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und Tageblatt. Amtsblatt für dir königlichen nud stäittifchrn Behörden za Freiberg and Brand. Verantwortlicher Redakteur: Iuliu« Braun i» Freiberg. U/» LU E^lutledvl Wochentag Nachmlll. v llhr für den 84. Zsth»»«*» Inserate werde» bi»Bormtttag llllhrangenom-g 'S 1^ j Sonnaden», den 16. Januar. 188H. Die Eröffnung des preußischen Landtages. An demselben Tage, an welchem vor fünfundzwanzig Jahren der preußische Landtag zum ersten Male von dem kurz vorher erst zur Regierung gelangten König Wilhelm feierlich eröffnet und demselben unverbrüchliche Treue ge lobte, fand am 14. Januar d. I. im Weißen Saale deS Berliner Schlosses die feierliche Eröffnung der neuen Legis laturperiode des preußischen Landtages statt. In diesem Vierteljahrhundert hat sich Vieles verändert und was man damals erhoffte und ersehnte, die nationale Einigung, ging herrlich in Erfüllung. Seitdem stieg König Wilhelm von Preußen zur deutschen Kaiserwürde empor, während der preußische Landtag hinter den deutschen Reichstag zurück trat und dem letzteren die Wahrung der Macht nach außen, die Sorge für die wirthschaftlichen Verhältnisse und das Recht zu zahlreichen Vorschriften für die Rechtspflege über lassen mußte. Immerhin ist der preußischen Volksvertretung, als dem größten Einzellandtage im Deutschen Reiche, ein weites Feld segensreicher Thätigkeit für das geistige und materielle Wohl von 28 Millionen Menschen geblieben. Nicht nur übt die Arbeit der größeren Einzellandtage mittelbar auf die Reichspolitik einen bedeutenden Einfluß, eS wirkt dieselbe auch unmittelbar sehr bedeutend auf den umfangreichen Gebieten des UnterrichtSwesenS und der Be ziehungen zur Kirche, der Finanzen, des Steuerwesens w. Der in letzter Zeit im preußischen Abgeordnctenhause durchgesochtene kirchenpolitische Kamps hat wiederholt das ganze Reich, selbst die von dem Kulrurkampf verschont ge bliebenen Länder, auf's Tiefste erregt: ebenso würde ein jetzt mehr als je zu erhoffender Abschluß jener Wirren im ganzen Reiche eine friedlichere, ruhigere Stimmung erzeugen. In Folge des die Zahl der Wähler wesentlich ein schränkenden eigcnthümlichen preußischen Wahlsystems ist die Theilnahme an den letzten preußischen Wahlen keine sehr lebhafte gewesen und das Verhältniß der Parteien im Ab geordnetenhause ziemlich unverändert geblieben. Von 433 Mitgliedern gehören 129 der deutschkonservativen, 65 der freikonscrvativen, 68 der nationalliberalen, 43 der deutsch sreisinnigen Partei, 100 der ultramontanen ZentrumSsraklion an, welche letztere auch noch auf den Anhanq von 15 Polen zählen darf. Ob ähnlich wie im deutschen Reichstage auch im neuen preußischen Abgeordnetenhause Konservative und Nationalliberale zusammenstehen werden gegen eine aus Ultramontanen und Deutschfreisinnigen gebildete Opposition oder ob sich wie früher ein Zusammenwirken der Konser vativen mit den Klerikalen ergeben wird, das hängt wesent lich davon ab, wie weit sich das Zentrum die Friedens gesinnung des Papstes Leo XIU. zum Muster nimmt. Es verdient Beachtung, daß am Vorabend der Eröffnung des Landtages von preußischen Regierungsorganen die Behaup tung ausgestellt wurde, daß ohne die Agitation der deutschen Ultramontanen auch mit dem vorigen Papst Pius IX. ein friedlicher Ausgleich hätte zu Stande kommen können. In der Thronrede, mit welcher diesmal der preußische Landtag eröffnet wurde, blieb die vielfach erwartete Ankündigung einer kirchenpolitischen Vorlage über die Vorbildung der Geistlichkeit auS. Trotzdem ist ein solcher Gesetzentwurf bei den neuerdings wesentlich verbesserten Beziehungen zwischen Berlin und dem Vatikan sicher nicht oufgegeben und wird, zusammen mit der Hoffnung auf die baldige Wiedcrbesetzung des Posener erzbischöflichen Stuhles, bedeutend dazu bei tragen, die zahlreichste Fraktion im preußischen Abgeordneten- hause versöhnlich zu stimmen. Ebenso verspricht die polnische Ausweisunas- angelegenheit ein besonderes Interesse in Anspruch zu nehmen, zumal die Reichsregierung seiner Zeit ausdrücklich im Reichstage betonte, daß die preußische Negierung dem Landtage gegenüber in dieser Frage nach allen Richtungen hin Rede und Antwort stehen werde. Die Kompetenz des deutschen Reichstages, über diese Dinge zu reden, ist fast unbestreitbar, aber ehe man beim Reiche Klage führt über eine von der preußischen Regierung innerhalb ihrer unbe streitbaren Kompetenz ergriffene Maßregel, ist es doch gewiß richtiger, zuvor zu hören, wie diese Negierung ihre Handlungsweise da, wo sie zunächst mrantwortlich ist, recht fertigen wird. Die Absicht der preußischen Regierung ist, wie man bereits aus den früheren Erklärungen des Ministers des Innern weiß, die Abwendung einer nationalen Gefahr. Ist eine solche Gefahr wirklich vorhanden — und Wenige werden das leugnen wollen —, so wird man auch die Beseitigung derselben für nothwendig halten müssen. Ob aber die gewählten Mittel die richtigen waren, das wird man erst nach einer genauen Darlegung der Thatsachen beurtheilen können. Bisher sind über die Ausweisungen so widerspruchsvolle Angaben verbreitet worden, daß ein zuverlässiges Bild der Sachlage schlechterdings nicht zu gewinnen ist. Nur die preußische Regierung kann vollen Ausschluß über den Umsang der Ausweisungen, sowie die Grundsätze, nach welchen dieselben vorgenommen worden, geben, und sie wird auch darzuthun haben, warum sie diese Grundsätze für die richtigen hiKt. Die bereits in voriger Nummer unter Depeschen im Auszuge mitgetheilte Thronrede, mit welcher Se Majestät der Kaiser in eigener Person am Donnerstag die neue Legis laturperiode des preußischen Landtages eröffnete, hat folgenden Wortlaut: „Erlauchte, edle und geehrte. Herren von beiden Häusern des Landtages! Indem ich Sie am Eingänge einer neuen Legislatur periode willkommen heiße, ist es meinem Herzen Bedürfniß, von dieser Stelle aus nochmals meinem Volle meinen Königlichen Dank zu sagen für den einmüthigeu und er hebenden Ausdruck der Liebe und Anhänglichkeit, der mir zu dem Tage rntgegengebracht wurde, an welchem ich auf die fünfundzwanziajähnge Dauer einer durch Gottes Gnade nach Innen und Außen reich gesegneten Negierung zurück blicken konnte. Zu gleicher Befriedigung hat es mir gereicht, daß bei dieser Gelegenheit auch außerhalb der Grenzen des Vaterlandes ein Maß von wohlwollender Theilnahme an unserer Feier zu Tage getreten ist, welches den freundlichen Beziehungen des Reiches zu allen auswärtigen Regierungen und meinem vollen Vertrauen auf die gesicherte Fortdauer des Friedens entspricht. Im klebrigen will ich hiermit den Präsidenten meines Staatsministeriums beauftragen, Ihnen weitere Mittheilungen über die Lage des Staatshaushalts und über die auf dem Gebiete der Gesetzgebung an Sie herantretenden Aufgaben zu machen." Nach diesen Worten verlos Fürst Bismarck eine längere ausführliche Auseinandersetzung über die in der nächsten Session dem Landtage zugchenden Vorlagen, welche u. A. folgende Ankündigung enthielt: „Das Zurück drängen des deutschen Elements durch das polnische in einigen östlichen Provinzen legt der Regierung die Pflicht auf, Maßregeln zu treffen, welche den Bestand und die Entwickelung der deutschen Bevölkerung sicher zu stellen geeignet sind." Der Kaiser verlas hieraus folgenden Schluß: „Geehrte Herren! Sie ersehen aus dem Verlesenen, daß der Landesvertretung wiederum ein ausgedehntes Feld wichtiger Thätigkeit eröffnet ist. Ich hoffe, daß Ihre Arbeit auf demselben sich auch in diesem Jahre zu einer fruchtbringenden und unter Gottes Segen für die Wohlfahrt des Landes förderlichen gestalten werde." Fürst Bismarck sprach dann: „Auf Befehl Seiner Majestät des Königs erkläre ich den Landtag der Mo narchie für eröffnet." Tagesschau. Freiberg, den 15. Januar. Es hat nach den über die Gesundheit des deutsche« Kaisers in letzter Zeit verbreiteten Nachrichten freudig über rascht, daß der greise Monarch im Stande war, den preußischen Landtag selbst zu eröffnen. Unter dreifachen Hochrufen der im Weißen Saale Versammelten schritt der Kaiser festen Schrittes zum Thron, verlas mit lauter Stimme den Eingang der Thron rede und gab dieselbe alsdann dem Kanzler, welcher den ge schäftlichen Theil vortrug, empfing die Thronrede darauf vom Fürstin Bismarck zurück und verlas den Schluß wieder selbst. Der Kaiser wird nun auch am Sonntag der im Berliner Schlosse stattfindendcn Feier des Krönungs- und Ordensfestes beiwohnen. Der deutsche Reichstag nahm gestern die erste Berathung des Antrages Ausseld vor, welcher dahin geht, unmittelbare Umschließungen zollpflichtiger Flüssigkeiten fern zu lassen, wenn das Gelvicht derselben in das für die Verzollung der Flüssig keiten ermittelte Gewicht eingerechnet ist. Abg. Brömel prach siir den Antrag mit dem besonderen Hinweis auf d e Ungerechtigkeit des bisherigen Verfahrens bei der Petroleums- Verzollung. Die Abg. Struckmann und von Schalscha empfahlen Ueberweisung des Antrages an eine Kommission von 14 Mitgliedern. Abg. Barth äußerte seine Verwunderung darüber, daß bei einer so wichtigen Angelegenheit, die einen schweren Vorwurf für den Bundesrath bezeichne, von Seite der verbündeten Regierungen keine Aeußerung erfolge. DaS jetzige Petroleumzollverfahren schädige den Handel Deutschland« und sei eS nothwendig, der falschen Auslegung der betreffende« Zollparagraphen ein Ende zu machen. Der Antrag wurde hieraus an eine vierzehngliedrige Kommission verwiesen. ES folgte die erste Berathung deS Antrages AuSseld über die Zu- Zassung des Rechtsweges in Zoll- und Struersachen. Der An trag bezweckt, daß der, welcher zur Entrichtung des EingangD- szollcs nicht verpflichtet zu fiin glaubt, befugt sein soll, dies gerichtlich geltend zu machen. Abgeordneter Meyer (Halle) erklärte den Antrag für berechtigt, da es sich darum handle, den Privatmann gegen steuerliche Maßnahmen zu schütze». Sollte die kommissarische Berathung beschlossen werden, so beantrage er die Verweisung an die vorhin beschloßene Kommission. Abg. Rintelen hält dm Antrag für über flüssig, da das VereinSzollgesetz bereit» hinreichenden Schutz gewähre. In demselben Sinne sprach sich Abg. Klemm aus. Abg. Struckmann war für dm Antrag, weil eS an einer Behörde fehle, die völlig unbefangen über die einschlägigen Angelegenheiten entscheiden könne. Nachdem auch Abg. Lenz mann sich für den Antrag ausgesprochen, wurde der letztere derselben Kommission überwiesen, wie der erste Antrag des Abg. Ausseld. Präsident von Wrdell-PieS- dors schlug vor, die nächste Sitzung am Freitag um 1 Uhr abzuhalten mit der Tagesordnung: Postetat. Zur Be sprechung der die Ausweisungen betreffenden Anträge könne er noch nicht rathm, da dieselben noch nicht an der Reihe seien. Abg. v. JazdzewSki bat trotzdem, dir Anträge der Polen auf die Tagesordnung zu setzen, worauf Abg. v. Hclldors meinte, man müsse erst Vie Berathung im Abgcordnetcnhause abwartcn. Adg. Windlhorst erwiderte, cs empfehle sich, die Interpellation vor der LandtagSver- handlung zu besprechen, weil sich diese wesentlich darnach richten würde. Abg. Rickert trat ebenfalls für die Vorschläge des Abg. v. JazdzewSki ein Abg Marquardfen glaubte, erst müsse die Besprechung im Abgeordnetenhaus« erfolgen, wogegen Abg. Richter cs für richtig hielt, die Angelegenheit erst im Reichstage zu berathcn, damit auch die Vertreter von außcrpreußischen Ländern ihre Meinung kundgeben könnten. Darauf wurde der Antrag des Abg. v. JazdzewSki angenommen. Zum Schluffe theilte der Prä sident noch den gleichzeitig zur Berathung gelangenden An trag des Abg. Windlhorst mit: „Der Reichstag wolle beschließen, die Ueberzcugung auszusprcchen, daß die Aus weisungen russischer und österreichischer klnterthanen nicht gerechtfertigt erscheinen und mit den Interessen der Reichs angehörigen nicht vereinbar seien." — Der deutsche Bundesrath verwies gestern die Branntweinmonopol- Vorlage an die Ausschüsse für das Zoll- und Steuerwesm, für Handel und Verkehr und für das Justizwesen. — Im preußischen Herren Hause wurde das bisherige Prä sidium durch Akklamation wiedergewählt, dagegen erfolgt die Präsidentenioahl im A b ge o r d n etenh aus e erst Sonnabend Nachmittag. — Von liberaler und klerikaler Seite ist in der badischen Kammer eine Anfrage an die Regierung über ihre Stellung zum Branntwein-Monopol gerichtet worden. — Neber die Wiederbesetzung des Erzbisthunis Posen hat die „Neue Preuß. Ztg." von wohlunterrichteter Leite erfahren, daß diese Angelegenheit in allernächster Zeit ihren befriedigenden Abschluß finden wird. Der zukünftige Erzbischof soll indessen nicht, wie vielfach behauptet wurde, polnischer, sondern deutscher Nationalität sein. Erzherzog Karl Stephan von Oesterreich, der Bruder der Königin-Regentin von Spanien (geb. am 5. September 1860) wird sich am 28. Februar mit der Erzherzogin Maria Theresia vermählen. Am österreichischen Hofe nimmt man an der Erkrankung des Grafen Beust, der auf Schloß Alten berg an einer Lungenentzündung darniederliegt, den innigsten Antheil. — In der am Dienstag stattgefundenen Sitzung der Sprschenkommission des böhmischenLandtages wurden wieder Zeit, Scharfsinn und Bcrcdisamkeit der endlosen Sprachensrage zwecklos geopfert. „Daß der Antrag des Czechen Facek wegen totalen Verkennens aller gesetzlichen Kompetenzen nicht ernst genommen werden kann", schreibt das „Fremdenblatt", „bedarf keines weiteren Nachweises". Es kann nur beklagt werden, daß durch das Stellen ähnlicher Anträge und durch Berathungen über dieselben die Gegensätze verschärst und die taatsrechtlichen Meinungsverschiedenheiten vertiest werden. Aus der italienischen Hauptstadt wird der „Germania" über die neueste päpstliche Enzyklika berichtet, daß dieselbe als eine Antwort aus das gemeinsame Hirtenschreibrn der Fuldaer Bischofskonferenz anzusehen sei, in gemäßigter Form, aber mit voller Entschiedenheit die religiöse Lage bespreche und die Nothwendigleit der Lösung der Erziehungssrage deS KleruS