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id städtischen Behörden zn Frecherg »nd Brand. Amtsblatt für die königlichen Verantwortlicher RÄaktarr: Julius Brauu in Freiberg. _ No LII. 8 andern Tay. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Pf., ° KaNNetKBNZl la. «tültlllötk V>- zweimsnatlich I M. 50 Pf. und einmonatlich 75 Pf. mm reißeM Iiyeigex und Tllgeölllü. ! Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angenom- men und betrat ^r Prns für die gespaltene Zeile lOO V< Die Spiritus-Besteuerung. Bekanntlich soll sich der auf den 16. d. M. einberufene deutsche Reichstag zunächst mit der Erledigung des deutsch spanischen Handelsvertrages beschäftigen. Ob dies die ganze zu so ungewöhnlicher Zeit begonnene Session ausfüllen soll, darüber ist noch tiefes Dunkel gebreitet. Die politische Lage ist eine so ernste, daß eine Verstärkung der Wehr haftigkeit des Reiches geboten scheint; für diesen Zweck sind aber neue finanzielle Quellen zu eröffnen, da die vorhan denen kaum hrnreichen, die jetzigen Bedürfnisse zu decken. Bei der Unmöglichkeit, Tabak und Zucker bluten zu lassen, wird die Reichsregierung nicht umhin können, früher oder später an eine höhere Besteuerung des Spiritus zu gehen, ohne sich durch die Ablehnung ihrer darauf bezüglichen Vorlagen schrecken zu lassen. Wenn von offiziöser Seite erklärt worden ist, es sei eine weitere Vorlage betreffs der Spiritus-Besteuerung im Reichstage nicht zu erwarten, so mag das höchstens für die allernächste Zeit zutreffen. Die Reichsregierung wird nicht darauf verzichten können, aus dem Spiritus höhere Summen als bisher zn ziehen und dürfte bei dem besten Willen kein geeigneteres Steuerobjekt entdecken. Mit der Ablehnung des Branntwein-Monopols hat aber die Mehrheit des deutschen Reichstages der Reichs regierung die Möglichkeit benommen, ihre Einnahmen zu vermehren, ohne die großen Brennereien zu schädigen. Fast alle Vorschläge der Spiritus-Besteuerung stoßen auf den schroffsten Widerspruch der Großgrundbesitzer, die allein den Brennerei-Betrieb in der Hand haben, während der kleinere Landwirth dabei fast gar nicht mehr betheiligt ist. Nun haben aber in den letzten Jahren die als Agrarier bekannten Großbesitzer in Deutschland eine so hervorragende und ein flußreiche Stellung errungen, daß Fürst Bismarck Bedenken trägt, ihre Wege zu kreuzen und auf ihre Unterstützung im deutschen Reichstage und im preußischen Landtage zu ver zichten. Auf diesen günstigen Umstand fußend, möchten die Agrarier nur eine solche Reform der Spiritus-Besteuerung zulassen, die weniger den Reichssäckel füllt, als ihre Inte ressen fördert. Sie waren es, welche die letzte Branntwein steuer-Vorlage zu Fall brachten und es jetzt der Reichs regierung schwer machen, eine geeignete Form für die Spi- ritus-Besteuerung zu finden. Man kann annehmen, daß die gegenwärtig in den Kreisen der Spiritusbrenner betriebene Agitation nicht nur darauf abzielt, die Erzeugung zu beschränken, sondern da mit noch andere Pläne gefördert werden sollen, deren Durchführung die Agrarier bei der ihnen regierungs seitig zugestandenen hervorragenden Stellung sehr wohl für möglich halten. Während der letzten Monate wirkte das Organ der deutschen Spiritus-Industrie unablässig für eine Verminderung der Erzeugung um 20 Prozent. Die Brenner erhielten Scheine zugesendet, in welchen sie sich zu solcher Produktionsbeschränkung verpflichten sollten; zu diesem Zweck wurden auch Agitationsreisen in den Pro vinzen des Königreiches Preußen, im Königreiche Sachsen und im Anhaltischen gemacht. Die unterzeichneten Ver- vflichtungsscheine, welche bis zum 27. August d. I. dem Ausschüsse des Vereins deutscher Spiritus-Fabrikanten nach Berlin einzusenden waren, sollten nur dann bindend sein, wenn es gelingen würde, 60 Prozent der Maischraumsteuer der Reichssteuergemeinschaft zu diesem Zwecke zu vereinigen. Dies ist nicht erzielt worden. In der am 28. August ab gehaltenen Sitzung des erwähnten Ausschusses ergab es M, daß nur 41 Prozent der Maischraumsteuer sich zu der geplanten Beschränkung verpflichtet hatten. Die Unter- Zeichner repräsentirten nur eine Steuerzahlung von 25538000 Mark, während die gesammte Maischbottichsteuer in den letzten fünf Jahren durchschnittlich 61 947 000 Mark betrug. Den Ausschuß hat dieses Ergebniß nicht entmuthigt, son dern nur dazu veranlaßt, an diejenigen Brenner, welche sich zur Produktlonsbeschränkung ab 1. September d. I. verbindlich machten, dringend zu ersuchen, ihre Verpflichtung bis zum 1. Oktober d. I. aufrecht zu erhalten, bis zu welchem Termin man auf Grund erneuerter Agitation eine günstigere Entscheidung erhofft. Wenn der Zweck dieser Agitation der deutschen Kartoffel- brenner kein anderer wäre, als eine durch Verminderung der Spirituserzeugung zu bewirkende Preiserhöhung, so ueße sich dangen gar nichts einwenden. Wenn eine Industrie in Folge allzumassenhafter Erzeugung an schlechten Preisen krankt, so ist es nur weise, wenn sie durch Ver- rmgerung der Produktion eine Besserung anstrebt. Der artige Vereinbarungen wurden schon früher und auch in anderen Gewerben zum Vortheil für die Interessenten getroffen, erst neuerdings von englischen und ameri kanischen Bergwerksgesellschasten angestrebt und sind in trüben Zeiten sicher vollberechtigt. ES ist aber neuerdings der Verdacht laut geworden, daß es sich bei der jetzigen Agitation der Spiritusbrenner nicht nur um den höheren Verkaufspreis handelt. Ein Hamburger Blatt erinnert daran, daß damals, als die Reichstagskommission sich mit der zweiten Regierungsvorlage über die Spiritusbesteuerung beschäftigte, ein Gesetzentwurf des Abg. von Kleist-Schmenzin bekannt wurde, in welchem klar zu Tage trat, was die Spiritus brennenden Großgrundbesitzer auf Kosten der Gesammtheit des deutschen Volkes beanspruchen zu dürfen glauben. Während nämlich dieser Kleist'sche Entwurf dem Staate die Erhebung einer Verbrauchssteuer von 80 Mk. pro Hektoliter Alkohol einräumte, beanspruchte derselbe für die vorhandenen Brennereibesitzer eine Kontingentirung des Brennereirechtes, mit anderm Worten ein Privatmonopol zur Spirituserzeuaung. Dieses Monopol sollte nicht nur auf öffentliche Kosten durchgeführt, sondern auch noch durch unverzinsliche Reichsvorschüsse unterstützt werden. Zum Ueberfiuß sollte der Staat den Brennern eine Zulage von 15 Mk. pro Hektoliter auf den Marktpreis verbürgen. Bekanntlich »st dieser Plan seinerzeit gründlich gescheitert, aber die jetzige Agitation der Spiritusbrenner läßt es als möglich erscheinen, daß dieser Plan in vielleicht etwas ver änderter Form demnächst wieder auf der Bildfläche er scheint. Die in dem Kleist'schen Gesetzentwürfe niedergelegten Grundsätze werden sicher abermals eine Bedeutung erhalten, wenn die Brennerei-Besitzer in der nächsten Reichstags session wiederum versuchen sollten, die Klinke der Gesetz gebung zur Förderung ihrer Interessen in die Hand zu nehmen. Fürst Bismarck hat schon so viel für die Agrarier gethan, daß ihm zu thun fast nichts mehr übrig »leibt; um so weniger dürfte er geneigt sein, auf die Kleist'- chen Forderungen einzugehen. Ebenso wird die Mehrheit >eS Reichstags kaum Lust verspüren, sich mit Spiritus- teuer-Projekten zu befassen, die auf ein solches Ziel hinaus- aufen. Sollte die Reichsregierung abermals mit einer Vorlage zur Besteuerung des Spiritus vor der Volksver tretung erscheinen, so möchte es eine solche sein, welche den Reichsfinanzen auch wirklich eine erhebliche Mehreinnahme sichert und durch eine Vertheuerung des Branntweins der Trunksucht Einhalt thut, nicht aber eine solche, die nur einigen wenigen Kartoffelbrennern Nutzen schafft, die durch aus nicht als Vertreter der deutschen Landwirthschaft gelten können, welche letztere bekanntlich nur noch zum kleinsten Theile bei dem Brennereibetrieb interessirt ist. Tagesschau. Freiberg, den 10. September Ueber die bevorstehende Theilnahme des greisen deutschen Heldenkaisers an den Truppenübungen in den Reichslanden schreibt die „Nordd. Alla. Ztg.": „Das sogenannte Königs- manöver ist kein bloßes Schauspiel; sein Ernst wird durch die gespannte Aufmerksamkeit bekundet, welche ihm die militärische Kritik des gejammten Europas zuwendet, deren Auge keine Lücke in der großartigen Entwickelung der Wehrkraft erspähen darf, welche für die Sicherheit Deutschlands nach außen hin bürgen soll. Denn trotz aller philanthropischen Träumereien gründet sich die Sicherheit der festländischen Staaten doch nur auf die Wehrkraft, welche zur Vertheidigung gegen den Angriff im Kriege und zur nachdrücklichen Unterstützung einer längeren Friedenspolitik bestimmt ist, welche immer die Mittel finden wird, um sich zwar über Interessen zu verständigen, dem Chauvinismus aber nur die materielle Gewalt entgegenzustellen hat. So lange dieser Zustand des bewaffneten Friedens in Europa sortbesteht, wäre es Verrath am Vaterlande, wenn dem Heerwesen nicht eine unausgesetzte Aufmerksamkeit zuge wendet und nicht Alles aufgcboten würde, um demselben die möglichst vollkommene Aktionskrast zu geben. Glücklicher Weise hat das politische Urtheil unter dem Eindruck großer Erfahr ungen diejenige Reise erlangt, welche es gegen den verwirrenden Einfluß von Insinuationen schützt, die nur im Parteigeist ihre Wurzel haben. Man hat einsehen gelernt, daß das Wort „Militarismus" völlig sinnlos ist, wenn der Militärauswand seine unumstößliche Begründung in der Sorge für die Staats sicherheit findet. Die allgemeine Wehrpflicht, welche den Bürger unter die Fahne ruft, unterbricht zwar zeitweise dessen Berufs- thätigkcit, aber sie sendet ihn zurück mit einer erhöhten Aus stattung für das Leben, nicht blos mit Rücksicht auf Körper- cntwickelung, sondern auch auf Charakterbildung, so daß Schule und Militärdienst sich wechselseitig ergänzend, beide gemeinsam der Volkserziehung dienen. Nur die Kurzsichtigkeit oder der böse Wille wird die erziehliche Wirkung deS Militärdienste- leugnen; andererseits aber wird man doch nicht umhin können, die Ansprüche, welche auf Grund unseres Militärsystems an die Steuerkraft des Volkes gestellt werden, auch mit Rücksicht nahme aus den Zweck und den Werth einer gesunden Bolks- erziehung zu würdigm. In der Sympathie, welche das deutsche Volk seiner Armee zuwendet, liegt unausgesprochen doch sehr verständlich die Schätzung derselben nach dieser zwiefachen Richtung. In ihr erkennt es die Bürgschaft für die Selb ständigkeit Deutschlands gegen den Angriff fremder Waffen, ihr dankt es gern die Impulse, welche sie auf daS Leben übt: die Erziehung zu kernhafter Gesundheit des Körpers und zur Probehaltigkeit eines in Pflicht und Ehre gestählten Charakters." Prinz Wilhelm von Preußen begab sich vorgestern im Auftrage deS deutschen Kaisers zur Begrüßung des Zaren nach Brest-LitowSk. — Der Straßburger Gemeinderath wurde am Donnerstag Vormittag von dem Statthalter der Reichslande, dem Fürsten Hohmlohe, empfangen und beschloß in einer unmittelbar darauf folgenden Sitzung, in der Ange legenheit der Stadterweiterung eine Adresse an Se. Majestät den Kaiser zu richten. — Zu Ottensen bei Altona habm in den letzten Tagen mehrere geheime sozialistische Ver sammlungen ststtgefundm. Ewige Hundert Arbeiter wurden von der Altonaer Krimmalpolizei in einem Hügelkrffel über rascht. Mehrere Führer der Hamburger Sozialdemokraten, sowie der Reichstagsabgeordnete Max Kayser wurden auf das Polizeibureau geführt, aber nach Feststellung ihrer Personalien entlassen. Bei Harbnrg, mittm im Waldes hielt der Reichs tags-Abgeordnete Hasenclever einen Vortrag, bei welchem 500 Arbeiter sowie die Reichstagsabgeordneten Bebel und Auer anwesmd waren. — Die Theilnehmer an der Gustav- Adolf-Bersammlung in Düsseldorf besuchten Mittwoch Nachmittag die Diakoniffenanstalt zu Kaiserswerth. In der gestrigen Sitzung erstattete Generalsekretär Küß, nachdem die Vertreter aus Siebenbürgen, der Schweiz, der Niederlande, Belgim, Italien und Spanien begrüßt worden waren, Bericht über die Evangelisation in Eljaß-Lothringen. Von dm drei für die große Liebesgabe von 17000 Mk. vorgeschlageneu Gemeinden St. Avold in Lothringen, Brauitz in Oberschlrsien und Zell in Baden wählte die Hauptversammlung Branitz. Heute wird sich der österreichische Ministerrath über dm Zusammentritt des österreichischen ReichsratheS einigen. Erhält der Beschluß der Minister die Genehmigung de- Kaisers, dann soll Anfang nächster Woche das Einberufungs- Patent erscheinen. Der Reichsrath wird sich somit in der letzten Septembcrwoche versammeln und seine Thätigkeit mit der Erledigung der reichlich angesammelten Petitionm beginnen. Der freiwillige Austritt des Fürsten Alfred Liechtenstein aus dem Abgeordnetenhause wird von der klerikalen Presse lebhaft bedauert und als ein großer Verlust für die Rechte bezeichnet. Uebereinstimmend geben die Blätter der Rechten der Hoffnung Ausdruck, daß Fürst Alfred Liechtenstein nicht für immer der politischen Thätigkeit mtsage. — Der Fürst von Bulgarien reiste gestern früh 9 Uhr 18 Minuten mit seinem jüngeren Bruder Franz Josef von Battenberg und dem Adjutanten Major Popow durch Temesvar. Er kam dort schlafend an und verblieb im Schlaswaggon. Der Fürst hatte beim Betreten des Schlaf waggons in Orsova dm Befehl gegeben, sofort sein Bett her zurichten, da er todtmüde sei. Der Hofmarschall v. Riedesel blieb in Turn-Severin zurück, Hofprediger Koch in Sofia. Den Fürsten begleitete nur ein deutscher Diener. Die Pester Studenten hatten beschlossen, ihm bei seiner Durchreise durch Pest, welche gestern Nachmittag 3 Uhr 25 Minuten erfolgte, Ovationen zu bereiten. Der Fürst Alexander reiste aber sofort nach Wien weiter, wo er Abends um 8 Uhr 12 Minuten auf dem Staatsbahnhofe aulangte und die Reise nach Darm stadt Abends 9 Uhr vom Westbahnhofe auS fortsetzte. In der schweizerische« Bundeshauptstadt Bern wurde gestern die Konvention, betreffend den Schutz des literarischen und künstlerischen Eigenthums, unterzeichnet. Der Austausch der Ratifikationen soll binnen Jahresfrist erfolgen. Nachdem das Protokoll über die Annahme der spanischen Vermittelung in dem Streite zwischen Italien und dem kolumbischcn Freistaate unterzeichnet ist, steht man dem Beginn der Verhandlungen in Madrid entgegen. Dieselben werdm von Seiten Italiens durch den Baron Blanc und den italieni schen Vertreter in Kolumbien Ritter Scgre geführt werden. Sie sollen nur die rechtliche Seite deS Streitfalles seststellen, während die Abmachungen selbst und namentlich die an die Italiener zu zahlende Entschädigung den Schlußberathungen in Kolumbien Vorbehalten bleiben.