Volltext Seite (XML)
Schönburger Tageblatt «scheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Lrmahme von Inseraten tür die nächster- IH-inend- Nummer bis vormittags 11 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt viertehähr- M 1 Mt. 50 Pf. Einzelne Nrn. ü Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., für auswärts15Pf. Tabellarischer Satz wird doppelt berechnet. und Waldenburger Anzeiger. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Heiru Kaufmann Otto Förster; in Kauiungen bei Herrn Fr. Janaschek; in Langenchursd^f bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Henn Wilhelm Dahler, Cigarrenfabrikant an l r Brücke; in Rochsburg bei Herrn Paul Zelt; in Wolkenbnrg bei Herrn Herm. Wildenhain; in Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirsten. Amtsblatt für den ^tadtrath zu Maldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Ltchtenstein-Callnberg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen- lruba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Kerrrfprecher Rr. 9. Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. --"-^7777^7777 n-immn . »M 277. Donnerstag, den 28. November 1901. Witterungsbericht, ausgenommen am 27. November, nachm. 4 Uhr. Barometerstand 767 ww. reducirt auf den Meeresspiegel. Thermometerstand 4- 2" 0. (Morgens 8 Uhr -s- 1,! 0.) Feuchtigkeitsgehatt der Luft nach Lambrechts Polymeter 70"/n. Thaupunlt — 3" 0. Windrichtung: Nord. Niederschlagsmenge in den letzten 24 Stunden bis 12 Uhr mittags: 2,« will. Daher Wittcrungsausfichteu für den 28. November: Wechselnde Bewölkung. "Waldenburg, 27. November 1901. Ueber den neuen Zolltarif und seine Begründung wird schon tapfer debattirt, es fehlt weder an Zustim mungserklärungen, noch an ablehnenden Aeußerungen, aber man muß gestehen, daß es doch den weitaus meisten Stimmen nicht so leicht wird, zu einem völlig beherrschen den Uriheil zu kommen. Dazu ist das Material doch viel zu umfangreich, und bei dem thatsächlichen Ernst der Zeiten ist die Sache vor Allem nicht mit einer glatten Ablehnung erledigt. Geklagt wird heute überall; man kann nicht dem Einen das Recht einräumen, Besse rung zu verlangen, während man es dem Anderen ver weigert. Man darf weder hüben, noch drüben einige vereinzelte Personen als Repräsentanten ihres Berufes hinstellen, nach welchen die Gesammtlage einzuschätzen ist, es muß vielmehr der Durchschnitt angenommen wer den. Und wenn wir weder nach dem Obersten, noch nach dem Untersten rechnen dürfen, werden wir von selbst auf den Mittelweg vewiesen. Er ist der allein richtige und am Besten zu beschreitende. Die Handelspolitik kann, genau genommen, keine Parteisache sein, sondern nur eine Vertrauenssache. Sie muß von dem Zutrauen des Nährstandes auf den leiten den Staatsmann getragen werden, sie muß auf dem Bewußtsein beruhen, daß dieser entschlossen ist, in kriti scher Zeit das heimische Interesse energisch in den Vordergrund zu stellen und durchznsetzcn, was nöthig ist. Kein Reichskanzler und kein Reichstagsabgeordneter wer den es Allen Recht machen können, darum muß zwischen Staatsmann und Volksvertretung der ausgleichende Mittel weg vereinbart werden, aber für die Handhabung der damit geschaffenen Waffen muß Vertrauen obwalten. Und auch bei unserem Zolltarif ist die Hauptsache ja nicht der Tarif selbst, sondern die Handelsverträge, die daraufhiu abgeschlossen werden sollen. Tie Mehrheit des Reichstages muß hier das Vertrauen zum Grafen Bülow haben, daß er bei den praktischen Folgen das Menschenmögliche zu behaupten wissen wird. Daß es in allen Punkten ohne Zollkrieg abgehen wird, glauben wir, offen gesagt, nicht; in so mageren Zeiten, wie den heutigen, will Jeder wenig geben, aber viel haben, und daß man daran gern denkt, von Deutsch land am Meisten zu verlangen, ihm aber am Wenigsten zu bieten, ist eine nicht ganz unbekannte Sache. Ohne ein tüchtiges Maß von Vorsicht geht es nicht an; und wenn Graf Bülow zur Vorsicht mahnt, weil sich die Zukunft nicht gut übersehen läßt, so liegt darin nicht blos viel Ehrlichkeit, sondern auch die Bitte um Ver trauen. Der Reichskanzler wird schon wissen, was er eventuell mit den ihm durch den neuen Tarif geliefer ten Waffen anfangcn kann; daß er diese äußersten Mittel nicht Jedem vorher groß und breit ankündigen kann, ist natürlich, denn unnütz ein Geschäft zu er schweren, hat keinen Zweck. Erst recht ist es aber nutz los vor dem entscheidenden Spiel die Karten aufzu- deck'en. Damit wartet man, bis es so weit ist. In keinem anderen Staate sind die handelspolitischen Erörterungen so heftig, wie bei uns im deutschen Reiche, weil es den Deutschen nicht leicht wird, die Tinge an ders, als vom Standpunkte der Partei anzusehen, ^n Frankreich, wie in England giebt es Politiker, die nach unseren Begriffen zu den entschiedensten Liberalen ge hören, darum aber doch ebenso entschiedene Schutzzollner sind. Die Zoll- und Handelsvertragsfragen sind eben anderswo hauptsächlich eine Sache der Zweckmäßigkeit; und daß darüber selbstverständlich die Meinungen ^ver schieden geäußert werden, wird keinem Menschen groß übel genommen. Wir werden so leicht nicht dahin kommen, das würde zu viel Selbstüberwindung kosten, aber mit den Jahren werden wir doch vorurtheilsloser denken. Der Reichskanzler wird im Reichstage sprechen, und dann wird man es noch deutlicher, als heute es mög lich ist, erkennen, daß es sich wirklich um eine Ver trauenssache handelt. Etwas Großes kann nur dann widerstrebenden fremden Staaten gegenüber erreicht wer den, wenn Reichsregierung und Reichstag fest Hand in Hand mit einander gehen. Wenn der Reichstag dem Reichskanzler von vornherein die Sache zu schwer macht, wird man es draußen dem durch den Kanzler vertretenen deutschen Reiche nicht leichter machen. Also ohne ein gewisses Vertrauen geht es nicht. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Ter Kaiser besichtigte am Dienstag Vormittag auf der Kieler Reichswerft die Maschinenbau-Anstalt, die Gießereien, sowie die Neubauten der Panzerkreuzer „Prinz Heinrich" und „Prinz Adalbert". Abends fand beim Prinz-Admiral Heinrich an Bord des Panzers „Kaiser Friedrich" Tafel statt. Die Ehescheidung des Großherzogs und der Großherzogin von Hessen wird, wie man nach der „Voss. Ztg." in wohlunterrichteten Koburger Kreisen annimmt, alsbald erfolgen, da beide Theile einverstanden sind. Die Hauptschwierigkeit bildet die Lösung der Frage, wie das künftige Geschick des einzigen Töchter chens des Großherzogpaares zu gestalten ist, da die Scheidung voraussichtlich nicht in der Weise erfolgt, daß der eine oder der andere Theil als „schuldig" erklärt wird. An Stelle des Herrn v. Frege ist der Abg. Graf Or. Udo von Stolberg-Wernigerode von der conservativcn Partei nunmehr als Candidat für den Posten des Vizepräsidenten nominirt worden, der auch Vom Plenum des Reichstages gewählt werden wird. Major V. Wißmann, der frühere Gouverneur von Teutsch-Ostafrika, ist nach dem „Berl. Tgbl." auf Schloß Weißenbach bei Graz (Steiermark) nicht unbedenklich erkrankt. Ter badische Landtag ist am Dienstag eröffnet worden. Die Thronrede betont, daß die Regierung festhalte an der Nothwendigkeit besonderer Sicherungs maßnahmen für die Vertretung örtlicher Jnterefsen und sämmtlicher Gruppen der Bevölkerung im Falle der Ein führung des dirccten Wahlrechts, obgleich alle Parteien in der zweiten Kammer für die vorbehaltlose directe Wahl sind. Für alle Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern soll Wiedergewährung der directen Wahl der Bürgermeister und Gemeinderäthe stattfinden. Zur theilweisen Deckung des Teficits sollen zum ersten Mal Schatzanweisungen ausgegeben werden. Nach den amtlichen Feststellungen weisen die Fr ac tione» des Reichstags beim Beginn des zweiten Abschnitts der zweiten Session der zehnten Legislatur periode folgende Stärke auf: Conservative 51, freiconser- vative 20, Antisemiten 10, Centrum 106, Polen 14, Nationalliberale 51, freisinnige Vereinigung 13, frei sinnige Volkspartei 26, deutsche Volkspartei 7, Social demokraten 56, Fractionslose 37. Die verschiedenen Fractionen des Reichstags haben sich über den Arbeitsplan des Reichstags bis zu den Weihnachtsferien geeinigt, und der Seniorenconvent hat daraufhin den Beschluß gefaßt, am kommenden Montag mit der ersten Lesung der Zolltarifvorlagekzu beginnen und an diese die erste Berathung des Etats anzuschließen. Mit diesen beiden Aufgaben hofft man bis zum 13. December fertig zu werden und alsdann in die Weihnachtsferien gehen zu können. Sollten Ver zögerungen eintreten, dann soll bis zum 18. December gearbeitet werden. Ueber die Zulassung der Abiturienten von Real anstalten zum Studium der Rechtswissenschaften und der juristischen Prüfungen ist innerhalb der bethei- ligten Verwaltungszweige in Preußen eine Einigung erzielt worden. Es ist bloß die Frage noch nicht gelöst worden, ob für die Rechtsbeflissenen der Realanstalten eine Nachprüfung in den beiden alten Sprachen oder nur im Lateinischen gefordert werden soll. Die venezolanische Regierung hat dem deutschen Geschäftsträger in Caracas mitgetheilt, daß den zur gerichtlichen Verantwortung gezogenen Schuldigen bei dem Angriff auf deutsche Matrosen vom Kreuzer „Vineta" in Puerto Cabello die höchste gesetzlich zu lässige Strafe auferlegt worden ist. Tas durften wir auch erwarten. Inzwischen ist es aber zu einem neuen Vorfall gekommen. In Caracas wurde ein geachtetes Mitglied der deutschen Colonie und Inhaber einer Eisenwaarenhandlung, Georg Schlüter, von einem gewissen Louis Lopez nach kurzem Streit auf offener Straße durch einen Revolverschuß getödtet. Lopez wurde unmittelbar nach der That verhaftet. Auf die erste Benachrichtigung wandte sich der deutsche Minister resident an die venezolanische Regierung und ersuchte um Mittheilung über die von den Behörden eingelei teten Schritte, unter Betonung der Nothwendigkeit einer ausreichenden Sühne. Tas Gericht aber hat den Mörder freigesprochen. Daraufhin sind Schritte ein geleitet, um in erster Linie die Aufhebung des Frei spruchs, und falls diese verweigert wird, Entschädigung wegen Rechtsverweigerung zu fordern. Wir zweifeln nicht daran, daß die venezolanische Regierung auch in diesem Falle ausreichende Genugthuung geben wird, denn das liegt in ihrem eigensten Interesse. England. Die englische Regierung und namentlich das englische Volk ist trotz Chamberlain des Buren krieges recht herzlich satt und sucht mit dem Präsi denten Krüger immer wieder Friedensunterhand lungen anzuknüpfen. Jetzt verlautet sogar, die Re gierung werde die den Buren angebotenen Friedensbe dingungen demnächst öffentlich bekannt geben. Vor der Oeffentlichkeit sucht es das officielle England begreiflicher weise so darzustellen, als ob die Bestrebungen behufs Anknüpfung von Friedensverhandlungen von den Buren ausgingen. Präsident Krügers Umgebung im Haag bestätigt jetzt aber, daß der Präsident kürzlich englischer seits sondirt worden sei, ob er geneigt wäre, die Unab hängigkeit der beiden südafrikanischen Republiken gegen die Abtretung der Goldfelder anzunehmen. Dieses An erbieten lehnte Krüger rundweg ab, und er that unter den gegenwärtigen Umständen sicherlich recht daran. Auf demselben Boden, wie die Nachrichten über angeb liche Bemühungen der Buren, zum Frieden zu kommen, ist auch die Nachrichtenblüthe erwachsen, Präsident Krüger habe in Utrecht zwei große Häuser, eins für sich und eins für die Familie Eloff, gemiethet. Tie Engländer wollen mit diesen Angaben glauben machen, Krüger