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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakte«: Juli»« Braun in Freiberg. H ! Erscheint jeden Wochentag Nachurüt. */,S Uhr für StA «0 INA andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mart 2d Pf., zweimonatlich 1 M. d0Pf. undeinnuvatlich 7b Pf. 40. Jahrgaug. - Sonnabend, den 16. Juli. Inserate werden bi» Bormitlag 11 Mr angenom men und beträgt der Prei» für die gespalten« Zeil« »der deren Raum 1b Pf. 1887. Das Frauen-Turnen Die Ueberzeuguna, daß jeder Mensch zur Erfüllung feiner Pflichten, vor Allem der körperlichen Gesundheit be darf, hätte längst überall dazu führen sollen, auch dem weiblichen Geschlecht dm Nutzen des Turnunterrichts in höherem Maße zugängig zu machen und davon abzusehen, diesen Unterricht auf das Kindesalter zu beschränken. In Dresden und Chemnitz blüht bereits das Turnen des er wachsenen weiblichen Geschlechts; in Leipzig ist dasselbe neuerdings wieder kräftig angeregt worden; in Frankfurt am Main soll sogar schon eine eigme Turnhalle für Damen vorhanden sein. Man hat in diesen Städten rechtzeitig dm Segen anerkannt, den körperliche Uebungen ebensogut für Frauen wie für Männer habm, und Niemand wird sich der Erkenntniß verschließen könnm, daß gerade das körperliche Wohl der Frauen von höchster Bedeutung ist, weil von ihnen das Gedeihen ganzer Generationen ab hängt, weil ihr Wohl die Voraussetzung allen Familien glückes ist. Der leidende Zustand, die Nervenverstimmung und andere Folgen körperlicher Schwäche, die manche Haus frau an der geordneten Leitung des Hausstandes ver hindern, reichen ost vollständig hin, dm Frieden und die Wohlfahrt der ganzen Familie zu zerrütten, während das Glück gesichert erscheint, wo eine geistig und körperlich ge sunde Mutter die Aufficht führt. Gerade jetzt, wo der tiefe Ernst der Frauenerwerbsfrage mehr und mehr erkannt wird, sollte man auch daran denken, das weibliche Geschlecht so zu erziehen, daß es die Gesundheit besitzt, welche die Grundlage der Erwerbsfähigkeit ist. Unverkennbar wird aoer darm viel gefehlt. Die wohlbegründete Ansicht vieler Aerzte, daß die leibliche Rüstigkeit bei dem weiblichen Ge schlechte unter der durch die gegenwärtigen Kulturverhält nisse bedingten Verfeinerung abnimmt, sowie die bedauer liche Thatsache, daß viele Frauen schon bei der geringsten anhaltenden Bewegung Herzklopfen, Athembeschwerden, Zittem und Mattigkeit empfinden, sollten auf die gym- nastische Erziehung hinleiten, die allein eine wirksame und gründliche Abhilfe schaffen kann. Wenn nervöse Leiden aller Art, Bleichsucht, mangel haftes Wachsthum, Verdauungsstörungen und Rückgrats- Verkrümmungen häufiger bei Mädchen als bei Knaben beobachtet werden, liegt dies durchaus nicht in der schwächeren Organisation, sondern nur in dem größerm Mangel an Bewegung in der Zeit der körperlichen Entwickelung. Die Mädchen sind durch Schul- und Handarbeiten, stundenlange häusliche Beschäftigung mit Sprachen, Zeichnen und Musik weit mehr an das Zimmer gebannt und meist viel zu lange zu einer nachtheiligen Körperhaltung genöthigt. Das m den Schulen gepflegte Mädchenturnen ist wohl ein heil sames Gegengewicht gegen diese die Gesundheit schädigenden Einflüsse, aber die den körperlichen Uebungen bestimmte Zeit kann doch nur eine knapp zugemessene sem, so daß der Nutzen nie erzielt werden wird, den die Knaben von syste matisch geregelten Leibesübungen, von ihrem häufigeren Aufenthalt im Freien und von vielen kräftigenden Spielen haben. Nach der Schulzeit ist bisher gewöhnlich von gym nastischen Uebungen der Mädchen ganz abgesehen worden, weil man das mit dem Standpunkt der zarten Weiblichkeit, der Sitte und Vornehmheit unvereinbar fand, trotzdem die selbe vollständig gewahrt bleibt, wo der Turn-Unterricht für Damen ordnungsmäßig betrieben wird. Wer bedmkt, welchen hohen Werth ein lebensfrohes Mädchen, eine schaffenslusttige, thätige Gattin und gesunde und kräftige Mutter für das Familienleben hat, der wird die „Turn stunde für Damen" ohne Vorurtheile betrachten. Turnerische Uebungen befördem den Stoffwechsel, die gesunde Blut- bildung, die Entfaltung der Körperkräfte, die naturgemäße und harmonische Entwickelung des menschlichen Körpers. Unzureichende körperliche Uebung läßt aber Geist und Ge- müth erschlaffen und hat ein verstimmtes und verdrossenes Wesen zur Folge. Das Turnen festigt nicht nur die körperliche, sondern auch die moralische Kraft, verleiht größere Widerstandsfähigkeit, beseitigt den üblen Hang zum Grübeln und zügelt die erregte Phantasie; es schafft Ord nungssinn, Aufmerksamkeit, Gewandtheit und dm Sinn für Unterordnung. Derartige Vortheile, die gerade für das weibliche Geschlecht fast unschätzbar sind, sprechen entschieden für das Turnen der Frauen, dessen Bedeutung für die All gemeinheit sich gar nicht verkennen läßt. Ein Leipziger Blatt veröffentlichte kürzlich den Bries einer deutschen Frau, in dem es hieß: „Wem die Idee des Frauenturnens gleichgiltig ist oder wer wohl gar da ¬ gegen eifert, dem sei ein Gang durch die Stadt gerathen, wenn sich Schul- und Arbeitssäle leeren oder Verkäuferin nen zum eiligen Mahle die Straßen durchhasten. Wie viele hohläugige, blasse Gestalten, wachsige Hautfarbe, schlaffe Glieder, nicht durchströmt von der Gesundheit Blu- teswelle, sehen wir. Sie eilen aus schlecht gelüsteten Räu men in vielleicht ebenso bestellte Wohnungen, wo die matte eingedrückte Lunge sich auch nicht erholen kann. Diese Frauen und Mädchen wissen recht wohl, daß sie keinen vortheilhaften Eindruck machen, und Modenarrheitrn sind es, bei denen sie ihr Heil suchen, ja leider greift jetzt man ches kränkliche Mädchen zu Puder und Schminke, die wir Alten gewohnt sind, zu verachten. Arme Mädchen, die eleganteste Mode, die höchste Tournüre, jene Verunstaltung des Körpers, kann Euch nicht den Zauber verleihen, den ein klares Auge, ein gesundes Gefickt giebt! Wo am Stick rahmen, an der Nähmaschine und durch andere Beschäf tigungen am Frauenkörper gesündigt wird — ein ver nünftiges, wohlgeleitetes Turnen könnte da Manches gut machen. Kunststücke liegen naturgemäß fern, wer aber die Freude hat, täglich Turnübungen, besonders Freiübungen mit anzusehen, den muß Bewunderung erfüllen über die wohldurchdachte Berücksichtigung eines jeden Gliedes, eines jeden Muskels. Die griechische Jungfrau wurde streng an gehalten, sich in Leibesübungen zu kräftigen; gewiß in rech ter Erkennung des Grundsatzes, daß nur in einem gesundm Leibe eine gesunde Seele wohnt, und daß die Frau des kommenden Geschlechtes Trägerin sei! Die klassischen Schönheitsformen der griechischen Frau, welche alte und neuere Künstler zum Schaffen begeisterten, sind gewiß nicht durch Stubenhocken entstanden, nein, die edle Haltung von Haupt und Gliedern zeugt ganz unverkennbar von hoher gymnastischer Pflege." „Altdeutsch erscheinen — ist jetzt Mode — nun wohl, wer den wir, wie die Alten es waren, ein kraftvolles, willens- starkes, gesundes Geschlecht! Junge Mädchen werden durch sitzende Lebensweise sehr häufig zur Melancholie geneigt; der sogenannte Weltschmerz unserer Backfische, das Unzu- sriedensein der Heranwachsenden Töchter auch der besseren Stände, wo Nahrungssorgen wegfallen, versetzen manche Mutter in tiefen Kummer; Turnen würde hier das beste Heilmittel sein. Mütter, welche sich mit ihreniTöchtern tüchtig im Hause durch Arbeit tummeln, werden das bestätigen. Wie manche theure Arznei, wie manches kostspielige Stärkungs mittel, wie manche schwerbewilligte Badereise werden Euch sorgsame Väter, erspart bleiben, wenn Ihr Eure Töchter und so irgend möglich auch die Gattin fleißig zum Turnen anhaltet. Ihr habt vielleicht Turngeräthe daheim, aber so allein ists nicht das Rechte, „frisch, froh und frei" ist man am besten in Gesellschaft. Nun fragt Ihr: wo sollen wir die Zeit hernehmen? Nun, bei gutem Willen geht Alles! Enthaltet Euch einiger mühevollen Handarbeiten, durch die man brustkrank, kurzsichtig und bleich wird, Arbeiten, deren Werth und Bezahlung in keinem Verhältnisse stehen zudem Aufwande an Zeit, Mühe und Gesundheit Nehmt der weniger gut gestellten Arbeiterin nicht das Brot, verringert ihr nicht den zum Lebensunterhalt erforderlichen Lohn durch das Angebot Eurer Arbeitskraft. Es ist ja doch nur ein Taschengeld, was Ihr erstrebt für Putz oder Luxusbedürf nisse. Werdet gesünder statt moderner, und Segen wird Euch in Kind und Kindeskindern erblühen. Dentt daran, ein Grund, warum so mancher junge Mann, der so gern sich ein eignes Heim gründen könnte und möchte und der dennoch nicht heirathet, mag die Furcht vor einer kränk- lichen Lebensgefährtin sein. Aber auch diejenigen Frauen und Mädchen, welche tagsüber durch häusliche oder ge schäftliche Arbeit gebunden sind, können sich am Abend ein Stündchen der Erholung beim Turnen gönnen; wie manche schöne Zeit wird in rauchigen, dumpfen Bierlokalen oder staubigen Tanzsälen verbracht. Das kostet Gesundheit und Geld und Zeit dazu, während der Nutzen des Turnens durch erwachenden Frohsinn, Lebensmuth und Kraft das kleine Opfer an Zeit und Geld reichlich ersetzt." Wir haben dieser trefflichen Darlegung nichts hinzuzu fügen als den Wunsch, daß dieselbe in weiteren Kreisen An klang finden und auch unter den Frauen und Mädchen unserer Gegend Sinn für die edle Turnkunst erwecken möge, deren segensreiche, Geist und Körper stärkende, Krankheit, Sorge und Unmuth bannende Wirkungen nicht länger dem männlichen Geschlechte ausschließlich Vorbehalten sein dürfen, die vielmehr, im besten Sinne des Wortes, Gemeingut werden müssen. Tagesschau Freiberg, den 15. IM. Der deutsche Kaiser ist gestern früh in Konstanz ein- getroffen und dort von dem Großhrrzog, dem Erbgroßhrrzog von Baden und deren Gemahlinnen empfangen und zu Schiff nach der Mainau geleitet worden. Kaiser Wilhelm, welcher auf dem Decke deS festlich beflaggten Schiffes stand, wurde von einer äußerst zahlreichen Menschenmenge begeistert begrüßt. Die Militär» und Zivilbrhörden waren bei der Abfahrt fast vollzählig anwesend Am Leuchtthurm spielte die Kapell« der Feuerwehr. Der See war bei dem prachtvollen Wetter mit zahlreichen Nachen bedeckt. Der Kaiser gedenkt bis zum Montag der nächsten Woche auf der Mainau zu verbleiben und sodann sich nach Gastein zu begeben, hat sich jedoch die näheren Dispositionen für diese Reise noch Vorbehalten. Am 12. d. M. und auch am folgenden Tage hatte der Monarch den Wirkt. Geh. LegationSrath v. Bülow zum Vortrag be fohlen. DaS Befinden deS Kaisers ist «in ganz vorzüglich««. — lieber die beabsichtigte Begegnung d«S Kaisers mit dem Prinz-Regenten Luitpold von Baiern erfahren die „Münch. N. N." aus zuverlässiger Quelle, daß zur Zett eine Bestim mung über rin etwaiges Zusammentreffen der beiden Fürsten noch nicht getroffen ist. ES wird vielmehr erst in der Mainau entschieden werden, ob und <m welchem Orte eine Zusammen kunft stattfinden soll. — Anläßlich der durch die Erklärung der „Koburgrr Zeitung" hrrvorgrrufenen ZeitungStrörttrungen darüber, ob Prinz Ferdinand zur Annahme d«S bulgarischen Thrones der Zustimmung d«S Herzogs von Koburg >md de» deutschen Kaisers bedürfe, sagt die „Nordd. Allg. Ztg.": „Ob der Prinz der Zustimmung deS Herzog- von Koburg als Chef de- Hause» t-edarf, entscheidet sich nach dem uns nicht bekannten koburgischen HauSgesetze. Dagegen ist auS der ReichSverfaffung nicht erfindlich, noch er klärlich, daß der deutsche Kaiser mit der Angelegenheit zu thun hätte. Nach dem Berliner Vertrage hat der Kaiser bei Gutheißung der Wahl des Fürsten von Bulgarien mitzu wirken, aber nur als Mitunterzeichneter des gedachten Ver trages und nicht mehr und nicht weniger als die übrigm Unterzeichner. Seine Mitwirkung bei der Fürstenwahl ist also lediglich eine Folge der Großmachtsstellung des deutsche» Reichs zu dem von den Großmächten unterzeichneten Berliner Vertrag, aus irgend einem anderen Grunde ist dieselbe nicht herzuleiten." — Bei den im Jahre 1885 stattgefundene» Reichstagsverhandlungen über die Erhöhung der Holzzölle ist mehrfach auf die Unzuträglichkeit hingewiesen worden, daß die leichten Hölzer, welche zum Flößen des Eichenholzes dienen und somit gewissermaßen nur das SchiffSgefäß für die von Rußland zu Wasser eingehende Waare bilden, demselben hohe Zolle unterworfen werden, wie das Eichenholz. Ueber die Wirkungen dieses Zolles wird nunmehr auch im Jahresbericht der Stettiner Kaufmannschaft lebhafte Klage geführt. „Tannen bleiben," heißt es darin, „im Jnlande wie im Auslande schwer verkäuflich, und der schon im vorigen Jahr stark gedrückt« Preis verlor in Frankreich, wohin der Hauptabsatz geht, ferner 15 Prozent. Durch die Langsamkeit des Absatzes wird ein hoher Prozentsatz dieser so leicht dem Verderben ausgesetzten Holzart ganz werthlos, und der darauf gleichwohl zu erlegende Zoll bildet eine schwere Belastung des Durchgangsverkehrs, ganz eigentlich einen Durchfuhrzoll auf das Eichenholz, zu dessen Verflößung Tannen, die man sonst ruhig in dm russischen und galizischen Wäldern ihrem Schicksal überlassen würde, mitbezogen werdm müssen." — Der deutsche Reichskanzler, Fürst Bismarck, ist gestern früh von Berlin nach Varzin ab gereist.—Der „Metzer Ztg " zufolge wird auch die katholische Geistlichkeit in Elsaß-Lothringen jetzt allmählich die deutsche Amts- und Schulsprache gebrauchen müssen, so daß die Re gister und Auszüge in französischer Sprache wegfallen. Die bischöfliche Behörde in Metz hat sich hinsichtlich der geistlichen VorbildungSanftalten der deutschen Sprache eher gefügt, als die zu Straßburg. An dem von einem ehemaligen Stadt« >farrer der Pfalz (Landau) geleiteten Knabenseminar Zillis- jeim verkehren die Schüler großentheils französisch unter einander. Das Ministerium ordnete wegen Germanisirung )es besagten Seminars das Nöthige bereits an; der Fortbe- tand der Anstalt hängt hauptsächlich vom Wechsel eine- Theils der Lehrer ab. Auch den Zöglingen des großen Se minars in Metz ist von der bischöflichen Behörde, besonders bei Spaziergängen in der Stadt, der Gebrauch der deutschen Sprache an Stelle der französischen neuerdings ein- geschärst worden. Nach den übereinstimmenden Mittheiluugen österreichi scher Blätter ist der ,m Schlöffe Ebenthal verweilende Prinz