rühmen dem Heimgegangenen nach, daß er einm ehrenhaften kernigen Charakter besessen und seine originelle Natur in allen Stellungen gewahrt habe. An seine Stelle wird nun der bisherige Vizepräsident Hammer treten. Ernste Arbeiterbewegungen fanden in den letzten Tagen in Belgien statt. Nachdem schon am Tage vorher der Anarchist Defuisseaux in einer Versammlung von 1500 Arbeitern die allgemeine Arbeitseinstellung als bestes Kampf mittel gegen die jetzige Staatsordnung angepriesen hatte, kam es am letzten Sonntag bei einer Versammlung in Morlanwclz zu einem Zusammenstoß zwischen Arbeitern und der Gendarmerie, wobei nur die kaltblütige Vermittelung des Schöffen P6ny Blutvergießen verhinderte. Auch in Comitzres wurde eine stürmische Arbeiterversammlung abge- haltcn und steht zu befürchten, daß die Arbeitseinstellung, die bereits im Zentralbecken Belgiens begonnen hat, sich noch wesentlich erweitern wird. Ungemein verbitternd wirkt die Thatsache, daß von jenen sozialpolitischen Gesetzen, die nach den blutigen Märztagen des Jahres 1886 angekündigt wurden, unter dem ietzigen klerikalen Regiment nicht ein einziges zu Stande gekommen ist. In den letzten Ver sammlungen wiesen die sozialdemokratischen Agitatoren wieder- holentlich darauf hin, was Alles in Deutschland zu Gunsten der Arbeiter geschehen sei. Der italienischen Kammer hat der Finanzminister Maglianiden abgeschlossenen Staatshaushaltsetat für1887/88 zur Prüfung übergeben, gleichzeitig aber auch die Voran schläge für die Finanzperioden 1888/89 und 1889/90 vor gelegt, ohne jedoch dabei über die bevorstehenden außer ordentlichen Ausgaben für die Armee und die Marine erschöpfende Angaben zu machen. Ueber die von mehreren Blättern angekündigten besonderen Steuermaßregeln zur Deckung dieser außerordentlichen Ausgaben verlautet noch nichts Zuverlässiges. Die außerordentlich freundliche und herzliche Aufnahme, welche dem Herzog von Aosta und seiner Gemahlin, der Prinzessin Lätitia, in Berlin bereitet wurde, hat in Rom überaus hohe Befriedigung hervorgerufen. Die auszeichnende Art, mit welcher man in der deutschen Reichs hauptstadt dem Bruder des Königs Humbert entgegenkam, wird in Rom als ein neuer Beweis der ausgezeichneten, gegenwärtig zwischen Italien und Deutschland bestehenden Beziehungen betrachtet. Selbst bei einem Theil der Pariser Blätter hat die sittliche Entrüstung, mit welcher die meisten Mitglieder der fra«z-fifche« Kammer sich von Wilson bei seinem Wie dererscheinen im Parlament abwendeten, spöttischen Hohn hervorgerufen. Das „Journal des Döbats" bezweifelte mit Recht, ob die einstündige Aufhebung der Sitzung ge- eignet war, .Frankreich einen Beweis der Reinheit des Ge wissens und der Strenge der Tugend seiner Volksvertreter zu erbringen." Wilson hat inzwischen abermals an der Sitzung der Deputirtenkammer theilgenommen; vielleicht hält er sich dazu um so mehr für berechtigt, als nach der freilich anfechtbaren Auffassung des Abgeordneten Numa Gilly in der Budgetkommission „beinahe lauter Wilsons" sitzen sollen. Der französischen Kammer ist übrigens am Dienstag das Gesuch zur Gestattung des gerichtlichen Vor gehens gegen Gilly zugegangen. Die am letzten Sonntag abgehaltene Versammlung der Patriotenliga ist ohne ernste Ruhestörung verlausen, doch soll der Ministerrath ent schlossen sein, die Liga sofort aufzulösen, falls dieselbe etwa am 2. Dezember Ursache zum Einschreiten liefert. Die republikanischen und sozialistischen Pariser Gegner des Bou- langismus wollen an diesem Tage am Grabe des bei dem Staatsstreiche Louis Napoleons gefallenen Volksvertreter» Baudin .dem Lande und der ganzen Welt zeigen, daß die Hauptstadt der Zivilisation gewillt ist, der boulangistische« Bewegung Halt zu gebieten." Dabei dürfte es leicht zu sehr ernsten Ereignissen kommen. Am ruffische« Hofe machte es einen vorzüglichen Ein druck, daß der Großfürst-Thronfolger, als er nach Berlin kam, um dem Kaiser Wilhelm für seine Ernennung zu« Chef eines preußischen Husaren-Regiments zu dankm, eine Aufnahme fand, wie sie sonst nur gekrönten Häuptern zu Theil wird. Die verwandtschaftlichen Gesinnungen zwischen den beiden Dynastien werden jetzt offenbar nach mehr- jähriger Pause wieder stärker betont; der Großfürst-Thron folger konnte, wie sein Großvater, sich in Berlin der Em pfindung hingeben, daß er zur Familie gehöre. In Serbie« sind alle bisher erfolgten Urwahle« durch einen Ukas des Königs Milau als nichtig erklärt worden, angeblich wegen zahlloser Beschwerden über Wahl- beeinflussungen. Nun soll das Urwahlgeschäft am 16. De zember wiederholt werden, und zwar in jedem Wahlkreise unter der Aufsicht von drei Wahlmännern, die aus den drei Parteien gleichmäßig rekrutirt sein werden. Dem gemäß wurde auch der Beginn der Skupschtina-Sessto» verschoben. TageSschan. Freiberg, den 1. Dezember. Der deutsche Reichstag trat gestern tn die zweit« Be- rathung de» Etats und genehmigte den Etat deS Reichstag», nachdem Staatssekretär v. Bötticher dir Berücksichtigung aller Klagen versprochen und die Beziehung de» neuen Rclch»- tag»gebäude» sür 1892 bestimmt in Au-ficht gestellt hatte. Der Etat de» Reichskanzler» und der Reichskanzlei wurde ohne Debatte bewilligt. — Beim Etat de» Retch»amt» de» Innern Kap. 7s, Titel 9s, zur Förderung der Hochseefischerei 200000 Mark, bemerkte Abg. Witte, mit einer so geringe» Summe werde sich bei der Art Ihrer Verwendung eine durch greifende Förderung dieses wichtigen Erwerb»zweige» nicht erreichen lassen. Indessen wolle er hieran keine Bemängelung knüpfen, dagegen nur erwähnen, daß die Emdener Hering»- fi!cherei-Aktien-Gesellschaft für sich billigere Tarife auf den Eisenbahnen verlangt habe. Wohin solle man kommen, wenn jeder Interessent derartige Wünsche stelle. — Geh. Rath Wegmann machte nähere Angaben über die Verwendung der Summe von 200000 Mark, durch welche dem Interesse der Hochskefischrret vollkommen gedient werde. — Abg. Geb hard nahm an, daß dieselben Erleichterungen wie der Em dener Gesellschaft auch allen übrigen Interessenten zu Gut« kommen würden. Der Titel wurde an dir Budget-Kom mission verwiesen. — Beim Kapitel 12 (Gesundheitsamt) er kundigte sich Abg. I)r. Witte, ob wesentliche Uebertretung« gegen da- Kunstbuttergesetz vorgrkommen seien. — Staats sekretär v. Bötticher erwiderte, nach seinen Erfahrungen habe sich daS Gesetz nicht bewährt. Schuld daran sei nament lich die trotz seiner Warnungen von der Mehrheit angenom mene Fassung de» tz 2; mit dieser Annahme habe da» Hau» nicht weise gehandelt. — Abg. Robbe entgegnete, daß der Zweck des Gesetzes, dir Grenze zwischen Kunst- und Natur- butter zu ziehen, vollkommen erreicht worden sei. Welter habe da» Gesetz nichts gewollt. — Abg. Engler erwartete eine endgiltige Abhilfe der Beschwerden nur von der Einsetzung einer RetchSprüsungS-Anstalt sür Chemiker behufs Handhabung deS NahruugSmittelgrsetzrs. — Staatssekretär v. Bötticher konnte zur Zeit eine zusagende Erklärung nicht abgeben. — Abg. v. Wedell-Malchow wies auf die Schwierigkeit der chemischen Analyse h n. Jedenfalls habe da, Gesetz dir Mischung von Kunst- und Naturbutter verhindert und das sei schon ein Borthetl. — «bg. Bebel folgerte auS den damaligen Erklärungen Gehlert'», daß der Zweck deS Ge- setzes der gewesen sei, den Genuß der Margarine den Massen zu verek.ln und dadurch die Butterprrtse zu heben. — — Abg. Robbe antwortete, daß Herr Bebel Motive unter schiebe, ohne sie zu beweisen. Et handele sich um etwa» durch-" aus Ethische», darum nämlich, dem Schwindel rntgegenzutret«, der in hohem Maße vorhanden war. — Abg. Goldschmidt Die Woche. Vie Session des deutsche« Reichstages hat kaum be gonnen und schon versichern einzelne oppositionelle Blätter, daß dieselbe nur von kurzer Dauer sein werde, weil die Re- gicrung bereits alle Hoffnung aufgegeben habe, den auf starken Widerstand stoßenden Gesetzentwurf über die Alters- und Invaliditäts-Versicherung noch in dieser Session zum Gesetz erhoben zu sehen. Von wohlunterrichteter Seite wird diese Behauptung als eine ganz haltlose bezeichnet. Die Schwierigkeit dieses umfänglichen Berathungsstoffs sann vielleicht den Abschluß in der gegenwärtigen Session verhindern; jedenfalls werden aber die regierungsfreund lichen Parteien das hochwichtige Werk so weit zu fördern wissen, daß dasselbe keinen Grund zur Abkürzung der Session zu bieten vermag. Die Reichstagsmehrheit ist auch nicht geneigt, sich durch das ebenso ungegründete Gerücht von dem Beoorstehen neuer großer Forderungen für das Heerwesen von der eifrigsten Beschäftigung mit -er Alters- und Invaliditäts-Versicherung, mit der Novelle zum Krankenkassen. Gesetz und den Genossenschafts. Gesetze ablenken zu lassen. Neben diesen zur wetteren Durch führung der Sozialreform dienenden Gesetzentwürfen werden wohl dre über die afrikanischen Angelegenheiten zu erwarten den Vorlagen das größte Interesse m Anspruch nehmen. Ar Bezug auf die Unterstützung der Deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft wird angeblich Jnitiativ-Anträgen aus der Mitte des Reichstages entqegengesehen. Die erste Lesung des Etats ist von den Führern der deutschfreisinnigen und der sozialdemokratischen Fraktion, den Abgg. Richter und Liebknecht, dazu benutzt worden, ihren politischen Ansichten eine weitere Verbreitung als durch die Parteipresse zu ver schaffen. Gegen den sonstigen Gebrauch der Reichsregie rung, die sozialdemokratischen Tadelreden völlig unbeachtet zu lassen, ergriff am Mittwoch der Staatssekretär von Bötticher das Wort, nicht etwa, um sich ernstlich mit dem Abrüstungsvorschlag Liebknechts zu beschäftigen, sondern um der von ihm geringschätzig behandelten sozialpolitischen Gesetzgebung nachzurühmen, daß dieselbe durch Sicherung der meisten deutschen Arbeiter gegen die wirthschaftlichen Folgen von Krankheit und Verunglückung schon Erhebliches geleistet habe. Eine weitere Widerlegung der Ausführungen der Herren Richter und Liebknecht unternahm Herr von Bennigsen, der außerdem empfahl, die günstige finanzielle Lage zu einer Verminderung der Reichsschuld zu benutzen, um dadurch Raum sür die aus den Alters- und Invalidi täts-Versicherungen neu hinzutretenden Belastungen zu schaffen. Ueber die Mehrforderungen für die Marine ver sprach der Admiral Graf Monts in der Kommission jede etwa gewünschte nähere Auskunft zu ertheilen. Wie immer wird nur ein Theil des Etats in der Budget-Kommission, der andere aber ohne Vorberathung vom Plenum erledigt werden, das bereits am Freitag in die zweite Lesung des Etats eintrat, nachdem am Tage vorher ein Antrag des Abg. Rickert, die Verstöße gegen die durch die Gewerbe ordnung und das Wahlgesetz erlaubte Vertheilung von Wahlzetteln und die Beschränkung von Versammlungen durch falsche Auslegung des Sozialistengesetzes betreffend, nach längerer Debatte an die Wahlprüsungs-Kommission verwiesen worden war. Obgleich der Kaiser von Oesterreich den bestimmten Wunsch ausgesprochen, daß man am 2. Dezember d. I. von jeder öffentlichen Feier seines vierzigjährigen Regierungs- Jubiläums absehen möge, wird doch dieser Tage kaum ohne alle Kundgebungen der überwallenden Loyalität vorüber gehen. Die Präsidien des österreichischen Herrenhauses und Abgeordnetenhauses werden wohl noch von allerhöchster Stelle die Erlaubniß erhalten, die Glückwünsche des Reichs- rathes überbringen zu dürfen, der sich an diesem Sonnabend versammelte, um entsprechende Kundgebungen zu beschließen. Mit dem jetzt auch dem österreichischen Herrenhause vor liegenden Wehrgesetze dürfte sich das Abgeordnetenhaus erst nach Erledigung der von deutschliberaler Seite hart be kämpften Vorlage über das Höferecht beschäftige». Die Meinungen darüber, ob dieser Gcsetzentwmf zur Hebung der österreichischen Landwirthschaft dienen könne oder nicht, gingen so weit auseinander, daß die Berathungen fast drei Wochen in Anspruch nahmen. Im Finanzausschüsse des ungarischen Abgeordnetenhauses legte am Donnerstag der Ministerpräsident Tisza die Nothwendigkeit dar, die gegenwärtige Sparsamkeit im Interesse einer erfolgreichen Finanzregulirung noch einige Zeit aufrecht zu erhalten. Die vom ungarischen Parlament beschlossene Konversion md Tageblatt. Amtsblatt für sie KnWchcn und Wüschen Behörden zn Freiberg nab Brand, Beranrwvrtlichtr Redakteur: Julius Braun in Freiberg. -/r N Erscheint jeden Wochentag Nachmitt.'/.6 Uhr sür den , 41. Jahrgang. K ^81. Sonntag, den 2. Dezember. t Inserate werden bi» Bormittag 11 Uhr angenom- «HF» Sitz ? men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile H oder deren Raum 1S Pf.