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— / . Uhr angmom- ! ^paltene Zeile 1oO«. ^-230 Inserate werdm bis Vormittag 11 Uhr angenom men und beträgt der Preis für die r '' " " " oder deren Raum 1b ' 40, Jahrgang Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. V,S Uhr für den i IV andern Taa. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Pf., ? ÜkN 4. zweimonatlich IM. 50Pf. und cinmonatlich 75Pf. g und TllgedlllU. AmtMM für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: Iulius Braun iu Freiberg. Der wirtschaftliche Krieg gegen Rußland. Vor wenigen Tagen verlautete, daß doch noch eine Zu sammenkunft des deutschen Kaisers mit dem Zaren und zwar Mitte Oktober in Danzig stattfinden werde. Man fand eine Bestätigung des Gerüchts in der Nachricht, daß die Moskauer Blätter die Weisung empfingen, ihre Angriffe auf Deutschland und den Füsten Bismarck einzustellcn. Offenbar verhindern aber dennoch ernste politische Gegen sätze den von unserem greisen Kaiser so sehr gewünschten Besuch des Zaren. Wenigstens wurde der „Politischen Korrespondenz" aus Petersburg gemeldet, daß von einer solchen Begegnung für Mitte Oktober keine Rede sein könne, .weil sich an den Gründen, welche gegen das Zeitgemäße dieser Begegnung sprechen, in der Zwischenzeit nichts geändert habe." Dies scheint für die preußischen Regieruns- blätter das Signal zur Wiederaufnahme des für einige Zeit unterbrochenen Kampfes gegen die russischen Werthe und gegen die Einfuhr russischen Getreides gewesen zu sein. Die .Köln. Ztg.", die „Neue Preuß. Ztg." und die .Post", drei Blätter, welche unverkennbar mit den preußi schen Regierungskreisen Fühlung haben, schossen auf's Neue los. Die .Neue Preuß. Ztg." verlangte abermals die Be- steuerung ausländischer Werthe und schrieb wörtlich: .Aller dings weiß man, daß der Zar einem Kriege, namentlich gegen Deutschland abgeneigt ist, allein man weiß auch, daß die Slavophilen sich des Gehörs des Zaren erfreuen. Hin wiederum bringen die Franzosen ihrer politischen Liebe sicherlich nicht das Opfer, russische Werthe aufzunebmen, ohne von ihren neuen Freunden Erkenntlichkeit zu fordern. Es sind der Beispiele genug in der Geschichte dafür vorhanden, daß die Umstände oft mächtiger sind als selbst der mäch tigste Selbstherrscher." An der Abneigung des russischen Kaisers gegen einen Krieg ist kaum zu zweifeln; ihm sind die Gräuel des Feldzuges gegen die Türkei noch lebhaft im Gedächtniß, weshalb er nicht ohne dringende Noth neues Blutvergießen geschehen lassen will. Von dieser Ge sinnung zeugt ein von Fredensborg datirter Ukas, der die sofortige Entlassung aller Matrosen der Flotte der Ostsee und des Schwarzen Meeres anordnet, deren Dienstzeit erst am 1./13. Januar 1888 abläuft. Außerdem erhielten alle Schiffskommandanten Vollmacht, nach eigenem Ermessen Urlaub an Mannschaften zu ertheilen, jedoch mit der Be dingung, daß sich dieselben bis zum 1./13. März 1888 wieder anmelden müssen. Trotz dieser friedlichen Kundgebungen des Zaren wiegt man sich von deutscher Seite nicht in Sicherheit, mißtraut vielmehr der panslavistischen Umgebung des russischen Selbst herrschers, dre denselben von dem Besuche des Kaisers Wilhelm in Stettin zurückhielt und untergräbt systematisch die Stellung des noch von Katkow an Stelle des deutsch freundlichen Ministers von Bunge empfohlenen Finanz- Ministers Wischnegradski. Dem Letzteren ist durch die deut schen Angriffe auf die russischen Werthe bereits manche bittere Verlegenheit geworden, welche ihn erst recht in die zwingende Nothwendigkeit versetzte, finanziellen Beistand in Paris zu suchen, der dort vielleicht nicht in der ursprüng lich gewünschten Höhe von zwei Milliarden, aber doch sicher von einigen hundert Millionen geleistet werden wird, um sich für alle Fälle freundschaftliche Beziehungen zu Rußland zu sichern. Dabei schreitet die deutsche Wirthschaftspolitik auf einem Pfade fort, der wahrscheinlich zu einer weiteren Entwickelung eines wirthschaftlichen Konflikts mit Rußland führt. Der Ausbruch eines offenen Zollkrieges zwischen Deutschland und Rußland dessen Folgen vielleicht nicht auf das wirthfchaftliche Gebiet beschränkt bleiben würden, scheint jetzt fast unvermeidlich. In der Absicht der russischen Regierung, am Beginn des Jahres 1888 wesentliche Er höhung fast aller Zollsätze einzuführen, kann man kaum etwas Anderes als einen gegen die deutsche Industrie ge richteten neuen Streich erblicken, was die Verstimmung der leitenden deutschen Kreise gegen den russischen Finanzminister nur zu vermehren geeignet ist. Durch diese Bedrohung der deutschen Industrie wird aber auch gleichzeitig den deutschen Großgrundbesitzern die längst gewünschte Handhabe geboten, den Reichskanzler zur vollständigen Verhinderung der Ein fuhr russischer Rohprodukte zu bewegen. Die deutschen Landwirthe fürchten mehr als je die Konkurrenz russischer Getreidemassen, weil der Erntesegen in den südrussischen Gouvernements unerwartet reich ausgefallen ist und auf den dortigen Eisenbahnen ein solcher Andrang vonGetreive- fendungen stattfindet, daß alle Bahnstationen von den auf- Oesterreich nie gern gesehen worden. Auf neuere An ¬ griffe der russischen Presse antwortet die Berliner .Post" treffend: „Wenn Deutschland einen Einfluß auf seine Freunde auSübt, so übt eS ihn im Sinne der Erhaltung des Friedens. Nur dahin zielen alle seine Rathschläge. Wir zweifeln nicht an der Versicherung, daß der amtlichen russischen Politik eben- allS die Bewahrung des Friedens am Herzen liegt und daß ie auf friedlichen Wegen zu ihren Zielen zu gelangen bestrebt et. Wenn dies sich aber fo verhält, so sehen wir nicht, welchen Anlaß die russische Politik haben könnte, die Annähe rung Italiens an Deutschland mit scheelen Blicken zuverfolgen." DaS Verhalten der deutschen Retchsregierung dem jungen Schnäbele und der Wtttwe Brignon gegenüber muß selbst die russische Presse als ein taktvolles anerkennen. Die Rechtsfrage bleibt davon unberührt. Die „Straßburger Post" schreibt, über den traurigen Fall bet Raon: „Mag die formelle Er ledigung des bedauerlichen Zwischenfalles ausfallen wie sie will — und bei der bekannten edlen Friedfertigkeit unserer Regie rung wird sie sicher fo ausfallen, daß kein weiterer Konflikt entsteht —, die moralische Verantwortlichkeit im vorliegenden Falle trifft den Jagdgeber, oder besser gesagt, das unvernünftige Benehmen der französischen Grenzbevölkerung überhaupt, die Alles, was von deutscher Seite geschieht, entweder systematisch ignorirt oder falsch auffaßt, die jede Beziehung mit den deut- schen Beamten peinlich vermeidet -c., mit einem Worte den französischen Chauvinismus. Der ist nicht ohne Mitschuld an dem Tod von Brignon und an der Verwundung des Herrn von Wangen." Unser Kaiser nahm am Sonnabend in Baden-Baden mehrere Vorträge entgegen und machte am Nachmittag eine Spazierfahrt. Zum Diner bei der Kaiserin waren am Sonn abend die Spitzen der Behörden aus Baden-Baden geladen. Tagesschau. Freiberg, den 3. Oktober. An die Zusammenkunft des deutsche« Reichskanzler- und deS österrelchifch-ungarifchen Ministers Grafen Kalnoky schließt sich jetzt eine Begegnung, die augenblicklich in Fried- rtchSruh zwischen dem Fürsten BtSmarck und dem leitenden italienischen Staatsmann stattfindet. Der Sohn de» deutschen Kanzlers, Staatssekretär Gras BtSmarck, hat Sonnabend Nach mittag Berlin verlaffen, um den italienischen Ministerpräsidenten CrtSpt in Büchen zu empfangen und von dort nach Friedrichs ruhe zu geleiten. Gestern Nachmittag ist auch der italienische Botschafter Gras de Launay nach FriedrichSruh abgeretst. Gegenüber dm festen und tnttmm Beziehungen, welche Italien und Deutschland seit Jahren verbinden, bedarf eS nicht be sonderer Ereignisse, um eine Zusammenkunft zu erklären, wie diejenige, die jetzt in FriedrichSruh stattfindet. Es liegt in der Natur der Sache, daß von beiden Staatm die Uebcreiu- stimmung in den leitenden Gesichtspunkten in der Behandlung der europäischen Fragm fortwährend gesucht und festgehalten werden muß. In dem großen europäischen Friedensbunde hat Italien, entsprechend seinen Ueberlieferungen, der nationalen Seite der bulgarischen Frage von allen Großmächten die ent schiedensten Sympathim entgegengebracht, während deutscherseits das europäische Vertragsrecht vor Allem als maßgebend er kürt worden ist. Ob eS Herr Crispi unternommen hat, dm Ausgleich zwischen diesen zwei Standpunkten durchzuführen, muß für jetzt dahingestellt bleiben. Daß die Bemühungen deS italienischen Ministers der Sache eines gesicherten Frieden- gewidmet sind, ist aber zweifellos, wie Herr Crispi sich scher auch von der Fortdauer des festen Entschlusse- Deutschlands, für die Erhaltung des Friedens seine« ganzen Einfluß einzusetzen, überzeugen wird. Von russischer Seite ist die Annäherung Italiens an Deutschland und der Ostseestädte gutheißen, welcher dahin geht, daß jedem Importeur von Roggen und Weizen unbeschadet der Mischung gestattet sein soll, eine dem rmportirten Quantum gleiche Menge gegen Rückvergütung des Zolles wieder auszuführen, ohne daß er nöthig hat, die Identität deS exportirten mit dem importirten Quantum nachzuweisen, sondern, indem sie diesen Wunsch auch umgekehrt ange wendet wissen wollen, d. h. wer ein Quantum Roggen oder Weizen exportirt, soll das Recht haben, ein gleiches Quantum zu importiren, ohne dafür den Zoll zu ent richten. Wie auch die Entscheidung fallen wird, scheinen ernste Folgen unausbleiblich. Reichsregierung und Reichstag werden vor Allem erwägen müssen, was schwerer wiegt, die Verstimmung Oesterreich-UngarnS durch eine neue Korn zoll-Erhöhung oder diejenige Rußlands durch Differenttal zölle, durch welche zugleich die deutschen Ostseehäfen veröden würden. gehäuften Vorräthen förmlich blokirt sind. Selbst auf den kleineren Stationen lagern Hnnderttaufende von Pud Getreide, welche der Versendung harren; auf den größeren sudrusstschen Stationen zählen die aufgehäuften Frachten nach Millionen Pud. Trotzdem fämmtliche Fahrbetriebsmittel für die Ge treideausfuhr in Bewegung gesetzt wurden, ließen sich solche Massen von Getreide nicht bewältigen, weshalb dre Ver waltungen der südrussischen Bahnen die Verfrachter von Getreide aufforderten, mit der weiteren Zufuhr einstweilen innezuhalten. . Unter solchen Verhältnissen haben die deutschen Land wirthe allen Grund eine Ueberfiuthung deS Marktes mit russischem Getreide zu wünschen und würden es mit Freuden begrüßen, wenn der von Rußland aus durch Er höhung aller Zolltarife eingeleitete Kampf zu Repressalien führte. Für eine solche Wiedervergeltung tritt die „Köln. Ztg." mit folgenden Sätzen ein: „Wenn Rußland verhin dert. daß unsere Waaren unsere Grenzen nack Osten über schreiten, so müssen wir verhindern, daß russische Erzeugnisse die russischen Grenzen nach Westen verlassen Wie fortan unsere Waaren in Deutschland bleiben müßten, so sollten auch russisches Getreide, russisches Vieh, russisches Holz fortan in Rußland bleiben. Wir sind vollauf in der Lage, durch entsprechende Handels- und Zollver träge mit Oesterreich-Ungarn, Serbien uni Rumänien dafür zu sorgen, daß das für unsern Bedar erforderliche, im Jnlande nicht ausreichend genug erzeugte Getreide, Vieh und Holz so reichlich bei uns einge führt wird, daß dem deutschen Käufer daraus keine Vertheuerung dieser Gegenstände er wächst, wenn wir ihm auch die russischen Landeserzeug nisse durch unsere Zollpolitik fernhalten. Wir würden au diese Weise einen sehr wesentlichen und glücklichen Fortschritt zu dem mitteleuropäischen Zollverein machen, dessen er- strebenswerthe Verwirklichung schon jetzt nicht nur das Ideal vieler bedeutenden VolkSwirthschaftslehrer, sondern nicht minder zahlreicher praktischen Staatsmänner ist. Wir würden aber auch gleichzeitig für den Tag der unaus bleiblichen wirthschaftlichen Abrechnung mit Rußland, das heißt, für die Zeit, wo die russische Re gierung endlich einmal diesen jetzigen, Rußland dem Ver derben entgegenführenden Pfad verlassen wird, die Mittel in der Hand haben, Nachgiebigkeiten Rußlands in den wich- tigsten Zöllen auf unsere Waaren mit gleicher Nachgiebig keit und gleichem Entgegenkommen auf russische Landes erzeugnisse zu erwidern. Der stete Einwand, das förmliche Eröffnen eines Zollkrieges erzeuge nur fortgesetzte neue Zollerhöhungen, hat sich Rußland gegenüber als völlig unstichhaltig gezeigt. Ohne daß wir auch nur eine Zoll- Gegenmaßregel getroffen haben, hat die russische Regierung die Zölle gegen Deutschland immer und immer von neuem erhöht; es kann schon jetzt für Deutschland in sehr vielen Fällen kaum noch von Unterschied sein, ob die neuen Zölle um 10 oder um 100 Prozent erhöht werden. Sorgen wir dafür, daß wir uns die Mittel zur wirthschaftlichen Abrechnung rechtzeitig verschaffen, Mittel, die wir zur Zeit nahezu vollständig entbehren. Es hat doch keinen Zweck, Länder, die uns auf wirthschaftlichem Gebiete gleichberechtigt und freundlich behandeln, auf denselben Fuß zu stellen, wie diejenigen, die uns auf diesem Gebiete nachdrücklich be kämpfen und auszuschließm streben. Aufgabe der nächsten Reichstagssession wird es werden müssen, in dieser wichtigen Frage endlich einmal klare, mit den Forderungen des praktischen, wirthschaftl-chen Lebens in Einklang stehende Stellung zu nehmen." Eine ähnliche Wendung der deutschen Zollpolitik, welche die bevorstehenden Verhandlungen über die Erneuerung eines Handelsvertrages zwischen Deutschland und Oester reich-Ungarn wesentlich erleichtern würde, dürfte bei der jüngsten Begegnung zwischen dem deutschen Reichskanzler und dem Grafen Kalnoky zur Sprache gekommen sein. Für die deutschen Ostseestädte könnte es aber nur den Ruin be deuten, wenn Deutschland dahin käme, einen Ersatz für das russische Getreide in Oesterreich zu suchen und Verhand lungen über den Abschluß eines deutsch-österreichischen Zoll vertrages einzuleiten, für den sich die meisten deutschen Handelskammern im Interesse vieler nothleidender Industrie- Zweige ausgesprochen haben. Von den bedrohten In teressentenkreisen in den Ostseestädten werden aber jetzt die Agrarier bestürmt, ihre Forderung nach Erhöhung der Zölle für Korn zu Gunsten der Beseitigung des Iden titätsnachweises fallen zu lassen. Einzelne einflußreiche Führer dieser Partei sollen wirklich den bezüglichen Wunsch