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Inserat« werden bis Vormittag 11 Ubr angenom- ß men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile ä 1 000 oder deren Raum 1b Pf. ü 39. Jahrgang. Mittwoch, den 1. Dezember Nachbestellungen «ns de« Monat Dezember werde« zum Preise vo« 75 Pf. vo« alle« kaiserliche« Postaustalte» sowie vo« de« be kannte« Ausgabestellen und der unterzeichnete« Expedition angenommen. Expedition des Freiberger Anzeiger. Unverbesserliche Verschwörer. Unmittelbar nach der Abreise des russischen Generals von Kaulbars aus Sofia ist in dem dortigen Kadetten- Hause, der sogenannten Junkerschule, ei« zweites Komplot entdeckt worden, dessen Urheberschaft fast allgemein dem in der Wahl seiner Mittel zum Sturz der bulgarischen Re gentschaft wenig wählerischen Vertreter des Zaren zuge schrieben wird. Dip- von der Regentschaft ungeordnete Untersuchung bewies, daß die Straflosigkeit, welche den Theilnehmern an der Verschwörung vom 21. August aus Mcksicht auf den Willen des Zaren gewährt werden mußte, die Schuldigen zu einem zweiten solchen verbreche rischen Versuche ermuthigte. Hätte man damals den Leiter der Junkerjchule, Major Gruew, und seinen Genossen, den Hauptmann Benderew, welche das Leben des Fürsten Alexander bedrohten, nach Kriegsrecht erschossen, so wäre der Keim des Unheils nicht nochmals an derselben Stätte ausgegongen. Die beiden genannten Verschwörer haben zwar gleichzeitig mit Kaulbars Bulgarien verlassen, sind aber in Odessa, wohin sie sich verfügten, so glänzend aus genommen worden, daß ihr Loos für ihre zurückgebliebenen Gesinnungsgenossen nichts Abschreckendes haben konnte. Um so eher waren diese Freunde Gruews bereit, den Versuch zu machen, durch einen neuen Gewaltstreich in Sofia einen Systemwechsel herbrizuführen, wie ihn General von Kaulbars und dessen hoher Auftraggeber in St. Petersburg wieder holt als wünschenswerth bezeichnet hatten. Zwei Lehrer der Junkerschule, Tapawltscharow und Wetzel, stifteten die neue Verschwörung an, in welche etwa zwölf Junker ver wickelt waren. Wetzel war früher russischer Osfizier und ist noch jetzt russischer Unterthan, so daß seine Bestrafung ziemlich schwierig sein wird. Die Junker gehörten jener Schulabtheilung an, deren Zöglinge nach dem am 21. August auf den Fürsten Alexander verübten Anschlag als gemeine Soldaten in die bulgarische Armee eingestellt, aber nach der von Kaulbars im Auftrag des Zaren erzwungenen Freilassung Gruews und Benderews begnadigt wurden. Die Absicht der Verschworenen ging dahin, am vorigen Donnerstag früh 5 Uhr die drei bulgarischen Regenten, den Kriegsminister Nikolajew und den Stadtkommandanten, Major Popow, im Schlafe zu überfallen und sofort zu ermorden. Die Verschwörer hofften bei der Ausführung dieses schändlichen Planes die übrigen Zöglinge der Junker- schule mit fortreißen zu können, wobei sie auf den Gehor sam derselben gegen die ihnen vorgesetzten beiden meuterischen Offiziere rechneten. Glücklicherweise fanden sich unter den ins Vertrauen gezogenen Junkern drei, welche der Frevel- that widerstrebten, sich heimlich in der Nacht aus der An stalt fortschlichen und den Kriegsminister Nikolajew auf- süchten, dem sie Alles rückhaltslos mittheilten. Noch in derselben Nacht ließen Nikolajew und Popow das Kadetten haus von einer zuverlässigen Truppenabtheilung umzingeln, die Junker entwaffnen und deren Verführer, die beiden Of fiziere, Tapawitscharow und Wetzel, in Ketten legen. Als man diese beiden Verräther festnahm, fand man in ihrer Gesellschaft den nach dem Attentat vom 21. August aus der bulgarischen Armee ausgestoßenen Hauptmann Gerginow, der nach seiner jüngsten Rückkehr aus Rußland sich in Tirnowa öffentlich rühmte, inzwischen vom Zaren zweimal persönlich empfangen worden zu sein. Gerginow, der Zivil trug, mußte nun gemeinsam mit einem ebenfalls ver dächtigen Hauptmann Mattrow ins Gesängniß zu Sofia wandern. Ein Kriegsgericht trat sofort zusammen und sehen die Schuldigen einer Verurtheilung entgegen, der diesmal Rußland kaum wird die Spitze abbrechen können. Die bulgarische Regierung erklärte bereits, daß sie die Schuldigen streng nach dem Wortlaut des Gesetzes bestrafen lassen werde. In der Bevölkerung von Sofia ist die Em pörung über den verruchten Plan allgemein sehr groß, namentlich verlangen alle regierungstreuen bulgarischen reiöeMMMer und TagMM. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand Berautwortiicher Redakteur: Iuliu-Braun iu Freiberg. seien. Der Kriegsminister werde wohl Gelegenheit nehmen, dem Reichstage in letzterer Beziehung Aufschlüsse zu geben, die erstaunlich sein würden. Man verlange schwere Opfer, aber der Kaiser hoffe, daß der Reichstag sie bringen werde, wie andere Parlamente eS auch thäten. — Der »Reichs« anzeiger' veröffentlicht die Ernennung drS OberlandeSgerichtS« Präsidenten v. Holleben zum Kanzler im Königreich Preußen mit dem Prädikate Exzellenz. — Für das heutige Leichen« begängniß deS StadtkämmererS Runge in Berlin find folgend« Bestimmungen getroffen: 1) die Trauerfeier wird vom Fest« saale deS RathhauscS auS stattfinden; 2) vor dem im Fest« saale befindlichen Kongreßbild wird der Sarg aufgestellt. DaS Bild wird verhängt und schwarz drapirt, davor wird ein Podium für den Geistlichen ausgestellt, von zu beiden Seiten je drei Kandelaber; 3) die Leiche wird durch 12 Magistrat-« diener bi- zur Treppe, von den Leichenträgern die Trepp« hinab und dann von den MagistratSdieneru aufgehoben und bi- zum Leichenwagen getragen; 4) den Leichenwagen begleite« je 10 Marschälle deS Magistrats- und der Stadtverordneten versammlung; 5) dem Leichenwagen vorauf schreiten die Bannerträger, ein Beamter, auf einem Kissen die goldene AmtSkette tragend, Marschälle, Musikchöre, dann folgt der Leichenwagen, welchem die Ehrenbürger, die Stadtält«sten, d«S Magistratskollegium, die Mitglieder der Stadtverordneten versammlung, ein Mufikchor, Bürgerdeputirte, BrzirkSvorsteher u. s. w. folgen. DaS Programm im Feftsaale de- Rathhause- lautet: Chorgesang, au-geführt vom Vuigtichen Domchor, Rede deS Generalsuperintendentrn Probst vr. Brückner, Chorgesang, Ansprache deS Oberbürgermeister- vr. vo» Forckenbrck und des StadtverordnetenvorsteherS vr. Stryck. — — Die Enquete-Kommission zur Berathung einer Revision des Patentgesetzes beschloß unter Verwerfung der Anträge deS Jngenieurvereins und deS Vereins zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie, den Z 5 deS Patentgesetze» unverändert zu lassen. Die Verhandlung über die Frage, ob die Vorprüfung von Amtswegen in vollem Umfange aufrecht zu erhalten sei, eine Frage, die von der großen Mehrheit der Sachverständigen bejaht wurde, gab Veranlassung, den in in« dustriellen Kreisen vielfach hervorgetretenen Wunsch nach einem Schutz der Gebrauchs- oder NützlichkeitSmuster zu besprechen. Die überwiegende Ansicht ging dahin, daß diese Materie nicht im Patent-, sondern im Musterschutzgesetz zu regeln sei. Weiter kam die Kommission zu folgenden Resultaten: Auf Antrag deS Patentsuchers soll da» Patentamt befugt sein, die öffent liche Bekanntmachung hinauszuschieben. Die bestehenden Ge bührensätze sollen beibehalten werden, doch soll auch die Er hebung der Nichtigkeits- und Zurücknahmeklage an die Ent richtung einer Gebühr geknüpft werden. Die Frist für Er löschen des Patents wegen Nichtzahlung der Gebühren soll verkürzt werden, unter gleichzeitiger Zulassung einer Nachfrist, bei Zahlung einer Strafe auf erfolgte Benachrichtigung. Die Vorausbezahlung der Gebühren für mehrere Jahre soll zuge lassen werden, doch soll bei Verzicht auf das Patentrecht die bezahlte Summe pro rata zurückgezahlt werden, damit die die Industrie behindernden Patente nicht länger als nöthig aufrecht erhalten werden. Die Unterstrasstellung der aus Fahrlässigkeit begangenen Patentverletzungen wurde abzelehnt. Dagegen soll grobe Fahrlässigkeit bei der zivilrechtlichen Be handlung in Rechnung gezogen werden. — Die Generalver sammlung der Aachen-Jülicher Eisenbahngesellschaft, in welcher 1716 Stammaktien mit 1266 600 M. und 2221 Stamm prioritätsaktien mit 1332 600 M. waren, beschäftigte sich gestern mit dem Verstaatlichungsantrag. Der Aufsichtsrath überließ die Entscheidung hierüber der Versammlung. Deich mann-Köln beantragte ein Amendement, dahingehend, die Stammaktien möchten auf Baarzahlung verzichten und diese mit 44 M. per Aktie den Stammprioritätsaktien überlassen. An der vorläufigen Abstimmung lehnten zwei Berliner Ak tionäre, welche mehr als ein Viertel des Stammaktienkapitals repräsentirten, die Verstaatlichung ab. Die Versammlung be schloß mit 3177 gegen 706 Stimmen die Vertagung und die Einberufung einer neuen Versammlung auf Anfang Februar mit der Tagesordnung: Verstaatlichungsofferte und Amende ment Deichmann. Ein Vertreter der Regierung war nicht anwesend. — Nach einer Schätzung der N. A. Z. werden Osfizierstellen neu beschaffen etwa für 6Generale, 6b Stabs offiziere, 172 Hauptleute und 468 Lieutenants. Auf die ein zelnen Waffen vertheilen sich die Zahlen ungefähr folgender maßen : Infanterie: 5 Obersten, 35 Majors, 120 Hauptleute, 360 Lieutenants; Jäger: 1 Major, 4 Hauptleute, 12 Lieu tenants; Artillerie: 21 Majors, 24 Hauptleute, 48 Lieu tenants; Eisenbahn: 3 Majors, 9 Hauptleute, 18 Lieutenants; Pioniere : 1 Hauptmann, 2 Lieutenants; Train: 14 Ritt- Offiziere die sofortige Erschießung der unverbesserlichen Verschwörer. Fast sämmtliche Vertreter der Mächte in Sofia, denen die bulgarische Regierung die Ergebnisse der Untersuchung mittheilte, sprachen sich bereits für Vie strengste Bestrafung der Theilnehmer an dem letzten Komplot aus, bei dem General Kaulbars so sehr kompromittirt sein soll, daß es Rußland selbst erwünscht sein dürfte, wenn dessen ungeschickte Werkzeuge zum Schweigen gebracht werden. Ueberhaupt fühlt die bulgarische Regierung seit der Abreise des Vertreters des Zaren ihre Stellung wunderbar befestigt. Die Regentschaft tritt mit großer Zuversicht auf und verlangt, daß bei der Lösung der KnsiS, von der Bulgarien heimgesucht wird, auch die Stimme des bul garischen Volkes von Europa gehört werde. Gadban Pascha, der als Vertreter deS Sultans in Sofia völlig im Sinne des Zaren zu wirken suchte, telegraphirte nach Konstantinopel, er habe bereits die Ueberzeugung gewonnen, >aß die Wahl des Prinzen von Mingrelien zum Fürsten von Bulgarien undurchführbar sei. Am Sonnabend ging eine aus den bulgarischen Abgeordneten Strilow, Grekow und Kaltschow bestchende Deputation zunächst nach Wien ab, um dort zu erklären, daß der von der ganzen Sobranje abfällig beurtheilte Prinz Nikolaus Dadian von Min grelien keinesfalls als Kandidat für den bulgarischen Thron mgenommen werden könne. Die gleiche Erklärung soll die Deputatton allen europäischen Kabinetten machen und angeblich den letzteren die Kandidatur des Prinzen BoporideS, eines entschiedenen russenfteundlichen in Rumänien begüterten Neffen Aleko Paschas, in Vorschlag bringen. Auch die Kandidatur des Herzogs von Oldenburg würde bei den Bulgaren kaum auf Widerspruch stoßen und ebenso den meisten Mächten genehm sein, von denen bisher nur Ruß land und die Pforte sich für den Prinzen von Mingrelien erwärmten. Die Innigkeit des Einverständnisses zwischen Rußland und der Pforte bekundete sich am deutlichsten bei der anS- zeichnenden Behandlung des Generals Kaulbars, dessen An reizungen zur Verschwörung in Bulgarien selbst von den Organen der deutschen Regierung neuerdings rückhaltlos verurtheilt wurden. Wenn der deutsche Generalkonsul in Sofia der bulgarischen Regierung anzeigen konnte, daß er den Auftrag erhalten habe, die Vertretung der russischen Schutzbefohlenen in Bulgarien zu übernehmen, trotzdem diese Vertretung nach einer vorherigen Aeußerung des französischen Konseilpräsidenten Freycinet Frankreich über tragen sein sollte, erklärt sich dies dadurch, daß Kaulbars das Letztere dringend empfohlen hatte, in Petersburg aber die Befürchtung, Deutschland zu verletzen, noch in letzter Stunde siegte. Ganz anders wie in Deutschland und Oesterreich-Ungarn ist die Thätigkeit dieses russischen Agenten in der Türkei beurtheilt worden. Dort waren schon in Adrianopel Hadja Izzet Pascha und dessen Generalstab an gewiesen, Kaulbars mit hohen militärischen Ehren zu be grüßen. In Konstantinopel geleitete ihn der russische Bot schafter Nelidow zu dem Großvezier und dem türkischen Minister des Auswärtigen und erwirkte ihm eine Audienz bei dem Sultan selbst. General Kaulbars verweilte fast eine Stunde bei dem Sultan, der ihm den'Großkordon des Medschidje-Ordens verlieh und damit vor aller Welt seine gewiß seltsame Billigung der Vorgänge in Bulgarien be kundete. Unmittelbar nach dieser Audienz reiste Kaulbars nach Odessa ab, von wo er sich zu dem Zaren begiebt, um diesem über seine von fast ganz Europa so ungünstig be urtheilte Thätigkeit in Bulgarien mündlichen Bericht zu erstatten. Die beste Antwort auf das Kaulbars dafür ge spendete Lob wäre, wenn seine Freunde in Sofia für ihre unverbesserliche Verschwörungssucht die verdiente kriegs rechtliche Strafe erhielten. Tagesschau» Freiberg, den 30. November. Der deutsche Kaiser empfing gestern Mittag die Präsidenten des Reichstags, nämlich die Herren v. Wedell- Piesdorf, Frhr. v. Franckenstcin und Hoffmann. Der Kaiser sprach während der ganzen Dauer der Audienz — etwa zehn Minuten — fast ununterbrochen. Er erwähnte die auswär tigen Beziehungen Deutschlands und gab der Zuversicht in die Erhaltung des Friedens Ausdruck. Mit größerer Ausführlichkeit ging der Kaiser auf die Militär vorlage ein, deren Zustandekommen ihm sehr am Herzen liege und eine Nothwendigkeit sei angesichts der Heeresverstärkungen, die in Rußland, namentlich aber in Frankreich vorgcnommen 1/» Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. '/,6 Uhr für den - MO F iS. andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Pf., cd d - zweimonatlich 1 M. 50 Ps. und einmonatlich 7b Pf.