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und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. 1 ,, ' — m > A8 ^aürllana — .ii- n — »/» « LrjchetM jedm Wochentag Nachmitt. S Uhr für den , .. . Inserate »erden bi«Bormittag tl Uhr angenom- ll E 41. Freitag, Sen 18. Februar. 1886. Der Frieden mit dem Vatikan. Schon seit zwei Jahren soll die preußische Regierung entschlossen gewesen sein, dem Kulturkampf ein Ende zu machen, an dessen Fortführung nur ein Gegner des Deutschen Reiches Freude haben konnte. Es war nicht leicht, den kirchenpolitischen Frieden in Preußen wieder herzustellen, ohne den Schein eines beschämenden Rückzuges zu erwecken und ohne Rechte des StaateS zu opfern, die als unver äußerlich gelten müssen. Nachdem aber der jetzige Papst Leo XIII. bei Besetzung verschiedener verwaister Erzdiözesen den Beweis geliefert hatte, daß ihm ernstlich daran gelegen sei, seine Friedensliebe darzuthun und die peinliche Lage von Millionen katholischer preußischer Unterthanen zu er leichtern, lag für die preußische Negierung kein Grund mehr vor, sich an den Grundsätzen der Maigesetzgebung festzu- klammcrn, deren Zweck erfüllt war und deren straffste Be stimmungen bereits hinfällig geworden waren. Die jüngsten Polendebatten im deutschen Reichstage und im preußischen Abgeordnetenhause bewiesen deutlich, daß Fürst Bismarck jederzeit in der Agitation des polnischen Klerus eine nationale Gefahr erblickte. Der Papst hat dieses Mißtrauen des deutschen Reichskanzlers nach seinem vollen Werthe ge würdigt und, trotz des entschiedenen Widerwillens der Polnischen Geistlichkeit gegen einen deutschen Oberhirten, den einflußreichen Posten eines Erzbischofs von Posen und Gnesen dem Königsberger Propst Dinder anvertraut, der zwischen der deutschen und der polnischen Geistlichkeit des Großherzogthums Posen sicher eine versöhnende Mittel stellung einnehmen wird. Bei dem verhängnißvollcn poli tischen Einfluß, den sein Vorgänger, der jetzige Kardinal Ledochowski, nach Ansicht der preußischen Regierung aus geübt haben soll, mußte die letztere die bei Besetzung des erzbischöflichen Stuhles von Posen und Gnesen gemachte Konzession des römischen Stuhles sehr hoch anschlagen. Sie wartete deshalb keine weiteren Konzessionen der römischen Kurie ab, sondern that ihrerseits einen bedeutsamen Schritt Ur Wiederherstellung des Friedens mit der Kirche. Die Voraussetzung der „Neuen Preuß. Zeitung", daß die dem Herrenhause zugegangene kirchenpolitische Vorlage auf einer vorherigen Verständigung mit dem Papste beruht, ist völlig unwahrscheinlich. Man nimmt fast allgemein an, daß Fürst Bismarck es vielmehr für angezeigt hielt, ebenso wie mit den Novellen von 1880, 1882 und 1883 selbständig vor zugehen, ohne das immerhin fragliche Resultat weiterer Verhandlungen abzuwarten. Das neue Preußische Kirchengcsetz räumt mit den Resten der Falk'fchen Maigesetzgebung ziemlich auf, läßt aber doch mitten unter einigen Trümmern die Säule der Anzeigepflicht der Geistlichen stehen, auch würde nach Annahme der neuen Vorlage die strafrechtliche Verfolgung von Geistlichen wegen Vornahme rein geistlicher Handlungen immer noch möglich sein. Von der Anzeigepflicht der Pfarrer läßt sich übrigens hoffen, daß dieselbe von der katholischen Kirche künftig zu gestanden wird, da der Papst sich früher wiederholt unter Bedingungen bereit erklärte, deren Erfüllung die neue kirchenpolitische Novelle enthält. Von klerikaler Seite be hauptet man, daß die Mehrheit der Berather des Papstes die Vorlage unzureichend finde, jedenfalls hat die preußische Regierung nicht beabsichtigt, die Kardinäle vollständig zu befriedigen, sondern ihnen nur so weit entgegenzukommcn, als es sich unter den obwaltenden Verhältnissen thun ließ. Die zahlreiche katholische Bevölkerung Preußens wird durch den neuesten Schritt des Fürsten Bismarck die Ueberzeugung erlangen, daß demselben jede kirchenfeindliche Gesinnung fern liegt, daß die katholische Bevölkerung Preußens es aber sicher beklagen müßte, wenn ihre bisher zur Zentrums partei gehörigen Vertreter cs dahin brächten, daß die von der preußischen Regierung zum Friedensschluß gereichte Hand von der römischen Kurie zurückgewiesen würde. Diese Rückwirkung auf die bisherigen Wähler dcö Zentrums ist es aber, welche die Organe dieser Partei veranlaßt, die be sprochene Vorlage zu bemängeln. In der „Germania" wechseln Unzufriedenheit über das geringe Maß der Zu geständnisse mit triumphirendcr Uebertreibnng der Be deutung einzelner Errungenschaften und mit der Ermahnung an die klerikalen Wähler, fist zu bleiben, damit noch mehr erreicht werde. Eigenthümlich berührt es, daß gerade die Blätter der Fortschrittspartei sich in Folge des neuen Kirchenlied in starken Ausdrücken über die Demüthigung des StaarcS vor der Knche erg-lg n, da gerade die Erfolge, welche die Anhänger Wwdlyortt's und Richler's in letzter Zeit gemein sam ini dintschea Reichstage errungen haben, indn<kl mit Veranlassung gewesen sein mögen, daß sich der weitere Ab bruch der Maigesetzgebung vollzog. Von nationalliberaler Seite zeigt man sich über die Vorlage um so befriedigter, als dieselbe von den Klerikalen doch nicht als ein berauschender Erfolg angesehen wird und angesehen werden kann. Von den meisten Mitgliedern dieser Partei ist der jetzt aufae- opferte Theil der Maigesetzgebung als ein schwerer Harnisch beurtheilt worden, der dem Staat lästig wurde, ohne ihm Schutz zu gewähren. In den nationalliberalen und frei konservativen Kreisen giebt man sich jetzt der Hoffnung hin, daß das Zentrum wohl noch an jedem Paragraphen der Vorlage herumnörgeln, aber selbst mehr und mehr den Boden verlieren werde, auf dem bisher so viel herumge wühlt wurde. Gewiß wäre es recht Vortheilhaft, wenn künftig konfessionelle Fragen nicht mehr dazu mißbraucht würden, um antinationale, besonders polnische und welfische Interessen, zu bemänteln. Besteht das Zentrum auch zu nächst noch als Partei fort, so kann es doch nach Annahme des neuen preußischen Kirchengesetzes nicht in der bisherigen schroffen Opposition verharren, denn wenn über jenes Gesetz auch nicht vorher eine feste Vereinbarung mit dem Vatikan getroffen wurde, ist doch durch dasselbe fast jedes Hinderniß für die Verständigung mit dem Papste hinweggeräumt, dessen Friedensmahnungen das Zentrum sich nicht länger wider setzen darf. Schon früher hat das Zentrum dem Reichs kanzler bei der Zollgesetzgebung sehr nützliche Dienste ge leistet, vielleicht verhilft es demselben nach der jetzigen kirchenpolitischen Wendung zur erwünschten Erledigung der Vorlage über die Verlängerung der Giltigkeit des Sozialisten gesetzes und zur Erreichung seiner steuerpolitischen Ziele. Ob dieser letztere Erfolg des neuesten diplomatischen Schach zuges des Reichskanzlers mit Jubel zu begrüßen wäre, darüber ließe sich noch streiten, eines ist aber sicher erfreulich: das Bemühen, die konfessionellen Fragen von den politischen vollständig zu trennen und die Konflikte zu beseitigen, welche bisher die vaterlandsliebenden Katholiken Preußens bedrängten. Tagesschau. Freiberg, den 18. Februar. In der gestrigen Sitzung des deutschen Reichstages wurde der vom Grafen Moltke eingebrachte Gesetzentwurf über die Abänderung des Militärpensionsgesetzes vom 2 7. Juni 1871 auf Wunsch des erkrankten Antragstellers von der Tagesordnung abgesetzt. Der greise Feldmarschall leidet an einer katarrhalischen Magenaffektion, doch giebt sein Zustand in keiner Weise zu ernstere» Besorgnissen Anlaß. Im Reichs tag begründete gestern der Abg. Hasenclever den von ihm eingebrachten Antrag über die Abänderung des Artikels 32 der Verfassung des Deutschen Reiches bezüglich der Reisekosten und Diäten der Neichstagsabgeordnetcn. Die Zahlung von Diäten sei bereits praktisch bei verschiedenen Parteien einge- sührt; man dürfe sich dem Bedürfniß nicht länger verschließen, sonst würde die Mitgliedschaft des Parlaments schließlich ein Vorrecht der Reichen. Abg. v. Kardorff hielt es nicht für nützlich, mit derartigen erfolglosen Anträgen immer wieder zu kommen und erklärte sich für Ablehnung des Antrages. Abg. Meyer (Halle) stimmte im Prinzip für den Antrag, war aber auch nicht für stete Wiedereinbringung desselben, so lange die Annahme so aussichtlos sei, wie jetzt. Trotzdem trat das Haus sofort in die zweite Berathung ein und nahm den An trag Hasenclever ohne Debatte an. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung steht die voraussichtlich das Schicksal der ganzen Session entscheidende Vorlage der Verlängerung des Sozialistengesetzes.— Ein dem deutschen Reichs tage zugegangener Antrag von Auer und Genossen, betreffend die Abänderung des Wahlgesetzes und des Wahlreglements, bestimmt u. A., daß das zurückgelegtc einundzwanzigste Lebens jahr zur Wahl berechtigen soll. § 10 des Wahlgesetzes soll folgende Fassung erhalten: „Das Wahlrecht wird in Person durch Stimmzettel ohne Unterschrift ausgeübt, die von dem Wähler in einem amtlich gestempelten Umschläge dem Wahl vorstande verschlossen zu übergeben und von diesem in Gegen wart des Wählers unverzüglich in die Wahlurne niederzulegen sind. Die Stimmzettel müssen von weißem Papier und dürfen mit keinem äußeren Kennzeichen versehen sein. Ihr Format muß den Umichlägen entsprechen und darf nicht großer sein als diese." 8 14 wll lauten: „Der Wahltag muß ein Sonn tag s.m. Lie Stichwahlen sind am zweiten dem Wahltage s lgrnden Sonntage vorzunehmen." — In der gestrigen Sitzung des p r c uß i s ch en Abg e o rd n e ten h au s es wurde in der ersten und zweiten Lesmig der Antrag Krah, betreffend die Ausdehnung der Gesetze über den Ankauf und Verkauf kleinerer Grundstücke in Schleswig-Holstein angenommen und der Antrag Krvpatschek, betreffend die Gleichstellung der Lehrer an nicht staatlichen höheren Lehranstalten mit denen staatlichen Patronats, an eine besondere aus 21 Mitgliedern gebildete Kommission verwiesen. Das deutsche Kaiserpaar empfing gestern Nach mittag den aus Petersburg in Berlin eingetroffenen Fürsten von Montenegro, welcher hierauf auch von dem deutschen Kronprinzen und der deutschen Kronprinzessin empfangen wurde. Zu Ehren des Fürsten fand gestern Abend bei den kaiserlichen Majestäten eine große Theegesellschaft statt. Im Laufe des gestrigen Nachmittags hat der Fürst auch dem deutschen Reichskanzler einen längeren Besuch abgestattet. — Von kolonial-politischer Bedeutung ist die in Berlin eingetroffene Nachricht, daß der zur Aufsuchung des vr. Junker nach Ost afrika gereiste 0r. Fischer nach einer Reise von 101 Tagen am Viktoriasee anlangte. vr. Fischer berichtet brieflich von wcißenfeindlicher Haltung der Araber in Uganda, welche durch eine der englischen Missionsgesellschaft zugegangene Depesche auS Zanzibar bestätigt wird. Nach diesem vom 12. d. M. da- tirten Telegramm ist der englische Bischof Hannington und seine aus 50 Personen bestehende Begleitung aus Befehl des Königs von Uganda hingerichtet worden. Nach dem gegen ihn bei der Berathung der Prag-Duxer Eismbahnvorlage gerichteten Angriff scheint die Stellung deS österreichischen Handelsministers Baron Pino ernstlich er schüttert. Als vr. Steinwender im Abgeordnetenhause eine Reihe von Korrespondenzen verlas, in welchen ein gewisser, übel beleumundeter Ignaz Klier die Hauptrolle spielte, ging eine tiefe Bewegung durch das ganze Haus, und diese steigerte sich noch, als vr. Steinwender erklärte, er sei bereit, die Originalien der verlesenen Korrespondenzen dem Minister- Präsidenten eiuzuhändigen oder dem Staatsgerichtshofe vor zulegen. Aller Augen wendeten sich auf Herrn von Pino, der leichenblaß, eifrig notirend, seinem Gegner gegenüber saß, während die übrigen Minister sichtlich erregt den Worten des Anklägers folgten. Die Antwort des Baron Pino klang wenig sicher; weit besser führte der Sektionschef Baron Pußwald die Sache seines Vorgesetzten und der Regierung. Ein Theil der Abgeordneten strömte in die Vorzimmer, um das sensationelle Ereigniß zu besprechen, der größere Theil gruppirte sich aber um den Regierungsvertreter und folgte dessen Rede mit sympathischer Aufmerksamkeit. Auch die Minister harrten während der Darlegung des Sektions-ChefS aus, und als derselbe geendet hatte, eilte Gras Taaffe auf ihn zu und reichte ihm beglückwünschend die Hand. Gestern legte die Negierung dem Abgeordnetenhause das Landsturmgesetz für die österreichischen Länder vor; ausgenommen sind von demselben nur Tirol und Vorarlberg. Der Antrag auf Schluß der Debatte über die Verstaatlichung der Dux- Bodenbacher Bahn wurde mit 137 gegen 130 Stimmen ab- gclehnt. Die Debatte soll am Freitag fortgesetzt werden. Italienische Blätter veröffentlichen zu dem Landes- verrathsprozesse Desdorides einen an den Angeklagten gerichteten Brief, aus dem erhellen soll, daß die Nuntiatur in Wien mit französischen Persönlichkeiten in Verbindung stand und Desdorides mit Instruktionen versah. Dieser Brief, welcher auch den Sekretär der Kongregation, Galimberti, verdächtigt, wurde vom Untersuchungsrichter, da er erst vierzehn Tage nach Desdorides' Verhaftung an diesen gerichtet worden, als ein plumper Rache versuch einer Galimberti feindlich gesinnten Person angesehen. Zum allgemeinen Erstaunen erklärt aber jetzt der italienische Justizminister auf eine an ihn gerichtete Anfrage, daß der Bries der Wahrheit ziemlich entsprechen dürfte. Bei einer Besprechung des Ergebnisses der Ersatzwahlen im französischen Ministerrathe betheuerte der Minister des Innern seinen Kollegen, daß die ihm unterstellten Behörden keinerlei unerlaubten Druck auf die Wähler ausgeübt hätten. Er habe sogar vermieden, diejenigen Beamten, welche sich bei den Oktobcrwahlen kompromittirleu, vor den Ersatzwahlen zu maßregeln; jetzt aber werde er gegen diese Beamten vorgehen. Der Handelsminister Lockroy kündigte an, er wolle in der nächsten Sitzung sein Projekt bezüglich der Weltausstellung von 1889 unterbreiten, worauf der Ministerrath beschließen könne, was angesichts der bekundeten geringen Geneigtheit der fremden Völker zu machen wäre. — Der Besitzer des bei Decazcville gelegenen Eisenwerks Gua zeigte seinen Arbeitern an, daß sich feine Industrie nicht genügend rentire, weshalb er die Löhne nicht erhöhen könne. Wenn die Arbeiter nicht zufrieden seien, werde er gezwungen sein, seine Fabrik zu schließen. Unter den Arbeitern herrscht deshalb eine lebhafte Bewegung. Dem früheren spanischen Premierminister Canovas stellte am Dienstag der päpstliche Nuntius in Madrid den ihm aus Anlaß der Beilegung der Karoliuensrage verliehenen Christusorden zu. — Der Bürgermeister der spanischen Haupt stadt geht mit großer Strenge gegen die sich wiederholenden sozialistischen Nuhestörnngsversuche vor. Klagen über die un genügende Wachsamkeit der sranzösischen Grenzbehörden in Be treff der verschiedenen revolutionären Emissäre werden in allen regierungsfreundlichen Kreisen Spaniens lebhaft erhoben.