Volltext Seite (XML)
Amtsblatt für die königliche« städttschen Behördeu zu Freiberg BerautworUicher Redaktem: Iuliu- Brau» m Freiberg. -- Illll IllM . ) Gestern wegen Mangel an Raum zurückgestcllt. Die Redaktion. Z 232.j,^LZWZ»zMW j Mittwoch, de« s Oktober Inserate »erden bis Bormittag 11 Uhr angenom- FMFMF» men und beträgt der Preis für die gespaltene Zelle I FKFKGu oder derm Raum 1b Pf. WV Tagesschau. Freiberg, dm 5. Oktober. Der deutsche Kaiser hat in Baden-Baden a» Sonnabend Abend mit dem Großherzog und der Großherzogin von Baden, dem Großherzog von Sachsen-Weimar, dem Groß fürsten und der Großfürstin Michael von Rußland dem vo« KurauSschusse veranstalteten Konzerte beigewohnt, in welchem u. A. auch die berühmte Sängerin Marcella Sembrich auf trat. Diese Künstlerin, mit Beifall und Blumen überschüttet, wurde durch Ansprachen des Kaisers und aller anwesenden Fürstlichkeiten ausgezeichnet. Der mitwirkende Dresdner Hof opernsänger GudehuS und die jugendliche Violinspieler« Charpentier ernteten ebenfalls reichen Beifall. Am Sonntag machte der Kaiser keine Ausfahrt, nahm da- Diner allein ei», auch fanden keine Empfänge statt. Dem Abends von dem KurauSschusse veranstalteten großen Feuerwerke schauten der Kaiser und dir Kaiserin vom Meßmer'schen Hause auS zu. Die übrigen in Baden-Baden anwesenden Fürstlichkeiten warm Abends im Konversationshause. — In Berlin starb gestern der frühere UnterstaatSsekretär Geheimrath von Schuhmann, der zuletzt als Vorsitzender deS Aufsichtsrathrs der DiSkonto- Gesellschast amtirte. Die Leichenfeier für dm Generalinten danten der preußischen Hoftheater, Botho v. Hülsm, fand gestern aus dem Jnvalidmkirchhofe in Berlin unter großer Feierlichkeit und unter Theilnahme deS gesammtm Thrater- personalS, der Berliner Bühnendirektoren, vieler auswärtiger Bühnenleiter, dramatischer Schrifstellrr, Musiker und zahl reicher vornehmer Personen aller Stände statt. Prinz Wilhelm von Preußm zeichnete die Trauerfeierlichkeit durch seine Theilnahme in der Kirche und durch sein Folgen zum Grabe auS. — Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht eine Be kanntmachung des preußischen Kultusministers vom 2. Oktober, wonach die theologische Lehranstalt des Klerikalseminars zu Fulda zur wissenschaftlichen Vorbildung von Geistlichen geeignet ist. Der Finanzminister v. Scholz soll mit der vorläufigen Leitung der Geschäfte des Reichsschatzamts beauftragt sein. — Dem großen landwirthschaftlichen Hauptfeste BaiernS, dem sogenannten „Oktoberfeste", wohnte am Sonntag auf der Therefienwiese bei München der Prinz-RegentLuit« pold mit den übrigen Mitgliedern des bairischen königliche« HauseS, sämmtlichen Ministern, den Mitgliedern deS diplo matischen Korps und dm Hosbeamten bei. Mehr als hundert tausend Personen aus allen Provinzen waren auf der Fest wiese anwesend und begrüßten den Prinz-Regenten mit wahrer Begeisterung. — An demselben Tage hat in Schwerin die feierliche Eröffnung des auf der Stelle des am 16. April 1882 abgebrannten Theaters neuerbauten Hoftheaters im Beisein deS großherzoglichen Hofes von Mecklenburg-Schwerin und einer großm gewählten Festversammlung stattgefunden. Das Haus, von dem Oberbaurath Daniel im Renaissance-Stil aufgeftihrt» machte nach Außen einm stattlichen und im Innern einen ebenso vornehmen wie behaglichen Eindruck. Das Festspiel von Gustav zu Putlitz: „Die Weihe des Hauses", mit der begleitenden Musik von dem Kapellmeister Alois Schmitt, er öffnete in stimmungsvollen, der Gelegenheit trefflich angepaßtm Versen, und im reichen Schmuck der Dekorationen, die Vor stellung. Ihm folgte eine gut abgerundete, durch die Leistungen der Kapelle besonders ausgezeichnete Aufführung der Gluck'schen Oper Jphigenia in Aulis. — Wie aus Erfurt gemeldet wird, beschlossen mehrere mitteldeutsche Handels- korporationen an zuständiger Stelle eine Herabsetzung der Tclegramm-Worttaxe im internen Verkehre des deutschen Reiches von 6 aus 5 Pf. und des Minimalsatzes von 60 auf 50 Pf. zu petitioniren. Bei der friedlichen Stimmung, welche neuerdings unter den Mitgliedern der Rechten des österreichischen Abgeordneten hauses Platz gegriffen hat, ist nicht daran zu zweifeln, daß das letztere den Ausgleich nach den Vorschlägen der Regierung annehmcn wird. Die Versöhnung der Parteien, die während der Ferien so manches harte Wort gegen einander schleuderten, ging bereits im Exekutiv-Ausschuffe ganz ohne Schwierigkeiten vor sich. In erster Reihe sind es die Czechen, die sich be eilen, sich reuig dem Ministerium zur Verfügung zu stellen, um bei dem Wettbewerb um die Freundschaft der Regierung nicht etwa zurückzustehen. Selbst die geplante geharnischte Interpellation der mährischen Czechen ist rasch wieder von der Bildfläche verschwunden, und das Gewitter, das sich über den Unterrichtsminister entladen sollte, hat sich ebenfalls wieder zerstreut. Diese Friedensstimmung der Czechen herrscht aber nur in den Abgeordnetenkreisen, denn bei dem am Sonntag statt gefundenen czechischen Tabor auf dem Weihen Berge nächst Brünn wurden von drei Rednern in agitatorischer Weise die Dienstboten- «nd Wohnungs- ' wechsel *) Ostern und Michaeli sind diejenigen Zeitpunkte, an welchen zahlreiche Menschen sich in unbehaglichster Stimmung befinden, well am 1. April und am 1. Oktober jeden Jahres sich ein Dienstboten- und Wohnungswechsel vollzieht, der je nach der Größe der Stadt und nach den Zeitverhältnisse« lleinere oder größere Dimensionen annimmt. Daß die Zahl der treuen, zuverlässigen und leistungsfähigen Dienstboten keine allzugroße ist und sich in demselben Verhältniß ver ringert, wie die Arbeitsgelegenheit in den Fabriken sich ver mehrt, ist eine genugsam erörterte Thatsache. Jede Haus frau sieht heutzutage selbst ein nur mäßig gutes Dienstmädchen ungern ziehen, well sie Monate gebraucht, um deren Nach folgerin mit den Eigenthümlichketten ihres Haushalts ver traut zu machen. Bis diese mitunter sehr mühsame und undankbare Erziehungsarbeit nothdürftig vollendet ist, sühlen sich sämmtliche Familienglieder unbehaglich und unbefriedigt und besonders fällt eS den älteren Leuten meistens sehr schwer, sich an ein neues Gesicht zu gewöhnen. In vielen Haushaltungen gewährt man langjährigen Dienstboten den weitesten Spielraum und läßt sich von ihnen Dinge gefallen, die man bei keinem neuen Untergebenen dulden würde. Man fügt sich aber in Alles lieber, als daß man sich einem Wechsel aussetzt, bei dem man noch Schlimmeres eintauschen kann, in jedem Fall aber in seinen lieben Gewohnheiten em pfindlich gestört wird. Trotzdem wird dieser Wechsel in neuerer Zeit häufig unvermeidlich, denn ungeachtet aller Belohnungen und Auszeichnungen treu bei einer Herrschaft ausharrender Dienstboten, ungeachtet daß diese letzteren nach Jahren häufig den Familiengliedern gleichgestellt werden, verliert sich die Seßhaftigkeit der Dienstboten mehr und mehr. Die Zeitm sind vorbei, wo ein Dienstmädchen geduldig selbst bei einer unfreundlichen und harten Herrschaft aushielt, nur um nicht den Schimpf eines nur einjährigen Dienstes in ihrem Buche zu haben. Wer heute solche Bücher durchmustert, der findet massenhafte Zeugnisse über drei-, vier- und fünfmonatige Dienste, so daß man sich nach und nach daran gewöhnt, eine einjährige Dienstzeit als etwas Anerkennenswerthes an zusehen. Die Prädikate „ehrlich" und „fleißig" sind meistwohl verdienter als die Bezeichnung „treu", mit der es sich doch kaum verträgt, wenn ein gutbehandelter Dienstbote sofort aufsagt, wenn ihm irgend eine wildfremde Herrschaft nur eine Mark monatlich mehr bietet. DaS Kapitel der Dienstboten- Noth ist ein sehr reichhaltiges; es läßt sich nicht erschöpfen; außerdem hat dieser gar nicht unwesentliche Theil der sozialen Frage so verschiedenartige Ursachen, daß die Abhilfe eine umfassende Gesundung unserer sozialen Verhältnisse voraussetzt. Doppelt beklagenswerth sind aber Diejenigen, die am Quartalsschluß gleichzeitig von der Noth des Dienstboten wechsels und des Wohnungswechsels betroffen werden. Es kann nicht Jeder Hausbesitzer sein; es ist auch durchaus keine Glückseligkeit, ein stark belastetes und wenig einträg liches Grundstück zu besitzen. Mit dem zunehmenden Sinn für gesundheitliche Verbesserungen, für Verschönerung und Bequemlichkeit steigern sich die Ansprüche der Gemeinden und der zahlungsfähigeren Miether in einer Weise, welche die Nutznießung manches Hausbesitzers ganz empfindlich schmälert. In noch weniger beneidenswerther Lage sind aber die unbemittelten oder doch nicht sehr begüterten Miethsbewohner, die mit Bangen und Zagen jedem Quartals oder Semesterschluß entgegensehen müssen, der sie in die Nothwendigkeit versetzen kann, ein kaum erst liebgewordenes Heim zu verlassen. In größeren Städten entwickelte sich zwar in den letzten Jahren eine rege Baulust, aber an den erwähnten Verhältnissen hat sich nichts geändert, denn zu meist ist es zu elegant und zu theuer gebaut und an die Bedürfnisse der breiteren Schichten der Bevölkerung nicht gedacht worden Bei einem Ueberfluß an theuren Woh nungen herrscht in Folge der beharrlichen Neigung, Mieths kasernen und Paläste zu erbauen, in vielen größeren Städten eine sehr empfindliche Wohnungsnoth und zahllose Familien behelfen sich z. B. in der deutschen Reichshauptstadt mit ungesunden Dach- und Kellerwohnungen oder ziehen nach entlegenen Vorstädten, deren Entfernung von ihrer Arbeits stätte durch die täglich sich vermehrenden Verkehrsmittel möergerI^^ m- Tageblatt. erträglich gemacht wird. Auch in minder großen deutschen Städten ist ein Mangel an lleineren gesunden und preis würdigen Wohnungen vorhanden, weshalb die in neuerer Zeit auftauchenden Bemühungen, Abhilfe für die Wohnungs noth zu schaffen, überall mit Freuden begrüßt werden. Bis jetzt ist auf diesem Gebiete aber nur wenig geleistet worden und so lastet auf zahlreiche» Haushaltungen zur Zeit noch in dieser Beziehung ein schwerer Druck. Die Inhaber kleiner Mietkswohnungen opfern für die letzteren in der Mehrzahl einen unvcrhältnißmäßigen Theil ihres Einkommens und sind noch hocherfreut, wenn ihnen dafür daS Heim bleibt, das sie sich nach und nach mühevoll und unter Opfern wohnlich gemacht und auSgeschmückt haben. Nach einigen Jahren knüpfen sich an die erst ungern und mit Bangen bezogene Wohnung liebe Erinnerungen an darin empfundene Familienfreuden und au kleine Feste, und die Macht der Gewohnheit thut daS Ihrige, um das traute Heim unS lieb zu machen. Unter solchen Umständen er weckt es die schmerzlichste Empfindung, wenn am letzten September oder am letzten März der Hausherr schriftlich oder mündlich feinem Miether ankündigt, daß der letztere nach Ablauf eines halben Jahres die Wohnung zu räumen habe. Es ist nicht nur die Macht der Gewohnheit, nicht nur die Mühe, eine neue Wohnung aufzufinden, welche solchen Wohnungswechsel als etwas Peinliches er scheinen läßt, es ist auch damit stets ein wirklicher Verlust verknüpft, denn außer dm UmzugSkosten verliert dabei jedesmal das sauer erworbene Mobiliar , an Werth. Ein altes Sprichwort sagt: „Zweimal umgezogm ist so schlimm wie einmal abgebrannt!" Selbst bei der besten und wach samsten Verpackung leiden Bilder- und Spiegelrahmen, gehen einzelne Stücke von Porzellan und Glas verloren; außer dem aber paffen die Gardinen und die Gardinenstangm, die Rouleaux und das Zubehör selbst niemals wieder genau und erweisen sich zu kurz oder zu lang, zu breit oder zu s chmal. Selbst wenn der Tapezierer, der Maurer und der Maler von dem Hauswirth bezahlt werdm, muß sich der Miether einer neuen Wohnung immer noch auf eine Schlosser und Tischlerrechnung gefaßt machen, so daß ein Wohnungs wechsel immer mehr Kosten verursacht, als ursprünglich veranschlagt war. Für dm Hausbesitzer geht ebenfalls ein solcher Zwischen fall niemals ohne Kosten und Verluste ab, denn wenn die Wohnung, die mit dem Mobiliar sehr gut erhalten aussah, völlig geräumt ist, zeigt sich stets erst die Dringlichkeit einer umfassenden Renovation. Die abgestoßenen Tapeten, die von den herausgerissenen Bilder- und Spicgelhaken ge schändeten Wände, der durch den Möbeltransport zerkratzte Fußboden u. A. m. machen Ausbesserungen uöthig, die zu weilen recht ansehnliche Ausgaben verursachen. Man sollte meinen, daß derartige Erfahrungen dazu dienen sollten, Hausbesitzer und Miether zu möglichst langem Zusammen halten zu veranlassen. Wer brave, pünktlich ihre Miethe zahlende ordentliche Leute bei sich wohnen hat, sollte sich dieselben zu erhalten suchen, ihnen so weit als möglich ge fällig fein und ihnen das Miethsverhältniß angenehm machen. Befürchten die Miether, daß sie am nächsten Termin gesteigert werden, oder daß ihnen die Wohnung gekündigt wird, dann werden sie sich hüten, für die letztere Aufwendungen zu machen, um dieselbe schön im Stande zu erhalten. Nicht minder ist es aber Pflicht der Mieths bewohner, eine ihnen auf längere Zeit anvertraute Woh nung recht schonend zu behandeln, ihren Hauswirth mit unbilligen Forderungen zu verschonen, und überhaupt auch ihrerseits Alles zu thun, um das Miethsverhältniß mög lichst dauernd und angenehm zu gestalten. Der Vortheil ist gegenseitig und es läßt sich kaum bemessen, wie groß außerdem der Nutzen für die Charakterbildung und das Fa milienleben ist, der aus dem ernsten Streben nach größerer Seßhaftigkeit erwächst. Leute, die fast ohne Grund und jedenfalls ohne Kummer häufig mit der Wohnung und mit den Dienstboten wechseln, ermangeln jenes anhänglichen und treuen Sinnes, der nicht genug geschätzt werden kann. Diejenigen aber, die diesen Sinn besitzen, sollten von der Unannehmlichkeit des Wohnungs- und des Dienstboten wechsels möglichst verschont bleiben. Gerade in diesen Tagen fühlt man sich lebhaft daran erinnert, daß derselbe Dichtermund, dem einst daS Wort entströmt „Der Mensch hofft immer Verbesserung!" auch die Wahrheit betonte: „Ein jeder Wechsel schreckt den Glücklichen!"