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Nr. 7«. Areiberger Anzeiger «nd Tageblatt. Seite 2. 18M. au- dm Rtdm in dm Sitzungm ihre Ueberzcugung schöpften. Diese Reden hätten nur den Zweck, die Beweggründe der Parteim llarzulegm. Man habe mit den belgischen Vorgängen einen Druck auSzuüben versucht; dieselben ständen aber in gar keinem Zusammenhang mit unserm Verhältnissen. Wmn die sozialistische» Lehren immer mehr an Ausdehnung gewännen, so sej hauptsächlich die künstliche Eindämmung derselbe, durch dH Sozialistengesetz schuld. Man wöge doch damit endlich ein Ende machen. Minister v. Putt kam er sand es erklärlich, daß der Abg. Bamberger seine jetzige ablehnende Haltung dem Sozialistengesetz gegenüber begründe, sei er doch einer der ersten Ruser im Strecke für daS Gesetz gewesen. Dir belgischen Ereignisse unterschätze derselbe. Die Begründung des jetzigen von seinem früheren abweichenden Standpunktes fei dem Abg Bamberger nicht gelungen. Abg. v. Kardorss äußerte sich ebenfalls gegen die Ausführungen des Abg. Bamberger und behauptete, um die von großem Elend heimgesuchte Bevölkerung des plattm Landes vor den Umtrieben der Agitatoren zu schützen, fei die Verlängerung des Sozialistengesetzes das einzige AuskunftSmittel. Abg. Liebknecht führte aus, daß die Londoner und die belgischen Unruhm mit Unrecht dazu benutzt »ürdm, behusS Durchdringung des Gesetzes einen Druck ous- zuüben. Bezüglich des Fürstenmordcs sei die Vergangenheit der sozialdemokratischen Partei reiner, als die anderer Parteien. In der Sprzialberathung hielt der Abg. Grohe die Be merkung des Abg. Kröber über die Hemmung anderer Parteien durch daS Sozialistengesetz aufrecht. In namentlicher Ab stimmung ward hierauf mit 169 gegen 137 Stimmen daS ganze Gesetz gemäß dm Beschlüssen der zweiten Lesung an genommen. Heute gelangt im Reichstage die Zuckersteuer zur Berothung. — DaS preußische Abgeordneten haus genehmigte gestern dm Rest der Ansiedelungsvorlage fast ausnahmslos nach dm Kommissionsbrschlüssm. Im Laufe der Debatte trat der Minister Lucius den Behauptungen des deutschfrrisinnigrn Abg. Dirichlet entgegen, daß mit der Vorlage dm bankerotten deutschen Gutsbesitzern geholfen werden falle und daß die Vorlage konfessioneller Art sei. Für heute stehen die Fortbildungsschulen auf der Tagesordnung des Abgeordneten hauses. — Bei der gestrigen nochmaligen Berathung des Bahnprojektes Reichenhall-Berchtesgaden erklärte der Minister von Crailsheim in der bairischen Abgeordneten kammer, er wolle sich mit diesem Projekt bei dem gegen wärtigen Landtage nicht einer nochmaligen Niederlage oussetzen. Die Kammer beschloß darauf, dem Beschluß der Kammer der Reichsrälhe beizutreten, die Regierung zu ersuchen, womöglich noch im Laufe dieser Session den Entwurf für den Bau einer Staatsbahn von Reichenhall nach Berchtesgaden vorzulegen. Unser Kaiser empfing gestern Nachmittag dm nach Berlin zurückgckehrten preußischen Gesandten beim Vatikan, v. Schlözer, welcher vorher am Vormittag mit dem Reichs kanzler Fürst Bismarck eine längere Unterredung gehabt hatte. — Nach einer Meldung des .Staatsanzeiger für Württem berg- treffen Prinz Wilhelm von Württemberg und Gemahlin nach ihrer Hochzeit am 13. April in Stuttgart ein, reisen von dort sofort nach Nizza ab, kehren aber schon am 26. April wieder nach Stuttgart zurück, wo dann mehrere Festlichkeiten zu Ehrm des neuvermählten Paares stattfinden. Prinz Wil helm von Preußen stellte dort seine Ankunft an der Spitze einer Deputation von Gardehusaren in Aussicht; derselbe erhielt eine Einladung des Königs von Württemberg, im Residenzschlosst zu wohnm. Dem Vernehmen nach soll in der -fterrttchisch-IMga- rische« Ministerkvnsrrcnz, welche gestern in der Wiener Hosburg unter dem Vorsitze deS Kaisers Franz Joseph statt- gesunden Hot, eine grundsätzliche Verständigung über dm Aus gleich erzielt und bezüglich des Petroleumzolles der ungarische Vermittrlnngsvorschlag angenommen worden sein. Melasse soll zollfrei bleiben. — AuS dem österreichischen Kriegshafm Pola wird die Ausrüstung einiger Torpedoboote gemeldet, welche Pola schon in allernächster Zeil verlassen dürsten, um zu dem in dm griechischen Gemässem weckenden österreichischen Ge schwader zu stoßen. Die Mächte sollen säst sämmtlich die Nothwmdigkeit einsehm, Griechenland gegmüber eine strenge Blokade eintretm zu lassen. Wie auS Jttttie» gemeldet wird, ist gestern imZwangS- arbeitshaus zu Florenz eine Revolte der Häftlinge auS- gebrochm, welche die Einrichtung zerschlugen und die Beamtm bedrohten. Dir Empörer hatten sich im Hofraum eingeschlossen und mit dm Rufm: .Es lebe die Republik!- um eine rothe Fahne geschaart. Die Truppen feuerten erst in die Lust, ohne die Aufwiegler rinzuschüchtern; endlich wurde der Hof ge stürmt und rS kam dabei zu einem ernstlichen Kampf, bei welchem beiderseits Todte und Verwundete blieben. Seit einigen Tagen hat das belgische.Königspaar daS Lustschloß Laekm verlassen und residirt wieder im Palaste zu Brüssel. DicS ist wohl die beste Widerlegung dir Gerüchte von einer anarchistischen Bewegung in der belgischen Haupt stadt. Dort herrscht vielmehr ungetrübte Ordnung; die Reservisten sind ausnahmslos ohne Schwierigkeiten unter die Fahne geeilt. Bon dem in Brüssel garnisonirenden Grenadirr- Regimmte fehlen nur zwei Monn. Nach einer angeblich der französischen Regierung zu gegangenen zuverlässigen Mittheilung sind bei den Unruhen in Belgien im Ganzen 241 Personen verhaftet worden, darunter 15 Ausländer, aber kein einziger Franzose. Diese Ziffern dürsten doch wohl noch der Bestätigung bedürfen. — Das Projekt des französischen Kriegsministers Boulanger, betreffend das Gesetz über die Spionage, ist der Kammer-Kommission nicht strenge genug erschienen. Dieielbe hat beschlossen, die Spione sollten selbst in Friedenszeiten nur durch Kriegsgerichte abgeurtheilt werden und die Zulassung mildernder Umstände solle ausgeschlossen sein. Die Verhandlungen mit Ausschluß der Oeffmtlichkeit soüm ferner nicht fakultativ, fondern obli gatorisch sein. Ter Kricgsminister, welcher deshalb mit der Kommission verhandelte, erklärte, zuvörderst mit den Ministern des Aeußrrn und der Justiz berathen zu müssen, bevor er solchen Abänderungen zustimmen könne. Der Minister für öffentliche Arbeiten unterbreitete der Dcputirtenkammcr eine Vorlage über dm Bau einer Stadtbahn in Paris, wozu der Gouverneur des Kredit Foncier, Christophle, als Vertreter der Gruppe der ersten Bankfirmen, die Konzession erhielt. — Die Berathung der Deputirtmkammer über die Anlechcvorlage wird am Montag beginnen und voraussichllich zwei Tage dauern. In den regierungsfreundlichen englischen Kreisen rechnet man bestimmt auf einen Erfolg des von Gladstone entworfenen irischen Reformplanes. Um den Letzteren zum Fall zu bringen, mußtm entweder mindestens 85 Liberale sich an Chamberlain und Trrvelyiin anschließen oder, wmn sich hierzu, wie bi» jetzt verlautet, nur 50 Liberale entschließen können, mindesten» 60 sich der Abstimmung enthaltm. Gestern Nachmittag fand aber in der Guildhall zu London unter dem Vorsitze des Lord- MayorS eine von dm angesehensten Handelsherren, Bankiers und Kaufleuten der City, ohne Unterschied der Parteistellung, äußerst zahlreich besuchte Versammlung statt, welche einstimmig eine Resolution annahm, welche die Errichtung einer irlän dischen Legislatur in Dublin als für die Interessen Englands und Irlands nachlheilig erklärt. Durch ein neues von der russische» Regierung erlassenes Gesetz werden aus dem Ncichsschahe für die Jahre 1886, 1887 und 1888 je 100000 Rubel angewiesen zur Errichtung und Unterhaltung orthodoxer Kirchen, Pfarrhäuser und Parochialschulm in den baltischen Provinzen, sowie zur even tuellen Erwerbung der hierfür erforderlichen Grundstücke. König Milan von Serbien sandte dem Kriegsminister Franassovitsch ein eigenhändiges Schreiben, worin demselben unter gleichzeitiger Beförderung zum Obersten Dank für seine bisherige Aufopferung ausgesprochen wird. — Dem Wiener .Fremdenblatt- wird aus Belgrad gemeldet, daß der bevor stehende Personenwechsel im serbischen Finanzministerium keine Aenderungen in den finanzpolitischen Anschauungen der maß gebenden serbischen Kreise und somit auch keinen Systemwechsel in der Finanzverwaltung herbeisühren werde. Oertliches Freiberg, den 3. April. — Amtliche Mittheilungen aus den Sitzungen des Stadtraths zu Freiberg: Sitzungen am 18. und 19. März 1886.*) 1) Aus eine von Herrn Baumeister Ehrlich an den Stadt- rath gerichtete Anfrage betreffs einer Baugenehmigung auf Parzelle 1351a des hiesigen Flurbuchs und in der damit in engem Zusammenhang stehenden Angelegenheit, Feststellung der Baulinie am rothen Weg und an den angrenzenden Straße« betreffend, werden das Gutachten des Banausschusses vor getragen und der Bauplan vorgelegt. Das Kollegium beschließt, die Einmündung nach der Körnerstraße in der Richtung der nordöstlichen Straßenlmie der oberen Langegasse, die Vcr- bindungsstraße zwischen dem rothen Weg und der Annaberger Straße, sowie die Fluchtlinie an den Parzellen Nr. 1351, 1259 und 1260 des hiesigen Flurbuchs nach dem Gutachten des Bauausschusscs zu genehmigen, wegen Verbreiterung deS inneren rothen Weges aber die Entschließung auszusetzen und mit den belheiligten Adjazenten zunächst zu verhandeln, Herrn Baumeister Ehrlich aber demgemäß und vorbehältlich der Ge nehmigung des Stad'.verordneten-Kollegium.S auf seine Anfrage zu bescheiden. 2) In Sachen, die Ausführung der Stadtgrabenschleuße betreffend, soll die Bauverwaltung beauftragt werden, bis zur Ausstellung des nächstjährigen Haushaltplans ein anderwciteS Profil des Schleußenbaues einzureichen. 3) Die Rückäußerung des Herrn Bezirksschulinspektor auf die dermalen der Revision unterliegende Lokalschulordnung wird vorgetragen und soll die letztere, nachdem man den Anträgen *) Eingegangcn am 3. April 1886. D. Red. Aus der Jugendzeit. Roman von 5. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Paul verlebte beide Feiertage mit uns, auch der Doktor, soweit es seine Zeit erlaubte. Nur Tante Agathe suchte ich aus. Sie fei zu alt und matt, um alle Tage ausgehen zu können, sagte sie auf meine wiederholten Bitten. Nur zu schnell ging das schöne Fest vorüber mit seinem Kerzenglanz und Nadelduft, das letzte fröhliche WeihnachiSsest im Lindenhaus. 6. Kapitel. In Baden-Baden. Januar und Februar waren mir rasch und gleichförmig vergangen, der März ober brachte den bösm chronischen Katarrh wieder, an dem mein Vater schon so lange litt, und diesmal leider in so gesteigertem Maße, daß Doktor Berg aus eine schleunige Badereise drang. Er wählte Baden-Baden, und obgleich die Sasson noch nicht eröffnet, folgten wir Mitte April seine« dringenden Befehl. Ich verabschiedete mich ziemlich flüchtig von Allen, die Krankheit Papas nahm meine Gedanken voll in Anfpruch. Paul hatte uns schon Anfang April verlassen, da er seine Studien beendet und nun eine Stelle als Hauslehrer in irgend einem adeligen Hause angenommen hatte. Ich vermißte ihn wenig, die Auslegung einer ersten Reise erfüllte mich ganz. Frau Ursel hatte unter Tante Agathr'S Leitung meine Garderobe einer gründlichen Revision unterworfen und mich endlich für vollkommen .ausstasfirt- erklärt. An einem schönen warmen Tage dampften wir, svon den besten Hoffnungen aus günstigen Erfolg der Reise erfüllt, nach Baden-Baden ab. Obgleich die Fahrt nur kurz und sehr hübsch war, hatte sie Papa doch angestrengt. Buch ich fühlte mich ziemlich müde und war froh, in meinem Zimmerchen ausruhen zu können. Wir wohnten ganz reizend in einer Pension aus dem Schloßberg. Besonders entzückte mich die wundervolle Aussicht aus meinem Fenster aus eine alte Burg, die mir als das Cisterziensrr - Kloster Lichtenthal bezeichnet wurde. Sie lehnt an einer steilen, mit Tannen besetzten Berg wand. Es war so malerisch schön hier, daß ich beschloß, wenn Papa sich erst wohler sühltr, mir die romantische Umgegend ordentlich anzuschen. Auch eine Bekanntschaft hatte ich schon gemacht. In * stieg eine Majorswittwe mit ihrer Tochter rin, die beide sehr gesprächig waren. Frau Marving wollte ebenfalls die Kur in Baden-Baden brauchen, und das Fräulein versicherte mir mit großer Lebhaftigkeit, daß sie sich unendlich sreue, gleich so reizenden Umgang zu haben, daß wir sehr viel zusammen sein wollten und so weiter. Ich muß gestehen, daß mich dieser Wortschwall etwa- ver legen machte. Ich gab ihr höflich und freundlich Antwort auf alle ihre etwas neugierigen Fragen, mochte mich im Ganzen wohl etwas unbeholfen gegeben haben, denn ihr Betragen gegen mich nahm allmählich etwas Patronisirendes an, waS mir gar nicht angenehm war. Indessen war es mir doch schließlich lieb, Jemanden zu kennen unter den vielen fremden Menschen, dir mich hier umgaben. Ich will hier einige Blätter aus dem Tagebuch rinfügen, welches ich während meines Aufenthaltes in Baden geführt. Den 29. April. Papa war recht matt heute, so daß ich ihn nicht allein lassen mochte; auch war es trübe und nicht verlockend zum Aukgehen. Nachmittags hellte eS sich etwas auf, und als gegen Abend Fräulein Marving mich zu einem Spaziergang rinladen ließ, redete Papa mir zu, der Auf forderung zu salgen. Das Stubenmädchen, welches Marving'S zu uns gesandt, sührte mich in ein recht hübsches, kleines Häuschen, welche unweit der englischen Anlagen inmitten eines wohlgepflegte« Gartens lag. Fräulein Marving kam mir entgegen gelaufen, umarmte und küßte mich und fragte in einem Athem so viel, daß ich Mühe hatte, Alles zu beantworten. „Ach wie hübsch von Ihnen, daß Sie kommen, wir wollen einmal die Lichienthaler Allee entlang gehen, wissen Sie, das ist gegen Abend der Korso aller Badegäste, und wenn Baden b,s jetzt auch noch wenig besucht ist, so wollen wir uns doch ein wenig umsehen. Gelt, das wird Ihnen auch Spaß machen? IO, solch' Badeleben ist himmlisch!" Damit drehte sie sich auf der Spitze ihre» zierlichen Stieselchcns pfeilschnell herum, so daß das blaßgraue, elegante Wollkleid sich wie ein Rad aufbouschte und die blauen Schleifen wie Schmetterlinge flatterten. Gleich daraus aber nahm sie mich an der Hand und sah mich prüfend von oben bis unten an. „So, lassen Sie sich mal ordentlich anschauen! Kindchen, wie niedlich sehen Sie au-, wohrhastig, Sie haben guten Ge schmack und verstehen sich zu kleiden. - Jch wurde seuerroth; diese Anspielung auf eine Eitelkeit, die m>r gänzlich fern lag, ärgerte mich, deshalb entgegnete ich kühl: „Ich bekümmere mich nie im meine Garderobe. - Sie sah mich ganz verblüfft an und fragte neugierig: „Aber wer besorgt Ihnen das Alles?- .Unsere Wirthschasterin, die schon seit meiner frühesten Kindheit für mich sorgt. - .Herr Gott, wie schön muß das sein! Sie scheinen gar nicht zu wissen, Kleine,- so nannte sie mich gern, trotzdem ich einen halben Kops größer war wie sie — .wie gut Sie eS haben. Sie säen nicht, Sie ernte» nicht und unser himm lischer Vater ernährt Sie doch Sie sind solch' eine kleine unschuldige Lilie des Feldes. Ach, wie beneide ich Sie um Ihre köstliche Wohnung aus dem Schloßbcrge. Wie viel giebt's da zu sehen!- .Ja, cs ist sehr hübsch da oben,- erwicdcrte ich kleinlaut, durch ihre hastige Rede etwas eingeschüchtert, und mich iu dem niedlichen Stübchen umsehcnd, fügte ich hinzu: „Sie wohnen ja hier allerliebst. - .Wenigstens erträglich; man muß seine Ansprüche bedeutend heruntersetzcn, wenn man gezwungen ist, von einer kleinen Pension zu leben. Nun, hoffentlich gelingt es mir hier, eine gu— Mama, bist Du endlich fertig?- brach sie plötzlich ab. Wie ärgerlich über das Gesagte biß sie sich auf die Lippen und warf einen forschenden Blick auf mich. Frau Major Marving erschien aus den Ruf ihrer Tochter, und nachdem sie mich freundlich begrüßt, traten wir unferm Spaziergang an. Es war wirklich sehr hübsch. Die schnurgerade Allee führt nach dem erwähnten Kloster Lichtenthal, das ganz malerisch liegt. Ich habe mir vorgcnommcn, cs zu zeichnen und später zu Hause es iu Farben auszusühren; ich hoffe, Else Marving begleitet mich, denn ich weiß nicht, ob cs passend ist, so allein in der frcmdcn Gegend hcrumzustrciscn. Nur wenige Personen begegneten uns, die Saison war eben noch nicht eröffnet und Else schien nicht sehr erbaut von dem mir so angenehmen Spaziergänge. Ich dankte auch der Frau Major recht vergnügt sür ihre Freundlichkeit, mir einen solchen Genuß bereitet zu haben, waS ihre Tochter mit einem etwa- spöttischen Lächeln anhörte. „Nun, Kleine, Sie sind bcschciden; ich hoffe, es wird hübscher werden : vorläufig scheint es mir noch arg langweilig," meinte sie und reichte mir herablassend die Hand. Dies war der erste Tag in Baden-Baden. Ten 5. Mai. Ach, war das eine traurige Woche! Papa wurde so krank, daß ich ihn kaum einen Augenblick allein zu lassen wagte, er hustete wicder so sehr. Ich war gedrückt und niedergeschlagen, selbst das wundervolle Wetter, die immer üppiger sich entfaltende Natur vermochten nicht, mich in frohere Stimmung zu bringen. Seit gestern geht es wieder etwa» besser, und der Badearzt, ein sehr liebenswürdiger Herr, hat mir heute streng besohlen, alle Tage ins Freie zu gehen, sonst würde ich auch noch krank, die stete Stubenlust wäre nicht» sür ein junges Mädchen. Ich ging in Folge dieses Macht wortes am Nachmittag zu Marving'S, um Else, die mich in den letzten Togen häufig besucht und ihr Bedauern über Papa s Krankheit ausgesprochen hatte, zu bitten, mich etwas umher zu führen. Sie war auch gleich dazu bereit, und so wanderten wir Arm in Arm durch die englischen Anlagen, dir wirklich wundervoll sind. Sie schwatzte unaufhörlich von den angekommenen Bade gästen, den eleganten Toiletten, der Kapelle, die ausgezeichnet sei, von Konzerten, am meisten aber von den jungen Herren^ die sie sehr zu interesfiren schienen. (Forts, folgt)