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Amtsblatt sur die kömguchen und Wüschen Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. H 200. Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. 5 Uhr für den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Pf., zweimonatlich 1 M. 50 Pf. und cinmonatlich 75 Pf. ..... JA Jahrg„g. - - , Sonntag, den 29. August. Inserate werden bis Vormittag 1l Uhr angenom men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile oder dcrm Raum 15 Pf. 188«. Nachbestellungen auf den Monat September werde« zum Preise von 75 Pfg. von alle« kaiserlichen Postanstalten sowie von de« be- kaunten Ausgabestellen und der unterzeichnete« Expedition ««genommen. Expedition des Freiberger Anzeiger. Die Woche. Als die erste Kunde von der gewaltsamen Entthronung deS Fürsten von Bulgarien am vergangenen Sonntag nach Deutschland gelangte, war die Entrüstung über die meuterische Handlung gegen einen so verdienten tüchtigen Heersührer deutscher Nationalität eine allgemeine. Mit dem Gefühl des Abscheues paarte sich die Besoraniß, daß das deutsche Reich durch diesen unerwarteten Zwischenfall in einen Konflikt mit Rußland gerathen könne. Es wirkte deshalb entschieden beruhigend, als die „Nordd. Allg. Ztg.", den Ueberfall in Sofia nur ganz kurz besprechend, daran die unverkennbar offiziöse Bemerkung knüpfte: „Deutsche Interessen werden durch diese oder andere bulgarische Be wegungen nicht berührt." Was man anfangs für eine Revolution hielt, stellte sich aber bald als ein verwegener Handstreich einiger für Rußland begeisterter Berschwörer heraus, der schließlich daran scheiterte, daß Volk und Heer sowohl in Bulgarien wie in Rumelien dem im Kriege gegen Serbien bewährten tapferen Fürsten treu blieb. Durch die Gegen erhebung, welche die provisorische Regierung Clements und Zankows stürzte, ist aber die Lage auf der Balkanhalb insel nur noch beunruhigender geworden, weil Rußland, unter dem Vorgeben, die Ordnung in Bulgarien wiederherzu stellen, sich nun erst recht in die bulgarischen Angelegenheiten einmischen und Diejenigen vor harter Strafe bewahren möchte, die ihm den dem Zaren persönlich verhaßten Fürsten Alexander überliefert haben. Der Kaiser von Rußland gab semen Gefangenen sofort wieder frei, entweder, weil ihn dazu die Rücksicht auf Deutschland und England bewog, oder weil der Fürst Alexander versprochen hat, dem fast einmüthigen Rufe der Bulgaren, nach Sofia zurückzukehren, keine Folge zu leisten. Von deutscher Seite wird man nun dem ehemaligen Prinzen von Battenberg sicher davon ab reden, sich nochmals in den bulgarischen Strudel zu stürzen und sich neuen, vielleicht erfolgreicheren Angriffen der ihm feindlichen russischen Partei aussetzen. Ein freiwilliger Ver zicht des Battenbergers würde die Lage sehr vereinfachen und die Erhaltung des Weltfriedens erleichtern, für welchen eine abermalige Verständigung zwischen Rußland und Deutschland und Oesterreich-Ungarn die erste Vorbedingung ist. Ob an Stelle des Prinzen von Battenberg der serbische Prätendent Peter Karageocgewitsch oder der russische Prinz Alexander von Oldenburg oder auch der Herzog von Leuchtenberg Bulgarien beherrscht, kann den mitteleuropäi schen Regierungen sehr gleichgiltig sein, wenn Rußland nur dasür Garantien giebt, daß es den abendländischen Besitz des Sultans nicht bedrohen und Oesterreich den ruhigen Besitz der okkupirten Provinzen gönnen will. Hingegen verkennen die leitenden Staatsmänner der mitteleuropäischen Regierungen nicht die Zwangslage, in welcher der Zar sich in Bezug auf Bulgarien den Forderungen der Panslavisten und der griechisch-orthodoxen Kirche gegenüber befindet. Wahrscheinlich, um hierüber einen Ausgleich zu ermöglichen, hat der deutsche Reichskanzler den russischen Minister des Aeußern, von Giers, in Franzensbad aufgesucht. Jeden falls ward die am Donnerstag erfolgte Ankunft des Fürsten Bismarck in Franzensbad von der russischen Diplomatie für ein politisch hochwichtiges Ereigniß angesehen, da sich gleichzeitig die Vertreter Rußlands in London, Paris, Kopen hagen und Washington, Staal, Mohrenheim, Toll und Struve in Franzensbad eingefunden haben. Hoffentlich sand dort eine freundliche Verständigung statt, welche die ^Mißverständnisse beseitigt, die noch zwischen Deutschland und Rußland obwalten; jedenfalls ist die Lage ernst genug, um der deutschen Reichsregierung eine Verstimmung ein flußreicher ungarischer Kreise bedenklich erscheinen zu lassen. Die „Nordd. Allg. Ztg." tadelt deshalb sowohl die höfliche Ablehnung, mit welcher Berlin die Einladung zu dem Ofener Befreiungsjubiläum beantwortete als die schroffe Absage der Stadt München. Das offiziöse Organ sagt ausdrücklich: „Wir verstehen es gern, daß das Gefühl der Deutschen durch die Behandlung ihrer Brüder in Sieben bürgen seitens der Ungarn verletzt ist, aber unsere Be ziehungen zu Ungarn sind derart, daß wir besser thun, uns derjenigen Punkte zu erinnern, die uns mit Ungarn ver einen, als derer, die uns von ihm trennen." Dasselbe offiziöse Organ erläutert auch die in letzter Zeit vielbe sprochene Stellung der Reichsregierung zur Jesuitensrage dahin, daß Katholizismus und Jesuitismus ganz verschie dene Dinge seien, daß aber die Frage der Aufhebung des Jesuitengesetzes gar nicht in Erörterung gezogen werden könne. Von der Seite, auf welcher Sympathien für die Befestigung des inneren Friedens in Deutschland niemals bemerkt worden seien, werde die Jesuitenfrage nur zu dem Zwecke in die Hand genommen, um einen Keil zwischen die Regierung und die Parteien sowohl, wie zwischen die Par teien selbst zu treiben, damit aber auch die Möglichkeit der parlamentarischen Kombinationen offen zu halten, wie sie den Fraktions- beziehentlich den Einzelinteressen frommen. Gerade die Unzufriedenheit, welche die Czechen mit der neuesten deutschfreundlicheren Wendung der inneren Politik des österreichischen Ministeriums Taaffe empfinden, läßt sie auch die auswärtige Politik des Grafen Kalnoky mit leidenschaftlichen Gefühlen verfolgen. Die Prager Czechenblätter geben ziemlich unverhüllt ihrem Wunsche Ausdruck, daß Oesterreich-Ungarn auf das stete Zusammen gehen mit Deutschland verzichten möge. In einem „Oesterreich und das Ausland" überschriebenen Artikel be müht sich das Prager Blatt „Politik", die Vortheile einer innigen Verbindung Oesterreichs mit Rußland dar zulegen. Daß der Einfluß Deutschlands seine Grenzen habe, beweise gerade die Beseitigung des deutschen Prinzen aus einer Stellung, wo er ein wichtiger Pionier der pangermanischen Allmacht sein sollte. Der deutsche Prinz wurde seines Thrones verlustig erklärt, weil er ein Wider sacher der slavischen Interessen geworden war. Das sei eine ernste Verwarnung für alle deutschen oder dem deutschen Einflüsse dienenden Dynastien auf dem Balkan und den Donauländern. Hoffentlich ermannt sich das Ministerium Taaffe zu einer noch ernsteren Verwarnung für das Czechen- thum, das seine Ideale in Rußland sucht. Weit erfreulicher ist die überraschende Thatsache, daß gerade jetzt, wo die Ver handlungen über die Wünsche und Beschwerden der Sieben- bürger Sachsen ruhen, weil der ungarische Ministerpräsident Tisza in Ostende weilt, Sachsen und Magyaren in Kron stadt eine Art von Verbrüderungsfest begehen und sich zur friedlichen Verständigung klugerweise selbst die Wege bahnen. An den noch in Strafhaft befindlichen ultraradikalen italienischen Deputirten Coccapieller richteten 10500 Wähler Roms eine Adresse, welche den zähen Volkstribunen aufforderte, ein Begnadigungsgesuch an dm König Humbert zu richten. Coccapieller, der früher ähnliche Aufforderungen hartnäckig zurückgewiesen, ergab sich diesmal in den Willen seiner Wähler und rief die Gnade des Königs an, welcher unverwcilt das Ministerium zur Meinungsäußerung darüber aufforderte. Die Enthaftung Coccapiellers dürfte voraus sichtlich in einigen Tagen erfolgen. — Aus dem Vatikan verlautet, daß die französische Regierung dem Papste die Anzeige machte, sie gedenke wegen der mit dem französischen Protektorat über alle Katholiken Chinas unvereinbaren Entsendung eines NuiEus nach Peking ihren Botschafter beim Vatikan abzuberufen. Trotzdem die französischen Regierungsblätter sich beeilten, die Enthüllungen des „Figaro" bezüglich des Ge sundheitszustandes Jules Grevy's und der Abmachungen zwischen Grövy und Freycinet betreffs der Nachfolgerschaft des letzteren als unbegründet zu bezeichnen, steht fest, daß der hochbejahrte Präsident Grovy in letzterer Zeit wieder holt bedenkliche Schwächeanfälle hatte. Man nimmt des halb in Paris-.vielfach an, daß Grövy schon in den nächsten Wochen zurücktreten, Freycinet dann die Präsidentschaft und Jules Ferry die Leitung des Kabinets übernehmen werde. Der radikales Senator Naquet sucht im „Voltaire" den Nachweis zu führen, daß das Bestreben Ferry's, wieder zur Macht zu gelangen, keine Aussicht auf Erfolg habe. Weder die Radikalen noch die Monarchisten würden ihm folgen und er daher nur auf die Unterstützung der Opportunisten angewiesen sein, die nicht die Majorität besitzen. Dagegen ist in einem Schreiben des Verfassers des sogenannten „Versöhnungsprogramms, des Depuürten Lepoutre", Fol gendes gesagt „Meines Erachtens sind zwei Drittel der französischen Bürger gegen die Regierungsform vollkommen gleichgiltig. Vor Allem wollen sie gut regiert fein und in Frieden arbeiten. Sie verabscheuen den Wechsel und die Revolutionen; das ist allerdings wahr; aber wenn sie die Republik schlecht regieren und die alten Grundlagm der Gesellschaft untergraben sähen, so würdm sie der Monarchie den Vorzug geben." Im englischen Unterhause zog sich die Adreßdebatte sehr in die Länge und nahm zeitweise einm recht heftigen Charakter an, so daß sogar dem von der Sache ab- schweifenden Exminister Gladstone ein Verweis zu Theil wurde. Die konservative Regierung will die Ruhe in Ir land durch den General Buller mit Waffengewalt Herstellen lassen, was die Gladstonianer natürlich verhindern möchten. Die irische Stadt Belfast war aber auch in den letzten Tagen wieder der Schauplatz aufrührerischer Szenen. Nach ihren Erklärungen im Unterhause beabsichtigt die englische Regierung nicht, die Batum-Angelegenheit über diejenige Position hinauszuführen, die durch die Depesche Low Rosebery's hergestellt sei. Hierbei, wie bei der Behandlung der bulgarischen Angelegenheit, zeigt das Kabinet Salis bury den deutlichen Wunsch, einen kriegerischen Zusammen-, stoß mit Rußland zu vermeiden, so lange dies nur irgend angeht. In Folge des russischen Vorgehens in Port Lazareff das von dem Tsung-li-Namen für die chinesischen Interessen in Korea als bedrohlich erachtet wird, soll die Regierung Chinas beschlossen haben, als Vorsichtsmaßregel eine Ex pedition dorthin zu entsenden. Die Russen schreiben dies den Einflüsterungen der Engländer zu, welche überall ihre Wege durch andere Gegner durchkreuzen lassen möchten, die für England die Kastanien aus dem Feuer holen. Einzelne russische Blätter dringen auf eine rasche Besetzung des bisher von England beschützten Bulgariens, wovon jedoch die deutsche Petersburger Zeitung mit dem Bemerken ab- räth, daß dieses Land nicht werthvoll genug sei, um dafür Blutopfer zu bringen. Die an dem verbrecherischen Komplotte gegen den Fürsten Alexander betheiligt gewesenen bulgarischen Offiziere, Oberst Kifialow, die Hauptleute Dimitriew und Benderew sind flüchtig. Auf Befehl des gegenwärtigen Kabinetschess Panow wird nach ihnen gefahndet. Die Anerkennung der neuen provisorischen Regierung scheint derzeitinganzBulgarienundRumelieneinevollständige zu fein. Mit Ausnahme von Sofia, wo Straßenkämpfe stattfanden, ver lief die Geaenrevolution unblutig. Wie die „Berliner Politischen Nachrichten" bemerken, bieten sich dem Fürsten Alexander für seine nächsten Schritte verschiedene Wege. Er könnte den Rückweg nach Sofia antreten, aber nur, um alsbald vor eine höchst schwierige Wahl gestellt zu werden. Rücksichtsloses Einschreiten gegen die Anstifter der Verschwörung würde in gewissen Kreisen das Maß der ohnehin wider ihn und seine Bestrebungen herrschenden Ver stimmung noch erheblich vermehren; die Begnadigung der Zankow und Genossen aber hieße nichts anderes, als den Keim zu erneuten hochverrätherischen Umtrieben ausstreuen, die dann nur noch raffinirter und umfassender in's Werk gesetzt werden dürften. Wie des Fürsten Entscheidung auch ausfallen möchte, ibn selbst würde sie ganz gewiß nicht auf Rosen betten. Vielleicht, daß solche oder ähnliche Er wägungen es dem Fürsten wünschenswerth machen, vor allen Dingen Zeit zu gewinnen, sei es, um mit seinem Vater und den nächsten Verwandten, sei es auch mit noch anderen Persönlichkeiten Raths zu pflegen. Tagesschau. Freiberg, den 28. August Die deutsche Kaiserin kehrte von Berlin Donnerstag Abend, der Kaiser aber erst gestern Mittag nach Schloß Babels berg zurück. Gestern Nachmittag 4 Uhr fand dort bei den kaiser lichen Majestäten eine Festtafel statt, an welcher der König von Portugal und die Mitglieder der preußischen Königs familie, sowie deren Umgebung theilnahmen. Nach der Be endigung der Tafel machte der König von Portugal eine Rundfahrt durch die königlichen Gärten und kehrte um 7 Uhr Abends von dec Wikdparkstation aus nach Berlin zurück. — Heute verweilt der deutsche Reichskanzler wieder in Berlin, wohin er gestern Nachmittag von Franzensbad auS reiste. Gestern früh machte dort der deutsche Reichskanzler dem russischen Minister von Giers einen Besuch, unternahm darauf einen Spaziergang durch den Ort und die Anlagen und