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SAL»- ö Erscheint icdm Wochentag Nachmitt. '/,6llhr für den .Rv Zandern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Pf., zweimonatlich t M. 50Pf. und einmonatlich7bW 41. Jahrgang. Freitag, de« 2. November Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zn Freiberg und Braud. Bermttwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angenom- OOO men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile ROOO- oder deren Raum 15 Pf. Der Kaiser in Leipzig. Geist und Blick aller Vaterland-freunde, die sich aufrichtig an dem einheitlichen Ausbau des Reiches und seiner Kraft er» quicken, wendeten sich gestern Mittag nach Leipzig, wo in Anwesenheit Ihrer Majestäten de» Kaiser» Wilhelm H. und unsere» König» Albert, sowie Ihrer Königlichen Hoheiten de- Prinzen Georg und de» Prinzen Friedrich August, Wetter in Gegenwart von Vertretern de» deutschen BundeSrathS und Reich-tag- in feierlicher Versammlung der Grundstein zum neuen Retch-gertcht-gebäud e gelegt wurde. E» war die- zugleich die Grundsteinlegung für den höchsten Richterstuhl, den unser« Rechtspflege der ThemiS zu unumstößlichem Wahrspruch geschaffen hat. Die Schirmer!» del Gesetzes, die den Bedrückten und Armen schützt, den Ge waltigen und den Schwachen mit gleichem Maße messend, zieht in ein neue- Heim rin. Da- ist eine Art von erhabener Bedeutung, von idealer Tragweite, deren mächtiger Gedanke über dm flüchtigen Tag und über die deutsche Grenze hinaus- ragt. Dieser Tag verdtmte e-, daß sich jeder Deutsche seiner Wichtigkeit und seine» erhabenen Gefühl- bewußt werde. Die Stadt Leipzig hatte sich für diesen denkwürdigen Tag überaus festlich geschmückt. Bor dem Dresdner Bahnhost, auf welchem erst Se. Majestät König Albert und kurze Zeit darauf sein erhabener Gast, Kaiser Wilhelm ankommen sollten, war über dem Perron ein prächtiger Baldachin errichtet worden, von w«tchem auS ein von Teppichen und Gutrlandm behäugte» Zrlt nach dem reich auSgeschmückten KönigSzimmer führte. Au der gegenüberliegenden Seite der Straße erblickte man zahllose grün-Weiße und schwarz-wrtß-rothe Fahnen, di« um die mächtigen, aus Taimen und Immergrün hergestellten Buch- staben und gruppirt waren. Am AuSgang des Bahn- Hofe- bezeichnen zwei hau-hohe Obelisken mit heraldischen Verzierungen den Ansang der Triumphstraße. In etwa 15 Schritt Entfernung warm zu beiden Seiten derselben drei Stockwerke hohe Fahnenmaste errichtet worden. Diese warm jedeSmal durch zwei starke Gutrlandm, welche so also vom Dresdner Bahnhofe bi» zum Festplatzr eine ununterbrochene Kette bildeten, verbunden. Ein mächtiger Triumphbogen auf der Mitte de» BugustuSplatze» reichte mit seinen Grundpfeilern über die ganze Breite de» Fahrwege» hinweg. An der Vorder front de» von Woppm und Fahnen reich geschmückten Baue» prangten die Worte: „Heil dem Kaiser, Heil dem Könige". Zu diesem Triumphbogen harmonirtrn vt«rObelt»km auf dem Straßenkreuz beim Hauptpostgrbäudr und zwei am Grimmaischen Thor. Wahrhaft großartig waren die öffentlichen Gebäude am AugustuSplatze, da» Theater, daS Museum, die Post sowie daS Augusteum, mit Fahumtuch, Ranken und Lorbeerhainen geschmückt. In der Grimmaischen Straße hatte man do» Großartigste aufgebotm, wa» Meuschenkuvst an Ausschmückung in so kurzer Zett zu leisten vermochte. In derselben Entfernung wir anderSwo die Fahnenmaste, war diese Straße durch unbeschreiblich schöne Guirlaudenbogen überspannt. Dieselben setzten in dem zwettm Stockwerke der Häuser ein und reichten über der Mitte der Straße bis in die vierte Etage hinauf. Die Fanden der Prtvathäusrr in der Grimmaischen und Pcterstraßr zeigten säst keinen Stein, We» war mit Tannemrifig, Fahnentuch, Kappen ix. bedeckt. Ein ähnliche» Bild bot der Markt, nur daß hier die Stadtsarbe Blau-gelb vorherrschte. Am PeterS- thor stand wieder ein Thor von mächtigen Obelisken, dann sührtrn dir Fahnenmastrn wieder weiter bi» zum PeterSschieß- graben, wo abermals vier solche Kolosse standen. Den Mittel punkt der prachtvollen Dekorationen auf dem Festplatze, bildete natürlich der Grundstein zum RetchSgerichtSgebäude. Vor demselben erhob sich eine amphtthratralifcy aufsteigende mit der Kaiserkrone geschmückte Tribüne, welche in ihrem Mittelpunkt den Baldachin sür die allerhöchsten Gäste trug. Direkt hinter dem Grundstein stand ein Rednerpult und hinter diesem «ine zweite Tnbüne für die Festtheilnehmer. Blickte mau von hier au» über den Festplotz hin nach der Stadt, so verlor sich daS Auge in einem Walde von Fahnenmasten, Obelisken, Pfeilern und Retfigwänden. Gegen Mittag marschtrten dir an der Bildung deS Spaliers Theilnehmrnden au ihre Standorte. Kurz vor 12 Uhr langte der Souderzug an, der Se. Majestät dm König nach der zweiten Stadt seines Lande» brachte. Mit Sr. Majestät dem König kamen an: Se. Köntgl. Hoheit Prinz Georg, der KrlegS- mintster Graf v. Fabrice, General der Kavallerie, Exccllrvz, und dir Herren vom persönlichen Dienst und der Adjutantur. Er. Majestät begab sich in» Königszimmer und von da bald aus den Platz vor dem Bahnhof«, wo di« aus dem 1. Ba taillon de« 7. König!, sächs. Jnfanterierrgimews Nr. 106 kombinirte Ehrenkompagnie unter Hauptmann v. Schönberg mit Musik und Fahne Ausstellung gwommen hatte. Se. Maje stät der König, welcher Frldmarschall»unifvrm mit dem Bande d«» Schwarzen Adlerorden» trug, schritt die Front der Kom pagnie ab, währmd die Musik dir Gachsenhymne begann. Nach dem Abschreiten b«gab sich Se. Majestät wieder nach dem KönigSzimmrr und, sobald da» Nahen de» Zug«» angezrigt wurde, auf den Perron. Zur Begrüßung der Majestätrn hatten sich die Generalität und die Spitzen der Behörden ein- grsunden. Kurz vor 12^ Uhr nahte der Kaiserliche Sonder zug.. Se. Majestät der Kaiser entstieg demselben und ging sofort auf Se. Majestät dm König von Sachsen zu, der nahe an dm Zug herangetreten war. Beide Fürsten um armten und küßten sich aus'» Herzlichste zweimal, dann reichte der Kaiser dem Prinzen Georg K. H- freundlich die Hand und begrüßte in gleicher Weise dm ihm vorgrstellten General- limtmant v. Tschirschky. Excellmz. Hieraus begaben sich die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften mit ihrem Gefolge und dm zur Begrüßung erschienenen Herren in da» König»- zimmer. Nachdem diese letzteren vorgestrllt warm, hielt Herr Oberbürgermeister vr. Georgi «tu« längere Ansprache, die mit folgmdea Worten schloß: „Wir bitten Gott, daß Er, wie Er schon aus so Viele» Seinen G«gm gelegt hat, wa» Ew. Maje- stät zum Wohle de» Reiche» unternommen haben, auch da», wa» Ew. Majestät heute im Nomen und zur srirdlichm Ent wickelung de» Reiche» vollziehen, segnen wolle bi» zu den spätesten Geschlechtern, daß er insonderheit aber Ew. Majestät Selbst segnen wolle mit Seinem reichsten Segen! DaS ist d«r au» innrrsttn Herzen drinoryde Wunsch, dm wir Ew. Majestät entgegen bringen." Dann begaben sich die Majestäten mit ihrem Gefolge durch die Abfahrtshalle auf dm Vorplatz, um die Front der Ehren- kompaguie abzuschrettm. Hierauf wurden die Wagm bestiegen. Wie die .Leipzig» Zeitung" berichtet, fahren die Majestäten, überall begrüßt von stürmischem Jubel vom Bahnhost aus durch die Feststraße. Ihnen voran fuhren in zwei Wagm die Vertreter der Stadt. Kavallerie-Begleitung ritt dem Hof- wagmzugr voraus und folgte ihm Bon dm Thürmen lirßm die Glocken ihre machtvollen Klänge «rtönen, daS Hochrufen pflanzte sich wogenähnltch von Mund zu Mund, von Gruppe zu Gruppe fort. Währmd dessen fuhren die übrigen Theilnrhmer des Empfanges unter dem Borantrttt von Schutzleuten um die nordwestliche Promenade dem Festplatze zu. Dort er- schienen die Majestäten kurz vor 1 Uhr, begrüßt von einer Fanfare. Im weiteren Kreise um den Grundstein hatten sich die Offiziere ausgestellt, von dm Uniformen hoben sich die dunkleren StaatSkleider der Minister, die Hermeline der Uni- vrrsitätSwürdenträger, die Talare der Reichsgerichtsbeamten, die AmtSkleider der Geistlichen wirksam ab. Sobald die Allerhöchsten Herrschaften daS Kaiserzelt betreten hatten, erbat der Vertreter deS Reichskanzlers, Staattmtnistrr v. Boetticher, Exzellenz, von Sr. Majestät dem Kaiser die Erlaubntß zum Beginn der Frier. Se. Majestät erthetlte diese durch Ver neigendes Hauptes. Darauf trug der vom Kapellmeister Prof. vr. Reinecke geleitete, 600 Mann starke Chor, etnm Gesang vor, nach dessen Verstumme» der Vertreter de» Reichskanzler», Herr StaatSmtnister von Boetticher, die zur Versenkung in den Grundstein bestimmte Urkunde Verla», deren Wortlaut folgender war: „Wir, Wilhelm von GotteS Gnaden Deutscher Kaiser und König von Preußen, thun kund, daß Wir in Gemeinschaft mit den deutschen Fürsten seit Herstellung des Reiches unausgesetzt unser Augenmerk darauf gerichtet baden, Recht und Gesetzgebung in einer dem Staatswohl entsprechenden Weise zu gestalten und dem langjährigen Verlangen des deutschen Volkes nach Ein- heitlichkeit des Rechts Befriedigung zu geben. Auf Grund einer gemeinsamen Gesetzgebung gehen wir dem Erscheinen eines bürgerlichen Gesetzbuches entgegen, dessen Zustandekommen wir in naher Zukunft erwarten. DaS Reichsgericht ist der unab hängige Hüter des im Reiche geltenden Rechtes, und seiner Wirksamkeit soll jetzt eine nme würdige Stätte bereitet werden Nun haben Wir beschlossen, im Namen der Verbündeten Fürsten die Grundsteinlegung zu dem neuen Gebäude in Gemeinschaft mit Seiner Maiestät, dem König Albert von Sachsen, als dem Gebietsherrn, und unter Mitwirkung der Vertreter deS Reichs tags zu vollziehen. Möge in den Herzen des aesammten Volkes immerdar der rechte Sinn für Recht und Gesetz vorhanden sein, die sichere Grundlage Mr Deutschlands Macht und Größe! Gegenwärtige Urkunde haben Wir in zwei Ausfertigungen mit Unserer Unterschrift vollzogen und mit Unserem Kaiserlichen Jnstegel versehen. Die eine ist dazu bestimmt in dm Grund stein niedergeleat, die andere dazu, in Unserem Archiv aufbe. wahrt zu weiden. Gegeben Marmorpalais, Potsdam, den 27. Oktober 1888 Wilhelm, Imperator Kox." Ein erhebender Moment war e», al» dl« Kapsel in di« Vertiefung deS Grundsteine» versenkt wurde und nunmehr die Musik in feierliche» Tönm zu spielen begann. Unmittelbar darauf begaben sich di« allerhöchsten und höchst« Herrschaft«, > voran Ihre Majestät« Kaiser Wilhelm und König Albert, nach der Stelle de» Grundstein«. Hier üb«rreicht« der Kgl. bayerische stimmführend« Bedollmächttgte zum BundeSrath, Graf von Lerchenfeld-Köfrrtng, Sr. Majestät d«m Kaiser die kostbare, au» gediegenem Silber in wunderbarer Schönheit au»geführte Kelle, indem er Se. Majestät dm Kaiser um die Gnade bat, dm Grundstein zu dem deutschen R«tch»grricht zu legen, worauf Allerhöchstderselbe di« Kelle ergriff und dm bereit gehaltenm Mörtel auf den Stein warf. Darauf setzt« Meister de» Stetnmetzgrwerkes da» Beschlußstück auf. Nach Vollzug dieser Handlung überreichte der Vizepräsident d«» Reichstage», vr. Buhl, dem Kaiser den Hammer. Se. Majestät nahm dm Hammer, schlug dreimal fest und kräftig auf dm Stein und sprach mit weithtnschalleuder, markiger Stimme unter dem athcmlosen Schweige» der Menge: „Der Ehre de» allmächtigen Gotte», dem Recht« und seinen allzett grtrmm Knechten!" Dann ward dir Hammer Sr. Majestät de» König übergeben, der mit laut«, klarer Stimm« di« Worte sprach: „Gott zur Ehre! Dem Reiche zum Ruhme! De« Rechte zum Schirme!" Hierauf brgabm sich beide Majestät« wiedrr »ach dem Kö»ig»zrlte zurück. E» thatm dann unter dm Klängen der Musik, welche die Weise „Lobe dm Herrn" spielte, die üblichen drei Hammrrschläg« diejmigm Herren, die wir bereit» in der Vorbesprechung aufgrführt hab«, der Ver treter de» Reich»!anzler», die stimmsührmdm Bevollmächtigten zum BundeSrath«, die beiden Vizepräsidenten de» R«ich»tage», di« Justtzmtuister d«r Bundesstaaten, die Ch«s» d«r Reich»- ämter, der Präsident de» RrichSgerichtS, der OberreichSanwalt, der Obttbürgermeister von Leipzig, der Seh. Justtzrmth Do«, die Mitglieder der vaukommisfion und die beiden Architekt« de» Baue». Sodann betrat Superintendent vr. Pank die Kanzel und hielt mit markiger Stimme eine herrliche Festrede. „Unter einem glückverheißenden Stern," so hob der Redner in derselben hervor, „legen wir dm Grundstet» zum Reichsgerichte, in Gegenwart de» Kaiser» und dr» König» und d«r Richter desselben. Aber über allen Richte« steht Gott, wöge er dm Richtende», die in da- Gebäude etngehm, und den Gerichteten, dir ausgehen, seinen gnädigen Beistand verleihm!" Bei de« Wethespruch, welchen der Geistliche hielt, eutblößten Me da» Haupt — e» war rin unvergeßlich erhebender Augrnblick, dm der Gesang de» ChorS „Hallelujah" von Händel beschloß. Nach demselben wurde die erste Strophe von: „Nun danket Alle Gott" gesungen, worauf Se. Exzellenz Wirft. Geh. Rath Präsident vr. von Simson den Majestäten de» Dank de» ReichSgrrtcht» darbrachte. D«r allgemein« Gesang „Heil Dir im SiegeSkranz" beschloß di« F«irr. Nach beendeter Feier bestiegen die Majestäten die Wag« und fuhren nach dem reichgcschmücktm neue» Gewandhaus, in dem Se. Majestät der König seinem Kaiserlichen Gaste und den geladenen Festtheilnrhmern ein Frühstück gab. Dasselbe fand im Foyerraum de» Hause» statt. Die lange, königlich besetzte Tafel bot ein überaus anmuthtges Bild. Gegenüber derselben waren auf zwei Aussatzttschm die massiv filbernm, schwer vergoldeten Prunkstücke, Krüge und Schalen, Schüsseln und Mischkrüge, au» der Königlich« Stlberkammer ausgestellt, lauter herrliche Werke, sowohl wa» den Werth al» auch wa» die Arbeit anlangt. DaS Dejeuner war sür 250 Person« hrrgerichtet und ward in zwanglosm Gruppen etngruommm. Rach Beendigung de- Frühstücks begaben sich die Majestät« nach dem großen Konzertsaal, indem sich unterdeß die grladme Versammlung gegm 3 Uhr eiugesunden hatte. Beim Eintritt der Majestätrn brachte Bürgermeister, Justizrath vr. Tröndltn ein dreimalige», begeistert aufgenommenes Hoch auf Allerhöchst- dieselben auS. Dem Konzert folgten die Majestäten mit ficht- licher Theilnahme bi» zur Vollendung der Arte au» dem „Tannhäuser". Dann verließen sie dm Saal, wiederum vou dreimaligem jubelnden Hochrufe der Versammlung umrauscht. Die Abfahrt erfolgte vom Bayrischen Bahnhofe au», wo nur der kleine Empfang zugegen war. Die „Leipz. Ztg." schließt ihren Bericht über die gestrige herrliche Feier mit den Wort«: „Fürwahr, e» war rin weltgeschichtlicher Augenblick e» war «in Herz erhebende» Bild, jene beiden Fürst«, die uns«« Herzm am nächsten stehen, in ungezwungenem, freundliche« Gespräche, hin und wieder lächelnd, dann wieder dem Gange der Feier solgmd zu sehen! Al» ein Sonneoblick vorder huschte und die Farben leuchtender erglänze» ließ, war da» Bild schier märchenhaft. Vorüber ist der Kaisertag, «I» Tag hoher Freude für unsere Stadt, für da» gesammte ReA Möge der Ba« jener Heimstätte deutschen Rechte» ungefährdet zur herrlichen Vollendung gelangen! Hoffentlich wird dann unsere Stadt wiederum eine» glänzende» Saisrrtagr» Jubel schauen. Da» walte Gott!"