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die Lage nicht nur im Unklaren, sondern ganz ge flissentlich belogen worden. In dem nach der Unter redung mit dem Cabinetshof abgehaltenen Ministerrath wird der König mit seiner Meinung nicht zuriickgehalten haben. Daß die Dinge so, wie sie gehen, nicht »6 in- üniluin weiter gehen können, das pfeifen jetzt schon selbst in London die Spatzen von den Dächern. Es ist nur die schlimme Frage: was soll geschehen. König Eduard persönlich würde eine Einstellung der unheil vollen Feindseligkeiten selbst unter Verzicht der beiden südafrikanischen Republiken willkommen heißen, deren Besitz England ja doch niemals glücklich machen könnte. Aber der Jingoismus in den leitenden Kreisen Eng lands ist gegenwärtig noch zu stark und die Furcht, das Prestige zu verlieren, noch zu maßgebend für die Ent schließungen, daß man heute schon entscheidende Schritte Englands in dem Sinne erwarten könnte, den Buren die tapfer vertheidigte Unabhängigkeit zu lasten und auf dieser Basis Frieden zu schließe». Was heute noch aus Furcht unterlasten wird, das wird später aber doch ein mal geschehen müssen, da gar keine Möglichkeit der Be endigung des Krieges mehr vorhanden ist, als die der Nachgiebigkeit Englands. Spanien. Die schon seit Wochen bestehende latente Minister krise ist nunmehr in ein actives Stadium eingetreten. Es wird für wahrscheinlich gehalten, daß das Cabinett Sagasta schon in den allernächsten Tagen seine Ent lastung cingereicht. Sagasta selbst wird voraussichtlich den Staub von Madrid schon in den nächsten Tagen von seinen Pantoffeln schütteln und sich gesundheitshal ber an irgend einem stillen Orte des Landes zu längerem Aufenthalte niederlassen. Portugal. Ein neues wichtiges Rekrntirungsgesetz ist für Portugal erlasse» worden. Tas Gesetz macht den Militärdienst obligatorisch. Eine Substituirung ist nur noch unter Brüdern gestattet. Vom Dienste frei sind geweihte Priester und die einzigen Stützen , armer Familien. Rekruten, die auswandern wollen, ist der Freikauf gestattet. Tas Gesetz, das, wie man sieht, ebenso human wie praktisch ist, wurde in Lande sehr günstig ausgenommen. Afrika. Lord Kitchener schweigt über die Kriegsereig nisse mit einer Beharrlichkeit, die die Größe der eng lischen Mißerfolge aufs deutlichste erkennen läßt. Botha ist frei und hat in deu Kämpfen schon längst wieder die Initiative ergriffen. Kitchener aber scheint sich ganz und gar auf die Vertheidigung beschränkt zu haben. Damit hat er allerdings auch vollauf genug zu thun, wenn man bedenkt, daß weit mehr als die Hälfte seiner Truppen krank und invalid geworden ist, und die ge sunde Hälfte zum Schutze und zur Pflege der Kranken benöthigt wird. Wie wird Kitchener seinen College» French beneiden, der nun bald zur Uebernahme des dem General Buller abgenommenen Commandos nach Eng land zurückkehren kann! Amerika. Während in Europa der Ausspruch von der »ameri kanischen Gefahr" zu einem geflügelten Worte ge worden ist, redet man jenseits des Oceans von einer europäischen Gefahr. Die Amerikaner fürchten that- sächlich zum großen Theil, daß sie den Bogen doch etwas zu straff gespannt und auf ihre Selbstherrlichkeit gar zu stolz gepocht haben und nun allmählich doch in eine Jsolirung gedrängt werden könnten, die ihrer In dustrie wie ihrem Handel gleich verhängnißvoll werden mußte. In diesem Sinne hat sich im Anschluß an die bekannten Aeußerungen des Präsidenten Roosevelt jüngst auch der frühere Vertreter bei dem Abschluß von Reci- procitätsverträgen, Kasson, geäußert. Ter amerikanische Exporthandel, so sagte er, sei wegen der drohenden Haltung der europäischen Mächte in Gefahr. Man habe in Amerika zu viel geprahlt mit der amerikanischen Aus dehnungsfähigkeit und auf diese Weise die Beunruhigung in Teutschland erhöht. Viele Länder bereiteten jetzt Repressalien vor. Nur durch Verträge könne der schwieri gen Lage begegnet werden. Amerika sei an einem Scheidewege angelangt, es müsse entweder links gehen und, Spanien folgend, sich für die Abgeschlossenheit und industrielle Stagnation auf dem heimischen Markte und den Jnselbesitzungen entscheiden oder rechts gehen auf der ebenen Landstraße der Reciprocität und industriellen Ausbreitung. Diese Einsichten und dieses Einlenken rühren daher, daß die europäischen Staaten den Unitsck 8tnt68 unzweideutig zu erkennen gegeben haben, daß sie fortan nach dem Worte „Wurst widerHWurst" handeln und nicht weiter das geduldige Schaf sein werden, das sich von den Amerikanern scheeren läßt. Den Tankees gegenüber hilft nur eine energische Sprache, und wenn es sein muß, ein kräftiger Rippenstoß, und die Be folgung dieser Lehre beginnt, wie der Augenschein be weist, bereits ihre Früchte zu tragen. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 26. October. Der hiesige Gewerbe verein unternahm gestern Nachmittag 5 Uhr in einer Stärke von ca. 70 Mitgliedern eine Besichtigung des Meeraner Wasserwerks bei Kertzsch. Herr Bauführer Müller vom Wasserwerke hatte in freundlichster Weise die Führung übernommen und gab bei allen Anlagen die eingehendsten Erklärungen. Nach letzteren wird das Wasser auf der Kertzscher Aue mittelst 38 Rohrbrunnen gefaßt. Dieselben sind ca. 4 bis 5 Meter tief, 17 Meter von einander entfernt und durch Erdkegel vollständig hochwasserfrei gelegt. Das Wasser der Mulde kann in die Brunnen nicht dringen, denn dieselben sind 450 Meter von ihr entfernt. Da die Mulde im Frühjahr zuweilen austritt und es Vorkommen kann, daß sich die Ueberschwemmung bis an die Rohrbrunnen erstreckt, hat man dieselben mit festschließenden Deckeln versehen. Von diesen Brunnen wird das Wasser durch eine 1000 Meter lange Leitung, welche auch durch eine brückenähnliche Vorrichtung über die Mulde hat gezogen werden müssen, nach dem 7 Meter tiefen Sammelbrunnen im Wasser werk geleitet. Von diesem Sammelbrunncn aus wird der Strom nach einer Anlage gefördert, in welcher das Wasser vom Eisen befreit wird. Mittels Maschinen wird hier dasselbe nach dem Coaks-Riesler geleitet, dort läuft das Wasser durch eine 3^/z Meter dicke Coaks- schicht und verliert dadurch alle eisenhaltigen Bestand theile. Da nun mit der Zeit sich an der Läuterungs- Anlage Eisen und auch Schlamm ansetzen wird, so ist dafür Sorge getragen worden, daß diese Ansammlungen durch vermehrten Wasserzufluß weggespült werden können. Das dazu verwendete Wasser wird der Mulde zugc- führt. Von der erwähnten Coaksschicht aus läuft der Strom durch 350 Kubikmeter große Kiesschichten in den Reinwasserbehälter. Von diesem fördern die Maschinen das Wasser in den Hochbehälter bei Pfaff roda, von welchem es durch natürlichen Druck nach Meerane fließt. Die Druckleitung ist 6 Kilometer lang und 350 Millimeter weit. Tie Maschine fördert pro Secunde 42 Liter Wasser in den Hochbehälter. Im Maschinenhaus ist der Wafserstand im Reinwasserbehälter an pneumatischen Wasserstandsanzeigern zu erkennen. Auch der Wasser stand im Hochbehälter, welcher ca. 1400 Kubikmeter Wasser faßt, wird hier angezeigt. In der Stadt legt im Rathhause ein Wasserstandsmesser Zeugniß von dem Wasscrstande des Hochbehälters ab und giebt durch ein Klingelzeichen zu erkennen, wenn das Bassin gefüllt ist. Nach der Besichtigung vereinigte sich eine große Zahl Theilnehmer im Philippschen Gasthause in Kertzsch zu einem gemüthlichen Trünke, wobei der Vorsitzende Buch- druckereibesitzer Kästner unter Hinweis auf das eben besichtigte großartige Werk moderner Technik Herrn Bauführer Müller herzliche Tankesworte widmete. * — Am Montag Vormittag ereignete sich bei Herrn Buchbindermeister Curt Gärtner hier ein bedauerlicher Unglücksfall, indem das 8jährige, etwas schwachsinnige Söhnchen desselben in der Werkstatt des Vaters von einem umstürzenden Pappenschneidhobel derart gequetscht wurde, daß es am andern Morgen trotz ärztlicher Hilfe verstarb. * — In Bezug auf die Organisation der kaiserlichen Postbehörden stehen, wie mitgetheilt wird, durch greifende Aenderungen bevor, insofern als kleinere Be zirke mit besonderen Behörden geschaffen werden sollen, welcke den Oberpostdirectionen einen großen Theil ihrer Geschäfte abzunehmen bestimmt sind. * — Tas Präsidium des königl. sächs. Militärvereins bundes hat für die 470 Chargirten und Soldaten, welche dem 2. Ostasiatischen Infanterie-Regiment in China angehören, je 8 Mk. Liebesgaben bewilligt. Die Auszahlung erfolgt durch die Regimentsadjutantur. * — Ter Bundesrath hat beschlossen, daß für die durch Z 1 des Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes der Unfallversicherung neu unterstellten Gewerbebetriebe, welche sich auf die Ausführung von Schmiedearbeiten erstrecken, eine das Gebiet des Reichs umfassende Be- russgenossenschaft errichtet wird. Die Schmiedebetriebe, welche bereits bestehenden Berufsgenossenschaften ange hören, werden aus diesen ausgeschieden und der neuen Berufsgenossenschaft zugetheilt. Die sonstigen der Unfall versicherung neu unterstellten Gewerbszweige werden be stehenden Berufsgenossenschaften zugetheilt. * — Für die diesjährige Plenar-Versammlung des Landes-Medicinal-Collegiums ist folgender Antrag Hankel- Glauchau angemeldet worden: „Das königl. Landes- Medicinal-Collegium wolle an geeigneter Stelle bean antragen, daß die ärztliche Ueberwachung der Schul kinder durch eine für das ganze Land geltende Ver fügung geregelt werde." * — Von einem bedauerlichen Unfall ist, wie das „Gl. Tgbl." meldet, eine Familie im nahen Remse be troffen worden. Der dort wohnhafte Lieferant Zaumseil, welcher bei einer Glauchauer Firma in Stellung ist und der regelmäßig mit einem Geschirr von dort nach Greiz fährt, ist, wie aus Fraureuth gemeldet wird, daselbst in der Nacht zum Freitag in schlaftrunkenem Zustande vom Wagen herabgestürzt und tödtlich überfahren. Der Verstorbene war in Begleitung eines Geschirr führers auf der Heimfahrt nach Glauchau begriffen. Außer der Wittwe bedauern noch sechs Kinder in dem Verunglückten ihren Ernährer. * — Am 15. d. ist in Gähsnitz ein unbekannter, über 4 Jahre alter, schwarzbrauner Wolfsspitz, männlichen Geschlechts, mit grauem Bauch und Füßen, sowie einer großen haarlosen Stelle auf der rechten Rippenseite, ohne Halsband und Steuermarke, getödtet worden. Da die vorgenommrne Sektion den Wuthverdacht bestätigt hat, so wird für die Ortschaften Breitenbach mit Vor werk, Dürrenuhlsdorf, Franken, Gähsnitz, Harthau, Neu kirchen, Niederarnsdorf, Oberdorf, Oberwiera mit Guts bezirk, Schwaben, Tettau, Uhlmannsdorf, Wickersdorf, Wünschendorf und Ziegelheim die Hundesperre bis mit 15. Januar 1902 angeordnet. * — Zur Vertilgung der Reblaus wird im Königreich Sachsen das bisherige Ausrottungsverfahren künftig nicht mehr Anwendung finden, da es sich gezeigt hat, daß sein Erfolg, sowie überhaupt die wirthschaftliche Bedeutung des hierländischen Weinbaues zu den auf gewendeten Kosten in keinem Verhältniß steht. Zum Schutze der nichtsächsischen Weinbaugebiete hat daS Ministerium ungeordnet, daß die Anzucht von Reben in den Handelsgärtnereien, sowie jeglicher Versandt von Reben, Rebtheilen (auch als Verpackungsmaterial) Wurzel- Blindreben, gebrauchten Weinpfählen und Weinstützen aus dem Königreiche Sachsen verboten ist. Zuwider handlungen werden mit einer Geldstrafe von 200 Mk. bestraf. * — Mit der fortschreitenden Entwicklung der Technik auf allen Gebieten und besonders auch durch den Ar beitermangel sind die Landwirthe nach und nach zur Benutzung von Maschinen in ihrem Betriebe gelangt. Nach dem Ergebniß der letzten diesbezüglichen Erhebun gen werden von 193,627 landwirthschastlichen Betrieben im Königreiche Sachsen 38,381 landwirthschaftliche Maschinen benutzt, eine Thatsache, aus welcher hervor geht, daß unter den im ganzen Lande vorhandenen Landwirthen jeder fünfte landwirthschaftliche Maschinen benutzt. Besonders sind es die mittleren und kleineren Betriebe, welche sich der Maschine bedienen. * — Für eine Aenderung des Schuljahres werden jetzt vielfach Stimmen laut. Die vierwöchentliche und oft noch längere Unterbrechung der Schularbeit im Sommersemester, so sagt man, erschwere die Erreichung des Klassenzieles zu dem Michaelistermin. Die erheb lichen Nachtheile würden vermieden, wenn man das Schuljahr mit dem bürgerlichen Jahr zusammenlegen würde und die beiden Semester durch die großen Ferien trennen würde. Für den Eintritt in den Beruf ist der 1. Januar und der 1. Juli ebenso geeignet, wie die jetzigen Termine. Eine Verlegung der großen Ferien erscheint nicht rathsam, weil wissen schaftlich nachgewiesen ist, daß die Zeit von Anfang Juli bis Mitte August die heißeste ist und allen An forderungen entspricht, welche in hygienischer Beziehung an die Sommerferien gestellt werden müssen. Es ist schon möglich, daß diese Neuordnung, gegen deren Zweck mäßigkeit sich vom praktischen Standpunkte nichts ein wenden läßt, einmal Platz greift. — Zu der berichteten Beraubung und versuchten Ermordung des Ziegelmeisters Zahn in Niederschlema ist noch mitzutheilen, daß Zahn an den erhaltenen Verletzungen, die sich leider als viel schwerer heraus gestellt haben, als man anfänglich annahm, am Mittwoch verschieden ist. Aus dem Sachseulande. — Ter am 10. Februar in Dresden verstorbene Rentner Or. Krenkel hat der unter dem Protectorate der Königin stehenden Anstalt „Dienstbotenheim" letzt willig ein Vermächtniß von 10,000 Mk. und die ver storbene Frau Julie verw. Metz geb. Lion ebendaselbst dem .Lehrerinnenheim zu Dresden" 1000 Mark zu gewendet. — Ter Leiter des Trompetercorps des in Leipzig garnisonirenden 2. Ulanen-Regiments Nr. 18, der Königl. Musikdirigent Friedrich August Söhner, ist infolge eines Herzschlages plötzlich gestorben. Söhner stand im 59. Lebensjahre. — Zur Theilnahme an der am 25. d. in Leipzig begonnenen Conferenz von Directoren mitteldeutscher Bankinstitute ist am 24. d. Reichsbankpräsident vr. Koch daselbst eingetroffen. Ihm zu Ehren veranstaltete dir Handelskammer im Gesellschaftshause „Harmonie" ein Festmahl, welchem die Spitzen der Behörden bei wohnten. — Von den großen Chemnitzer Bahnhofsbauten verlautet, daß der neue Rangirbahnhof Hilbersdorf binnen Kurzem voll in Betrieb genommen werden soll. Im Bau befindet sich in der Nähe der Staatsbahn werkstätten das neue Elektricitätswerk, welches die ge- sammten Bahnhofsanlagen in Chemnitz und Hilbers dorf mit Licht und Kraft versorgen wird. — Den fortgesetzten Bemühungen des Naturheilver eins in Meeraue, daselbst einen großen Spielplatz, verbunden mit Licht-, Luft- und Sonnenbädern, zu er richten, ist es nunmehr gelungen, daß dieser Plan greif bare Gestalt annimmt. Die entstehenden bedeutenden Kosten will der Verein zum Theil durch Einnahmen aus öffentlichen Vorträgen und freiwilligen Sammlungen aufbringen. Ein Grundstück ist bereits vorhanden. Der Verein zählt gegenwärtig etwa 400 Mitglieder. — Der Bau einer neuen Kirche für den Stadttheil