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F 26S. ^UfZMWMU Dounerstag, d«18. November, j BeUrM^^ md Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen and städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher RÄÄteur: Isliu- Brau« in Freiberg. Inserate werden bis Vormittag 11 Ubr angenom- mm und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile H oder deren Raum 1b Pf. Die nächste Reichstagssesfion. Mit einem fast bänglichen Gefühl sieht man diesmal der Reichstaassession entgegen, welche am 25. d. M. eröffnet md bei der Nähe des Weihnachtsfestes nur wenige Wochen währen wird. Da die Fragen der Feststellung der Friedens stärke des deutschen Heeres auf abermals sieben Jahre hinaus, der Vermehrung des Heeres und der Seewehr erst «ach den Weihnachtsferien an den Reichstag herantreten md mit dem Etat für 1887/88 kaum etwas zu thun haben werden, erklärt sich die jetzige erwartungsvolle Stimmung nur durch die Verdüsterung der auswärtigen Politik und durch den trotz der beharrlichen Opposition des Zentrums noch unter den regierungsfreundlichen Parteien fortdauernden bedauerlichen Zwiespalt. In Bezug auf die Lage der Dinge im Orient braucht man sich zunächst keinen ernsten Befürchtungen hinzugeben, weil alle Aussicht vorhanden ist, daß Rußland auf eine Okkupation Bulgariens verzichten md sich damit zufrieden geben wird, daß die Bulgaren den Punzen von Mingrelien zu ihrem Fürsten wählen, der nichts weiter sein will und sein kann als ein Statthalter des Zaren. Auf diese Weise werden die Verhältnisse auf der Balkanhalbinsel freilich eher verschlechtert als verbessert; die europäische Staatskunst hat aber jetzt die Hoffnung auf eine solche Verbesserung vollständig aufgegeben und trachtet nur darnach, die ohne Weltkrieg unmögliche, mit der Zeit aber unvermeidliche Liquidation der abendländischen Türkei we nigstens noch einige Jahre binauszuschieben. Wenn dies gelingt, so dankt das Europa der Friedenspolitik des greisen deutschen Kaisers, der am Abend eines thatenreichen Lebens nicht eine Kriegsfackel anzünden will, die nicht so rasch er löschen würde, der außerdem das Band der Freundschaft nicht zerrissen sehen möchte, das ihn so lange Jahre hin durch mit der Zarenfamilie verknüpfte. So wenig aber der Kaiser geneigt ist, auf seine bewährte Friedenspolitik .zu verzichten, so wenig erachtet er das mit dieser Politik scheinbar in Widerspruch stehende Septennat und de Er höhung des Militäretats für erläßlicb. Aus diesem Grunde könnte eine erfolgreiche Gegnerschaft des Zentrums und der Deutschfreisinnigen gegen diese letzteren Punkte keine andere Folge haben, als die Auflösung des Reichstages. Um nicht zu dieser ihm peinlichen Maßregel gezwungen zu sein, verzichtete seiner Zeit Fürst Bismarck auf die von ihm so eifrig verfochtenen Monopole auf Tabak und Branntwein, als die Mehrheit der deutschen Volksvertretung sich gegen die betreffenden Vorlagen erklärte. Bei der Erhöhung des Militäretats und der Präsenzziffer und bei dem Septennat handelt es sich aber nicht um irgend ein Lieblings-Projekt des deutschen Reichskanzlers, sondern um den unumstößlichen Willen des Kaisers, der den Frieden selbst um hohen Preis erhalten, aber Deutschland sichern will gegen die unberechenbaren Gefahren, die dem Reiche in Folge der Rachegelüste vieler Franzosen und der Länder gier der ebenfalls deutschfeindlichen Slawen drohen. Vielleicht wird schon in der unmittelbar bevorstehenden Reichstagssession die erste Lesung des Etats darüber Auf klärung schaffen, ob die Opposition und besonders das durch seine Stimmenzahl den Ausschlag gebende Zentrum angesichts der unsicheren Lage im Orient den Widerspruch zu mäßigen gedenkt. Möglicherweise unterbleiben aber auch bei der Budgetberathung diesmal allgemeine politische Debatten und beschäftigt sich der deutsche Reichstag außer mit dem Etat höchstens noch mit verschiedenen sachlich wichtigen Vorlagen, die leine eigentliche politische Bedeutung haben. Ziemlich schwierig werden sich die Verhandlungen über den Entwurf gestalten, der eine sehr geringe Er mäßigung der Gerichtskosten, aber gleichzeitig eine Ver minderung der Rechtsanwalts-Gebühren anstrebt, welcher den bettoffenen Kreisen als zu weitgehend erscheint, lieber diese Vorlage will der deutsche Bundesrath die Gerichte gutachtlich hören, über die Unfallversicherung für See leute u. s. w., gegen welche die Schiffsrheder große Bedenken laut werden ließen, die Meinung der zumeist betheiligten Handelskammern vemehmen. Erst auf Grund der bezüg lichen Berichte wollen die Ausschüsse des deutschen Bundes- rathes an die Berathung herantreten. Wahrscheinlich wird «in gleiches Verfahren für den neuesten Entwurf bezüglich der Versicherung der Bauarbeiter eintreten, und so ist nicht «izunehmen, daß diese Vorlagen schon gleich nach dem Zusammentritt des Reichstages demselben zugehen können. Die Motive zu dem Entwurf über die Versicherung der Bauarbeiter liegen dem Bundesrath noch gar nicht vor. Bei den Etatsberathungen im deutschen Reichstage werden voraussichtlich die großen Rechenkünstler der Oppo- ition ihr Licht leuchten lassen, aber selbst auf viele Mit flieder der regierungsfreundlichen Parteien wird die That- ache, daß die GesammtauSgaben des deutschen Reiches für >en Zeitraum 1887/88 um 53 554886 Mk. höher veran« chlagt sind, als für daS Vorjahr, recht verstimmend wirken. Nach Ausscheidung der durchlaufenden Positionen, der durch außerordentliche Einnahmen Deckung findenden Ausgaben und der zur Auszahlung an die Bundesstaaten gelangen den Erträge aus den Zöllen, der Tabaksteuer und der Stempelabgabe, durch welche die Höhe der Matrikularbei- träge so wenig, wie der Abschluß des Reichshaushaltsetats berührt wird, ergeben sich immer noch Mehrausgaben im Bettage von 32 977 959 Mk-, eine Summe, die sich m Folge des Ausfalls bei den Einnahmen auf 33176541 M. erhöht, welche durch Vermehrung der Mattikularbeittäge zu decken sind. Bon dem nach dem Entwürfe deS Reichs- »auShaltSetats durch Aufnahme einer Anleihe zu deckenden gedarf bildet der Theil, zu dessen Beschaffung im Wege )eS Kredits eine gesetzliche Ermächtigung noch nicht ertheilt st, auch in diesem Jahre wieder dm Gegenstand eines zur besonderen Vorlage kommenden Anleihegesetzes. ES sind >ieS weitrre Raten für das außerordentliche Be- rürfniß des Reichsheere», der Marine und der Reichseisenbahnen im Gesammtbettage von 38 704675 Mk-, sowie ein Betrag von 7 411810 Mk. zur vorläufigen Deckung der aus dem Reichsfestungsbaufonds entnommenen Vorschüsse. — Voraussichtlich wird am Schluß deS Etatsjahres 1887/88 die Gesammtschuld deS deutschen Reiches die Höhe von fast 600 Millionen Mark erreichen, waS ebenso wmig erfreulich ist wie die Erhöhung der Matrikularbeiträge, welche auf die Finanzverhältnisse der meisten deutschen Einzelstaaten sehr störend ein wirken wird. Angesichts dieser Verhältnisse dürfte aus der Mitte des deutschen Reichstages die Erzielung höherer Einnahmen aus der Branntweinbesteuerung auf's Neue angeregt wer den. Aussicht auf Erfolg hätte aber eine neue Brannt- weinsteuer-Borlage nur dann, wenn dieselbe ausschließlich auf eine Erhöhung der Reichseinnahmen angelegt wäre, ohne nebenher eine staatliche Unterstützung der Brannt weinbrenner anzustteben. Der Entschluß zu einer der artigen Behandlung der Branntweinsteuersrage würde in vielen Kreisen als Vorbedingung zu einer volksthümlichen Reichspolitik angesehen werden. Durch weitere Zugeständ nisse an das ulttamontane Zentrum dürste die Reichs regierung weniger erreichen, weil doch die Hauptforderung dieser Partei, den Einfluß der Orden auf Erziehung und Unterricht in Preußen wieder zuzulassen, voraussichtlich unerfüllbar ist. Einen unzulässigm Preis kann die Reichsregierung dem Zentrum für die Zustimmung zu dem Etat und den Mili tärvorlagen nicht zahlen; es ist dies aber auch gar nicht nöthig, weil daS Zentrum in der Militärvorlage kaum als geschlossene Partei vorgehen wird. Bekanntlich haben sich im Jahre 1880 nicht weniger als 39 Mitglieder des Zen trums der Abstimmung über das Septennat entzogen und auch jetzt möchte diese Partei nicht in Folge einer Ab stimmung über die Militärfrage eine Auflösung des Reichstages herbeiführen, da in solchem Fall bei Neuwahlm die oppositionellen Parteien in die ungünstigste Lage kämen. Die Finanzverhältmsse des Reiches mögen eine unbedingte Zustimmung zu dm Regierungsvorlagen vielen Volksver tretern erschweren; die Zeitverhaltnisse sind aber zwingender Natur und erheischen Opfer zur Sicherung des Reiches gegen offene und versteckte Angriffe übelwollender Nachbarn im Osten und Westen. Tagesschatt. Freiberg, dm 17. November. Wie die .Voss. Ztg.- erfahrm haben will, soll der deutsche Reichskanzler, welcher vor seiner Abreise nach Friedrichsruhe vom Kaiser in langer Audienz empfangen wurde, zu einem befreundeten Staatsmann sich dahin ausgesprochen haben, daß er an der Erhaltung des Friedens nicht zweifle. — Der deutsche Kronprinz besuchte Montag Vormittag mit dem Prinzen Ludwig von Baiern die Ruhmeshalle im Berliner Zeughause. Um 5 Uhr fand bei dem Kronprinzen rin Diner von einigen 40 Gedecken statt. Bestem Vormittag 8'/« Uhr hat sich der Kronprinz zur Beiwohnung der Vermählungs- feierlichkciten nach Schwerin begeben, wo derselbe Mittags 12'/» Uhr eintras und aus dem Bahnhose vom Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, der großherzoglichen Familie und den Prinzen Heinrich und Albrecht von Preußen empfang« worden ist. — Di« jüngstm Töchter des deutsch« Kronprinz« sind gestern früh von der Reise nach Italien wieder in Beäm eingettoffen, währmd die deutsche Kronprinzessin erst am 18. November dort zurückerwartet wird. — Der neuernanntr französische Botschafter am russisch« Hofe, Laboulaye, ist gestern früh auf der Reise nach Petersburg aus Pari» in Berlin «ingettoffm. — Die Einweihung der zweit« Hafen einfahrt und de» neu« Handelshafen» in Wilhelmshaven ging trotz deS strömend« Regens am Sonntag glücklich von Statt«. Die ganze Stadt, sowie sämmtliche in Dienst befindlich« Schiffe halt« reich« Flaggenschmuck angelegt, ebenso waren die Quais der neuen Hafmanlagm reich durch Flagg« und Tannengrün geschmückt. Sämmtliche Schiff« und Marinetheile der Rordseestation stellt« Abordnung« von Mannschaft« und Offizier«, welch« in lang« Reih« auf der Nordseite d«S neu« Hafens Ausstellung nahmen. Um 13 Uhr 20 Mm. erschien der Chef der Admiralität auf dem Festplatzr, zu welchem die Nordseite der neu« Seeschlms« gewählt war. Hierauf hielt der Marin e-Hafmbau-Dttektor Rechtem eine längere Rede, in welcher er ein Bild der historisch« End wickelung der KriegShasrnbauten gab und mit d« Wort« schloß: .So möge denn der Marine und Wilhelmshaven au» d« nm« Hafmanlagm der erwünschte Bortheil erwachs«, im Kriege zum Schutz, im Fried« zum Nutz'!- Der Ch«s der Admiralität, Herr von Caprivi, brachte alsdann ein Hoch auf dm Kaiser a«S, welche» ein tausendfach«» Echo fand, und überreichte im Auftrage deS Kaisers dem Hafmbaudirektor Rechtem den Roth« Adlerorden 3. Klaffe, dem RegierungS- baumeister Bieske den Kronmordm 4. Klaffe und ernannte den Marine-Oberingmieur C. Müller, z. Z. iu Danzig, zum Hafmbaudirektor. Auf ein Flaggensignal lichtete alsdann da» Panzerschiff „Friedrich Karl- Anker und dampfte von der Rhede aus in die neue Einfahrt ein, passirte die Schleuse» und legte am Ostquai deS neum Hafenbeckens fest. Am Nach mittage 2'/, Uhr gab der Chef der Admiralität im StationS- chefgebäude ein Diner von 50 Gedecken. Gleichzeitig fand auf Berwaltungskosten eine Speisung und Bcwirthung sämmtlicher zum Hafenbaureffort gehörigen Arbeiter statt. Die neum An lagen werden nicht wenig dazu beitragen, dm aufblühendm Ort Wilhelmshaven, der seine ganze Existenz der Marine verdankt, zu heben. Von dem Budgetausschuß der österreichische« Dele gation ist daS Ordinarium deS Heeresbudgets angmommm worden. Im Verlaufe der Berathung erklärte der KriegS- minister, aus der alljährlich stattfindenden Durchführung der Mobilifirung auf dem Papier ergebe sich, daß die Mobilisirung nach dem bestehenden Territorialgesetze in der Hälfte der Zeit erfolgen könne, die dieselbe früher in Anspruch nahm. Bei der Kavallerie habe er eine Probe-Mobilisirung vor nehmen lasten; die bei derselben wahrgenommenen Mängel hätten sofortige Berücksichtigung gesunden. — Am Sonntag Abmd fand bei dem noch immer leidenden ungarischen Mi nisterpräsidenten Tisza eine Versammlung der liberalen Partei des ungarischen Parlaments statt, in der es zu lebhaften Auseinandersetzungen kam. Dabei erklärte Tisza, daß er jede Erschütterung der Stellung deS Grasen Kalnoky als einen gegm seine eigene Person gerichteten Angriff betrachten müsse, da er KalnokyS Politik in amtlicher Stellung mitgemacht und in allen Stücken gebilligt habe. Er müßte aus einer gegeu- theiligm Auffassung der ungarischen Delegation die selbstver ständliche» Konsequenz« ziehen. — Diese Erklärung TiSza» machte ein« sehr tief« Eindruck und beeilte sich Graf An- draffy zu erklären, daß es nicht seine Absicht sei, persönliche oder sachliche Opposition zu treiben. Er wolle lediglich seine» in manchen Punkten abweichenden Standpunkt llarlegen; übri gens huldige er nicht der Auffassung, daß eine tadelnde Kritik der auswärtigen Politik zugleich die beiden Ministerpräsidenten treffe, da dieselben verfassungsmäßig nur auf die Feststellung der allgemeinen Richtung der auswärtigen Politik Einfluß nehmen können. — Ein Beschluß wurde in dieser Konferenz nicht gefaßt, doch ist nach dem Verlauf dieser Konferenz gewiß, daß die ungarische Delegation das Expose des Grafen Kal- noch und die darin entwickelte Politik, wenn auch vielleicht unter mancherlei Vorbehalten, billigen wird. Graf Andraffy wurde vom Kaiser in zweistündiger besonderer Audienz empfangen und nahm dort Gelegenheit, seine Ansichten über die auswärtige Lage klarzulegen. In den politischen Kreise« der Stadt Pest verlautet, daß man auch an maßgebender Stelle jeder Politik der Abenteuer abhold sei. — In der gestrigen Sitzung deS ungarischen Delegations-Aus schusses für die auswärtig« Angelegenheiten äußerte Graf