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an den preußischen Landtag doch Wohl schon für die kommende Session zu erwarten. Daß sie wiederkehrt, ist ja gewiß. Ter angekündigte Rücktritt des commandirenden Generals des ostpreußischen Armeecorps, Grafen Fincken stein, soll mit dem Jnsterburger Duell nicht zusammen hängen. Er war angeblich bereits vorher geplant. Es verlautet neuerdings auch von dem bevorstehenden Rück tritt des Generals v. Lentze, des Commandirenden des westpreußischen Armeecorps. Folgendes Dementi bringt die „Nordd. Allg. Zig.": Ter „Berl. Lok.-Anz." veröffentlichte eine Meldung aus Kiel, die mit dem Anspruch auftrat, die „bedeutsamsten Wendungen" der vom Kaiser bei der Vereidigung der Marinerekruten gehaltenen Rede wiederzugeben. Wir sind zu erklären ermächtigt, daß diese Meldung über den Inhalt der Allerhöchsten Ansprache in den Haupt punkten vollkommen erfunden ist. Insbesondere hat der Kaiser des Krieges von l 870/7 l in keinem Worte gedacht. Weitere Angaben aus dem neuen Reichshaus haltsetat werden in der „Nordd. Allg. Ztg." gemacht. Nach dem Etat für das Reichsschatzamt sollen an die Bundesstaaten für 1902 gegenüber dem Vorjahr aus dem Ertrage der Zölle und Tabaksteuer 353,8 Mill, oder 7,1 Mill. Mk. weniger, der Branntwein-Ver brauchsabgabe 110,5 Mill, oder 824,000 Mk. mehr und der Reichsstempelabgaben 79,8 Mill, oder 20,3 Mill. Mk. weniger überwiesen werden. Ter Entwurf der Einnahmen an Zöllen und Verbrauchssteuern bringt in Ansatz 807 gegen 810,3 Mill. Mk., an Stempel abgaben 94,5 gegen 114 Mill. Mk. Im Reichsjustiz etat schließen die fortdauernden Ausgaben mit 2,14 gegen 2,13 Mill. Mk. Ter Etat der Reichsdruckerei fetzt an Einnahmen 330,000 Mk. mehr an, da größere Truckaufträge erwartet werden. Die fortlaufenden Aus gaben schließen mit 5,9 gegen 5,6 Mill. Ter lleber- schuß wird auf 1,6 gegen 1,7 Mill. Mk. veranschlagt. Tie englische Presse, oder doch ein großer Theil derselben, kann sich aus Verdruß über die gerechtfertigte Abweisung der Chamberlainschen Schmähungen nicht genug thun in Gehässigkeiten gegen Deutschland. So behaupten einige Blätter, die Burenbegeisterung des deutschen Volkes sei nur aus den Umstand zurückzuführen, daß Emissäre der Buren einflußreiche Persönlichkeiten bestächen. Hätte Präsident Krüger weniger Gold von Afrika mitgebracht, dann würde es ganz anders sein. Ties ist aber noch keineswegs die größte der englischen Unverschämtheiten. Tenn es wird sogar die Persön lichkeit des deutschen Kaisers in den Streit hineinzu ziehen und von den Engländern auszubeuten versucht. Zum Glück, so sagt „Daily Telegr.", beider Völker steht an der Spitze des deutschen Reiches ein Herrscher mit Blut der Königin Victoria in seinen Adern, der die englische Nation, die niemals seine Theilnahme für sie in der Stunde ihres tiefsten Grames vergessen habe und niemals vergessen werde, kenne, verstehe und wür dige. Tie „National Reviers" schreibt: „England ist namentlich gegenüber Deutschland viel zu entgegenkom mend gewesen. Es hat den (angeblichen) Versuch Deutschlands, Europa im Jahre 1896 gegen England in Bewegung zu setzen, mit einem deutsch-englischen Ab kommen vergolten, das Deutschland die Anwartschaft auf weite Gebiete des portugiesischen Afrikas sicherte, auf die es nicht den Schatten eines Anspruchs hat, und Kaiser Wilhelms „erfolgreicher Besuch" in England verschaffte ihm dieses huldvolle Zugeständniß unseres Antheils an Samoa. Nun das ist alles ein ebenso böswilliges als grundloses Gerede, das sich thatsächlich nur als die be kannte englische Unverschämtheit charakterisiren läßt. Wie übrigens verlautet, ist der englische Botschafter in Berlin, Lascelles, nach London berufen, um dort über die Stimmung in Deutschland Bericht zu erstatten. Ter Colonialminister Chamberlain soll dem Botschafter die Schuld daran zuschreiben, daß er über die in Teutsch land herrschende Stimmung nicht genügend unterrichtet worden sei. Ter deutsche Außenhandel zeigte auch im Oc- tober einen Rückgang der Einfuhr bei gleichzeitiger Steigerung der Ausfuhr. Tie Einfuhr betrug 41,1 gegen 44,8 Millionen Doppelcentner im October v. I. Von ver Mindereinfuhr entfallen allein 3,4 Mill. T.-C. aus Kohlen, während die Getreideeinfuhr um über V, Mill. D.-C. gestiegen ist. Die Ausfuhr belief sich auf 29,8 gegen 29,7 Mill. T.-C. Eisen zeigt eine Zunahme von mehr als 1 Mill. D.-C. Kohlen haben um über Mill. D.-C. nachgelassen. Tie Gesammt- einfuhr in den ersten zehn Monaten dieses Jahres be zifferte sich auf 374 gegen 380, die Ausfuhr auf 265 gegen 270 Mill. D.-C. Oesterreich-Ungarn. In Agram besteht seit geraumer Zeit eine englische Commission zum Pferdeankauf für Südafrika. Gegenwärtig wird ein Stall für 2000 Pferde gebaut. Tas sieht den Kroaten ganz ähnlich. Frankreich. Tie Zustände in der Republik Frankreich sind und bleiben unerquicklich. Und das kommt daher, weil dort die Entscheidung über die wichtigsten Staats angelegenheiten mehr oder weniger vom bloßen Zufall abhängt. Oft entscheidet nur eine Zufallsmajorität über das Bleiben oder Gehen eines ganzen Ministeriums. Gerade jetzt hat das Cabinett Waldeck-Rousseau wieder einmal den Wechsel alles irdischen Glückes recht bitter empfinden müssen. Während es bisher in allen wichtigen Fragen eine Mehrheit der Teputirtenkammer auf seiner Seite zu vereinigen vermochte, haben jetzt der Kriegs- wie der Finanzminister anläßlich der Chinadebatte recht unangenehme Niederlagen erlitten. Tie Kammer ver langte bezüglich der Unterstützung der Relicten im China feldzuge gefallener französischer Soldaten das Unmögliche, und wenn auch nicht die extremsten Anträge eine Mehr heit fanden, so gelangten doch immerhin solche zur An nahme, denen sowohl der Finanz- wie der Kriegsminister entschieden widersprachen. Tie Stimmung in der Kammer ist gegenwärtig überhaupt eine äußerst gereizte. Nachklänge vom Zarenbesuch spielen da noch mit hinein und namentlich hat der ganz neuerdings bekannt ge wordene Geheimbericht des Generals Voyron, der die französischen Missionare in China so scharf bloßstellt, viel böses Blut gemacht. Tie Erfolge des Cabinetts Waldeck-Rousseau in der Türkenfrage können gegen die vorhandene Mißstimmung garnicht aufkommen, so daß wir doch wohl eines schönen Tages, und vielleicht schneller, als es vielfach erwartet werden mag, von dem Sturze des Ministeriums hören werden. England. Tie Krönung König Eduards von England ist auf den 25. Juni verschoben worden; man rechnet in London also noch auf eine längere Tauer des Krieges. Afrika. Lord Kitchener schweigt über die Kriegsercignisse in Südafrika, theilte jedoch brieflich seiner in London lebenden Schwester mit, daß er müde sei und das Be- dürfniß habe, sich auszuruhen. Ta General Hamilton jetzt in Südafrika eingelroffen ist, so glaubt man all gemein, Lord Kitchener werde alsbald um die Ent hebung von seinem südafrikanischen Posten nachsuchcn. General French wird aber auch in England erwartet. Es scheint demnach bereits jetzt eine allgemeine Ab rüstung im Werke zu sein, die schließlich vielleicht mit der gänzlichen Einstellung der aussichtslosen Feindseligkeiten endigen wird. Aus dem Muldenthale. ^Waldenburg, 28. November. Wir leben jetzt in derjenigen Periode, in welcher das Fleisch einer gut ge bratenen Gans am besten schmeckt. Es sei deshalb nach stehend ein Recept mitgetheilt, eine Gans lebendig zu braten, zwar nicht zur Nachachtung, sondern um zu zeigen, zu wel chen Grausamkeiten man sich in früheren Zeilen ver leiten ließ, um einen verwöhnten Geschmack zu befriedi gen. Es ist in einem im Jahre 1581 erschienenen „Kunstbuch des wohlerfahrenen Alexii Pedemontani von mancherlei nützlichen und bewerten Secreten und Künsten jetzt newlich auß Welscher vnd Lateinischer sprach in Teutsch gebracht durch Doctor Hanß Jacob Wecker Statt- artzetinColmar" enthalten und lautet: Ein gebraten leben dige Ganß. Nim ein lebendig ganz rupff sie, außgenom- men am Halß und kopff, mache rings vmb sie ein feur nicht zu nah, aufs daß sie nicht ersticke, sondern daß sie allgemach brate. Stelle zu ihr ein geschirr voll wasser, darunder Honig vnd Salz vermischt, damit sie offt mög trinken. Demnach ein apfel schneide sie klein, koche sie inn einer bratpsann, treiffe offt damit die ganß, damit sie eh werde gebraten, rucke das feur näher zu ihr, aber doch eil nicht zu vast, vnd so sie an hebt zu kochen, lauffet sie inwendig im feur vmbher, vnnd be gehrt zu fliehen, welches so sie es (von wegen des feurs) nicht kann zu wegen bringen, trincket sie ohn vnderlaß, sich zu erlaben vnnd zu erkülen: vnnd so es heiß worden, bratet oder kochet sie auch inwendig. Du solst aber ihr on vnderlaß dz Haupt uud Hertz mit einem feuchten schwam erkülen. Vnd so sie anhebt vmbfallen vnd zu zablen, nim sie hinweg von dem feurt, lege sie in ein blatt, vnd gibe sie den gesten zu essen, so ist sie gebraten, vnd lebet noch, vnd schreiet, so man von ihr schneidet, welches vast lustig zu sehen. (Da sträuben sich allerdings die Haare.) *— Nach einem Bericht des Oberkirchenrathes sind in Böhmen bis Ende vorigen Monats 7462 Personen zum Protestantismus übergetreten. Seit Anfang dieser jetzigen Bewegung wird die Zahl der übergetretenen Personen auf 17,000 geschätzt. *— Mit dem 1. Januar 1902 tritt eine Aenderung der Postordnung in Kraft, welche die Briefe mit Zu- stcllungsurkunden betrifft. Darnach müssen solche Briefe verschlossen und auf der Aufschriftseite mit der Angabe von Namen und Wohnort des Absenders handschriftlich oder durch Stempelabdruck rc. versehen sein. An Ge bühren werden für solche Briefe erhoben: 1. Das ge wöhnliche Briefporto; 2. eine Zustellungsgebühr von 20 Pf.; 3. das Porto von 10 Pf. für die Rücksendung der Zustellungsurkunde. Tie Beträge zu 1 bis 3 müssen sämmtlich entweder vom Absender sogleich bei der Ein lieferung oder vom Empfänger bei der Aushändigung entrichtet werden. Im Uebrigen haftet der Absender für alle Beträge, die nicht vom Empfänger erhoben werden können. Kann die Zustellung nicht ausgeführt werden, so ist bei unfrankirten Briefen nur das Porto zu 1 zu entrichten, während bei frankirten Briefen der zu 2 und 3 vorausbezahlte Betrag erstattet wird. *— Anläßlich der Frage, die Scheidung des Steuer gebietes zwischen Staat und Gemeinde betreffend, hat die königliche Staatsregierung statistische Erhebungen über das Gemeindesteuerwesen angestellt. Dieselben er gaben, daß — seit 1891 — in sämmtlichen 143 Städ ten des Königreichs eine Einkommensteuer erhoben wird, und zwar war dieselbe in 75 Städten die einzige Ein nahmequelle der Gemeinde aus Steuern. Außerdem wurde neben der Einkommensteuer in 62 Städten eine Grundsteuer erhoben, in 12 Städten eine Kopfsteuer und in einer Stadt eine Vermögenssteuer. Eine Mieth- steuer wird, seitdem Dresden dieselbe aufgehoben hat, in keiner Stadt Sachsens mehr erhoben. Was die Ein kommensteuer anbetrifft, so erhoben 59 Städte dieselbe im Anschluß an die Staatscinkommensteuer, während 83 Städte eine selbständige Einkommensteuer hatten. Im Durchschnitt kamen 128 Mk. Gemeindesteuern (über haupt) auf 100 Mk. Staatssteuern. Ueber die Steuer arten in 2528 Landgemeinden läßt sich mittheilcii, daß eine Grundsteuer in 2169 Gemeinden, eine Kopfsteuer in 1695 Gemeinden und eine Einkommensteuer in 922 Gemeinden erhoben wurde. Davon besaßen 349 die Einkommensteuer als einzige Einnahmequelle, während die andern Gemeinden mehrere Steuern neben einander erhoben. Somit war die Grundsteuer in 85,8 Proc., die Kopfsteuer in 67,0 Proc. und die Einkommensteuer in 36,4 Proc. der Gemeinden anzutreffen. *— Vom Bezirksverein Königreich Sachsen im Teutschen Fleischer-Verbände ist eine Eingabe an das königl. sächsische Ministerium des Innern gerichtet worden, in der dasselbe gebeten wird, beim Reichskanzler dahin zu wirken, daß möglichst umgehend die Einfuhr lebender Schweine außerdeulfcher Zucht unter den erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen gestattet werde. Begründet wird das Gesuch damit, daß der Auftrieb von Schweinen gegenwärtig ein unzureichender sei und der Preis des Schweinefleisches deshalb eine außerordentliche Höhe er reicht habe. *— Für 8,112,000 Mk. Kohlen fressen unsere sächsischen Lokomotiven jährlich. Dieser Betrag entspricht einer Jahresleistung von 35,000,v00 Lokomotivkilometern und ist nach dem Verhältnisse des Maierialverbrauchs im Jahre 1900 und der muthmaßlichen Durchschnitts preise in den Jahren 1902 und 1903 bemessen. An genommen ist dabei, daß die für das Lieferungsjahr 1901/1902 zugestandenen außerordentlich hohen Kohlen preise nach Ablauf dieses Lieferungsjahres sich für künf tig wesentlich abmindern werden. — Betreffs der von mehreren Blättern erwähnten größeren Diebstähle bei der Firma Ernst Bößneck in Nlauchau hat es nach genauen Erkundigungen bei der Firma folgende Bewandtniß: Ein bereits seit 25 Jahren bei der genannten Firma beschäftigter Angestellter, der dort eine gesicherte Lebensstellung und sein gutes Aus kommen hatte, hat das ihm geschenkte Vertrauen seit einer größeren Reihe von Jahren gröblichst gemißbraucht. Er hat einem von der Firma beschäftigten Weber mehr Garn aus den Garnvorräthen des Geschäfts übergeben, als dieser zu bekommen hatte. Ter Weber hat das Garn verkauft und Beide haben den Erlös getheilt. Soweit sich feststellen läßt, reichen diese Diebstähle auf ungefähr 8 Jahre zurück. Ter der Firma Ernst Bösneck dadurch erwachsene Gesammtschaden beläuft sich immer hin auf ca. 1200 bis 1500 Mark. — Im „Teutschen Kaiser" in Zwickau tagte am Montag Abend eine zahlreich besuchte Bürgerversamm lung, die gegen Chamberlains Schmähung der deutschen Krieger 1870/71 protestirte. — Tas Landgericht Zwickau verurtheilte einen dorti gen Wirth zu 250 Mk. Strafe, weil er Münchener Spatenbräu unter dem einer anderen Münchener Brauerei geschützten Namen „Salvator" empfohlen hatte. — Seitdem das frühere Kreiskrankenstift in Zwickau vom Staate übernommen worden ist, sind fortgesetzt Erweiterungen desselben erfolgt. Auch jetzt wieder sollen eine neue Leichenhalle, Sectionshaus, Laboratorium, Kesselhaus, Tesinfectionsraum mit Bävern, Beobachtungs haus rc. errichtet und dafür 240,000 Mk. aufgewendet werden. — Ter Bursche eines Militärarztes in Grimma, Namens Ernst Rieger, wurde am Montag Nachmittag verhaftet unter dem Verdachte, daß er seinen Vor- gesetzten zu vergiften versucht habe. Ter Bursche hatte Unredlichkeiten begangen und war darüber von dem Arzte zur Rede gesetzt worden. Als am Sonntag früh der Arzt Thee trinken wollte, fiel ihm der scharfe Ge schmack desselben auf. Es wurde festgestellt, daß dem Thee Sublimat zugesetzt war. Ebenso fand man den Rothwein mit Sublimat vermischt. Der Bursche hatte anscheinend ebenfalls Gift zu sich genommen, als er verhaftet wurde. Aus dem Sachseulande. — Tie 2. Kammer trat in ihrer am Mittwoch statt- gehabten 6. öffentlichen Sitzung, der am Rcgierungstisch