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Nr. 64/1920 PAPIER-ZEITUNG 2267 Der Torf — ein Retter in der Not Schon häufig sind Bestrebungen im Gange gewesen, den Torf »ler in Deutschland zahlreich auftretenden Moore (es handelt sieh um annähernd drei Millionen Hektar) praktisch zu verwerten. Neben der alten Verwendungsart als Heizmaterial und Streumittel ist während des Krieges noch die Ausnutzung des Torfes als Spinn faser hinzugekommen Daß diese letztere Verwendung keine größere Bedeutung erhalten hat, lag in erster Linie wohl daran, daß die aus dem Torf infolge mangelhafter Einrichtungen ge wonnene Spinnfaser nur für gröbere Zwecke. Verwendung finden konnte. Hier setzt nun ein durch mehrere Patente geschütztes Ver fahren ein, das sich vor allem zur Hauptaufgabe stellt, aus dem Torf, gleich welcher Güte, um er restloser Verwendungaller Bestand teile, die verschiedensten Erzeugnisse herzustellen, und zwar Spinnfasern, Papierfasern und Briketts. Während bisher bei der Verarbeitung des Torfes zur Spinn- -faser nur ein geringer Prozentsatz gewonnen werden konnte, und der Rest als unbrauchbar ausgeschaltet werden mußte, wodurch verursacht wurde, daß die Herstellung der Spinnfaser erheblich teurer kam, ist es durch das neue Verfahren möglich geworden, auch alle Nebenprodukte mitzuverwenden, wodurch eine ganz wesentliche Verbilligung in allen Teilen erzielt werden konnte. Mit dem neuen Verfahren können hergestellt werden: 1. Spinnfaser (3 v. H.), etwa 5—10 cm lang, gereinigt, von weicher, schmiegsamer Beschaffenheit und großer Feinheit Die Fasern sind mit den während des Krieges von der Kriegsrohstoff abteilung in Verarbeitung gegebenen Torffasern, die vielfach wegen Härte und Brüchigkeit beanstandet wurden, nicht zu ver gleichen und stellen ein durchaus einwandfreies Spinnmaterial dar. 2, Papierstoff (20 v. H.) von gleichmäßiger Beschaffenheit in Naturfarbe, geeignet zur Herstellung von Packpapier und Pappen, der ohne oder mit beliebigem Zusatz auf jeder Papp- oder Papiermaschine zu verarbeiten ist. 3. Brikettstoff (75 v. H.), der nach dem patentierten Ver fahren vollständig trocken in Form der üblichen Braunkohlen briketts oder in jeder anderen Form geliefert werden kann Diese Briketts übertreffen an Festigkeit und Heizkraft die meisten Braunkohlenbriketts und zeichnen sich durch besondere Sauber keit aus. Der Arbeitsgang soll in folgenden? kurz beschrieben werden: Aus der frisch gestochenen Torfmasse werden in einem fort laufenden Arbeitsverfahren Spinnfasern, Papiermasse und Brikett stoff gewonnen und derart voneinander getrennt, daß sie sofort der Weicerverarbeitung zugeführt werden können, dergestalt, daß keinerlei Rückstände oder Abfallstoffe verbleiben und selbst das für den Trennungsprozeß gebrauchte Wasser wieder verwendet werden kann Die Torfmasse wird zunächst in einem Reißwolf unter Wasser zufuhr zerkleinert. Die So zerkleinerte Torfmasse wird in Trennungs- maschinen durch hin und her bewegte Rechen mit nach oben gerichteten freistehenden Zinken unter Wasserzufuhr zerteilt. Dabei trennt sich die im Torf eingebettete Riedfaser (Spinnfaser) Von dem sie umhüllenden Torf und sonstigen Bestandteilen Die Riedfaser hält sich infolge ihres geringen spezifischen Gewichts an der Oberfläche des Wassers, von dem sie durch Hakenelevatoren abgenommen wird, während der aufgelöste Torf durch den Sieb boden der Trennungsmaschine nach unten entweicht. Die Spinnfaser gelangt darauf in die Waschmaschine, worin sie von den ihr etwa noch anhaftenden Unreinigkeiten vollkommen befreit wird. Sie kommt dann in eine Entwässerungsmaschine, um sie für den Trockenapparat vorzubereiten, in welchem sie durch erwärmte Luft vollkommen getrocknet und dann durch Quetsch walzen hindurch einem Schüttelsieb zugeführt .wird, nm etwa noch dazwischen befindliche Staubteilchen abzusieben Die so erhaltene Faser hat ihre Widerstandsfähigkeit. und Festigkeit im Gegensatz zu den auf andere Weise gewonnenen Torffasern vollkommen behalten, sie ist jedoch bedeutend reiner als diese und derart aufgeschlossen, daß sic viel feiner und weicher erscheint. Die Faser ist nunmehr ohne weiteres auf jede bekannte Weise zu Gespinsten beliebiger Art weiter zu verarbeiten. Die durch den Siebboden der Trennungs naschine entschlüpften Torfteile werden durch Rohre einer Schwemmvorrichtung zugeführt, die durch Scheidewände verschiedener Höhe abgeteilt ist. Die in der Torfmasse enthaltenen Papierlasern und Blättchen scheiden sieb zusammen mit eine n .Teil des Schlammes, dem bituminösen Schlamm, von den anderen, schwereren Teil des Schlammes und der Stengelteichen dadurch, daß sie infolge ihres geringen Gewichtes mit den Wasserstrom über die Scheidewände der Schwemmvorrichtung hinweggehen, während die schwereren Teile auf den Boden der Schwe nmvorrichtung sinken, von wo ■sie mittels Elevator entfernt, in eine Rinne geworfen werden und Von hier in einen Sammelbehälter gelangen. Die Papierfaser und der leichtere Teil des Schlammes, der bituminöse Schlamm, fallen mit dem Wasser, auf dessen Oberfläche schwimmend, über eine schräge Fläche auf ein feines rotierendes Sieb. Hier wird der Schlamm infolge seiner Feinheit durch die Maschen des Siebes Imit dem Wasser hindurchgedrückt, während die Papiermasse darauf zurückbleibt. Die Papiermasse wird mittels Schaber vom Sieb abgehoben, um einer Entwässerungsanlage zugeführt zu werden, wenn es Ver sandware werden soll. Wird die Anlage mit einer Papierfabrik » erblinden, kann die Masse sogleich in den Mischholländer gebracht werden, um zu Papier oder Pappe verarbeitet zu werden. Der durch die Maschen des rotierenden Siebes gelangte bitu minöse Schlamm kommt nun mit dem Wasser in eine Klärvor- richtung, in welcher das langsam in breiten Strome über Querwände abfließende Wasser die in ihm schwimmenden Schlammteile und Sonstigen Torfbestandteile sämtlich zu Boden sinken läßt, so daß zum Schluß klares Wasser heraustritt, während die Schlammasse in Breiform von dem Boden der Klärvorrichtung entnommen werden kann. Dies_geschieht durch einen Elevator oder^ eine Schnecke. aorDiese breiförmige Schlammasse wird dann mit den aus der Sortiervorrichtung entnommenen Teilen gemischt, auf einer Ent wässerungsmaschine (Naßpappenmaschine.) durch Abquetschen unter Walzen bis auf etwa 40 v. H. entwässert und die dadurch hervortretende pappenähnliche Masse sodann durch eine Bürsten vorrichtung Wieder zerkleinert. Die so gewonnene gleichmäßige und feinkörnige etwa 40 v. H. Wasser enthaltende staubähnliche Masse ist ohne weiteres in den bekannten Braunkohlen-Brikett- maschinen zu Briketts von tadelloser Haltbarkeit zu verarbeiten, indem sie wie die gemahlene und noch etwa 50 v. H Wasser ent haltende Braunkohle in Röhrentrockner auf 15—20v. H. weiter entwässert und dann gepreßt wird. Die Erzeugung ist im Gegensatz zu allen anderen Moorver- arbeitungsbesrieben vom Wetter Vollständig unabhängig. Weil nasses Moor verarbeitet wird, kann auch im Winter und nachts gearbeitet werden. Die Kosten der Anlage mit allen Einrichtungen, für die Zeich nungen und Berechnungen vorliegen, würden sich unter Berück sichtigung der heutigen Verhältnisse auf etwa 3 Millionen Mark stellen. Diese Anlage würde in 24 Stunden 1000 cbm Moor mit einem Trockengehalt von 15 v. H. verarbeiten und daraus herstellen: 1. Spinnfasern 3 v. H. = 4 500 kg 2. Papierstoff 20 „ ., = 30 000 „ 3. Briketts 75 „ „ = 112 500 „ Fabrikations ¬ verlust Mzk |2 „ „ = 3 000 „ Zusammen 150 000 kg Danach Iwürde die Jahresherstellung bei 300 Arbeitstagen betragen: an Spinnfasern ,, Papierstoff ,, Briketts j Nach Abrechnung der Kosten für Moor, Versand zur Fabrik, der Arbeitslöhne und Gehälter, Feuerung ('wozu die selbst herzu- stellenden Torfbriketts verwendet werden), Reparaturen und A. »Schreibungen von zusammen rund 2% Millionen Mark, würden sich die Verkanfspreise für 1 kg stellen: für Spinnfasern auf 4 M., Papierstoff 20 Ff. und Briketts 6 Pf., daraus würde sich ein Jahres umsatz von 9 200 000 M. ergeben, dem ein Gewinn von rund 6 12 Millionen Mark gegenübersteht. Zu bemerken wäre noch, daß absichtlich niedrige Verkaufs preise in Ansatz gebracht sind, damit auch bei einem sehr erheb lichen Umsturz der augenblicklichen Verhältnisse die Wirtschaft lichkeit des Betriebes nicht in Frage gestellt werden kann. Bei den heutigen Preisen wäre sicher ohne weiteres ein Vielfaches der angesetzten Verkaufspreise zu erzielen. Inzwischen ist festgestellt worden, daß sich die gewonnene Spinnfaser auch vorzüglich als Isoliermasse eignet. Neben den Briketts können außerdem außerordentlich feste und widerstands fähige Wände hergestellt werden, die zum Hausbau Verwendung finden können, ein Umstand, der allein schon von größter Be deutung für unsere heutige wohnungsarme Zeit werden kann, namentlich da diese Wände nicht nur dauerhaft hergestellt werden können, Sundern gegenüber anderem Material auch erheblich billiger sein würden. Der Mangel an Rohstoffen auf fast allen Gebieten zwingt uns heute gebieterisch, aus den in Deutschland vorhandenen Boden schätzen heranszüholen, was herauszuholen ist, und daß dazu das geschilderte neue Verfahren in hohem Maße beitragen wird, glaube ich durch die vorstehende Schilderung gezeigt zu haben. Der Torf erweist sich hier als Retter in der Not, in dem er billige und gute Ersatzstoffe gerade für die Erzeugnisse schafft, die bei uns teuer und knapp sind. Es ist anzunehmen, daß sich im Laufe der Zeit durch weitere praktische Versuche noch andere Verwendungsmöglichkeiten für die Torffaser ergeben werden. Zn wünschen wäre, wenn sich tatkräftige Unternehmer fänden, die an eine Ausbeutung der Erfindung herantreten würden. 1 350 000 kg 9 000 000 „ 33 750 000