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Prediger Keßler, dann der katholische Divisionspfarrer, worauf die Vereidigung im Ganzen durch Vorsprechen der Eidesformel erfolgte. Nunmehr wandte sich der Kaiser mit einer Ansprache an die Rekruten, diese zur Pflichterfüllung ermahnend. Mit der von der Musik gespielten Nationalhymne erreichte die Feier ihr Ende. Ter Kaiser fuhr mit seinem Gast nach dem Offiziers, cafino des 1. Garde-Regiments zum Frühstück. Am heutigen Sonnabend findet die Rekruten-Vereidigung in Berlin statt. Ter bisherige deutsche Botschafter in London, Graf v. Hatzfeldt-Wildenburg, ist, noch ehe er seinen Wirkungskreis verlassen hat, seinem schweren Leiden er legen, das ihn schon seit Jahren Heimsuchle. Sein Tod war sonst, er verschied im Beisein seiner Gemahlin und seines Sohnes bei klarem Bewußtsein, nachdem ihm kurz zuvor die Sterbesakramente gereicht worden waren. Seit seiner Rückkehr nach England vor etwa 6 Wochen hat der Graf nur ein — oder zweimal auf einem Roll stuhl das Haus verlassen. Vor wenigen Tagen erst hatte er die Freude, von seinem kaiserlichen Herrn ein überaus gnädiges Handschreiben und als Belohnung für ausgezeichnete Verdienste den Verdienstorden der preu ßischen Krone zu erhallen. Graf Hatzfeldt wurde am 8. October 1831 zu Düsseldorf als der Sohn des Grafen Edmuns Hatzfeldt und dessen Gemahlin, der be kannten Freundin Lassalles und Gönnerin der social demokratischen Bestrebungen, geboren. Er hat also ein Alter von 70 Jahren erreicht. Während des Feldzuges 1870/71 gehörte er aber zur nächsten Umgebung des Reichskanzlers, der ihm volles Vertrauen schenkte. Nach dem Graf Hatzfeldt mehrere andere Botschafterposten bekleidet hatte, ging er im Sommer 1885 nach London, woselbst er ununterbrochen 16 volle Jahre in erfolg reichster Weise gewirkt hat. Einige Jahre lang war der Graf auch Staatssekretär des Auswärtigen. Ueber die Aenßerung des Handelsministers Möller, die Industrie müsse bereit sein, der Landwirthschaft entgegenzukommen, da diese vornehmlich berücksichtigt werden müsse, als der Stand, der für die Wehrkraft des Landes an erster Stelle in Betracht komme, hat der Kaiser der Londoner „Teutsch. Corr." zufolge seine ganz besondere Befriedigung ausgesprochen und hinzu- gefügt: das ist ganz mein Standpunkt. Wer im Stande ist, zu jeder Zeit ein Comproniß richtig zu werthen, wird es im politischen Leben vermeiden, sich zu com- promittiren. Tie Fortsetzung von Bismarcks Gedanken und Erinnerungen in zwei Bänden wird einer Mittheilung der Münchener „Allg. Ztg." zufolge noch vor Weihnachten erscheinen; sie wird also für Viele ein hochwillkommenes Weihnachtsgeschenk werden. Zum Zolltarif nimmt jetzt die Regierung tagtäglich das Wort, indem sie in der ministeriellen „B. C." bald diese, bald jene Seite des wichtigen Gesetzentwurfes be leuchtet. Nachdem in einem Artikel der Aufbau des Zolltarifentwurfs dargelegt worden war, wird jetzt dem Handelsverkehr mit den Vertragsstaaten eine Betrachtung gewidmet. Es lieferten die meist begünstigten Länder im Jahre 1895 56,5"/^, im Jahre 190o 61,4"/, der deutschen Einfuhr und nahmen 62,8 bezw. 62,9"/, der deutschen Ausfuhr auf. Tie Einfuhr aus den meistbegünstigten Ländern hat sich seit 1895 um 1212^/z Millionen Mk., die Ausfuhr dorthin um 817,8 Millionen Mk. gesteigert. Dem Reichstage wird das Zolltarifgesetz nebst dem Zolltarif und den dazu gehörigen Anlagen gleich bei seinem Wiederzusammentritt am kommenden Dienstag zu gehen. Zur Zeit erfolgt die Drucklegung. Ter Reichs haushaltetat für 1902 wird dem Reichstage dagegen etwa 8 — 14 Tage später unterbreitet werden, da die Berathungen im Bundesrath noch nicht so weit fortgeschritten sind, und da ihm auch die Etatsentwürfe für die Schutzgebiete, die jetzt Berathungsgegenstand im Colonialrath sind, noch nicht zugänglich gemacht werden konnten. Die Abweisung Chamberlains durch die deutsche Regierung wird in allen englischen Zeitungen auf das Eingehendste erörtert, lleberraschung und Be sorgniß spricht unterschiedslos aus allen Commentaren, wenn die echten Jingo-Blätter natürlich auch fortfahren, ihren Patron in Schutz zu nehmen, die liberalen Organe dem allgewaltigen Colonialminister allerdings dringend anrathen, seine unüberlegten Worte doch zurückzunehmen, wenn er wirklich Deutschland nicht habe beleidigen wollen. Zu der Kategorie der an erster Stelle bezeichneten Blätter gehört das englische Regierungsorgan, der „Standard", er schreibt: Es ist durchaus nichts geschehen, was die Freund schaft mitTeutschlandstören müßte. TieAgitation, die plötz lich in Deutschland entstanden ist, ist größtentheils ein künst liches Gewächs; doch sind solche Kundgebungen nicht immer harmlos. Die sehr viel objectiver denkende „Daily Mail" verlangt dagegen eine weitere Erklärung von Chamberlain, weil es wünschenswerth sei, den Antagonismus zwischen Deutschen und Engländern zu beseitigen. Sei ein wirklicher Grund vorhanden, warum Chamberlain der Welt nicht eine freimüthige, offene Er klärung abgeben sollte, daß er, indem er Vergleiche an- stellte zwischen dem englischen Vorgehen in Südafrika und dem der Deutschen im Kriege vom Jahre 1870, nicht wünschte, Deutschland zu beleidigen? Andere liberale Blätter Englands lesen dem chrenwerthen Herrn Chamber lain noch viel gründlicher die Leviten und fordern nichts Geringeres als die Amtsenthebung eines Ministers, der so oft brennende Fackeln in das europäische Pulver magazin zu schleudern wage. Ter kalte Wasserstrahl, den die Regierung als Antwort auf die Chamberlainschen Verdächtigungen nach London entsandt, hat im ganzen deutschen Volke wie die Befreiung von einem schweren Alp gewirkt. Ueberall im deutschen Vaterlande hat man aufgeathmet, daß die Unverschämtheit des englischen Colonialministers endlich auch von amtlicher deutscher Stelle aus als das gekenn- ! zeichnet worden, was sie in der That und Wahrheit ist. !Wir sagen endlich; denn Graf Bülow hat wirklich eine bewundernswerthe Ruhe bewiesen, und die erlösende That wäre trotz der allgemeinen Entrüstung des Volkes über die boshaften englischen Verleumdungen vielleicht noch nicht erfolgt, wenn der frühere Trahtstiftenfabrikant, Herr Joe Chamberlain, nicht in so ungemein „schnodderiger" Weise, wie der Berliner sagen würde, auf die Angelegenheit zurückgekommen wäre. Tas ver anlaßte den deutschen Reichskanzler, alle Rücksicht auf die zwischen dem Berliner und dem Londoner Cabinett bestehenden guten Beziehungen außer Acht zu lassen und dem Herrn Chamberlain in ganz empfindlicher Weise auf die Finger zu klopfen. Mit diesem Schritt hat die deutsche Reichsregierung aber nicht bloß die Züchtigung eines unverschämten Ehrabschneiders, sondern gleichzeitig officiell und vor aller Welt eine vernichtende Kritik der englischen Kriegführung in Südafrika ansgeübt. Wegen seines flugwürdigen Krieges gegen die Buren ist Eng land von aller Welt geächtet, nur die deutsche Reichs regierung hatte cs immer noch zu verhüten gesucht, daß die Vorkommnisse in Südafrika ihre Schatten in die freundschaftlichen Beziehungen zu der Regierung des Jnselreiches würfen. Tas ist nun anders geworden, und die Welt Hal erfahren, daß auch die deutsche Re gierung das Treiben der Engländer in Südafrika nicht billigt, und einen Vergleich dieser Kriegführung mit der eigenen als eine Beleidigung auffaßt. Derartiges hatte Herr Chamberlain, als er seine Edinburger Rede hielt, wohl ebenso wenig vermuthet, wie er von der Ein fädelung des Krieges gegen die Buren einen Krieg ohne Ende und ohne Erfolge erwartet hatte. Aber: das eben ist der Fluch der bösen That, daß sie fortzeugend Böses muß gebären. An Chamberlain wird dieses Dichter- wort zur furchtbaren Wahrheit. SiutzlanV. Tie bittere Noth, welche, besonders infolge der schlechten Ernte, in zahlreichen russischen Gouverne ments herrscht, hat die Petersburger Regierung zu Maßnahmen veranlaßt, die das Elend lindern sollen. Im Ganzen sind 14^ Millionen Rubel für die Nothleidenden angewiesen worden. Zu wünschen bleibt nur, daß die Summe thatsächlich den Bedürftigen zu Gute kommt und sich nicht vorher gewisse Leute die Taschen füllen, wie das im heiligen Rußland „Sitte" ist. Holland. Ueber die Krankheit der Königin Wilhelmina erhält die „Rhein.-Westf. Ztg." bcmerkcnswerthe Mit- theilungeu. Danach ist das Ereigniß deshalb von größter Bedeutung, weil diese Fehlgeburt bereits die zweite in diesem Jahre ist. Schon im April war ein gleiches Unglück erfolgt; damals wurde die auch für den zweiten Fall erwünscht erachtete Verschwiegenheit besser gewahrt. Griechenland. Ter Metropolit Procopius, der Chef der Gendarmerie und der Polizeipräfect haben ihre Entlassung gegeben. Zum Chef des aufgebotencn Militärs ist General Vlaffos ernannt worden. Deputirte der Oppositionspartei hielten am Freitag inmitten großer Menschenmengen aufreizende Reden. Es heißt, zahlreiche Bewaffnete seien in der Universität eingetroffen, die die Studenten, die sich militärisch organisirt haben, auch in der abgelaufenen Nacht nicht räumten. Die Blätter mahnen zur Ruhe. Türkei. Die Angabe, es sei ein neuer türkisch-französischer Conflict dadurch entstanden, daß der Sultan sich weigerte, einem zweiten französischen Kriegsschiff die Durchfahrt durch die Tardanellen zu gestatten, ist bisher von anderer Seite nicht bestätigt worden. Es erscheinen daher, wie die „Berl. N. N." hervorheben, einige Vor behalte hinsichtlich ihrer Richtigkeit angezeigt.. Zu welchem Zweck Frankreich am Goldenen Horn zwei Stationsschiffe braucht, während sich von den Dreibundmächten jede mit einem begnügt, ist nicht zu erkennen. Tas jüngste Vorgehen Frankreichs hat den Sultan möglicherweise veranlaßt, nun auch seinerseits die Anerkennung der französischen Ansprüche streng auf das Maß ihres ver tragsmäßigen Umfanges herabzudrücken. Nach Möglichkeit scheint sich der Sultan jedoch auf alle Fälle gegen Ueber- rumpelungen von der Seeseite schützen zu wollen. Das geht aus der, allerdings auch noch nicht beglaubigten Meldung hervor, daß er durch einen deutschen und eng lischen Offizier die Befestigung am Eingänge der Tarda nellen auf ihre Vertheidigungsfähigkeit hat untersuchen lassen. Trotz des günstigen Resultats dieser Untersuchung ! soll er angeordnet haben, daß die Forts noch stärker befestigt werden. Mehrere der neu bezogenen schweren Krupp-Geschütze sollen inzwischen bereits von Konstan tinopel nach Gallipoli befördert, auch der Vorrath an Schießbedarf vermehrt worden sein. Afrika. Lord Kitchener ist dem Guerillakriege in Süd afrika nicht gewachsen, so erklärt ein alter preußischer Offizier, der in London lebt, in einer Zuschrift an die „Franks. Ztg." Als Beispiel führt er das Folgende an: 69 fliegende englische Colonnen, mit einer Unzahl von Proviantwagen, ziehen mit der schneckenhaften Geschwindig keit von 2i/z Meile pro Tag hinter den flinken Buren her und haben naturgemäß nur dann von einem wirk lichen Kampfe zu berichten, wenn es den Buren ge lungen ist, sie dahin zu locken, wo man einen Handstreich für möglich hielt. Ist dann ein solcher Handstreich erfolgt, so zersteuen sich die Buren in alle Winde, und die verkrüppelte englische Colonne sucht die nächste eng lische Garnison auf, um sich von der Burenjagd zu er holen. Schon die Thatsache, daß man derartige Ueber- fälle auf englische Colonnen stets als englische Siege hinstellt, beweist, daß man den Character des Guerilla krieges nicht versteht; denn sonst würde man sich über das Auseinanderlaufen der Buren nach erfolgtem Streiche nicht sonderlich freuen. Lediglich der gefangene Guerilla krieger ist wirklich besiegt, nicht aber der weglaufende, denn schnelles Verschwinden gehört zur Guerillataktik. Vom Kriegsschauplätze gehen die Nachrichten wieder einmal nngemein spärlich ein. Lord Kitchener will wohl in einer größeren Anzahl von Gefechten in Summa 32 Buren gefangen genommen haben; die be züglichen Angaben sind jedoch so unbestimmt gehalten, daß ihnen der englische Generalissimus offenbar selbst keinen besonderen Werth beilegt. Tas sind für die eng lische Kriegführung alles verlorene Tage; und da jeder einzelne derselben dem Lande etwa 4 Mill. Mk. kostet, so kann man sich Englanvs Verstimmung über die Erfolg losigkeit der Kitchcnerschcn Unternehmungen unschwer vorstellen. Aus dem Muldenthale. ^Waldenburg, 23. November. Eine überaus seltene Himmclserscheinung bietet sich jetzt bei klarem Abend- Himmel schon in der Dämmerung am wcstsüdwestlichen Himmel dar. Tie drei großen Planeten Jupiter, Venus und Saturn stehen jetzt so nahe an derselben Stelle des Himmels, daß sie eine sehr auffällige, glänzende Zu sammenstellung bilden, wie sie sich nur selten den Erden- bcwohnern darbietet. Während aber die etwas südlicher stehende, hellglänzende Venus schon in diesen Tagen sich nach Osten zu entfernt, nähern sich die beiden äußeren Planeten Jupiter und Saturn einander mehr und kom men am 28. November bis auf einen halben Grad einander nahe. Taher ist cs bei aufklärendem Himmel jetzt sehr lohnend, bei Eintritt der Abenddämmerung einen freien Durchblick nach dem seltenen Himmelsbilde über dem südwestlichen Horizont aufzusuchen. * — Am Todtensonntag ist gestattet der Handel mit Eß- und Materialwaaren und der Kleinhandel mit Heizungs- und Beleuchtungsmaterial, sowie der Handel mit Blumen, Bindereien und Topfgewächsen zum Gräber schmuck in der für die übrigen Sonntage festgesetzten Zeit. * — Tas sächsische Oberverwaltungsgericht in Dresden hat es für unzulässig erklärt, das Bürgerrecht wegen gerichtlicher Strafen der Nachsnchcndcn zu verweigern. * — Die Verjährung alter Forderungen mit Ablauf des Jahres 1901 tritt im bedeutenden Umfange ein, und zwar gerade hinsichtlich der Forderungen des täg lichen Geschäftsverkehrs. Das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche bestimmt nämlich, daß die Ver jährungsfrist vom 1. Januar 1900 an zu rechnen ist. Alle die alten Ansprüche, die jetzt einer zweijährigen Verjährungsfrist unterliegen, werden mit dem Ablauf dieses Jahres verjähren. Zu solchen Forderungen ge hören u. a. folgende: 1. der Kaufleute, Fabrikanten, Handwerker für Lieferung von Waaren, Ausführung von Arbeiten, 2. der Eisenbahnen, Fuhrleute, Lohnkutscher ür Fracht, Fahrgeld, usw., 3. der Gast- und Speise- wirthe für Wohnung und Kost, 4. der Vermicther wegen des Miethzinses, 5. der Stellenvermittler, Haus- und Geschäftsmakler, 6. der Privatangestellten wegen Gehaltes, 7. der Arbeiter wegen deS Lohnes, 8. der öffentlichen und privaten Anstalten für Unterricht, Verpflegung usw., 9. der Aerzte und Medizinalpersonen für ihre Honorare, owie der Rechtsanwälte für ihre Gebühren und Aus- agcn. Tie Verjährung kann selbstverständlich gehindert werden durch Erhebung und Zustellung der Klage oder eines Zahlungsbefehles. *— Tie Gewinnliste der ersten Ziehung der ersten Oldenburger Geldlotterie zur Restaurirung der Alexander- irche in Wildeshausen ist erschienen und in unserer Expedition einzusehen. *— Die Niederschlagsmenge betrug in der zweiten üecade des Monats November im unteren Thale der wickauer Mulde 22 (normal 16), im mittleren 12 normal 18) und im oberen 21 MM (normal 22). vier betrug die Niederschlagsmenge im gleichen Zeit räume 16,„ IUM.