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Ist die Wirtschaftsstelle für das Deutsche Zeitungsgewerbe noch nötis? Als vor kurzem von der Reichsregierung bekannt gegeben wurde, daß beabsichtigt sei, die Zwangswirtschaft zum größten Teil auf zuheben, hat sicher ein großer Teil der,Druck« r und Verleger er leichtert aufgeatmet in der Erwartung, daß auch die in der „Papier- Zeitung“ schon mehrfach besprochene ,, Wirtschaftsstelle für «las Deutsche Zeitungsgewerbe“ der wohl verdienten Auflösung anheim fallen würde. Das scheint leider aber immer noch nicht eintreten zu sollen, denn in der Aufzählnng der Wirtschaftsstellen, deren Weiterbestehen als überflüssig angesehen wurde, ist die für das Zeitungsgewerbe nicht enthalten. Ich verstehe w< hl, daß man der Ansicht sein kann, die Wirt schaftsstelle für das Zeitungsgewerbe sei heute noch erforderlich für eine gleichmäßige Verteilung von Tageszeitungspapier, trotz- «lern man auch da gegenteilige Ansichten hören kann; etwas anderes ist es aber, wenn es sich um Werkdruckpapiere handelt, für die heute ebenfalls noch die Genehmigung der Wirtschaftsstelle einzuholen ist. Das kann zu Vorkommnissen führen, wie sie jetzt bei einem Teil unserer Kundschaft aufgetreten sind. Der Tatbestand ist kurz folgender: Es wurden von fünf verschiedenen Bestellern in der ersten Hälfte des Monats April 1920 Bezugsscheine über maschinenglattes holzhaltiges Werksruckpapier, das uns als Großhandlung zur Liefe rung übertragen war, der Wirtschaftsstelle zur Genehmigung ein gesandt. Nach wiederholten Anmahnungen und sonstigen Schreibe reien mit der Wirtschaftsstelle erhielten wir endlich am 8. Juni (!) von unserer Papierfabrik den Bescheid, daß nun der letzte Bezug schein eing ga ngen sei. Durch diese Verzögerung ist erreicht worden, «laß die Fabrik, die die Papiere seinerzeit sofort anfertigen wollte, nun erst nach etwa zwei Monaten zur Anfertigung der Papiere kommen kann und einen Aufschlag von rund 2,50 M verlangt. Da das Papier bis heute — Ende Juni — aber noch nicht geliefert ist, ist es nicht aus- schlossen, daß eine weitere Erhöhung eintritt. Der Erfolg wird dann sein, daß die Besteller durch die Benutzung der Wirtschaftsstelle um etwa 70 000 M mehr bezahlen müssen, und sie würden vielleicht noch mehr zu bezahlen haben, wenn nicht die Fabrik, wie sie schreibt, mit dem höheren Preise noch einen Ausnahmepreis in Rechnung stellen will. Durch dieses Vorkommnis ist augenfällig bewiesen, welchen Wert die Wirtschaftsstelle für den Handel hat. Es werden nach Einreichung der weißen, roten oder blauen Bezugscheine häufig Nachfragen gestellt und Ausstellungen gemacht, ehe die Genehmi gung erfolgt, mit dem Ergebnis, daß das Papier zwei bis drei Monate später geliefert wird (in diesem Falleaußerdem besonders bedauerlich, da es sich um eilige Lieferungen handelte, wodurch, wie in diesem Falle, eine Mehrausgabe von 70 000 M. entsteht, für die die Wirt schaftsstelle verantwortlich gemacht werden müßte). Die Wirt schaftsstelle hindert also den geregelten Geschäftsbetrieb und wirkt verteuernd, wozu noch kommt, daß man auch mit einem Dutzend und mehr genehmigter Bezugscheine der Wirtschaftsstelle mit dem besten Willen nichts anfangen kann, wenn man nicht eine Papier fabrik findet — das ist in der verflossenen Zeit oft nicht leicht ge wesen — die das gewünschte Papier anfertigt, das ohne Bezugschein schneller und billiger zu haben gewesen wäre. Daß die Vorschriften der Wirtschaftsstelle dauernd umgangen werden, ist aus den geschilderten Gründen erklärlich, denn zu gleichen Zeit wurden uns von einer während des Krieges entstandenen Papiergroßhandlung 40 000 kg maschinenglattes holzhaltiges Werk druckpapier ohne Bezugschein angeboten. Der gewissenhafte Be steller, der die gesetzlichen Bestimmungen glaubt nicht umgehen zu können, ist wie immer der Geschädigte. Wenn es daher nun endlich an die Aufhebung der Zwangs wirtschaft gehen soll, dann ist es unbedingt notwendig, daß auch die Wirtschaftsstelle für das Deutsche Zeitungsgewerbe verschwindet, wenigstens muß ihr Wirkungskreis auf das notwendigste Maß — Vermittlung von Tageszeitungspapier — beschränkt werden. Damit würde auch erreicht, daß ein Teil der Angestellten, die jetzt bei der Wirtschaftsstelle ein unproduktives Dasein führen, zu einer nützlicheren Tätigkeit, die für unser Wirtschaftsleben heute mehr als je notwendig ist, übergeführt werden könnten. Christian Henne, Braunschweig Wie wir in unserm Bericht „Das Papier für den Buch- und Zeitschriftverlag“ in Nr. 49 auf S. 1733 mitteilten, ist die Bewirt schaftung des Buch- und Zeitschrift-Papiers für ein weiteres Viertel jahr, nämlich bis Ende September, verlängert worden. Das Reichs wirtschaftsministerium hatte gegen das Aufhören dieser Bewirt- schaftung keine Einwendung erhoben, aber die Vertreter des Buch- «und Zeitschriftenverlags haben die weitere Bewirtschaftung ge wünscht, da ihnen in Aussicht gestellt wurde, daß sie dann mit billigerem Papier beliefert würden. Ob diese Hoffnung sich bewahr heitet, muß abgewartet werden. - (Siehe auch Seite 1951, Druck papierherstellung für die Tagespresse) Tagespreis Konventionspreis? S. Nrn. 51 und 53 Bei Käufen von Konventionsfabriken ist zweifellos unter Tagespreis der Preis zu verstehen, der seitens der Konvention, der eine Firma angehört, zur Zeit der Ablieferung für die verkaufte Ware als maßgebend gilt. Da es heute noch immer vorwiegend Kon ventionsfabriken gibt, wird es nicht zutreffen, daß.jener Preis als Tagespreis anzusehen ist, der für irgend eine bestimmte Ware im freien Verkehr“ gehandelt wird. Wer mit Konventionsfabriken in Verbindung steht, weiß, daß er dadurch deren Preise wie deren sonstige Bestimmungen als verbindlich anerkennen muß. Nach welchen Gesichtspunkten aber im freien Verkehr manch mal Preise gemeldet wurden, weiß der, der etwas tiefer zu sehen ver steht, und der, der darin Erfahrung hat.. Ohne Zweifel gilt dies von einem Großhändler. Dieser weiß auch, daß man zuweilen lediglich deshalb einen billigeren Preis stellt, um die Konkurrenz auszuschal ten, um dann für sich einen nach großen Mühen erworbenen Platz zu behaupten, selbst, wenn man beim ersten Auftrag Geld hinzulegt. Bei Fabriken kann man für die Preisermittelung einer zu ferti genden odei bereits fertiggestellten Ware nicht die gleichen Voraus setzungen zu gründe legen, wie für einen unter nunmehr verän derten Verhältnissen übernommenen neuen Auftrag. Heute gibt es ja schon wieder Firmen, die um jeden Preis arbeiten, unbeschadet der daraus für die gesamte Industrie entstehenden Wirrnis. Sie tun es lediglich, um ihr Geschäft in Betrieb zu halten, da im anderen Falle der Schaden größer sein kann, als wenn man.arbeitet, aber nicht verdient. Manche Firmen bitten schon wieder für den Fall, «laß ihr Preis nicht zusagt, um Aufgabe des Konkurrenzpreises, um sich das Geschäft nicht entgehen zu lassen. Also ist es nicht ohne weiteres angängig, die Preise, die im freien Verkehr . besser wilden Verkehr — gehandelt werden, als maßgebende Tagespreise zu betrachten. Die Preise jeder Konvention innerhalb eines bestimmten Zeit abschnittes können sich nicht nach einem einzelnen Artikel oder einer Sorte der einen oder der anderen Fabrik richten, die dieser oder jener Konvention oder keiner angehört. Dies weiß man auch in Großhändlerkreisen. So gut, wie man es hier verstand, und bei der einmal aus dem Gleichgewicht gehobenen Wirtschaft verstehen mußte, die Verkaufspreise nicht nur immer lediglich streng nach den Einkaufspreisen zu richten, weil man alsdann bei steigenden Preisen wohl leicht verkaufen, sehr oft aber nicht wieder neuen Ersa.tz einkaufen konnte, ebenso wird man es v erstehen, daßauch die Fabri ken heute ihre Bestände nicht nur ausverkaufen können. Sobald die Gesamtverhältnisse einen Preisabbau erlauben, wird man sich auch auf Seiten der verschiedenen Konventionen dem nicht ver schließen, und man dann, wenn auch vielleicht unbeabsichtigt, im Gesamtinteresse planmäßig an eine Preisregelung gehen. Kalkulator Druckpapier-Zuteilung für das dritte Vierteljahr 1920. Nach der Verordnung vom 24. Juni, abgedruckt im Reichsanzeiger vom 28. Juni, wird das Bezugsrecht der Zeitungs- und Zeitschriften- und Buchverleger in derselben Weise eingeschränkt wie in den vor angegangenen. Vierteljahren. Die Thüringer Zeitungen gegen die Holzteuerung. 61 Thüringer Zeitungen veröffentlichen einen gemeinsamen Artikel über die Folgen der Papiernot, in dem es nach einer Darstellung der katastrophalen Lage im Zeitungsgewerbe heißt: Leber die Verbilligung des Zei- tungsdruckpapieres schweben in Regierungskreisen seit, Monaten Verhandlungen. Die Hoffnungen darauf scheinen aber ziemlich aussichtsls, da einige Länder ihre Teilnahme an der Freigabe von Papierholz zu ermäßigten Preisen ablehnen Bes nders ist das von «len Wald- uni holzreichen Thüringer Staaten der Fall Das er scheint um s unbegreiflicher, als im Ministerium einige Herren siezen, die selbst de n Presseberuf entstammen, denen als i die wirt schaftlichen Nöte der Zeitungen bekannt sein müssen. Wo bleibt da die in Worten vielgepriesene Freundlichkeit gegenüber der Presse, wo bleibt die tatkräftige Hilfsbereitschaft der amtlichen Stellen, die hier einmal bewiesen werden könnte? Wir richten hierdurch an die Abge rdneten aller Parteien das Ersuchen, sich dieser An gelegenheit in den Landtagen bezw. im Thüringer Volksrat an zunehmen n. (Siehe Seite 1952, Druckpapierpreise) Die Zeitungen in Moskau nehmen infolge Papiermangels keine Abonnementbestellungen mehr an. bg.