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I. Anlage M Schönburger Tageblatt. W 54. Sonntag, Scs S März 1811 Me Dlhl unter den Kopfjägern Neuguineas. Von Bootswain. Nachdruck »erboten. Es ist eine bekannte Tatsache, daß unter den Bewohnern unseres Südsecgcbictrs die kannibalische Unsitte deS Menschen- sleischfressens trotz aller erdenklichen Mühe unserer MissionS- gescllschaftcn und unserer Kolonialrcgicrung noch nicht Hot ausgerottct werden können. Die Kopfjäger ei bleibt nach wie vor dort in Mode und von Zeit zu Zeil hört man wieder, daß irgend cin europäi scher Reisender dieser bestialischen S tte zum Opfer gefallen ist. Die ringeboicnen Menschenfresser in der Südsee wissen diese kannibalische Unsitte wohl zu verteidigen, wenn man ihre Argumentation anhört, dann muß man zugeben, daß dieser scheußliche Gebrauch lediglich auf dort vorhandenen Fleisch- «angel zurückzufübrcn ist. Denn die Südsee ist bekanntlich arm an größeren und fleischliefernden Tieren. Wohl kommt auf dem Fcstlande dos Känguruh noch in großer Anzahl vor, aber auf den zum australischen Fcstlande gehörenden Inseln ist ein größeres Tier, wie eine auf den Bäumen sich aufhaltende Baumrattc, etwas Seltenes. Es war an einem heißen Tropentage, als ich mit meinem Schoner in Windstille des Festlandes von Neuguinea in der Nähe des Huongolfrs vor Anker lag Gegen Abend kam der am Lande seßhafte Agent unserer Firma zu nur an Bord des Schoners und wachte mir die Mitteilung, daß er von seinem schwarzen Butajungen erfahren habe, daß in der kommenden Nacht meine schwarzen Bukaleute zu ihren be freundeten Slammesgcnvssen in einem benachbarten Dorfe zu einer Versammlung eingcladen seien. Daß es sich bei dieser Gelegenheit nickt bloß um eine Versammlung, sondern um etwas viel Schlimmeres handeln würde, konnte er mir so nebenbei als etwas Selbstverständliches bezeichnen. Ich hatte bisher mit meiner schwarzen Kru noch keineüblen Er fahrungen gemacht, sie waren immer willig und fleißig, auch über ihre seemännische Tätigkeit konnte ich keine Klage führen. Aber trotzdem trauten wir — mein dänischer Bootsmann und ich waren die einzigen Weißen an Bord des Schoners — der schwarzen Gesellschaft nicht viel zu, wir hatten sie im Verdacht, daß sie, wenn sie über Nacht vom Schiffe fort blieben, auch an den kannibalischen Festen ihrer Stamwes- genoffen tcilnahmen. Hier war uns nun die beste Gelegen heit geboten, sich über diesen Verdacht Gewißheit zu ver schaffen und wir nahmen insvlgebessen die Einladung des Agenten, mit ihm an Land zu fahren, an. Am Lande angekommen, stiegen wir zu Pferde, um durch einen einstündigcn R'lt an den Usern des Stromes zu dem Von dem Agenten benannten Stamme zu gelangen. Der herrliche Ritt in der warmen Tropenluft war für unsere durch die Tageshipr arg beeinträchtigte Stimmung von heil samer Wirkung. AIS wir die Grenze des Stammes der Huoimegcr erreicht halten, stiegen wir ab, banden unsere Pferde an einer versteckten Sielte des Waldes an den Acstcn eines bis zur Erde herabreickcnden Elsendaumes an und drangen nun auf einem mit bloßen Blicken kaum zu erken- § Leichen und schleppten sie vor das Podium der Häuptlinge. Dorf, sondern auch den Teil des Dorfes, in dem die Festlichkeit lichen Brüsten erkennen konnte. Die einzelnen Körperteile stattfinden sollte, durch einen weiten Postenkordon abzusperren. wurden nun in Blätter gewickelt und dann in die erhitzten So schien es auch diesmal zu sein. Aber nachdem wir Eidlöcher hineingelegt, mit den heißgemachten Steinen bedeckt und dann mit Blättern und Erde zugedeckt. N»W» würde, so viel Vertrauen hatte ich bisher zu ihm gehabt. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatten die Kerle sich den Gin in Brisbane besorgt und heimlich an Bord geschmuggelt, um ihn ihren Stammesgenossen am Huonflusse zum nächtlichen Gelage zu übermitteln. Nachdem wir noch eine kleine Weile diesem scheußlichen Gelage zugesehen hatten, kam Leben in die Bande. Eine Anzahl jüngerer Krieger Hollen die beiden Gesellschaft an den Gin gekommen war. Jetzt erinnerte ich mich auch, daß wir vor einiger Zeit bei unserem Aufenthalt in Brisbane den Besuch eines englischen Agenten gehabt hatten, der sich etwas eingehender mit meinem schwarzen Bootsmanne unterhalten hatte, als mir lieb war. Ich sah auch meinen Bootsmann ebenfalls unter der Gesellschaft, ich hätte wer weiß was gewettet, daß dieser sich nicht an einem solch kannibalischen Gelage seiner Stammesgenossen beteiligen nenden Pfade vorwärts. Wir mochten vielleicht eine halbe Stunde in dieser Weise einer hinter dem anderen marschierend fortgeschritten fein, da machte sich unseren Ohren in nicht allzuwciler Ferne das eintönige Geräusch einer oder mehrerer Tanztrommeln be merkbar und kündete uns an, daß wir nicht mehr allzuweit von dem nächtlichen Fcstplatze entfernt seien. ,,^o, subbe, Llustsr, ve ä'ont lika LLouksrbeek, vkivst is lasliion ok td« liuonbo^s," auf Deutsch „Nein, Herr, wir lieben kein Kanakerfleisch, das ist Sitte bei den Leute» am Huongolf.' herausgenommen und herumgereccht und mit einer wahren Gier nicht wehr gegeffen, sondern in Wirklichkeit ver schlungen. Dabei wurde dann auf dem freien Platze getanzt und unter allerlei Kapriolen hcrumgesprungen, Waffentänze wurden aufgeführt und mit Bogen und Pfeile» gesck offen. Als dann die Gemüter ganz und gar durch den stark wirkenden Gin in Aufregung gebracht waren, kam es zu einer allgemeinen Fehde unter den jüngeren Stawmes- genoffen, cs bildeten sich zwei Parteien, die sich grimmig ge- genüberstanden, es schien, als ob die ganze Gesellschaft sich gegenseitig zerfleischen und auffrcffcn wollte. Ich griff un willkürlich nach meinem Taschenrevolver und hätte am lieb sten zwischen die Gesellschaft gedonnert, aber es war aus Selbst- crhaltungSbetrieb zweckmäßiger, dies nickt zu tun. Denn eS ist eine bekannte Tatsache, daß man diesen Wilden nicht in ihrer kannibalischen Leidenschaft zu nahe treten darf, will man nicht ihre Blutrache herausfordern. Wir zogen es deshalb vor, uns von dieser kannibalischen Schmauserei zurückzuzichcn. Wir konnten dies ungehindert tun, weil auch die ausgestellten Posten sich an der Keilerei beteiligten, und somit das Terrain frei war. Ohne weitere Gefährniffe kamen wir bei unseren Pferden an und trabten nun in der angenehmen Tropennacht heim wärts. Als ich am andern Morgen aus meiner Kajüte an Deck kam, waren meine schwarzen Jungen schon bei ihrer Arbeit des Deckwaschens. Sooiel ich auch an ihnen kundschaftete, gehalten, den Tabuplatz abzusperren. So konnten wir uns denn, nachdem wir noch einige hundert Sckritre genaht hat- ten, bis ganz dicht an den Opfcrplatz heranschleichen. Der Platz glich einem künstlich angelegten Marktplatz.! Ucberall brannten in ausgehöhlten Erdlöckern eine Anzahl Holzfeuer, welche von den jüngeren Kriegern mit ihren gru seligen Trachten aus Binscngeflecht bewacht und geschürt wurden Im Hintergründe des freien Platzes war eine Art Podium errichtet, auf dem die Häuptlinge des Stammes in einem eifrigen Pullover — Unterhaltung — begriffen waren. In der Nähe dieses Podiums hingen an den benachbarten Bäumen die Leichen zweier anderer Kanakcr, die Wahrschein- i lich im Innern des Landes auf einem Beutezüge getötet und § dann miigeschleppt worden waren. Trotzdem wir ja während ckes läßlichen Umganges mit jenen Kannibalen einigermaßen , an ihre Gebräuche gewöhnt waren, überlief es uns doch mit j einem gewissen Grausen und Unbehagen, gepaart mit einem ans Erbrechen reichenden Ekel. Von unserer Anwesenheit! ! hatte man bisher noch keine Ahnung. Wir wagten cs in- - ! folgedeffcn, etwas »Sher heranzuschleichen, so daß wir nun ! auch den anderen Teil des Festplatzes überschauen konnten.^ Aber waS wir da zu sehen bekamen, hätte ich doch nicht s ! für glaubhaft gehalten, wenn ich mich nicht mit eigenen! ' Augen davon überzeugt hätte. Bei einer großen Flasche des ! ! gewöhnlichsten holländischen Gins, der in dortigen Breiten! ! vielfach getrunken wird, saß meine ganze Sckiffskru in eif- noch eine kleine Strecke zurückgelegt hatten, sahen wir schon! und dann mit Blättern und Erde zugedeckt. drei Fcucr des Lagers in nächster Nähe vor uns. An- s Nachdem so auf diese Weise die Mahlzeit hergerichtet war, scheinend hatte man rS in diesem Falle nicht für notwendig! wurden die in ihrem eigenen Fett gebratenen Fleischteile Von dem Agenten erfuhren wir bei dieser Gelegenheit, daß " 's". " ----- - 7 er schon öfter hierher gegangen sei, aber noch niemals sei! Dort begann dann nach einer gewissen Regel das Zerteile« es ihm gelungen, die Kanaker bei ihren Orgien zu überraschen,! der beiden menschlichen Körper. Der eine war der eines weil sie stets die Vorsicht gebrauchten, nicht nur das heimische jungen Weibes, was man an den stark ausgebildeten weib- riger Schwelgerei mit ihren stammverwandten kannibalischen . c. ... . Brüdern. Die Flasche ging von Hand zu Hand, von Mund "" ich «puren der nächtlichen Schwelgerei zu Mund, und wenn die eine gelehrt war, erschien djx wahrnchmen. Als ich dann im Verlaufe des Tages meinen nächste auf der Bildfläche. Mir war e- ein Rätsel, wie die! l^arzen H-^a^ auf Umwegen nach der Kann,balenfeier - - - und ihren scheußlichen Sitten fragte, bekam ich zur Antwort Gespannte Flügel. Roman von Hedwig Abt. 2) (Fortsetzung.) „Ack nem, Tantctrn, dein Ernst ist das nicht, und so bitterböse Augen machen darfst du nicht, und da — die kleinen Hände suqren weich und streichelnd wie Sameipfötchen über der Tanie Gesicht — „solche alle garstigen Rui zeln ziehen darf du nicht, wo du doch noch nicbt ein einzigstes öältchcn im ganzen Gefickt hast und so bildschön und vor- nehm aussiebst in dem p-lfcinen, seidenen Kleid.- -Laß mich in Ruh' und verwirr' mir nickt das Haar-, knurrte die Tante Und du mach' meinetwegen was du wiüst. Mich ,riff''s ja nickt, wenn sie dich bereden und aus- lachen - tun weiden, da verlaß dich drauf, was ist bei uns nicht Mode." Nie Mode wars freilich nickt in Kahlenburg, der nur von em Paar braunen Saml pangen auf den Schullern festgehal- jene und von da wirklich wie cin loses weites Mielchen her- mederfallende Hänger von seidig glänzendem, goldiggclbcm spmnwedfemem Baiist. lind das rötlickbraunc Haar bauschte mit seinem -ockengemirr so tief um Stirn und Schläfen her ab, daß das sckmale, maligctönte Gesichtchen nur wie aus einem Vorhangipalt hcrausluglc. Ader was da lugte, das waren dunkle samtougen iM Sonnc> flimmer darüber, ein feines bewegliches Näschen und ein kirsckenroteS Lppcnpaar, in das hinein eines der kleinen blitzenden Mäusezähnchen sich begraben hatte wie m eine schwellend reife Fruchl, als Kara an der Tanie Seile rn den hellrrleuchietcn Harmoniesaal ein trat. .Vollgolds find noch n cht da," sagt, Tante Minchcn nach raschem Rundblick, „da werden wir uns dort drüben zu Gundelmanns hinsctzen." Und neben Frau und Herrn Apmheker Gundclmann nah men sie Platz, und als dre Smd.kapeUc mit begcrstrrlem Schwung die ersten Töne dcr Tannhäujel-Ouvertm e erklin- gen ließ, sagte Tante Minchcn, von ihrem Siuhl sich erhe- bend und mit beiden Händen nach dem Saaleingang hin winkend: „Da kommen Vollgolds endlich I" Behutsam die Schritte dämpfend, kamen sie über den Saal hcrüber. Gleich Tante Minchcn im schwarzseidenen Kleid mit Spitzenjabot und goldener Uhrkette würdevoll behäbig die Sleuerrütin Vollgold, den Gatten untcrfaffcnd, der, lang und hager, den Kopf mit selbstbewußter Bureaukcatenmine steif im Nacken trug, und zwei Schritt hinter den Eltern, ebenfalls Arm in Arm daS Brautpaar. Elisabeth, gelassener Ruhe voll, das weiße Wollkleid von unanfechtbarster Solidität, das Blondhaar in tadelloser Glätte gescheitelt und ihr zur Seite — Karas Augen hatten sich plötzlich weit geöffnet, und auf !dcm feinen Hälschen bog sich spähend ihr Kopf vor. > Das war also der Bräutigam — so sah der Doktor Jo- - Hannes Roland aus — so . . . ! Schlank und hochgewachscn, eine kräftig elegante Gestalt, ein regelmäßig geschnittenes, liebenswürdig gescheites Gesicht ^mit flottem Schnurrbart und dichtem, gelocktem Blondhaar ! — das wahre Bild eines schönen Mannes und nichts vom Kleinstädter oder pedantischen Schulmeister an sich, nur im Blick und über dem ganzen Wesen die kleine, temperamentlos gelassene Ruhe wie die ehrbarlich von ihm geführte Braut. Karas kleine Hände machten eine kleine zuckende Bewegung. Da kribbelte eS ja einem ordemlich in den Fingerspitzen, den beiden dort mal einem gehörigen Schubs zu versetzen, daß in diese stocksteif?, siebenjährige Verlobung ein bißchen frisch aufgärender Sauerteig kam. Der Steuerrat hatte mit den Seinen auf die von Tante ! Mincken reservierten Plätze sich niedergelassen, und eine mit Rücksicht auf die Musik vorsichtig geflüsterte Begrüßung halte ! stattgcfunden. WaS bei dieser Begrüßung auf Karas Teil entfiel, war seitens der Stcuerrätin und Elisabeth ein flüch- tiges Handreichen, von dem Steuerrat cin langsames Kopf- neigen, von einem Blick begleitet, der gleichsam maßnehmend und abwägend an der zierlichen Gestalt hinab und wieder emporging. Daß daS Ergebnis dieses AbwägenS kein allzu günstiges sei, ließ sich unsckwer aus dem festeren Aneinander- pressen der schmalen, bartlosen Lippen erraten. Johanne» Roland aber hatte Kara gemütlich die Hand geschüttelt. „Freut mich sehr. Steife Zeremonien brauchen wir wohl nicht zu machen. Wir sind ja wohl so um irgend eine Ecke rum ein bißchen Verwandte." „Ich weiß nicht, ob ich mir auf die Verwandtschaft viel zugute tun darf. Ich glaube, ich muß mir mein Anrecht darauf verdienen." Schelmisch lächelnd ließ sie den Blick der Reihe nach über die steuerrätliche Familie hingehen und wie fragend auf El^ sabeth haften, die ruhig entgegnete: „Man muß fick immer erst genauer kennen lernen, ehe man sich richtig näher kommt." „Jawohl, so wie wir zweie es gehalten Haden, Ellychen," nickte Johannes Roland mit einem leisen, naiv klingende» Lachen und klopfte gemütlich die Hand der Braut, die, gleich falls nickend, ihn ernsthaft ansah. Die Musik war mit der Ouvertüre zu Ende gediehen, und in die nun folgende Pause hinein begann eine allge meine Unterhaltnng, welche sich um die durch des Doktors bevorstehende Gymnasialanstellung nahe gerückte Hochzeit drehte. Es waren praktisch nüchterne Erörterungen der Ge- haltSfrage, der zu beschaffenden Wohnung, ein Ueberlegen, ob ein Dienstmädchen zu halten sei oder ob eine Aufwar tung genügen werde. Der Doktor stimmte für daS erstere. Elisabeth war für das letztere, und der Steucrrat, beifällig dazu nickend, sagte: „Ja, ja, spare in der Zeit, so hast du in der Not. Hät ten wir's nicht immer so gemacht, so wär'S jetzt mit de« ganzen Oberlehrer nichts." Der Doktor schien das wenig Zarte dieser Anspielung auf cmpfangcne Wohltaten nicht zu empfinden oder hinrei chend an Achnliches gewöhnt zu sein, denn er entgegnet« mit einem halben Lachen: „Na ja doch, Papa, wir wollen schon gehörig Hamstern, wenn wir'L nur erst dazu haben." (Fortsetzung folgt)