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SS Jahrgang . Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angenom- t Mittag, den 22. August. ^mmundbensgt^^^ IMv md Tageblatt. i b . Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg nnd Braud. Verantwortlicher Redakteur: Iuliu» Brauu in Freiberg. Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. S Uhr für den UN 1 I andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Pf., E zweimonatlich 1 M. 50 Pf. und einmonatlich 7b Pf. Die Woche. Das jetzige herrliche Sommerwetter, welches die Ernte in schönster Weise begünstigt, erfreut den Landmann, der die Frucht seiner Mühe heiteren Muthes zur Scheune führt, für den Politiker aber bedeutet diese Jahreszeit eine unfruchtbare Dürre. Bisher ließen die Erörterungen über die zu Gastein neu befestigten Beziehungen Deutschlands zu Oesterreich-Ungarn die politische Windstille weniger drückend erscheinen, auch gab es Ausstellungen, Kongresse, Veibandsfeste und dergleichen genug, welche die sogenannte todte Saison belebten. Jetzt erst scheint eine vollkommene Ruhe eingetreten, die von keinem lauteren Geräusch unter brochen wird, wie etwa die sommerliche Stille auf dem mit gebundenen Garben besetzten Felde durch das melodische Zirpen unzähliger Grillen. Auch an dem hundertjährigen Sterbe tag Friedrich des Großen unterblieb auf Wunsch des deut schen Kaisers jede rauschende Kundgebung; der Gedenktag wurde nur durch eine gottesdienstliche Feier in der Garnison- kirche zu Potsdam und durch eine Parade im dortigen Lustgatten ausgezeichnet, bei welcher diejenigen Truppen an dem Kaiser vorüberzogeu, welche als Deputattonen in der Kirche anwesend gewesen waren. Mit lauter auf dem ganzen Platze vernehmlicher Stimme kommandirte der greise Monarch die Parade, versammelte dann die höheren Offi ziere um sich und drückte ihnen seine Freude darüber aus, daß er diese Feier zu Ehren seines großen Ahnen in Pots dam habe begehen können, wo Alles an die beiden Könige erinnere, welche die Grundlage zu Preußens Größe ge wesen und die einer den anderen so vortrefflich ergänzt hätten. Wie gewöhnlich in Zeiten, in denen es an wirk lichen politischen Ereignissen mangelt, beschäftigen sich die Blätter mit allerhand Vermuthungen, leeren Hoffnungen und Befürchtungen. Nur so erklärt es, wenn jetzt darüber gestritten wird, ob die Reichsregierung der römischen Kurie die Erlaubniß zur Rückkehr der Jesuiten nach Deutschland in Aussicht gestellt habe oder nicht. Offenbar handelt es sich dabei nur um kühne Wünsche der Ultramontanen, denen wenigstens bis jetzt jede ernstere Begründung mangelt. Wie wenig Fürst Bismarck gesonnen ist, den jesuitischen Freunden des Kardinals Ledochowski Zugeständnisse zu machen, geht schon aus der konsequenten Art hervor, mit welcher zum Entsetzen der Polen das Germanisirungswerk im Osten des Reiches fortgesetzt wird. Der Kaiser ertheilte dem Präsi denten derAnsiedlungskommission in Posen, dem Grasen Zedlitz- Trützschler, eine Audienz und das preußische Staatsministerium hatte über die Ansiedelungs-Angelegenheit eine längere Be- rathung. Der Kommission wurden bereits zahlreiche polnische Güter zum Kauf angeboten und ist daran nicht mehr zu zweifeln, daß die innere Kolonisation sehr bald in Fluß kommen wird. Die Zurückdrängung des polnischen Elements ohne Verschärfung der konfessionellen Gegensätze ist jedenfalls ein Werk, das ganz und gar der traditionellen preu ßischen Politik entspricht, welche König Friedrich II. einst mit so vieler Klugheit und mit so glänzendem Erfolg eingeleitet hat. Trotzdem das Bündniß mit Oesterreich-Ungarn in allen Kreisen Deutschlands als eine feste Friedens- bürgschast geschätzt wird, haben die Gemeindevertretungen Berlins und Münchens Bedenken getragen, den Einladungen Folge zu leisten, welche ihnen aus Pest zu der zweihundert jährigen Gedenkfeier der Befreiung Ofens zugegangen waren. Die Erinnerungen an die Behandlung des sächsischen Volksstammes in Siebenbürgen, an die Verdrängung der deutschen Sprache in Ungam selbst und die Zuneigung vieler Magyaren für Frankreich ließen den Entschluß reifen, die Einladung nach Pest abzulehnen. Die am Sonntag erfolgte Eröffnung der historischen Ausstellung in Pest bildete den Anfang der Erinnerungsfeste, die jetzt in der ungarischen Hauptstadt gefeiert werden. Der Minister präsident Tisza benutzte in seiner politisch hochbedeutsamen Festrede die geschichtliche Thatsache, daß die Befreiung Ofens von der türkischen Herrschaft von einer zum großen Theile aus Deutschen und anderen Nichtungarn bestehenden kaiserlichen Armee vollsührt wurde, um Ungarn daran zu erinnern, daß die von der nationalen Begeisterung unter stützte Tapferkeit der Armee der mächtigste Schutz des Vaterlandes sei. Tisza knüpfte daran die Hoffnung, „daß, wann immer es Noth thun sollte, Jedermann sich dem be geisterten Zusammenwirken der Armee mit den anderen Theilen der Nation gegenüberfinden werde, der den Thron und das Vaterland zu bedrohen wagen sollte". Die Be ziehung dieser Worte auf die eben zum Abschlusse gelangte Jansly-Episode war mit den Händen zu greifen und ist auch allgemein als eine Mahnung zum Entgegenkommen gegen die Armee und zum innigen Zusammenleben mit derselben aufaefaßt worden. In den nächsten Tagen wird auch der Kaiser Franz Josef in Pest erscheinen und dort voraussichtlich, nach dem Eindruck seines Handschreibens an Tisza zu urtheilen, der Gegenstand begeisterter Huldigungen sein. Seinen Geburtstag verlebte der öster reichische Monarch am Mittwoch in Gastein im engsten Familienkreise, nahm aber die mündlichen Glückwünsche deS deutschen Reichskanzlers entgegen. Die von den belgischen Sozialisten in's Werk gesetzte Massen-Kundgebung in Brüssel ist am Sonntag ohne jeden ernsteren Zwischenfall verlaufen. Die Zahl der an dem Arbeiter-Auszug Theilnehmenden blieb weit hinter den Er wartungen zurück und dürfte höchstens 30000 betragen haben. Von klerikaler Seite wurde es dem Bürgermeister Buls sehr verdacht, daß er die Erlaubniß zur Demonstration ertheilte, weil die dabei ausgestoßenen Rufe und gesungenen Lieder wohl geeignet waren, Anstoß zu geben. In der Bürger schaft Brüssels ist man aber der Meinung, daß das Ver fahren der liberalen Stadtvertretung das geeignetste Mittel war, weitere Unruhen fern zu halten. In Frankreich bietet ein in Vierzon im Chei- Departement ausgebrochener Streik der Eisenbahnarbeiter Anlaß zu ähnlichen Besorgnissen wie ehemals die Arbeits einstellung zu Decazeville. Die kommunalen Behörden ver anlaßten die von den erschreckten Unternehmern herbeigerufenen Gendarmen und Truppen, sich vor der tobenden Menge wieder zurückzuziehen, doch hegen die staatlichen Behörden die Absicht, bei der ersten größeren Ausschreitung sofort ein Einschreiten der bewaffneten Macht zu veranlassen. Der Kriegsminister General Boulanger ist nach wie vor der Abgott der französischen Radikalen. In den Straßen von Paris wird seine Lebensbeschreibung und sein Bild massen haft verkauft; außerdem besucht Boulanger in auffälligster Weise sämmtliche Pariser Kasernen und Militäranstalten. Dabei dauern die Angriffe auf ihn im „Journal des Döbats", in der „Republique Franyaise" und anderen Blättern fort, wogegen von seinen Freunden verbreitet wird, Boulanger habe sich aus dem Kabinet zurückziehen wollen, sei aber von Clemenceau wieder davon abgebracht worden. — Der Kundgebung der Anhänger des Prinzen Viktor Napoleon im Familiensaale zu St. Mandä, woselbst der Abg. Jolibois und fünfhundert Bonapartisten am Napoleons tage den künftigen Kaiser priesen, legt man regierungsseitig keine wesentliche Bedeutung bei. Weit ernster erscheint der Versuch des Führers der opportunistischen Partei, Jules Ferry, die Gunst der Monarchisten zu gewinnen und mit ihrer Hilfe den Konseilpräsidenten Freycinet zu verdrängen. Jedenfalls hat die von Ferry bei der Eröffnung des Generalraths der Vogesen gehaltene Rede die Annahme bestärkt, daß die Opportunisten sich zu einem Sturm gegen die jetzige radikale Wirthschaft rüsten. Die Thronrede, mit welcher das englische Parlament eröffnet wurde, überging die auswärtige Politik mit Still schweigen und begnügte sich mit der Ankündigung, daß die Session in der Hauptsache der Erledigung des Budgets gewidmet sein werde. Der Premierminister Salisbury hielt es aber doch für nöthig, im Parlament Aufklärungen zu geben, welche die Lücken der Thronrede ergänzten. Er erklärte am Donnerstag im Oberhause, vor dem Beginn der Avreßdebatte, die Angelegenheiten in Birma befänden sich auf dem Wege der Regelung. Was die Feststellung der Grenze in Afghanistan anbelange, so erscheine es geeigneter, die Kommission zurückzuziehen. Es handle sich bei dem streitigen Gebiete um eine Strecke von zwanzig Meilen; es sei besser, die Frage direkt zwischen den beiden Kabineten zu erledigen, als die Grenzkommission noch einen zweiten Winter in jenen Gegenden zu lassen. Was Irland betreffe, so schlage die Regierung vor, hinsichtlich der irischen Gesetz gebung mit einer Prüfung und Enquete vorzugehen; be züglich der Verwaltung Irlands aber erstrebe die Regierung die Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung mit Hilfe der gewöhnlichen Gesetze. Sollten sich letztere als unzureichend erweisen, so werde die Regierung weitere Gewalten fordern. Von offiziöser Seite wird aus Petersburg die Be hauptung russischer Blätter, Rußland stehe im Begriffe sich von dem Drei-Kaiser-Bund loszusagen, als ganz un richtig bezeichnet. Die russische Politik bleibe bezüglich aller Dinge, die zur Erhaltung des Friedens dienen, mit den Kabineten in Wien und Berlin in vollem Einklang, behalte sich dabei wie bisher in Betreff des Schutzes russischer Interessen volle Aktionsfreiheit vor. Eine dem türkischen Minister des Aeußern, Said Pascha, verliehene hohe russische Ordensauszeichnung be stärkte aber die Annahme, daß Rußland bei der Pforte wieder größeren Einfluß gewonnen und die Absendung der türkischen Delegirten nach Sofia behufs Revision des or ganischen Statuts für Ostrumelien veranlaßt habe. In dem letzteren Staate herrscht deshalb eine tiefgehende Be wegung und ist nicht zu bezweifeln, daß die Wiederein führung einer besonderen Kammer, eines Permanenz-Komitös, einer gesonderten Verwaltung, Miliz u. s. w. für Ostrumelien unausbleiblich das Signal zu einem allgemeinen Aufstande geben würde, welcher nur durch eine türkische Armee oder eine auswärtige bewaffnete Intervention niedergeschlaben werden könnte. Die bulgarische Regierung befände sich, wenn die Pforte in der That den von Rußland gewünschten Standpunkt einnähme, vor der Alternative, entweder zum früheren System in Ostrumelien zurückzukehren oder sich in eine auswärtige Okkupation zu fügen; es läßt sich gegen wärtig nicht Voraussagen, zu welchem Entschlusse die Um stände die bulgarische Regierung drängen werden. Tagesschau. Freiberg, den 21. August Der deutsche Kaiser traf gestern Vormittag in Begleitung des Generaladjutanten Fürsten Anton Radziwill mittelst Extra zuges von der Station Neubabelsberg in Berlin ein und wurde dort bei seiner Ankunft von dem zahlreich versammelten Pub likum enthusiastisch begrüßt. Vom Bahnhofe aus begab sich der Monarch in Begleitung des Flügeladjutanten Oberstlieutenant v. Broefigke, welcher nach erfolgter Ankunft des Kaisers in Berlin bei demselben den persönlichen Dienst übernommen hatte, zunächst nach der Niederlage der königlichen Porzellanmanu- saktur in der Leipziger Straße und nach längerem Aufenthalte daselbst von dort nach der Ruhmeshalle, woselbst er unter Führung des Kricgsministers Bronsart von Schellendorff sich von der für den Sultan von Zanzibar zum Geschenk bestimmten Batterie ein Geschütz vorstellen ließ. Vom Zeughause aus begab sich der Kaiser in das königliche Palais und nahm dort mehrere Vorträge und die persönlichen Meldungen entgegen, empfing hierauf den Geh. Hofrath Bork und arbeitete noch einige Zeit allein. Demnächst hatte dann auch noch der Unter- Staatssekretär im Auswärtigen Amt Graf v. Berchem die Ehre des Empfanges. Um 3 Uhr Nachmittags kehrte der Kaiser mittels Extrazuges nach Potsdam bezw. Schloß Babelsberg zurück. Dort wurden bald darauf der preußische Gesandte beim Vatikan, von Schlözer, und der bairische Gesandte Graf von Lerchenfeld-Köfering von dem Kaiser empfangen und nebst anderen hochgestellten Personen zur kaiserlichen Tafel befohlen. — Die deutsche Kronprinzessin trat gestern Abend mit ihren drei Töchtern, den Prinzessinnen Viktoria, Sophie und Margarethe, die Reise nach Campiglio in Italien an. Ueber Leipzig, Hof, Schwandorf und Regensburg reisend, trafen höchstdieselben heute Vormittag um 10 Uhr 20 Minuten in München ein, woselbst das Frühstück eingenommen wurde. Um 10^ Uhr fand über Kufstein, Innsbruck und Bozen die Weiterreise nach Trient statt. In Trient wird die deutsche Kronprinzessin, welche mit den Prinzessinnen Töchtern im strengsten Inkognito reist, übernachten und am nächsten Tage die Reise nach Campiglio fortsctzen. Der Kaiser von Oesterreich beehrte am Donnerstag in Gastein den deutschen Reichskanzler mit einem Besuch und verweilte fast eine Stunde in dem Familienkreise des Fürsten Bismarck. — Nach dem neuesten amtlichen Bericht sind vom Donnerstag Mittag bis Freitag Mittag an der Cholera in Triest 16 Personen erkrankt und 3 gestorben. Das Gerücht, daß die Cholera auch in Tirol eingedrungen sei, wird als un begründet bezeichnet. — Anläßlich der jetzt in Kronstadt stattfindenden Generalversammlung der sächsisch-siebenbürgischen Vereine fand dort am Mittwoch eine Festgesellschaft statt, an welcher nahezu 500 Personen, darunter Bischof Teutsch und zahlreiche sächsische Celebritäten theilnahmen. Bei dieser Ge legenheit machte sich eine der bisher bekundeten entgegengesetzte versöhnliche Stimmung, sowie eine Aenderung der bisherigen Haltung bemerkbar. Der sächsische Reichstags-Abgeordnete Adolf Zay betonte in einer von patriotischem Geiste durch drungenen Rede, es sei Pflicht eines jeden Bewohners Ungarns,