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und TagMM. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. I Erscheint jeden Wochmtag Nachmitt.'/.SUHr für dm »0 LLftßß ! andern Tag. Preis vierteljährlich 2Mark 25 Ps., zweimonatlich t M. 50Pf. und einmonattich 7bPf. 41. Jahrgang. — Donnerstag den 2». Ottov« I Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angmom- f men und beträgt der Preis sür die gespaltene Zeile oder deren Raum 1b Pf. 1888. Nachbestellungen ans die Monate November und Dezember werde« zum Preise von 1 Mk. 5V Pfg. von alle« kaiserliche« Posta«ftatte«, sowie vo« de« be- ka««te« Ausgabestelle« und der ««terzeichnete» Expedition angenommen. Expedition des Freiberger Anzeiger. Die preußischen Landtagswahlen. Es wäre ein großer Jrrthum, wenn man annehmen wollte, daß der Ausfall der am 30. d. M. bevorstehenden preußischen Landtagswahlen für die nichtpreußischen Theile deS deutschen Reiches völlig gleichgiltig sei und auf die Reichspolitik kaum eine Rückwirkung ausüben könne. Dies dürfte nur dann der Fall sein, wenn die Partewerhältnisse im preußischen Landtage durch den Wahlausfall nicht ver ändert würden und dadurch Alles im alten Geleise bliebe. Auch dann wäre noch eine Nachwirkung bei der nächsten Reichstagssession zu befürchten, in der sich die beiden konser vativen Fraktionen und die Nationalliberalen kaum so eng wie bisher in den Rahmen des Kartells zusammen finden werden, nachdem sie sich im Herbst dieses Jahres zu keinem gemeinsamen Vorgehen bei den preußischen Landtagswahlen entschließen konnten. Weit mißlicher könnten sich aber die Dinge noch gestalten, wenn durch die am Ende dieses Monats erfolgenden Wahlen die ultramontane Partei des Zentrums einen bedeutenden Machtzuwachs erführe oder der Schwer punkt des preußischen Parlaments erheblich nach links ver legt würde. Die Rückwirkung eines solchen Wahlausfalls auf die preußische Regierung wäre unberechenbar und könnte sehr leicht auch die Reichspolitik beeinflussen. Wenn auch die Wahlbewegung in allen Parteilagern bisher eine wenig lebhafte schien, ist deshalb jede ähnliche Ueberraschung keines wegs ausgeschlossen. Bei dem eigenthümlich eingerichteten, sehr verwickelten Wahlverfahren in Preußen genügen wenige in aller Stille herbeigebrachte Wähler, um die Ernennung mehrerer Wahlmänner zu bewirken und durch Summirung kleiner Erfolge wird dabei leicht ein Ergebniß erzielt, welches der politischen Richtung der wirklichen Mehrheit des betreffenden Wahlkreises gar nicht vollständig entspricht. Wo nicht gerade der klerikale Gesichtspunkt in Betracht komm», wird diesmal in Preußen nur eine laue Betheiligung der Wähler erwartet, welche in der Hauptsache davon über zeugt sind, daß keine Gefahr einseitiger, die Interessen weiter Volkskreise verletzender Entscheidungen obwaltet. Gerade aber diese ruhige Auffassung der staatlichen Ver hältnisse könnte die Anhänger der Mittelparteien von der Wahlurne fern halten und den extremen Parteien zu über raschenden Erfolgen verhelfen. Ganz anders liegen die Dinge in den preußischen Landes theilen wo die Zentrumspartei durch die bekannten Schlag worte die Wähler entflammt und die nichtklerikalen Partei männer sich deshalb zu eifriger Wahlthätigkeit im entgegen gesetzten Sinne auftaffen. Dem Beispiele des Erzbischofs Crmcntz von Köln, welcher die katholische Geistlichkeit zur Benutzung ihres Einflusses zu Gunsten strengkirchlicher Wahlkandidaten aufforderte, ist der Bischof von Münster gefolgt, der einen förmlichen Wahlerlaß an seine Diözesanen richtete. In diesem Erlaß heißt es wörtlich: „Richtet bei der Wahl der Abgeordneten euer Augenmerk auf Männer, die von Religion und Gottesfurcht durchdrungen sind, die mit klar-m Blick erkennen, was uns noththut. und die ohne Menschkiifurcht offen und entschieden eintreten für die Auf- rechterhuitung und Durchführung der christlichen Grundsätze und insbesondere auch für den christlichen Charakter der Schule. Nur wenn wir unsere Schuldigkeit thun und solche Männer als unsere Vertreter in den Landtag senden, können wir mit zuversichtlichem Gottvertrauen den vielfachen, das wahre Wohl des Staates und unsere heiligsten Interessen bedrohenden Gefahren der Zukunft entgegensetzen. Von den Herren Geistlichen darf ich erwarten, daß sie mit Eifer und in angemessener Weise für gute Wahlen eintreten und ihren Mitbürgern darin ein Vorbild sein werden." Was diese Aeußerungen den gemäßigten Mittelparteien bedenklich er scheinen läßt, ist das Beispiel der österreichischen Gesinnungs genossen des preußischen Zentrums, die mit dem Liechten stein-Antrag deurlich gezeigt haben, welche Umwandlung des Schulwesens sie eigentlich erstreben, besonders sind es aber auch die früheren Aeußerungen des Zentrumsührers Windt- Horst, welche den Kampf um die Schule als Fortsetzung des Kulturkavipfes ankündigten. Ueber die Stimmung der preußischen Ultramontanen ist seit der vergeblichen Bemühung der römischen Kurie, von unserem Kaiser eine günstige Seußerung über die weltliche Herrschaft des Papstes zu erlangen, kein Zweifel mehr zulässig. Wie von gewisser Seite noch Oel in die Flamme gegossen wird, zeigt die völlig unverbürgte und jedenfalls ungegründete Mittheuung, daß Kaiser Wilhelm vor seiner Abreise von Rom noch einen Lorbeerkcanz für die in dem Kampfe gegen die päpstlichen Truppen im Jahre 1870 gefallenen Italiener an der Bresche der Porta Pia habe niederlegen lassen. Bezeichnend für die Stimmung, in welcher die Anhänger des preußischen Zentrums sich zu dem bevorstehenden Wahlakt rüsten, ist auch die in Münster von Herrn v. Schorlemer-Alst gehaltene Rede, welche in der Behauptung gipfelte, keine Versammlung katholischer Männer könne ohne Kundgebung für die Unab hängigkeit des päpstlichen Stuhles verlaufen Unmittelbar nach der von unserem Kaiser bei dem König Humbert in der Hauptstadt Italiens genossenen großartigen Gastfreund schaft müssen derartige Aeußerungen selbstredend sehr bedenk liche Wirkungen haben. Dagegen erscheint daS Wahlgeplänkel der übrigen Parteien in Preußen fast harmlos, obgleich es sich nicht verkennen läßt, daß der Versuch der Nationalliberalen, in etwa 30 Wahlkreisen den Besitzstand der beiden konser vativen Fraktionen anzugreifen, sehr ungünstig auf eine spätere Rcichstagswahl zurückwirken und dem von der Reichsregierung so dringend gewünschten Fortbestand des Kartells verhängnißvoll werden kann. Gegen die National liberalen richten denn auch die extremen Parteien ihre schärfsten Pfeile. Die „Neue Preuß. Zeitung" wirft die „National-Zeitung" zu den „Revolutionären aller Länder", die sich jetzt schon auf das im nächsten Jahre zu feiernde Centenarium der französischen Revolution freuen. Dann fügt das hochkonservative Organ hinzu: „Jeder Christ und Konservative thue das Seiniae, daß wir 1889 in Preußen nicht einen Landtag haben, der den Prinzipien von 1789 huldigt, den Prinzipien, welche die ehernen Ketten, mit denen die menschliche Seele an den Himmel gebunden ist, zerreißen wollten und die Bestie in der Menschennatur glori- ficirten." Zwischen den Rationalliberalen und den Deutsch freisinnigen gähnt ebenfalls eine anscheinend unüberbrückbare Kluft, da die ersteren den Anhängern Eugen Richters und Rickerts die Unterstützung des rückschrittlichen Zentrums als Verbrechen anrechnen, während einzelne deutschfreisinnige Organe ihre Gesinnungsgenossen sogar auffordern, unter Umständen lieber für einen Konservativen als für einen Nationalliberalen zu stimmen. Aus alledem erhellt, daß bei den so nahe bevorstehenden preußischen Landtagswahlen sehr wichtige prinzipielle Gegensätze zum Austrag gelangen werden. Die Bewohner derjenigen deutschen Staaten, in welchen diese Gegensätze bisher glücklicher Weise eine ähn liche Schärfe nicht erlangten, haben allen Grund sich glück lich zu preisen, alle zu einer solchen Verschärfung führenden Dinge jetzt erst recht zu vermeiden, aber auch zu wünschen, daß der voraussichtlich auf ganz Deutschland zurückwirkende Wahlausfall in Preußen die Gegensätze im politischen Leben nicht noch schärfer gestalte, sondern in heilsamer Weise ab schwäche. — Tagesschau. Freiberg, des 24. Oktober. Der deutsche Kaiser unternahm gestern Vormittag kurz vor 9 Uhr, vom MarmorpalaiS aus einen Spazierritt in die nächste Umgebung vo« Potsdam. Darauf begab der Kaiser sich nach dem Kasernenhofe de- Letb-Garde-Husaren-RrgimentS, um daselbst den Urbungen de- genannten Regiment- beizu- wohnen. Von dort zurückgekehrt, nahm der Monarch im MarmorpalaiS die Vorträge de» kommaudtrrnden Admiral- Grafe» von Mont- und de- Chef» des Militär - Kabinet- General-Lieutenant- von Hahnke entgegen und arbeitete dann später noch längere Zeit allein. - Den am 26. und 27. d. M. in Blankenburg am Harz statlfindenden Hosjagdrn werden außer Sr. Majestät dem Kaiser als Gäste de- Prinz-Regenten von Braunschweig amtlicher Meldung zufolge, beiwohnen: die Herzöge von Sachsen Altenburg und von Anhalt, der Fürst von Schwarzburg-Rudolstadt, die Prinzen Albert von Sachsen- Altenburg, Günther von Schwarzburg, Eduard und Aribert von Anhalt, ferner Graf Otto Stollberg, die Generale von Albedyll, von Caprivi, die Grafen Lehndorff, Waldersre u. s. w. — Ueber den sich daran anschließenden Besuch de- Kaiser in Homburg melden die „Hamb. Nachr." u. A. folgende Einzel heiten: „Der Kaiser wird am Montag, 29. d. M., Mittag- 12 Uhr in Hamburg etutreffen und kurz vor der Lombard-» brücke, der „Alsterlust" gegenüber, den Zug verlaffen, v» ein Empfangtzelt errichtet wird. Daselbst wird der hohe Besuch durch Bürgermeister I)r. Ver-mann und eine Kommisfio» deS Senat» begrüßt werden, während die übrigen Mitglied« de» Senat- den Kaiser nach der Alsterfahrt an der BrooN- brücke begrüßen werden. Zu den Festlichkeiten find vom Senat u. A. auch eingeladen die Mitglieder de- Bunde-rath- und da- Präsidium de» Reichstage» und wird da» Eintreffen dies« Herren bereit- für nächsten Sonntag Abend erwartet. D« für die Umfahrt de- Kaiser- auf der Alster bestimmte Alfter- dampf« wird auf der Werft der Alsterdampsschtff« umgebant. Derselbe wird an der Spitze mit einem vergoldeten groß« Schwan geschmückt. Die Arbeiten an d« Lombardbrücke zur Beleuchtung derselben schreiten bereit» rüstig vorwärts." — Ob d« Reichskanzler den Zollanschlußfeierltchketteu in Hamburg auwohnen wird, soll fraglich geworden feto. Wenngleich sFürft Bt»marck sich sonst ganz wohl befindet, zeigen sich doch öfter Schmerzen in den Füße», di« ihm da» Stehen sehr «schwer«. Indessen steht jedenfalls ein Zusammentreffen mit dem Kats« in Aussicht. Eich« ist, daß der Letztere die Abficht hat, den Kavzl« in FriedrichSruh zu besuchen. — Der deutsche Kron» Prinz Wilhelm hat einen Exnziermetst« «halte», und zwar de» Feldwebel Hauk von der zweiten Kompagnie d«S 1. Garde - Regiment». D« Prinz «hält täglich einm halb stündige» Unterricht in einem Saale de» MarmorpalaiS. — Prinz Heinrich von Preußen ist gestern Vormittag zu längere« Besuche in Darmstadt eingettoffe». — D« Staaismiutst« Graf Herbert Bismarck ist gestern Mittag von Friedrichsruhe nach Berlin zurckgekehrt. — Gestern verschied in Berlin der frühere Obergewandkämmerer Graf Redern am Herzschlag. — Der Oberreichraowalt von Teffendorff macht im „Reichs- Anzeiger" bekannt, daß die in der Presse verbreitete Nachricht von ein« in d« Untersuchungssache wider den Geh. Rath vr. Geffcken durch den Untersuchungsrichter stattgehabten Ver nehmung de- Obnhof» und HausmarschollS v. Liebenau jed« Begründung entbehre. Herr v. Liebenau fei in der Sache überhaupt nicht vernommen worden. — Nach neueren Nach richten au- Ostafrika befindet sich die ganz«, zum Sultanat Zanzibar gehörige Küste in Aufruhr. Besonder- in der Um gegend von Bagamoyo herrschen Mord und Plünderung, während dieser Ort selbst infolge der Anwesenheit eines deutschen Kriegsschiffes ruhig geblieben ist. Der Handel mit dem Innern ist völlig unterbrochen, wodurch sowohl die deutschen Kaufleute in Zanzibar al- auch die indischen Händl«, welche in den Küstenhäfen deS Festlandes angesessen find, großen Schadt« erleiden, Die Sachlage ist eine derartige, daß weder der Sultan noch die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft im Staude find, di« Bestimmungen de- im Frühjahr 1888 abgeschlossenen Vertrage- au-zuführen, nach welchem die Verwaltung und die Zollerhebung in dem südlichen Theile der festländischen Be sitzungen de- Sultan» auf die Gesellschaft übergehen sollt«. Wie österreichische Blätter berichte», haben die öster reichisch-schweizerischen Handel-Vertrag-Verhandlungen nur des halb eine kurze Uuterbrechung «fahren, weil dir schweizerischen Bevollmächtigt« die Entscheidung de- BundeSrathcs üb« das bisherige Resultat der Verhandlungen noch nicht «hielten. Di« Schweizer reisten gestern von Wien nach Berlin ab, werde« aber baldigst zur Beendigung der Verhandlungen nach Wim zurückkehren. — In unterrichteten Kreis« verlautet, daß bet einem etwaig« Rücktritt de» österreichischen Unterrichtsminister» vr. v. Gautsch Graf Mervrld al» deff« Nachfolger in Aus sicht genommen ist. — Da» Erträgniß au» dem Schankgefälle wird von der ungarischen Regierung auf mindestens 12*/,, Millionen Gulden angeschlagen. Die darauf bezüglichen Gesetz entwürfe bcfinden sich gegenwärtig noch in der Ausschuß- berathung. Der König und die Königin von Italien hab« dem Kaiser Wilhelm gelegentlich seiner Anwe Unheil in Rom für die Kaiserin ein Schmuckkästchen überreicht, dessen Deckel mit einer die Victoria darstellenden Mosaik-Arbeit geziert ist und welches ein Diadem, Ohrringe, ein Haltband und ein Arm band in Gold mit Perl« ä In roumins montlrt enthält. Der Kais« sprach seinen Dank sowie seine Bewunderung auS. — Der italienische Ministerpräsident Crispi empfing vorgestern den Botschafter Grafen de Launay, welcher In der zweite» Hälfte des Monat« November auf seinen Posten nach Berlin zurückkehren wird. Der Wiener Botschafter, Graf Nigra und d« Madrider Botschafter, Graf Torniellt, werd« demnächst gleichfalls In Rom erwartet, um mit Crispi zu bnathm. —