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1926 PAPIER-ZEITUNG Nr. 54/1920 Rückwirkende Kraft von Tarifverträgen Unter dieser Ueberschrift bringt Nr. 52 der Papier-Zeitung auf S. 1851 eine Entscheidung des Kaufmannsgerichts Osnabrück vom 15. Februar 1 920, die dahingeht, daß ein Tarifvertrag, der im Oktober 191 9 mit rückwirkender Kraft bis zum 1. J uli abgeschlossen war, Gültigkeit hat auch für einen solchen Angestellten, der bereits am 15. August, also lange vor Abschluß des Tarifs, aus seiner Stel lung ausgetreten war. Diese Entscheidung des Kaufmannsgerichts halten wir für durchaus abwegig, und wir werden hierin unterstützt durch eine entsprechende Entscheidung des Schlichtungsausschusses Groß- Berlin, veröffentlicht im Mitteilungsblatt des Schlichtungsaus schusses Groß-Berlin Nr. 19 vom 15. April 1920. Seite.244, unter „Angestelltensachen (Behörden und Anstalten)“. Diese Ent scheidung lautet: „Eine durch Tarifvertrag oder Schiedspruch erfolgte Fest setzung von Gehaltserhöhungen gilt nicht zugunsten bereits ausgeschiedener Angestellten und zwar in der Regel auch dann nicht, wenn der Gehaltserhöhung eine rückwirkende Kraft bei gelegt ist.“ Die Begründung sagt u. a. folgendes; „Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen muß angenommen werden, daß sich die Festsetzung einer Gehaltserhöhung, mag diese durch einen Vertrag oder einen Schiedspruch erfolgen, immer nur auf die Angestellten bezieht, welche an dem Jage, an dem die Verpflichtung zur Zahlung des höheren Gehalts begründet wurde, sich in den Dienstfen des Arbeitgebers befanden. Eine Ausdehnung einer Gehaltserhöhung auf bereits ausgeschiedene Angestellte kann nur dann angenommen werden, wenn eine entsprechende Bestimmung bei der Festsetznng der Gehaltserhöhung ausdrück lich getroffen ist.“ Arbeitgeberverband der Papier verarbeitenden Industriellen Anzeigenvertras und Kriegsverordnung Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. Nachdruck verboten. Zwischen der Schuhfabrik N. und einem Fachblatte war am 1 7. Juli 1914, also vor Kriegsausbruch, ein auf eine Reihe von Jahren laufender Anzeigenv ertrag geschlossen worden. Von Ende Dezember 1916 und Ende März 1917 bezahlte die Auftraggeberin die Anzeigen nicht mehr, da sie ihren Reklamezweck wegen der veränderten Kriegsverhältnisse nicht mehr erreichten. .Der Verlag klagte auf Zahlung, doch wies das Oberlandesgericht Frankfurt die Klage ab, soweit sie sich auf die nach dem 26. März 1917 fälligen Anzeigen bezog. Aus den Entscheidungsgründen des Berufungsgerichts: Der Vertrag ist noch während der Friedenszeit geschlossen worden. Er hatte den normalen Geschäftsgang der Friedenszeit zur Voraussetzung. Die Beklagte beabsichtigte, durch diesen Vertrag mittels regelmäßig in gleichen Abständen erscheinender Anteigen mit ihrem Kundenkreis in ununterbrochener Verbindung zu bleiben. Mit dem 26. März 1917 ist dieser Reklamezweck ver eitele worden, denn nach Inkrafttreten der Bundesratsvercrdnung vom 17. März 1917 mußten die Schuhfabriken sämtliche von ihnen hergestellten Schuhwaren an die zuständigen Schuhwarenherstel- lungs- und -Vertriebsgesellschaften ablicfern. Lediglich diese Gesell schaften gaben noch Schuhwaren an die einzelnen Abnehmer ab. Zu den weiterverarbeitenden Schuhfabriken gehörte auch die Be klagte. Unter diesen Umständen war jede Reklame der Beklagten sinnlos. Auch war durch eine vielleicht später einmal wieder mög liche Erfüllung der von der Beklagten durch den Abschluß des Ver trages erstrebte Reklamezweck nicht mehr erreichbar. Es war unter diesen Umständen mit der Rücksichtnahme auf Treu und Glau ben und auf die Verkehrssitte unvereinbar, die Beklagte über den 26. März 1917 hinaus noch an den Vertrag vom 17. Juli 1914 fest zuhalten. (Aktenzeichen 3. U. 41/18.) Aus den Typographischen Gesellschaften Typographische Gesellschaft Hamburg. In der Versammlung am 23. Juli wurde in Verbindung mit einer reichlichen Ausstellung die heutige Anzeigenausstattung erörtert. Es wurde hervorgehoben, daß es auch heute noch nicht immer möglich ist, einwandfreie wirkungsvolle typographische Anzeigen herzustellen. Die Kürze der zur Verfügung stehenden Satzzeit, besonders bei den täglich erscheinenden Zeitungen, die Vorschriften der Kundschaft und besonders der Annoncen-Büros fördern nicht das reklametechnische • einheitliche Satzbild. — Leider wurden wir durch den großen Wett bewerb der Schriftgießerei H. Berthold „Dreißig für Drei“, der allein reichliches Material für einen Abend bietet, mit Ausstellungsmaterial überlastet. Das hierzu gehörende Material woraus Berlin nicht mit eingetroffen, so daß die Besprechung der Arbeiten chne nähere Unterlagen geschah. Man kann mit dem Ausfall des Wettbewerbes sehr zufrieden sein. Die Preisbewertung wird aber sicher nicht über all ungeteilten Beifall finden. — Es wurde angeregt, zu jeder Sitzung Preisnotierungen der Materialien bekanntzugeben. Typographische Gesellschaft Nürnberg. Aus Anlaß der zurzeit hier stattfindenden Tagung der deutschen Buchdrucker fand am 19. Juni im Luitpoldhaus eine Festsitzung statt, der eine von der hiesigen Typographischen Gesellschaft veranstaltete kleine Aus stellung voranging. Diese war gelungen, und es war sehr bedauerlich, daß sie nur für so ungewönlhich kurze Zeit durchgeführt worden war, sie wäre eine gute Gelegenheit gewesen, der hiesigen Geschäfts welt zu zeigen, wieviel lebendige Kraft und Schönheit heute im deutschen Buchgewerbe vorhanden ist, und wieviel künstlerischer Sinn sich dort betätigt. Einen großen Teil der Ausstellung nahmen die Entwürfe für einen Wandkai end er-ein, die für ein Preisausschrei ben der „Typographischen Mitteilungen“ eingegangen waren. Daneben die Entwürfe zu einem Gedenkblatt für Gefallene, denen ein Preisausschreiben der Kölner Typographia zugrunde lag. Die preisgekrönten Arbeiten stellen Musterstücke zeichnerischer und illustrativer Erfindung dar, wobei mit geringen Mitteln oft die feinsten Wirkungen erzielt wurden, hstn. Eine Ausstellung kanadischer Industrien in London, die erste ihrer Art in England, fand im Juni in der Agricultural Hall zu Islington statt. Sie war jedoch, sagt ein englisches Fachblatt, recht bescheidenen Umfangs. Tapeten stellten aus Stauntons Ltd. in Toronto und Reg. N. Boxer Co. Ltd. in Toronto; Bronzefarben die Canadian Bronce Powder Works Ltd. in Montreal, bg. Graupappen-Lieferung 1663. Schiedspruch Bei der letzten Leipziger Frühjahrsmesse bestellte mein Teil haber im Beisein meines Prokuristen von der Papieiwarenfabrik X in A 10 000 kg graue Pappen zum Preise von 80 M. die 100 kg, ersuchte jedoch die Firma um vorherige Zustellung einer kleinen Mustersendung. Die Firma X kam diesem Verlangen nicht nach, sondern lieferte Ende Juni 9290 kg. Wie beiliegender Schriftwechsel ergibt, ist die Sendung in einem derartigen Zustande, daß Verwendung für meine Zwecke ausgeschlossen ist. Die Pappen sind zur Anfertigung von Geschäfts büchern bestimmt, was der Firma X genau bekannt war. Nach meiner Ansicht stellen die Deckel keine reguläre Ware dar sondern sind Ausschußpappen aus verschiedenen Lieferungen. Ich lasse Ihnen nun durch die Bahn einen Zentner der Ware zugehen. Y, Geschäftsbücherfabrik in B. * * * Die Firma Y in B teilt uns mit, daß sie in einer zwischen uns entstandenen Streitsache Ihre Entscheidung angerufen hat. Auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1919 übergab unser Herr X dem Mit inhaber der Firma Y .eine etwa 50 qcm große gezogene Papp scheibe und verkaufte ihm darnach einen Waggon Pappe. Die Firma hat die Ware angenommen aber beanstandet mit der Begrün dung, daß diese im großen und ganzen dem Muster nicht entspricht. Unserer Ansicht nach sind Muster und Ware in Qualität als gleich anzusehen, weswegen wir auf Abnahme bestehen. Eventuelle kleine Differenzen sind unbedeutend und entsprechen den im Kriege üblichen Abweichungen. Wir erklären uns mit dem Schiedspruch der Papier-Zeitung einverstanden und bitten Sie, auch die gleiche. Erklärung von der Firma Y zu verlangen. X, Papierwarenfabrik in A. Aus dem Briefwechsel geht folgendes hervor: Die Geschäftsbücherfabrik rügt die Pappen als „schlecht be- walzt, ungleich in Format und Dicke, z. T. eingerissen und unganz, durchweg narbig“. Sie könne die Ware zu ihren Zwecken auch zum halben Preise nicht verwenden. Die Verkäuferin erwidert hierauf, die Pappen seien so wie das Muster, auf Grund dessen sic gekauft wurden. Sie bestreitet, daß Mustersendung verlangt wurde. Wir haben die uns von der Geschäftsbücherfabrik gesandten 2 Pack Pappen geprüft und die Beanstandung für gerechtfertigt gefunden. Von den 37 Pappen sind 15 infolge der oben angegebenen Mängel als Ausschußware anzusehen, die übrigen 22 sind ver wendbar, wenn auch nicht tadellos. Der Einwand der Verkäuferin, die Ware sei mustergetreu geliefert, kann nicht durchgreifen, da zur Beurteilung einer Wagenladung Pappe das kleine Handmuster, das auf der Messe gezeigt wurde, nicht genügt, besonders wenn es sich um einen Gelegenheitsposten unbekannter Herkunft handelt. Eine Mustersendung von etwa 50 kg war zur Beurteilung nötig und wurde deshalb wahrscheinlich auch gefordert. Der Vertreter der Verkäuferin auf der Messe mag diese Forderung vergessen haben. Aber auch wenn Mustersendung nicht verlangt wurde, hätte die Verkäuferin marktgängige Ware liefern müssen, was aber nicht geschehen ist. Es kann der Geschäftsbücherfabrik nicht zuge- mutet werden, die mangelhafte Ware, und sei es mit bedeutendem Nachlaß, zu übernehmen, falls sie dafür keine Verwendung hat. Wir entscheiden deshalb, daß die Geschäftsbücherfabrik berechtigt ist, die Ware als nicht markt gängig zurückzuweisen.