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rate werden bis Vormittag l 1 Uhr angenom- und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile D FHFHUH oder deren Raum 15 Ps. M-w men M 195- j Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. 5 Uhr für den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2b Pf., zweimonatlich 1 M. 50 Ps. und cinmonatlich 7b Ps. SS. Jahrgang —.... , — . .. . > Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angenom Dicastag, denSI. August, j und TllgMM. Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. Nachbestellungen »ns den Monat September »erde« zum Preise von 75 Pfg. von alle« kaiserlichen Poftanstalten sowie von den be kannten Ausgabestellen und der unterzeichneten lkxpedition angenommen. Expedition des Freiberger Anzeiger. Die Revolution in Bulgarien. Als der Prinz Alexander von Battenberg, da ihm die bulgarische Fürstenwürde angetraaen wurde, den deutschen Reichskanzler um Rath fragte, ob er annehmen solle oder nicht, soll seinerzeit der Fürst geantwortet haben: „Nehmen Sie nur an, es wird Jhnei^ einmal eine angenehme Erin nerung sein, Fürst von Bulgarien gewesen zu sein!" Seit dem sind Jahre hingegangen, aber der ehemalige hessische Prinz von Battenberg hat sich nicht nur als ein kluger und charaktervoller Staatsmann, sondern auch als ein tüchtiger Heerführer bewiesen, der nicht nur in den Schlachten bei Sliwnitza und Pirol die serbischen Truppen glänzend besiegte, sondern sich auch mit großer Gewandtheit gegen die offenen und geheimen Angriffe der Russen in Bulgarien und Ostrumelien behauptete. Der Kaiser von Rußland konnte es ihm aber nie verzeihen, daß er mit lebhaftem Selbständigkeitsgefühl den russischen Einfluß in den Balkan ländern vernichtete, die als die wichtigsten Etappen auf dem Wege nach Konstantinopel gelten. Der sich täglich mehr verschärfende Gegensatz zwischen England und Rußland, der an der afghanischen Grenze früher oder später zu einem Zusammenstoß führen muß, machte es für den Zaren dop pelt empfindlich, daß der ehemals zur russischen Armee ge hörende Prinz Alexander von Battenberg sich auf England stützte und von der Königin Viktoria, die ihre Lieblings tochter Beatrice mit dem Prinzen Heinrich von Battenberg vermählte, offen beschützt wurde. Als der Zar den Fürsten von Bulgarien aus den Listen der russischen Armee streichen ließ, gab er damit sein Mißvergnügen über dessen Haltung in unverhülltester Weise zu erkennen, konnte es aber nicht hindern, daß Fürst Alexander außer der Gunst Englands auch das Wohlwollen anderer Mächte errang. Wollte Rußland nicht allen Einfluß auf der Balkanhalbinsel ver lieren, so mußte es nun erst recht Alles daran setzen, den widerspenstigen Bulgarenfürsten zu entfernen. Das konnte nur geschehen durch Aufreizung der unzufriedenen Elemente in Bulgarien und Ostrumelien oder durch Beeinflussung der Pforte zu Ungunsten des bisher bei dem Sultan sehr beliebten Fürsten Alexander. Die russische Staatskunst scheint Beides versucht und erzielt zu haben. Schon die Verleihung des russischen hohen weißen Adlerordens an den türkischen Minister des Aeußern, Said Pascha, wurde als ein Zeichen angesehen, daß der russische Einfluß am Bosporus wieder zugenommeu habe. Noch bedeutsamer war es, daß die Pforte auf einmal in Sofia die Forderung geltend machte, Ostrumelien für sich und als türkische Provinz verwaltet zu sehen. Bekanntlich hat die Pforte die thatsächliche Einigung der beiden Provinzen im Wege der Verwaltung und Justiz widerspruchslos ge schehen lassen, so daß man allgemein annahm, die türkische Regierung füge sich aus Friedensliebe der vollzogenen Thatsache. Man durfte dies um so eher glauben, als der Versuch, den Fürsten Alexander von Bulgarien nur als türkischen Generalgouverneur von Ostrumelien gelten zu lassen, keine andere Folge haben konnte als eine Empörung der Ostrumelier, die ihr Blut nicht im Serbenkriege ver gossen haben wollen, um wieder den Nacken unter das türkische Joch zu beugen. Die Umgebung des Sultans scheint aber blind für die Gefahren zu sein, die der Pforte aus einer Entfernung des Fürsten Alexanders und aus dem Wiederzunehmen des russischen Einflusses in Bulgarien und Ostrumelien erwachsen müssen. Diese türkischen Staats männer arbeiteten geradezu für Rußland, als sie den türkischen Delegirten in Sofia für die Verhandlungen mit der bulgarischen Regierung Weisungen ertheilten, welche die kühnsten Wünsche des Petersburger Kabinets erfüllten, die Bulgaren und Ostrumelier aber zur Verzweiflung treiben mußten. Ihrer türkischen Freunde sicher, ließ die russische Regierung verlauten, „daß man in Petersburg jetzt die bulgarischen Dinge mit etwas mehr Ruhe betrachte und sich vernünftiger Weise sage, daß Bulgarien, selbst wenn es vollständig geeinigt sein würde, Rußland nicht hindern könne, sein orientalisches Programm einst zu Ende zu führen, wenn erst in ein paar Jahren die russische Kriegs flotte auf dem schwarzen Meer gebührend organisirt sein werde. Deshalb werde sich Rußland jetzt Bulgarien gegenüber ziemlich passiv verhalten, so lange dasselbe nicht selbst Rußland irgendwie herausfordere. * Fürst Alexander dürfte bei solcher Sachlage keinen anderen Ausweg gewußt haben, als den bulgarischen Dele girten Nachgiebigkeit den Forderungen der Pforte gegen über zu empfehlen. In der Programmrede, welche kürzlich Lord Salisbury im britischen Oberhause hielt, war nur die Rede von der Unverletzlichkeit des türkischen Reiches, welche den traditionellen Grundsatz der englischen Orientpolitik bilde. Eine offene Parteinahme für Bulgarien war demnach von England nur zu erwarten, wenn der von der russischen Presse vielfach verlangte Einmarsch russischer Truppen in Bulgarien wirklich ins Werk gesetzt werden sollte. Für die britische Politik bildet nach der Aeußerung Salisburys rechtlich auch heute noch Bulgarien einen Theil der Türkei, den sie selbst dann nicht gegen die Pforte schützen kann, wenn diese, ihre eigenen Interessen mißverstehend, den in den Balkanländern zurückgegangen russischen Einfluß dort selbst wieder groß zieht. Ohne Rückhalt an England mußte Fürst Alexander sich zunächst, wenn auch mit widerstrebendem Herzen, den Forderungen des türkischen Oberherrn sügen, um nicht vor ganz Europa als Empörer und Friedensstörer zu gelten. Die Folge dieser Nachgiebigkeit hat höchstens die von Ruß land düpirten türkischen Staatsmänner überrascht, sicher aber die russischen Regierungskreise mit Hellem Jubel er füllt. In Sofia ist, wie wir dies gestern durch ein Extrablatt bereits einem großen Theil unserer Leser mit- theilten, eine Revolution gegen den Fürsten Alexander ausgebrochen, der abgesetzt und bei einer Trupp en besichtigung in Widdin festgenommen wurde. An der Spitze der Empörung stehen die bulgarischen Minister Karaweloff und Zankoff, ehemals die vertrautesten Rathgeber des Fürsten, jetzt seine Gegner, weil sie seine Absicht, gegen die Pforte Nachgiebigkeit zu üben, entschieden mißbilligten. Nicht umsonst haben seit Jahren die russischen Agenten die Bulgaren und Ostrumelier zu überzeugen gesucht, daß sie unter der Herrschaft des dem Zaren verhaßten Fürsten Alexander niemals die bulgarische Union und die Unab hängigkeit von dem türkischen Joch erreichen werden. Ob nur Vernunftgründe oder auch die rollenden Rubel die Katastrophe in Sofia beschleunigt haben, wird wohl nie aufgeklärt werden; jedenfalls ist die Absetzung des im Krieg und Frieden bewährten, von ganz Europa hochgeachteten Fürsten Alexander eine Episode m der Geschichte der Balkan staaten, deren Bedeutung sich nicht unterschätzen läßt. Der tapfere Prinz wird stets mit Stolz an seine Fürstenlausbahn zurückdenken können, die türkischen Staatsmänner dagegen, die seinen Sturz durch ihre verkehrte Politik herbeiführten, haben den Nagel zum Sarge der abendländischen Türkei geschmiedet. Jeder Schritt aber, den Rußland in Bulgarien auf der jetzt beschrittenen Bahn weiter vorwärts thut, muß die Abrechnung mit England beschleunigen, die bisher nur künstlich verzögert wurde. Nur die Friedensliebe des deut schen greisen Kaisers kann es verhindern, daß auch das deutsche Reich zu einer Abrechnung mit Rußland schreitet, dessen Politik sich längst nicht mehr auf den Bahnen be wegt, welche es nach dem Drei-Kaiser-Bunde hätte ein hallen müssen. Zunächst wird das deutsche Reich sich den sich voraus sichtlich rasch abrollenden Ereignissen auf der Balkan Halb insel gegenüber abwartend verhalten. Die Sprache der dem deutschen auswärtigen Amte nahestehenden Blätter klingt wenigstens ganz so, als wollte Fürst Bismarck zu dem russischen Spiele in Sofia gute Miene machen. Anknüpfend an die Nachricht über die Absetzung des Fürsten Alexander sagt die „Post": „Wir können unseren ersten Eindruck nur mit dem Worte wiedergeben, daß diese unerwartete Nachricht die Lösung einer Situation bringt, welche täglich gefährlicher wurde. Fürst Alexander, der einstige russische Kandidat, hatte ohne dessen Wissen sich zum Vertreter der englischen Interessen gemacht, die sich nicht auf die Erhaltung des Fürsten, sondern darauf richteten, Bulgarien als Zankapfel zwischen Rußland und Oesterreich zu schieben, in der Hoff nung, daß ein österreichisch-russisches Duell die Orientfrage ohne Opfer an englischem Blut und Geld lösen werde. Diese Absicht ist nunmehr durch die Ereignisse vereitelt. England scheidet vorläufig aus der aktiven Balkanpolitik aus Hierin erkennen wir ein friedliches Symptom der Lage. Denn daß Oesterreich und Rußland nicht wegen der Frage, wer jetzt der Fürst Bulgariens wird, übereinander herfallen werden, dafür bürgt die Thätigkeit des Fürsten Bismarck, die niemals bemerkbarer war, als während der letzten Wochen." In ähnlichem Sinne äußert sich die „Kölnische Zeitung": „Uebereinstimmende Depeschen aus Bukarest und' Kon stantinopel melden, daß Fürst Alexander von Bul garien bei einer Inspektion in Widdin ge fangen genommen und als Gefangener nach Lom-Palanka geführt worden ist; einer spä teren Nachricht zufolge befindet er sich bereits außerhalb Bulgariens. In Sofia ist seine Ab setzung ausgerufen und eine provisorische Regierung von Zankoff und Karaweloff, den Führern der beiden bisher feindlichen Parteien, gebildet worden. Fürst Alexander, dessen persönliche Eigenschaften ein besseres Schicksal ver dient hätten, stand seit einiger Zeit in der Luft, zwischen Rußland, welches ihn in die Stellung gebracht und Eng land, welches ihn erst gewonnen und dann im Stich ge lassen hatte. Seit es feststand, daß England weder für eine Balkanfrage, noch selbst für Konstantinopel, sondern nur für Indien Krieg führen werde, war Fürst Alexanders Stellung eine hoffnungslose. Die Türkei hat die russische Uebermacht genugsam gefühlt, um keinen isolirten Kampf gegen Rußland, namentlich nicht Bulgariens halber zu wagen; es ist sogar als sicher anzunehmen, daß man in Konstaninopel Kenntniß von der geplanten Absetzung des Fürsten Alexander hatte; was Oesterreich betrifft, so bürgen die Rücksprachen in Kissingen und Gastein daiür, daß es die ihm von England zugedachte Rolle, die bulgarischen Kastanien aus dem Feuer zu holen, nicht übernehmen wird. Wir können viel mehr erwarten, daß nach der Entfernung des Fürsten Alexander, den England als Keil zwischen Oesterreich und Rußland einzuschiebenversucht, eine kürzere oder längere Pause in der ewig wirbelnden Balkanbewegung eintreten wird. Die Leichtigkeit, mit der sich die Absetzung des Fürsten Alexander vollzogen hat, gestattet den Schluß, daß die Situation in Bulgarien nicht „aus der Hand" gehen, sondern daß die demnächstige Lösung, wenn auch vielleicht eine provisorische, jedenfalls keinekriegerische sein wird. Für unsern Standpunkt ist es angezeigt, heute wieder eines Wortes eingedenk zu sein, welches Fürst Bismarck in einem kritischen Momente des Berliner Kongresses aussprach: „Meine Herren, wir sind hier nicht versammelt, um über das Glück der Bulgaren zu berathen, sondern um den Frieden Euro- pa's zu sichern." Tagesschau. Freiberg, den 23. August. Es läßt sich nicht annehmen, daß der weitschende deutsche Reichskanzler von der abermaligen Umwälzung in Bulgarien überrascht worden ist. Fürst Bismarck hatte am Sonnabend Mittag in Bad-Gastein bei dem österreichischen Monarchen eine zweistündige Audienz, in der sicher Fragen von der höch sten Bedeutung verhandelt worden sind. Vorläufig weiß darüber natürlich Niemand etwas Näheres, jedenfalls erscheint aber die lange Unterredung des bald darauf abgereisten Kaisers von Oesterreich mit dem großen deutschen Staatsmanne als ein neuer Beleg der außerordentlichen Festigkeit und Innigkeit des deutsch-österreichischen Bündnisses. Das Letztere ikt gegenwärtig der sestruhende Pol in der Erscheinungen Flucht und dürfte sowohl Rußland wie England veranlassen, Alles zu vermeiden, was den massenhaft auf der Balkanhalbinsel angehäuften Zünd stoff zur raschen Explosion bringen könnte. So lange der eine große Anhänglichkeit für die Zarenfamilie bewahrende deutsche Kaiser es verhindern kann, werden Deutschland und Oesterreich in keinen Konflikt mit Rußland gerathcn. Umso erfreulicher ist die Rüstigkeit des greisen Monarchen, der am Sonnabend früh in der Gegend von Sperlingslust den Uebungen des ersten Garde-Regiments zu Fuß beiwohnte, nach der Rückkehr die Borträge des Oberhofmarschalls Grafen Perponcher, sowie des Chefs des Militärkabinets, Generallieutenants von Albedyll, entgegennahm und Nachmittags den Marquis Tseng und den chinesischen Gesandten empfing, welche mit mehreren anderen Herren hierauf an der Hoftafel theilnahmen. — Gestern wohnte d,e deutsche Kaiserin dem Gottesdienste in der Friedenskirche in Potsdam bei; der Kaiser wollte Nachmittags an einem Diner bei den Offizieren des Regiments 0uräv8 äu oorpg theilnehmen. — Der König von Portugal wird am 28. d. M. zu etwa drei- bis viertägigem Besuche am kaiserlichen