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md Tageblatt Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zn Freiberg and Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julins Braun in Freiberg. Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angenom- FKFHF» men und beträgt der Preis sür die gespaltene Zeile » > FHFHGH oder deren Mmm 1b Ps. f — -LS. Jahrgaoe ----- l Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. b Uhr für den ü . 1 <2. s xLÄ« MLWLLV-KI Mittwoch, den 88. Juli. Ein systematisches Kanalwesen. Die häufigen Gewitter und starken Regen haben in diesem Sommer so vielfachen Schaden verursacht, daß der Ausbau eines systematischen Kanalwesens, welches die Wassermassen aufnehmen und durch geeignete Bewässerungs anlagen auf das ausgedehnte Kulturland vertheilen kann, mehr als je im deutschen Reiche wünschenswerth erscheint. Die großen Summen, welche verschiedene deutsche Staaten für tue Regulirungen der Ströme bisher verausgabt haben, wurden nicht ohne Erfolg ausgegeben, denn die in diesem Sommer so häufig niedergegangenen Wassermassen veran laßten dadurch in der Hauptsache nur das AuStreten kleiner Flüsse. Das wiederholt ausgetretene Hochwasser des Elb- stromes und der Oder verursachte verhältnißmäßig nur ge ringen Schaden, wogegen der schwer zu regulirende Weichsel strom abermals zu zahlreichen Klagen Veranlassung gab. An dem Bestreben, die Hochwasser ganz unschädlich zu ^machen, hat es nie gefehlt, wohl aber an den erforderlichen Mitteln, die Fluthen zu bewältigen und nutzbar zu machen. ES handelt sich dabei freilich um ganz enorme Summen, denn ein radikaler Schutz der Niederungen vor Hochwasser erfordert nicht nur umfangreiche Uferbauten, sondern auch die Anlage von Ableitungskanälen, von mächtigen Reservoiren, Won großen Deichbauten, die Verbindung der Landseen mit den Strömen und einen systematischen Ausbau der Bewässerungs anlagen. In dieser Weife haben bereits im grauen Alter- thume die Egypter den Nil bewältigt und feine Ueber- schwemmungen der landwirthschastlichen Kultur in wahrhaft bewundernswerther Art nutzbar gemacht. Ebenso ver standen es in späterer Zeit die Niederländer, durch ein treff liches Kanalsystem für die Landwirthschaft nicht nur den ergiebigsten Boden, sondern auch zugleich Verkehrsstraßen zu schaffen, auf welchen die Bodenerzeugnisse billig nach denjenigen Plätzen gebracht werden können, wo sie die vor- theilhafteste Verwerthung finden. In Frankreich erkannte -der große Staatsmann Colbert zuerst den bedeutenden wirthschastlichen Werth eines geeigneten Kanalsystems und die auf seine Veranlassung für umfängliche Wasserstraßen aufgewendeten Kosten haben dem französischen Staate reiche Zinsen getragen. Trotz seiner tausendjährigen Kultur hat Deutschland in dieser Beziehung noch nicht Genügendes geleistet, obgleich schon Karl der Große das Erforderniß der Regulirung und Verbindung der deutschen Ströme erkannte und trotzdem in der neueren Zeit der König Friedrich II. von Preußen und der König Ludwig I. von Baiern in den Flüssen und Kanälen nicht mehr Scheidegrenzen, sondern die natürlichsten Wege erblickten, Menschen und Güter zu einander zu führen. Eigenthümlicher Weife hat der Bau von Straßen und Chausseen die Anlegung von Kanälen niemals so sehr ver drängt und so ganz in Vergessenheit gerathen lassen, als dies durch den Eisenbahnbau geschehen ist. Man glaubte in Deutschland eine Zeit hindurch mit den Bahnen ein Verkehrsmittel gewonnen zu haben, welches die Wasser straßen ganz entbehrlich machen würde, obgleich der Bahn transport weit kostspieliger sein mußte. Der bedeutende Handelsverkehr, der sich aber auf der Elbe und auf anderen deutschen Strömen entwickelte, hat in der neuesten Zeit weit richtigere Ansichten über den Werth der Wasserstraßen in Deutschland verbreitet und damit brach sich auch wieder die Erkcnntniß Bahn, daß die Eisenbahnen besonders sür den Transport billiger und großen Raum erfordernder Erzeug nisse keinen vollen Ersatz für die Kanäle bieten können, von denen Deutschland eigentlich nur Anfänge besitzt. Die Vermehrung der Verkehrsmittel hat sich stets als das beste Mittel bewährt, den Volkswohlstand zu ver mehren und eine gerechtere, gleichmäßigere Vertheilung desselben zu bewirken. Sicher werden sich deshalb die fü Wasserstraßen aufzuwendenden Kosten ebenso wie die in Bahnanlagen niedergelegten Werthe als ein Zuwachs zu dem werbenden Nationalvermögen erweisen. Besonders wird dies geschehen, wenn sich die Kanalanlagen in geeig ncter Weise dem vorhandenen Bahnnctz anschließen, wen Kanäle und Eisenbahnen nicht mehr als feindliche Brüder, sondern als Geschwister erkannt werden, die auf verschiedene Weise einem und demselben Ziele zustreben. In diesem Jahre ist die Stromschifffahrt wiederholt in Peinlichster Weise durch plötzliche Ueberschwemmungen gestö worden, weil ein richtiges Kanalsystem fehlt, welches A Hilfe schaffen könnte. Das Uebel wiederholter Wassersna lenkte aber auch die Blicke der Volkswirthe auf die Noth Wendigkeit, geeignete Bewässerungsanlagen im Interesse de Bodenkultur zu schaffen, besonders aber der Zerstörung des »eutschen Waldes Einhalt zu thun. Die bedeutendsten Meteorologen haben nachgewiesen, daß mit der Zunahme der Waldverwüstungen sich auch die Wolkenbrüche häufiger als früher einstellten. Die Wassersnoth ist eine traurige Folge der Abholzung der Gebirgsforsten, welche in der Gründerzeit in ganz gedankenloser Weise betrieben worden ist. Was von der königlich sächsischen StaatSregierung in neuerer Zeit geleistet wurde, um die Waldwirthschaft wieder zu heben, ist in hohem Grade dankenswerth und steht es zu hoffen, daß mit Hilfe des Domänenfonds sowohl im Gebirge wie in der Niederung sich künftig wieder die Staats forsten vermehren, deren Holzertraa durch die Zölle ge- teigert wurde, die aber auch der Landwirthschaft als die besten Wasserregulatoren erheblichen Nutzen bringen. Freilich ist die Aufforstung nur dort eine leichte, wo nicht die Wald krume längst zerstört wurde. Die Ueberschwemmungen mahnen aber auch daran, die Flußregulirungen energischer, als bisher geschehen ist, fortzusetzen und zwar nicht nur den Lauf der Hauptströme, sondern auch den der schiffbaren Nebenflüsse zu regeln. Daß Buhnenbauten und die An legung von Dämmen bedeutende Kosten verursachen, ist freilich unbestritten, aber die dadurch entstehenden Lasten stehen noch lange nicht im Verhältniß zu den Verlusten, welche den Bewohnem zahlreicher Flußufer alljährlich durch Ueberschwemmungen verursacht werden. Für einen einzigen großartigen Kanalbau, für den Nord-Ostsee-Kanal, sind neuerdings im deutschen Reichstage und im preußischen Landtage ganz bedeutende Summen bewilligt worden, wei diese künftige Wasserstraße» zugleich eine große strategische Bedeutung haben wird, eine Eigenschaft, welche den Kanal bauten im Binnenlande mangelt. Die Letzteren sind aber umsomehr als die Zukunftsaufgabe eines geeinten friedlichen und wohlhabenden deutschen Reiches anzusehen, das damit nur eine lange versäumte Kulturarbeit nachholen würde. Tagesschau Freiberg, den 27. Juli Der deutsche Kronprinz empfing am Sonntag den kürzlich in Berlip eingetroffcnen „schwarzen Prinzen" Dido in dem neuen Palais bei Potsdam. In Begleitung des Asrikare»senden Angere, der die Kameruner nach Berlin ge bracht, und des Hagcnbeck'schen Vertreters, Frhrn. v. Schirg, fuhr Prinz Dido Sonntag Vormittag nach der Station „Wildpark", wo eine Hosequipage bereit stand, welche den exotischen Gast nach dem neuen Palais brachte. Derselbe wurde aus der.» Muschelsaal vom Grasen Schliessen in den Audicnzsaal geführt, in welchem dann der Kronprinz erschien und sich mit Prinz Dido in englischer Sprache unterhielt. Den Kronprinzen schien es zu erheitern, daß man in Kamerun bereits mit Zylinder und Gehrock vertraut sei. In eingehender Weise erkundigte er sich nach den Sitten und Gebräuchen der farbigen Untcrthanen Didos. Nach halbstündiger Unterhaltung, an welcher sich auch die deutsche Kronprinzessin betheiligte, wurden die Gäste huldvoll entlassen. Der Kronprinz Halle Befehl gegeben, dem exotischen Gast die gesammten Räume des neuen Palais zu zeigen. Nach Besichtigung derselben erfolgte die Rückfahrt in einer Hofcquipage nach der Station Wildpark. Auf allen zu passirenden Stationen hatten sich viele Neugierige angesammelt, vornehmlich auf dem Potsdamer Bahnhof, von wo Prinz Dido direkt nach der Flora in Charlottenburg zurückfuhr. Er schien ganz entzückt zu sein über den Empsang seitens der kronprinzlichen Herrschaften und äußerte dies wiederholt in lebhafter Weise ganz gegen sein sonstiges verschlossenes Naturell. . Der bairische Kammerpräsident Freiherr von Franckenstein hat geglaubt, auf die Behauptung einiger Blätter, daß er sich zum Nachfolger des Ministers von Lutz selbst angeboten habe, etwas erwidern zu müßen. Er veröffentlichte folgende Er klärung: „Am 11. Morgens vor 8 Uhr bekam ich in Marienbad vom Flügeladjutanten Grafen Dürckheim das im allerhöchsten Auftrage an mich gerichtete Telegramm aus Reutte, sofort dahin zu kommen. Ich beantwortete das Tele gramm zufagend, reiste mit dem nächsten Zuge von Marienbad ab und wurde alsbald nach meiner Ankunft in München von Sr. k. Hoheit dem Prinz-Regenten, bei dem ich mich zur Audienz gemeldet halte, empfangen. Ich theilte Sr. k. Hoheit das im allerhöchsten Auftrage an mich gerichtete Telegramm mit und sagte dem Prinz-Regenten, daß ich entschlossen sei, sobald als möglich dem Wunsche des Königs Folge zu leisten. Durch Se. k. Hoheit erfuhr ich, daß der König nicht in Reutte, sondern in Hohenschwangau ei, und nachdem der Prinz-Regent mir erklärt hatte, ich würde dort nicht zum Könige gelassen werden, mußte ich die Reise nach Hohenschwangau aufgeben". Die Münchener „Neuesten Nachrichten" verweisen auf die Wider« prüche, welche in dieser Erklärung enthalten sind und bringen u der letzteren folgenden Kommentar: „Am elften Juni Morgens erhielt also Baron Franckenstein da- Telegramm, welches er als Auftrag der Bildung deS neuen KabinetS ansehen mußte. Am zehnten Vormittags 10 Uhr, also 22 Stunden vorher, war die Proklamation deS Prinz-Regenten, . laut welcher er die Regierung des Königreiches wegen schwerer geistiger Erkrankung des Monarchen übernommen hatte, öffentlich bekannt gemacht worden und eS muß auch dir Kunde von diesem Ereigniß in das Idyll von Marienbad gedrungen rin. Aber selbst wenn Baron Franckenstein allein von der die zanzr Welt erschütternden Kunde in Marienbad und aus der ganzen langm Reise nach München kein Sterbenswörtchen erfuhr, hier in München hörte er sie aus dem Munde deS Prinz-Regenten, und trotzdem bestand er darauf, dem „Wunsche" des geisteskranken Königs Folge zu leisten, bis ihm der Prinz-Regent einen Riegel vor schob." — Im Dome zuMainz sand am Sonntag die Weihe deS Bischoss vr. Paulus Leopold Haffner durch den zum Erz bischof von Freiburg gewählten Bischof RooS von Limburg, unter Beistand der Bischöfe von Eichstädt und Trier, gemäß dem für die Feier aufgestellten Programme statt. Als Ver treter der Regierung wohnte der Provinzialdirektor Geheim« rath Küchler der Feier bei. Der Festzug, welcher den Bischof Sonntag Vormittag 9 Uhr in feiner Wohnung abholtr und denselben nach dem Schluffe der kirchlichen Feier dahin zurück begleitete, war äußerst glänzend. Zu dem um 3»/, Uhr Nach« mittags stattgefundenrn großen Festmahl in der festlich dekorirten Stadthalle waren gegen 1500 Theilnehmer angrmeldet. Sonn tag Abend wurde dem neuen Bischof und den auswärtigen Bischöfen durch einen Fackelzug, verbunden mit Musik und Ge- angvorträgen, eine Ovation gebracht. Die Reise der österreichischen Minister Taaffe und Dunajewski zum Fürsten Liechtenstein nach Hollenegg beschäftigt nun auch die czechischen Blätter. Nach der Prager „Politik" hat man es hier unzweifelhaft mit einer wohldurchdachten Demon- 'tration zu thun, „welche einerseits die Gerüchte über die an- zeblich erschütterte Stellung des Finanzministers dementiren und damit das Phantasiegebilde eines angeblich bevorstehenden Beamten-Minlsterilims zerstören, andererseits auch das Ver trauen der Majorität zur Regierung neuerdings befestigen soll". Dazu wirst die Wiener „Neue Freie Presse" folgende Frage auf: „Ist das Vertrauen der Majorität zur Regierung bereits so wankend und legt man den Versicherungen der offiziösen Presse auch in den Kreisen der Rechten schon so wenig Glaub würdigkeit bei, daß Gras Taaffe und Herr v. DunajewSki in der Gluthhitze des Hochsommers persönlich derartige Demon strations-Fahrten unternehmen müssen?" König Humbert von Italien spendete sür die Hinter bliebenen der an der Cholera in Venedig Gestorbenen die Summe von 40000 Franks, sür die Hinterbliebenen der in den anderen kleinen Gemeinden der Cholera Erlegenen die Summe von 100000 Franks. — Der Unmuth der Italiener über das Scheitern des Schiffsahrtsvertragrs mit Frankreich ist im Steigen begriffen. Bei der Unterredung, welche der italienische Botschafter in Paris am Sonntag deshalb mit Freycinet hatte, ergaben sich nur geringe Aussichten sür das Zustandekommen eines vorläufigen Vertrages. Zur Feier der von dem Generalrarh der belgischen Arbeiterpartei erreichten Einigung sämmtlicher Arbeiter- Genossenschaften des großen Maasbcckens zu einem Bunde wurde in Lüttich eine große sozialistische Versammlung ab gehalten, bei der 80 Arbeitervereine durch 800 Dclegirte vertreten waren. Die Versammlung wählte Blanvalet zum Vorsitzenden, Anseele aus Gent und Fluse aus Vervicrs zu Beisitzern. Alle Drei hielten Ansprachen, bei denen sie sich in den heftigsten Angriffen gegen den König, die Regierung, die Geistlichkeit, die Bourgeoisie, das Kapital und das Eigenthum ergingen. Schließlich beschloß man, falls nach der großen auf den 15. August anberaumten Kundgebung den Arbeitern das allgemeine Wahlrecht nicht gegeben werde, in Belgien die all gemeine Arbeitseinstellung einzuleiten. Der ministerielle „Temps" widerspricht dem vielverbreiteten Gerücht, wonach der französtsche Kriegsminister, General Boulanger, die Absicht hegen soll, die Militär-AttachöS bei allen Botschaften einzuziehen; nur bei der französischen Ge sandtschaft im Haag soll diese Stelle unterdrückt werden. Dasselbe Blatt meldet, der Kriegsminister werde Paris vor Ende August nicht verlassen. Die meisten Minister dürsten vom 15. bis zum 31. August von Paris abwesend sein und