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konnte man einem schon erwachsenen, aber noch immer kindischen Menschen nicht sagen, daß er die Kinderschuhe noch nicht ausgezogen habe, denn sie ließen ihre Kinder bar fuß gehen, bis sie das Jünglings- oder Jungfrauenalter erreicht hatten, und erachteten sie erst dann für würdig, die Sandale, das Zeichen der Reife, zu tragen. » » Die Römer hatten eine Menge verschiedenen Schuhwerks oder »Geschuhe (calceamenta); der calceus bedeckte den ganzen Fuß bis an die Ktiöchel, war von Leder und wurde oben mit Leder zusammengebunden, aber nur mit der Togq zu tragen. Die Schuhe der. Plebejer waren schwarz und mit einem Riemen scomglsj zusammenge buiiden; die der Patrizier und Senatoren mit vier Riemen, welche bis an das Schien bein ineinander geflochten waren. Koiifiiln,"Prätoren und ·Curuli·fche Aedilen trugen bei feierlichen Gelegenheiten purpurfarbene Schuhe scalcet mullei). Bloßer Beklei dung der Fußsohlen (Soleae) bedienten sieg die Frauen und Männer im Haufe. Schuhe von rauhem Leder, welche die Form des «alceus hatten, trugen andre Völker Italiens, wie Latiner, Marsen, vielleicht noch die Vestiner, später nur noch die Sklaven und Bauern, und auch diese beschränkten sich auf den Gebrauch der Holzschuhe (sculponede). Eigentliche Sandalen wurdeti von den Frauen getragen, welche sogar später besondere Sklavinnen hatten, die ihnen die Schuhe nachtrugen (Sandaligeruslae), und die Riemen mit kostbaren Perlen besehen ließen. Soldaten trugen eine eherne Fuß- und Schenkel hetleidung socrea), Komödianten und Tänzer den von den Griechen überkornmenen soccus, woraus unser Wort ~Socke« entstanden ist. Später verbot Kaiser Aurelianus den Mäuneru, farbige Schuhe zu tragen, und Kaiser Heliogabal verstattete nur den Weibern gewisser Stände Verzierungen von Gold, Perlen und Edelsteinen. Eine sehr lange Zeit-hindurch-sind die Schuhe wenigen Veränderungen unter worfen gewesen« erst im Mittelalterszeigen sich wieder eigentümliche Formen und Uni ,sornie·n. Im 9. und 10. Jahrhundert nach Christi, wo inzwischen die Sandale dem wirixichen Schuh mit Oberleder Platz gemacht hatte, sollen sie oft von kostbarsten Stvfien gefertigt worden sein. » - Die unsinnige Mode der Schnabelschuhe hielt sich trotz Gesetzgeber und Priester bis zum 15, Jahrhundert Ehe die sogen. »Entenschniibel« an die Reihe kamen, wurde es sogar Sitte, ziveifarbige Schuhe und ebensolche Hosenbeine zu tragen, und zwar fo, zdasz immer der linke Fuss mit dem rechten Bein und umgekehrt das linke Bein mit dein rechten-Fuß iibereinstiiirnitez , Da kam das 16. Jahrhundert und mit ihm das Ende der Schnabel, mit ihm der ztotale Gegensatz derselben: die Bärentatzen, Ochsenmäuler und Entenschnäbel. Die Spitzen waren abgeschafft, mit Stumps und Stiel ausgerottet, und statt ihrer endete die neue Fußbekleidung in einem breiten, beinahe unförmlichen Vorderteil, der wulst artig aufgerollt war. Diese Bärentatzen hielten sich aber nur bei den niederen Ständen. Bei Vornehmen und Modehelden wurden bald die zerhackten Schuhe eingeführt, welche mit der damaligen geschlitzten Tracht übereinstimmten. Es waren nämlich gepusste Wämser und Beinkleider aufgekommen, wo das Untersntter durch die Schlitze des Ober ·zeuges herausbanschte und wo die ungeheure Weite der Aermel und der Hosenbeine bald so großes Aergernis erregte, daß auf vielen Kanzeln gegen den ~Hose»nteufel« gepredigt wurde. « , « , Die letzte absonderliche Mode war die— der Stückchen- oder Steckelschuhe, wie sie in Deutschland, oder der Patins, wie sie in Frankreich genannt wurden. Dieses Schuh zeug hatte hohe, spitz zulausende Absätze von schwarzer oder bunter, meist roter Farbe und war äuszerst nnangenehm und eher zum Fallen als zum Laufen eingerichtet. " Man sieht, Schuh nnd Stiefel haben eine sehr interessante Vergangenheit. Das verflossene Jahrhundert hat die jedenfalls gewaltigfte Veränderung in der Schuhsabri tation gebracht. Heute gibt’s schwarz-, weiß-, rot-, braun-, grün-, blau- und gelb lederne Schuhe und Stiefel, ja versilberte und vergoldete und solche in allen möglichen Farben mit Ornamenten usw« bemalte. Als größte Schuhsabrikationsstadt gilt St. Louis im Zentrum der Union. Daneben kennen wir Fabrikanten von Ruf in Sachsen und der Pfalz, wir lesen von Wiener, Pariser und Frankfurter Stiefeln. Wir dürfen am Schlusse unsrer Betrachtung nicht die Schuhe der Chinesen ver gessen, insbesondere der Chinesinnen. Während die Männer dort im Reiche der Mitte, wo die Schuhe unter Tsin-Schi-Hoangti (246—210 v. Chr.s zuerst aufgekommen sein sollen, solche von einer detn normalen Fuße entsprechenden Größe mit aufwärts ge bogener Spitze aus verschiedenen Stoffen tragen, gelten bekanntlich nunatürlich kleine Füße als eine Hauptzierde der Frauen. Schon den nengeborenen Mädchen werden die sußzehen unter die Fußsohle, die Ferse tiefer in den Fuß gebogen und mit Bänderu geschnürt, die sie auch fortan statt derStrümpie tragen, um das Wachstum des Fußes zu verhindern; darüber wird ein gestickter Schuh gezogen, aus dessen Absätzen sie schwankend einherhinken. Wie oft mais-B wohl diesen armen Geschöpfen »unter den ’ Fußsohlen brennen-'s