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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg BtraMwortlichkr Redakteur: Iuliu« Brau» tu Freiberg ^-259. Erscheint jeden Wochentag NachmUt.Uhr für dm I! andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2d Pf., zweimimatlich 1M. SVPf. und einmonatlich 7S Pf. ff 40. Jahrgang. — Dienstag, de« 8. November. ' Inserate werden bis Bormtttag 11 Uhr angenom. ffFU FUiM mm und beträgt der Preis für die gespaltene Zelle n I F oder derm Raum 15 Pf. ff » Der Handelsvertrag mit Oesterreich. Bei der jetzigen Stimmung in den so einflußreichen landwirtschaftlichen Kreisen Deutschlands ist der deutschen Regierung nichts Anderes übrig geblieben, als auf jede Ver handlung über den Abschluß eines Tarifvertrages mit Oesterreich zu verzichten. Die im Frühjahr nach Berlin abgegangene Note der österreichisch-ungarischen Regierung, welche Vorschläge für die Erneuerung des Handelsvertrages enthielt, blieb bis in neuester Zeit ohne amtliche Erwide rung. Erst jetzt ist eine solche Antwort erfolgt, wie die ministerielle alte Wiener „Presse" behauptet, m Form einer offiziellen Note, während Berliner Blätter versichern, daß die betreffende Erklärung nur mündlich durch den deutschen Geschäftsträger in Wien abgegeben wurde. lieber den ab lehnenden Inhalt der Erklärung besteht aber kein Zweifel. Die deutsche Reichsregierung hat in Wien erklären lassen, daß durch die neueste in Oesterreich-Ungarn durchgeführte thatsächliche Zolltarif-Revision die handelspolitische Lage geändert worden sei und deshalb Verhandlungen über einen Tarifvertrag nicht eingeleitet werden könnten. Dagegen schlägt die deutsche Reichöregierung die unveränderte Ver längerung des mit Ende dieses Jahresablaufenden deutsch österreichischen Handelsvertrages auf die Dauer eines Jahres vor und beantragt, daß die bezügliche Verhandlung im diplomatischen Weg geführt werden möge. Wie die Dinge jetzt lie gen, konnte die deutsche Reichsregierung zu keinem anderen Beschluß kommen, wenn sie nicht mit allen jenen Kreisen zerfallen wollte, die, mit Rücksicht auf oen unleugbaren land- wirthschaftlichen Nothstand, ein weiteres Fortschreiten auf der Bahn des Schutzzolls für geboten halten. Wie weit dieser Pfad verfolgt werden kann, ist zunächst eine offene Frage; sicher ist, daß sich die deutschen Großgrundbesitzer mit der wohl im Prinzip schon zugestandenen Verdoppelung der Kornzölle nur in der Hoffnung einverstanden erklären, daß später noch mehr zu erlangen sein wird. Die Versiche rung, daß man regierungsseitig mit der Verdoppelung des Kornzolls das äußerste Maß der möglichen Zugeständnisse an tue Landwirthschaft erschöpft habe, wird nicht allzuernst genommen. Hat der Drei-Marb-Zoll sich nur als ein Finanzzoll und nicht als ein Schutzzoll bewährt, so kann das auch mit dem Sechs-Mark-Zoll der Fall sein, wenn das Ausland seinen Ueberfluß an Getreide uns auch unter diesen erschwerten Verhältnissen über den Hals schickt und die deutschen Konsumenten durch den niedngen Stand der fremden Valuten im Stande bleiben, das ausländische Ge treide immer noch verhältnißmäßig billig zu erlangen. Sollte sich auch im nächsten deutschen Reichstage eine Mehr heit für die Verdoppelung der KornzölleundErhöhungder Vieh- und Holzzölle finden, so würden damit sicher keine dauernden Zustande geschaffen werden und die Klagen in den Kreisen der Produzenten künftig höchstens etwas schwächer ertönen. An ein Einlenken in die Bahn der Tarifverträge ist nicht eher zu denken, als bis das jetzige Schutzzoll System auf die äußerste Spitze getrieben worden und der un widerlegliche Beweis geliefert worden ist, daß der Land wirthschaft dadurch nicht geholfen werden kann. Dieser Beweis fehlt jetzt noch; er kann nur durch die Erfahrung, nicht nur durch die Theorie erbracht werden. Wenn ein solcher Prattischer Versuch unseren Nachbam Unannehmlich keiten verursacht, so ist das gewiß sehr bedauerlich, aber doch damit zu entschuldigen, daß dieselben uns auf der Bahn der Schutzzölle vorangegangen sind, ohne sich sonder lich um die der deutschen Industrie damit zugefügten Nach theile zu kümmern. Ein Eingehm auf den Vorschlag der Verhandlungen über einen neum deutsch - österreichischen Tarifvertrag hätte die ehrliche Probe unterbrochen, die der jetzigen Wirtschaftspolitik gegönnt werden soll. Dieser Ansicht war auch der deutsche Landwirthschastsrath, als er in den letzten Tagen die Frage des deutsch-österreichischen Handelsvertrages streifte. Der Berichterstatter, Professor May-München, erläuterte, daß vom Standpunkte der land- wirthschaftlichen Interessen Deutschlands zu einer wesent lichen Aenderung der seitherigen Vereinbarungen ein Be- dürfniß nicht vorhanden ist und daß die Erneuerung des deutsch österreichischen Handelsvertrages, wie seither, auf der Grundlage der Meistbegünstigung und unter Aufrecht erhaltung des autonomen deutschen Zolltarifes vorgenom men werden sollte. Im Nebligen sei es ein dringendes Erforderniß, von deutscher Seite die Interessen der Land wirthschaft dahin geltend zu machen, daß keine auf Ab schwächung der bestehenden, die Einschleppung von Vieh seuchen verhindernden Bestimmungen abMende Bedingung zugestandcn wird. Nach längerer Berathung wurden mi I großer Mehrheit die beiden Anträge des Prof. May-j München angenommen: »der deutsche Landwirthschastsrath wolle erklären: 1. daß eS beim Abschluß eines Handels- verirages mit Oesterreich-Ungam für Deutschland im Interesse der Landwirthschaft geboten sei, sich bezüglich der Zollsätze Oesterreich gegenüber nicht auf unbestimmte Zeit zu binden, daß eS sich vielmehr empfehle, im Allgemeinen die Auto nomie auf dem Gebiete deS Zolltarifs gewährt zu sehen; 2. daß es im Interesse der deutschen Landwirthschaft liege, die Uebelstände allzu billiger österreichisch-ungarischer Frachten (geheimer Refaktien) vertragsmäßig herabzummdem und daß eS sich in dieser Hinsicht empfehle, die jetzige Fassung deS Art. 15 deS Vertrages nicht aufrecht zu erhalten, viel mehr auf die vor 1878 bestehenden bezüglichen Bestimm ungen zurückzugehen." Daß die Vereitelung deS Wunsches nach einem Tarif vertrag mit Deutschland in Oesterreich-Ungarn Mißstimmung erzeugen würde, ließ sich erwarten. Es ist das Wasser auf die Mühle jener Czechen, welchen das polifische Em- verständniß zwischen Deutschland und Oesterreich verhaßt ist und die das Wiener Kavinet gern zu einer Verstän digung mit ihren slavischen StammeSgenossen in Rußland drängen möchten. Die rasche Beschlagnahme der in Prag erschienenen antideutschen-czechischen Hetzbrochure zeigt aber, daß die österreichische Regierung nicht gesonnen ist, eine derartige Strömung aufkommen zu lassen. Bedenklicher ist die Aufnahme, welche der Plan der deutschen Kornzoll- Verdoppelung in Ungarn findet, wo sich selbst die Regie rungsblätter, wie der „Pester Lloyd", darüber sehr bitter äußem. Dieses Blatt behauptet, daß Oesterreich Ungarn seine Zölle erst erhöht habe, nachdem Deutschland nach rinander dem österreichischen Getreide, seinem Mehl und einen Waldprodutten den Eintritt über die deutsche Grenze mhezu unmöglich gemacht hatte. Der „Lloyd" fügt dann -inzu: „Jede Zollerhöhung in Oesterreich-Ungarn wurde übrigens unter dem Vorbehalt vorgenommen, daß die Zölle wieder ermäßigt werden sollen, wenn die Nachbarstaaten, namentlich Deutschland, geneigt sein würden, ihrerseits Konzessionen zu machen. Unser Tarif enthält eine statt liche Reihe von Sätzen, die mit dem eingestandenen Hinter- zedanken geschaffen wurden, als Kompensations-Zölle zu rienen, was abermals beweist, daß auf unserer Seite un ausgesetzt an die Schaffung von Tarifverträgen gedacht wurde, und daß in Oesterreich-Ungarn keinen Augenblick )er Protektionismus unbedingte Herrschaft auSübte. Was insbesondere Deutschland betrifft, können wir behaupten, daß in Oesterreich-Ungarn nicht nur die Freihändler aus Prinzip, sondern auch die Hochschutzzöllner und Agrarier aus politischen und sachlichen Gründen für ein enges, wirthschastliches Verhältniß mit diesem Staate eingetreten sind, und wir hegen die Ueberzeuaung, daß es nur des Eingehens in die Verhandlung bedurft hätte, um hundert und aber hundert Berührungspunkte hervortreten zu lassen." Demgegenüber ist zu konstatiren, daß im deutschen Landwirthschastsrath ernste Bedenken gegen ein etwaiges engeres w rthschaftliches Verhältniß zu Oesterreich-Ungarn erhoben worden sind und daß ein etwaiger deutsch-öster reichischer Zollbund von den jetzt in Deutschland maßgeben den Kreisen ebenso wenig gewünscht wird, wie der Abschluß eines Tarifvertrages mit Oesterreich. Uebrigens ist der Weg zum Hochschutzzoll stets und überall mit Kompensations- Zöllen gepflastert. Auch in Deutschland hieß es bisher immer, man müsse hohe Zölle beschließen, um bei- künftigen Vertragsverhandlungen Zollermäßigungen zugestehen zu können und für dieselben werthvolle Zugeständnisse zu Gunsten der deutschen Ausfuhr zu erlangen. In Wirklich keit macht aber dieses allseifige Höherschrauben der Zollsätze die Rückkehr zu Tarifsätzen, welche beiden Seiten billig erscheinen, immer schwieriger und läßt allen Theilen zuletzt die Kampfzollpolitik einem billigen Vertragsverhältniß vor ziehen. Dre Verlängerung des deutsch-österreichischen Meist begünstigungs-Vertrages auf ein Jahr ist ein Nothbehelf, gegen dm Niemand etwas einwenden wird, der die Lösung der Frage vertagt, aber im Grunde auch erschwert, zumal aus dem jetzigen Vertrage die Bestimmung entfernt werden wird, welche Ausfuhrprämien verbietet und Oesterreich- Ungam seine Ausfuhr-Vergütungen für Zucker und Spiritus baldigst erhöhen will. Wie sich unter solchen Umständen das handelswirthschaftliche Verhältniß zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn nach Ablauf der Ver längerungsfrist gestalten soll, entzieht sich jeder Berechnung und wird wohl von den übrigen politischen Verhältnissen abhängen, bei denen überraschende Wendungen ebenfalls nicht ausgeschlossen sind. Tagesschau. Freiberg, dm 7. November. Die neueste da- Befinden deS deutsche« Kaiser- be treffende amtliche Meldung lautet: „Die KonvaleScenz Sr. Majestät de- Kaiser- und König- schreitet regelrecht fort. Der Krästezustand bessert sich langsam, macht aber noch größere Schonung nothwendig." — In der Reichshauptstadt hält man trotz der Genesung deS Kaiser- dm Glauben an eine baldige Rückkehr de» deutschen Kronprinzen fest, dessen Palai- unter den Linden jetzt für die Heimkehr der kronprinzlichen Zamilie schleunig in Stand gesetzt wird. Auf Wunsch der deutschen Kronprinzessin wird in diesen Tagm vr. Mackenzie von London in San Remo eintreffrn, um eine erneute Prüfung der Stimmbänder des Kronprinzen vorzunehme». Möglicherweise soll von dem Ergrbniß der Untersuchung dir Erlaubniß zu einer beschleunigten Rückkehr de- Hohm Patienten nach Deutschland abhängen, die bi-her erst für da- kommende Zrühjahr in Aussicht gmommm war. — Der „Köln. Ztg." ist aus FriedrichSruh die Nachricht zugegangen,, daß der deutsche Reichskanzler wiederum an rheumatischen MuSkelschmerzrn leidet und daß Pros. Schweninger nach Friedrich-ruh berufen wordm ist. Vorigen Mittwoch war der Staatssekretär Graf Herbert Bismarck in Friedrich-mH, nach dem er vorher eine rinstündigr Unterredung mit d«n russischen Botschafter Grafm Schuwalow auf dem Auswärtigen Wut hatte. Man darf al- sicher annehmm, daß e- sich sowohl bei dieser Unterredung, al- auch bei der Anwesenheit de» Grafm Herbert in Friedrich-ruh um den bevorstehenden Be such deS Zaren in Berlin gehandelt hat E» wird bestätigt, daß sowohl dem russischen Kaiser al- auch dem Thronfolger preußische Uniformen nach Kopenhagen gesandt wurden. — Die deutsche Reichsregierung steht vor der Rothwendigkett, wieder ein neue- Jnfanteriegewehr einzuführm. E» ist nicht bekannt, ob bereits die ganze bestellte Anzahl von Magazin gewehren vollendet ist, — jedenfalls ist die Zeit für'- Magazin- gewehr vorüber. Denn dasselbe ist eine schwere Handwaffe von 11 nun Kaliber, während Frankreich seine Armee mit einer leichten Waffe von nur 8 mm Kaliber auSrüstet und die Grmzkorps mit derselben auSgestattet hat, auch Oesterreich soeben ein ähnliche» Gewehr einführt, während r» ebm noch mitten in der Anschaffung de» dem deutschen Magazingewehr gleichwerthigeo Mannlichergewehres begriffen war. Die Vor züge des kleinkalibrigen Gewehres find so groß, daß sich dessen Anschaffung schlechterdings nicht ablehnm läßt, wenn die deutsche Armee auf der Höhe der Leistungsfähigkeit bleiben soll. Ein mal ist diese- Gewehr beträchtlich leichter als daS großkalibrige, es ermüdet daher den Soldatm auch weniger, sowohl auf dem Marsche wie im Gefecht. Sodann sind auch die Patronen leichter und der Soldat kann daher fast die doppelte Anzahl wie bei dem Magazingewehr bei sich tragen. Ferner sit die Flugbahn eine weit geradere und mithin die Treffsicherheit eine höhere. Dazu kommt, daß das kleinkalibrige Gewehr mehr als doppelt so weit trägt als da- großkalibrige, und endlich, daß eS die sechsfache Durchschlagskraft besitzt. ES ist nicht ausgeschlossen, daß die deutsche KriegSverwaltung ein noch kleineres Kaliber, etwa 7'/», wählt. DaS jetzige, vor Kurzem erst mit so großen Kosten und Mühm einge führte Magazingewehr soll der Landwehr überwiesen werden, sobald daS neue Gewehr eingeführt sein wird. — Ja der am Sonnabend in Berlin stattgehabten Schlußsitzung deS deut schen Landwirthschaft-rathe» erfolgten die Ver handlungen über das Eismbahntarifwesen. Der Referent, Gutsbesitzer Uhlemann (Görlitz), beantragte, die Resultate ab zuwarten, die eine demnächst zusammentretmde Konferenz der deutschen Eisenbahnverwaltungen über diese Frage zeitigen werde. Die Versammlung beschloß, diese Sache zu vertagen. Auch der Anttag über da- Kreditwesen wurde vertagt, da die vom Landwirthschastsrath behusS Berathung dieser Frage ein gesetzte Kommission mit ihren Arbeiten noch nicht fertig war. Der Gennalsekretär vr. Müller (Berlin) referirte alsdann über daS Feuer- und Hagelversicherungswesen. Auf Anttag Müllers wurde beschlossen: „Der deutsche LandwirthschaftS- rath erblickt in dn von dem Verbände der deutschen Privat- feuerverficherungsgesellschaften vorgenommenm Neuredaktion und der dadurch erreichten einheitlichen Gestaltung der Versicherung-» bedingungen, sowie in der Gewinnung einer allgemeinen, dem heutigen Stande der Rechtsprechung ebenso wie den allgemeinen wirthschaftlichen Erfordernissen der Versicherung entsprechenden VerttagSgrundlage einen Fortschritt auf dem Gebiete de» Feuerversicherungswesens. Der deutsche Landwirthschastsrath beauftragt seinen Vorstand, beim Verbände der deutschen Privatfeuerverfichungsgesellschaften daS Ersuchen zu stellen, behufs größerer Publizität der Vereinbarungen und behufs