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über die Belüftigung durch Tauben zugegangen ist, vornehmen, und die weggesangenen Tauben, soweit möglich in lebendem Zustande, mindestens einen Tag lang aushoben zu lassen. — Graf Beust ist auf seinem Schlosse Altenberg bei St. Andrä an einer Lungenentzündung erkrankt. Der Gras steht in Behandlung des vr. Standhartner in Wien, welcher täglich nach Altenberg fährt. Noch vor wenigen Tagen war Graf Beust zum Besuch von Bekannten in Wien. Wie man aus Leipzig meldet, ist der erste Staatsanwalt Galli in Göttingen aus Anlaß des Todes des Oberreichs- anwalts Freiherrn von Seckendorfs als Hilfsarbeiter zur Staatsanwaltschaft bei dem Reichsgericht einberufen worden. — Eine für Freitag Abend in die Thonhalle einbcrusene Arbeiterversammlung, in welcher der sozialdemokratische Reichs tagsabgeordnete Stolle als Referent fungiren sollte, ist seitens des Polizeiamts verboten worden. — Das „Leipz. Tgbl." schreibt: Gegenüber den in der Westvorstadt verbreiteten Ge rüchten von zahlreichen Erkrankungen im Alumnate der Thomas schule können wir auf Grund der an kompetenter Stelle eingc- zogenen Erkundigungen mittheilen, daß im Oktober v. I. zwei Alumnen vom Scharlach befallen worden waren, und zwar allem Anscheine nach in Folge von Ansteckung während des Ferienbesuchs im elterlichen Hause, aber längst wieder genesen find, und daß vor wenigen Tagen, vielleicht aus der nämlichen Ursache, wieder zwei Erkrankungen an Scharlach vorgekommen find. Die Patienten sind jetzt ebenso wie in dem früheren Falle in das städtische Krankenhaus überführt worden und be finden sich dort in bester Pflege; ebendahin ist sodann ein dritter Alumnus, der über Unwohlsein klagte, zur Beobachtung geschickt worden. Damit in keiner Weise der Weiterverbreitung der Krankheit Vorschub geleistet werde, ist die Mitwirkung des Herrn Stadtbezirksarztes erbeten und auf Anordnung desselben sind die Alumnen auf die Dauer einer Woche vom Besuche der Klasse» dispensirt worden. Es handelt sich hierbei lediglich um eine Vorsichtsmaßregel, welche jedenfalls nur gebilligt werden kann. In Chemnitz soll am 25. dss. Mts. Paul Umlaust's „Agandccca" zur Aufführung gelangen. Neben der Opern sängerin Frl. Mandern aus Dresden und dem Konzert- sängcr Herrn Organist Stein aus Freiberg, welche die Partien der „Agandccca" und des „Fingal" ausführen werden, sind noch von zwei Chemnitzer Gesangskräften, Herren Otto Sickel (Tenor) und Emil Michaelis (Baß) Solopartieen übernommen worden. Ersterer wird den „Barden", letzterer den „Starno" vertreten. Die Orchester begleitung erfolgt durch die bewährte Kapelle des Jns.-Reg. „Prinz Friedrich August" und ist außerdem noch für den Harfenpart eine tüchtige auswärtige Kraft, Herr Jul. Foth, Harfenvirtuos aus Berlin, gewonnen worden. In diesen Tagen finden die ersten Proben in Gemeinschaft mit dem Orchester unter Leitung des Komponisten, welcher zu jeder Probe eigens von Leipzig nach Chemnitz kommt, statt. Die zahlreichen Stiftungen von Gelen au find um eine neue vermehrt worden. Tie bis jetzt vorhandenen kamen aus schließlich nur den dortigen Armen zu gute, die neue Stiftung aber bezweckt die Hebung und Pflege des kirchlichen Chor- gesangcs und führt den Namen „Chorkassenstiftung". Wenn auch dort schon im Jahre 1879 ein Kirchensängerchor gegründet wurde und derselbe es sich zur Aufgabe gemacht hat, nament lich an Festtagen Kirchenmusiken und Figuralgesänge zur Auf führung zu bringen und hierfür auch seitens der Kirch gemeindetasse eine Bezahlung von jährlich 100 M. erfolgt, so erweist sich diese jedoch als ein sehr geringes Aequivalent für die Opfer an Zeit, Geduld und Geld, welche die Chor sänger einer guten Sache bringen. Um nun den Chorsängern mehr Freudigkeit zu geben, ist eine „Chorkassenstiftung" ge gründet worden, deren Zinsen alljährlich zum Neujahr an die erwachsenen männlichen Chorsänger zur Vertheilung kommen. Das zu diesem Zwecke dem Kirchenvorstand durch den Kirch- schnllehrer zur Verwaltung übergebene Gründungskapital von 400 Mk. ist zwar noch klein, man hat jedoch die Hoffnung, daß durch fernere Aufführungen, durch Vermächtnisse u. s. w. die junge Stiftung in wenigen Jahren so wachsen werde, daß sie auf eigenen Füßen stehen kann. Aus Annaberg schreibt das dortige „Wochenbl." : Die Gunst des Winters ist uns bis jetzt mit seltener Beständigkeit verblieben. Die sogen, „ältesten Leute" strengen sich vergebens an, in dem Arsenal ihrer Erinnerungen eine gleich prächtige, aus Sonnenschein und lieblich unter den Füßen knisterndem Schnee zusammgesetzte Winterszeit zu entdecken. Die durchsichtige, reine Luft gewährt von den in unserer Gegend so zahlreichen herrlichen Aussichtspunkten aus Fernblicke auf Wintcrland- schaften, wie sie so reizend kaum eines Malers Pinsel auf die Leinwand fcstzuzaubern vermöchte. Unter dem blitzenden Sonnen schein glitzert es auf den Bergesspitzcn wie silberne Streifen, und von schwarzen Waldungen eingesäumt, breiten sich die in weiße Schneedecken gehüllten Thäler vor den Blicken aus. Wenn dieses herrliche Panorama der Wintcrlandschasten unserem Erz gebirge den Ruf des sächsischen Sibiriens eingetragen hat, wollen wir den Namen sür unsere Gegend gern als Ehrentitel acceptiren. Es dürfte schwer sein, im Deutschen Reiche eine gleich ent zückende Winterlandschaftsstaffage zu finden, wie sie augen blicklich das obere Erzgebirge dem Auge bietet. Auf allen Seiten ist man bemüht, die Schönhcitsgaben des Winters sich anzueignen. Während zahlreiche Schlittenfahrer im Pfeilflug über die glatten Schneebahnen dahingleiten, giebt sich in der Stadt Jung und Alt aus Schlittschuhen Rendezvous auf der glatten Fläche des Schutzteiches. Im starren Wintcrbann liegt Landschaft und Stadt da, in der Lust an der Herrlichkeit des Winters verleiht aber der Mensch dem Bilde ein freudig bewegtes Leben in stillem oder lautem Dank gegen die Güte der ewig herrlichen Natur. Die privilegirte Schützengcscllschaft inZwickau wird auch in diesem Jahre ein solennes Vogelschießen abhalten und hat hierzu die Zeit vom 4. bis mit 12. Juli bestimmt. — In den letzten Tagen erlitt auf dortigen Kohlenwerken der Häuer Johann Heinrich Justin Völkel in Niederplanitz Bruch mehrerer Nippen dadurch, daß er aus ein Grubenholz, das ihm von der Schulter rollte, während er stürzte, fiel, der Fördermann Karl Adolf Besser Verletzung beider Arme infolge Quetschung zwischen zwei Hunde, während dem Fördermann Karl Wilhelm Wagner beim Bewegen des Ventilators, indem er zwischen zwei Zahnräder kam, ein Finger der rechten Hand weggeristen wurde, der Fördermann Karl Emil Rahmig aber durch einen unglücklichen Fall den rechten Arm brach. Eine mechanische Weberei zu Plauen i. V., welche vor zugsweise Jacquardmaschinen ausgestellt, hat dem gesammten Arbeiterpersonal gekündigt, um den Betrieb einzustellen. Zu diesem Entschlusse ist der Chef dieser Fabrik in Folge der großen Konkurrenz getrieben worden, welche die mechanischen Webereien in kleinen vogtländischen Städten in Folge billigerer Arbeitslöhne (bis zu 50 Prozent) demselben bereiten. Noch tiefer mit deü Arbeitslöhnen hcrabzugehcn, war aber unmög lich. Für die nämliche Waare, sür welche der Plauen'sche Fabrikbesitzer 1 Mark 60 Pfg. Arbeitslohn bezahlte, wurde in Falkenstein nur die Hälfte (80 Pfg.) berechnet. — Am 12. d. Mts. empfing Se. Exzellenz der Herr Finanzminister Frhr. v. Könneritz die Deputation des Komitees sür die Er bauung einer Eisenbahn von Weischlitz über Pirk nach Hof. Der Herr Minister erklärte, daß die Regierung für diese und die nächste Finanzperiode wohl kaum darauf zukommen wird, den Ständen «ine diesbezügliche Vorlage zu machen. La jedoch die Petition neue Gesichtspunkte brächte, die der Er wägung werth seien, so hätte er sofort Auftrag gegeben, neue Erörterungen darüber anzustellen. Ein gräßlicher Unglücksfall ereilte vergangenen Dienstag gegen Abend den im 16. Jahre stehenden Fleischerlehrling K. in Glauchau. Als derselbe nämlich im Geschäfte seines Meisters mit Kleinwiegcn von Talg beschäftigt war und das über einen Zentner schwere Wiegemesser, um dasselbe besser reinigen zu können, hoch gestellt hatte, glitt ihm dasselbe bei der Wiederausnahme der Arbeit aus der Hand und schlug in die linke Brust. Dem Aermsten wurde dadurch fast die ganze linke Brustseite zerschnitten, eine Rippe aber vollständig durch geschlagen. Am 12. d. trug man in Hainewalde bei Bautzen das langjährige Mitglied des dortigen Kirchcnsängerchors mit Namen Johann Gottlieb Eichler zur letzten Ruhe. Derselbe, ein Greis von über 74 Jahren, hatte über 52 Jahre dem Singechor angchört, und bereits 1883 erhielt er das An erkennungsdiplom des Landeskonsistoriums. Sein gottes fürchtiger, frommer Sinn, sein stilles, bescheidenes, allzeit freundliches und liebereiches Wesen, sein unermüdlicher Pflicht eifer, welcher ihn noch in den jüngstvergangenen Wochen die Begräbnisse mit begleite» hieß, hatten ihm sehr viele Freunde erworben, und manche Thräne floß an seiner Ruhestätte. Geschichts-Kalender. 16. Januar. 1328. Ludwig des Baiern feierliche Kaiserkrönung zu Rom. 1759. Preußen und England machen sich im „Neutralitäts ¬ vertrag zu Westminster" anheischig, den Krieg vom deutschen Boden gemeinsam fern zu halten. 1793. Der National-Konvent zu Paris beschließt durch offene namentliche Abstimmung den Tod des Königs Ludwig XVI. 1797. Im Treffen bei Valvassone drängt das französische Armee-Korps unter Bonaparte die Olsterreichcr unter Erzherzog Karl zurlU. 1864. Die deutschen Großmächte lasten in Kopenhagen er klären, daß die vertragswidrige Verfassung sür Dänemark- Schleswig vom 18. November 1863 binnen 48 Stunden aufgehoben werden wüste, widrigenfalls sie Schleswig in Pfand nehmen würden. 1871. Die Deutschen behaupten ihre Stellung bei Belfort siegreich gegen dreifache französische Uebcrmacht. General Schmidt dringt in der Verfolgung des Feindes bis über Vaiges vor und macht über 2000 Gefangene. Alen^on wird in der Nacht zuni 17. nach leichtem Ge fechte besetzt. Eine Märchenerzählerin auf dem Königs throne. *) Von Franz Woenig. I. Ein Buch mit goldenem Schnitt, im einfachen braunen aber doch stattlichen Gewände liegt vor mir. Darauf steht in kräftigen leuchtenden Zügen: „Aus Carmen Shlva's König reich." Oben in der Ecke rechts hat sich ein Krönlein ver steckt. Blättern wir einige Seiten weiter, dann finden wir den Haupttitel des Buches; der lautet: „Pelcsch-Märchcn von Carmen Sylva." Räthscl über Räthscl! . . . Was heißt „Pelesch", und wer ist Carmen Sylva? Wir kommen über diese Frage nicht hinaus, blättern aber nach Ausschluß suchend weiter, zumal es uns schon aus dem Titel so wunder sam, so märchenhaft cntgegenduftet, und da erfahren wir denn auch gar bald, wer der Pelesch ist, und wo wir den Schau platz der Märchenbilder zu suchen haben. Aber schon hält uns ihr Zauber mit aller Macht gefangen, und wir vermögen uns nicht eher den süßen Banden zu entreißen, bis die letzte Seite des Buches das Paradies, in dem unsere Phantasie ge- weilt, plötzlich verschließt. „O das ist herrlich!" rufen wir unwillkürlich aus und schlagen sinnend mit dankbarer Befriedi gung das prächtige Buch zu, aber der Zauber wirkt fort. Die kühnen Züge des Namens: „Carmen Sylva" tanzen lustig vor unseren Augen herum, wie neckische Kobolde und Frage zeichen. „Wer bin ich, kennst du mich?" kichert es verstohlen aus ihnen heraus Eine Königin!" sagt die Krone oben in der Plauderecke, die weiß es, und diese Krone verräth uns auch noch mehr, sie erzählt uns heimlich, daß sich hinter dem poesicvollen Namen „Carmen Sylva" — „Carmen heißt Lied, und Sylva heißt Wald" — ihre anmuthsvolle gottbegnadete Herrin birgt und daß sie Elisabeth von Rumänien heißt. Weiteres weiß freilich die Krone auch nicht zu sagen von dem deutschen Fürstenkinde mit dem gewaltigen Geist und dem gewaltigen Herzen auf dem rumänischen Königsthron, aber ich weiß mehr, denn in alledem, was es in die Welt hinaus gesungen hat von des Lebens Leid und des Lebens Lust und Freud, da spricht das eigene Herz, das echte deutsche *) Aus „Cornelia". Zeitschrift sür häusliche Erziehung. Leipzig, E. Kempe. Preis 1 Bd. 2,25 Mk. Frauenherz, wie's lacht und jubelt und trauert und weint... Was ich aus ihren eigenen Liedklängen erlauscht, und was eine vertraute Freundin der Königin: Mite Kremnitz**) über das Leben der hohen Frau mitgetheilt hat, das habe ich nach, folgend zu einer interessanten Charakterskizze zusammenzutragen versucht. Carmen Sylva . . . Waldlied! . . . Wie bezeichnend; denn der deutsche Wald am rebenumrankten, sagenumsponnenen Rhcinstrom hat ihr das erste Wiegenlied durch die hohen Bogenfenster des alten Schlosses zu Neuwied hineingerauscht, allwo das „Waldfeechen", das „Waldröschen", wie das Fürsten lind in vertrauten Kreisen wegen seines bezaubernden Lieb reizes oft genannt wurde, am 29. Dezember 1843 als der Sproß eines hochedlen und hochangesehenen Fürstengeschlechtes geboren worden ist. Mit berechtigtem Stolz kann die hohe Frau auf die stattliche Reihe ihrer Ahnen zurückblicken. Echte Ritterlichkeit, unverbrüchliche Treue, imponirende Charakter stärke, gepaart mit der Liebe zu allen Künsten und Wissen schaften, zählen zu ihren Vorzügen. Ein Fürst zu Neuwied war es, der in den Jahren schmachvoller Erniedrigung für unser deutsches Vaterland dem gewaltigen despotischen Corsen die Stirn zu bieten wagte und sich durch nichts bewegen ließ, dem Von demselben konstituirten Rheinbund beizutreten; und als dann im Jahre 1813 das Morgenroth der Freiheit aufleuchtete, als das geknechtete deutsche Volk das Joch der Tyrannei abschüttelte und sich voll glühender Begeisterung zum Sturme erhob, standen auch in den Reihen der heiligen Streiter drei junge Fürsten zu Wied; keiner kehrte zurück. ... Sie haben sür König und Vaterland ihr theurcs Herzblut aus dem Felde der Ehre vergossen. Auch aus dem Gebiete der Wissenschaften hat es dem Geschlecht Derer zu Wied nicht ge fehlt. Fürst Maximilian zu Wied hat sich durch seine Unter suchungen und Forschungen in naturwissenschaftlichen Diszi plinen rühmlichst hcrvorgethan, und der Vater der hohen Frau, Hermann zu Wied, war ein bedeutender Philosoph. Auch einen Maler und Dichterinnen hat die Ahnenreihe des alten Fürstenhauses aufzuweisen. Unter den Augen der sorg lichen jungen Mutter — die bei der Geburt des Prinzeßleins kaum achtzehn Jahre zählte — und unter Leitung ihres Vaters — in gleicher Weise durch bedeutende Gelehrsamkeit und Adel der Gesinnung ausgezeichnet — wuchs das Feenkind auf. Was cs in seiner Umgebung sah und Hörle, konnte nur von günsti gem dauerndem Einfluß auf die Herzensbildung und das Ge- müthsleben des Fürstenkindes sein, denn hier athmete Alles heiteren Frieden, Herzlichkeit, Anmuth und tiefe Frömmigkeit und selten hat ein Menschenkind so intensive Eindrücke eines musterhaften deutschen Familienlebens und dauernden Familien glücks erhalten, wie Elisabeth von Rumänien. Den Eltern mit voller Liebe und Hingebung zugethan, war das schlanke, lebhafte und holde Kind das Sonnenscheinchen des alten Fürsten- hoscs. Alles, waS mit ihm in Berührung kam, ward durch die Eigenart und den Liebreiz seines Wesens gleichsam be zaubert. Und „Sonnenscheinchen" war überall und nirgends. Trotz aller Ungebundenheit und Freiheit, die man dem zier lichen Wesen gewährte, war die Erziehung doch eine ernste und strenge, und Ordnung und Pünktlichkeit waren hierin die ersten Faktoren der Gewöhnung. Das geistig sehr früh ent wickelte Kind lernte schon in seinem dritten Lebensjahre das Lesen und machte seiner Lehrerin, dem Fräulein Lavater, einer Großnichte des bekannten Physiognomikers, welche schon die Erziehung der Mutter geleitet hatte, durch seine erstaunlichen Fortschritte große Freude. Bald traten die Eigenarten des seltsamen Fürstenkindes mehr und mehr zu Tage; seine scharfe Auffassungsgabe, sein eminentes Gedächtniß, beson ders seine lebhafte Phantasie, die das Ungeheuerlichste ersann, oft so grausig, daß das Prinzeßlein selbst davor erschrak. In ihren Spielen, zu welchen sie die Kinder des Pächters und ohne besondere Auswahl auch die barfüßige und flachs köpfige Dorsjugend in den Schloßhof lockte, entwickelte sie eine glückliche Erfindungsgabe. Ihr elastischer Geist kannte keine Schranken, und was dem Kinde am schwersten fiel, und was es eigentlich nie recht gelernt hat, das war das Stillsitzen. Mite Kremnitz erzählt: „In ihrem fünften Lebensjahre sollte sie mit ihrem Bruder, dem jetzigen Fürsten Wilhelm, in Oel gemalt werden. Auf alle Weise versuchte man es, sie ruhig zu halten, mit Güte und mit Strenge. Endlich nahm sie sich selbst vor, sich nicht zu rühren, als sie aber fünf Minuten still gesessen, fiel sie ohnmächtig vom Stuhl." Für die Volks schulen hat sie von jeher eine Passion gehabt; gehörte es doch noch kurz vor ihrer Vermählung zu ihren ernstlichen, leb haftesten Mädchenwünschen, eine Schule zu gründen und Lehrerin zu werden. Die Sympathien für diesen Stand sind ihrem Herzen bis zur Stunde verblieben, und ihr Volk und die rumänische Lehrerwelt mag sich darob freuen! Zu den ange nehmsten Reminiszenzen der hohen Frau gehört folgende heitere Episode aus ihrer Kinderzeit: An schönen Frühlings- und Sommermorgen war cs sür das Prinzeßchcn Regel, einen Spaziergang in der nächsten Umgebung des Schlosses zu machen. Sehnsüchtigen Auges blickte es dann ost m's Weite den Kindern des Pächters nach, die in der Frühe mit Ranzen, Tafel und voluminösem Butterbrot nach Rohrbach hinab zur Schule zogen. Wie gern wäre sie doch mit ihnen gewandert. „Welche Lust müßte es sein, da drinnen im alten Schulhaus zwischen den Kindern zu sitzen, mitzubeten, mitzusingen!" Dieser verlockende Gedanke peinigte sie Tag für Tag, und resolut, wie immer, fragt sie eines Morgens die Mutter, die durch das Zimmer geht, ob sie mit Pächters Kindern hinab nach Rohrbach zur Schule dürfe. Die Mutter überhört die Frage, und da keine Antwort erfolgt, deutet das zehnjährige Kind ihr Schweigen für sich günstig, eilt hinaus, seine kleinen Freunde im Pachthofe zur Schule abzuholen, trifft sie aber nicht mehr an und stürmt ihnen nach. Der Lehrer ist ebenso sehr er staunt, wie erfreut, als sich die Thür der Schulstube öffnet, das gnädige Prinzeßlein hereintritt und mit der Bitte heraus rückt, hierbleiben und mitsingen zu dürfen. Der Gesang der Dorsjugend erhielt für diese Stunde eine bedeutende Stütze, denn die junge Fürstin mischte ihre helltönende Stimme so kräftig ein, daß die älteren Kinder von Pächters, in der Furcht, **) Carmen Sylva." Ein Lebensbild der Dichterin von Mite Kremnitz. Verlag von S. Schottländer, Breslau. 22 Seiten.