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Revolution sind ja so häufig Bundesgenossen. An dem gegenwärtigen Unheil sind die Grubenbesitzer und die Unternehmer ja gewiß nicht Schuld, aber gegen sie wendet sich natürlich der Groll der hungernden Ar beiter. Hoffentlich dauert die Misere nicht allzu lange mehr an, da sonst thatsächlich ernste Zwischenfälle kaum ausbleiben werden. Frankreich. Ter Generalstreik der Bergarbeiter Frank reichs rückt näher. Wie aus St. Etienne berichtet wird, ist die Mehrzahl der Arbeitervertreter, welche über die Frage des Generalausstandes abzustimmen haben, für die Erklärung des Generalausstandes. Nach einer Mel dung aus Montceau-les-Mines ist der größte Theil der Bergleute bewaffnet und entschlossen, sich der Waffen zu bedienen, falls man versuchen sollte, ihnen dieselben ab zunehmen. Die Aufregung ist so groß, daß der Gruben director nur noch in Begleitung von Gendarmen au<- zufahren wagt. Seit einigen Tagen werden alle Gepäck stücke, deren Inhalt man nicht ganz genau kennt, einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Ter Präfect von St. Etienne ließ zwei Kisten mit Gewehren beschlag nahmen, welche nach Montceau-les-Mines für die Berg arbeiter bestimmt waren. Er erklärte, er halte den Ge- sammtausstand für eine Revolution und werde dement sprechend handeln. Er sei ermächtigt, das Gesetz vom Jahre 1848 anzuwenden. Tie Sache ist also Hochernst. Der Pariser „Figaro" meint, angesichts der drohenden Gefahr bleibe den conservativen Parteien nur übrig, den Ministerpräsidenten Waldeck-Rousseau zu unterstützen, um Gesetz, Freiheit und Güter zu schützen. Der „Gaulois" spricht die Ansicht aus, wenn die Regierung zu Anfang energischer gewesen wäre, hätte die Krisis leicht zurück gehalten werden können. Man müsse hoffen, daß es noch nicht zu spät sei, und daß die Furcht vor dem Lebelgewehr für die Bergarbeiter der Anfang der Weisheit sein werde. Tie „Aurore" will den Socialdemokraten die Schuld beimessen, wenn es zum Blutvergießen kommt. In Dünkirchen, das gelegentlich der Frankreich-Reise des Zaren so viel genannt worden ist, fand eine buren freundliche Versammlung statt, in welcher zwei Burenoffiziere Vorträge hielten. Sie protestiren gegen die Unterbringung der Burenfrauen und Kinder in den Concentrationslagern. Die nach Tausenden zählende Volksmenge brachte den beiden Commandanten begeisterte Ovationen dar. Tie Bevölkerung Frankreichs ist gerade so wie die Deutschlands und aller übrigen Culturstaaten in ihrer überwiegenden Mehrheit burenfreundlich. Rußland. ^Auf demUebungSplatze der Warschauer Garnison meuterte ein ganzes Regiment. Die Soldaten wurden so schlecht verpflegt, daß sie sich zu diesem Mittel ent schlossen. Ein Offizier, der gegen die Meuternden vor ging, wurde von diesen erschossen. Die Rädelsführer wurden auf die Citadelle gebracht, gegen 300 Soldaten werden vor ein besonderes Kriegsgericht gestellt werden. England. Eine wichtige Erklärung der englischen Regierung über den südafrikanischen Krieg wird aus London ange kündigt; sie soll der „Voss. Ztg." zufolge in einem außerordentlichen Ministerrath, der für Donnerstag an gekündigt ist, erfolgen. König Eduard wird dem Minister- rath präsidiren, Lord Salisbury ihm beiwohnen. Welcher Art die Kundgebung sein wird, läßt sich nicht voraus sehen, man schließt jedoch aus mancherlei Anzeichen, daß dies Mal vielleicht — eS wäre das erste Mal — eine Opposition gegen die Südafrika-Politik des Colonial ministers Chamberlain sich geltend machen wird. Unterhaltungstheil. Im Berghause. Novelle von Bertha v. Suttner. 31) (Fortsetzung.) Nachdem er Trahlens Zimmerthür hinter sich zu gemacht, begab sich Bolton nicht geradeaus' zur Ruhe, sondern stieg in den Garten hinab. Die mondglänzende, laue Sommernacht lockte ihn ins Freie. Es war ihm weh ums Herz, und da gelüstete es ihn, die sanfte Melancholie, welche in solchen Nächten die Natur zu dnrchzittern scheint, auf sich einwirken zu lassen. Die Wirkung war, daß sich seine Wehmuth zu leiden schaftlichem Schmerze steigerte. Neben dem melancho lischen Zander übte die mittsommerliche Mondnacht auch den ihr eigenen liebessehnsüchtigen Zauber auf ihn aus. Ten ganzen Tag hatte er mit seinem Freunde von Liebe gesprochen — nachdem er auch selber die letzt vergangene Zeit von erotischen Träumereien erfüllt ge wesen, und jetzt, in dem würzigen Hauch der lauen Nachtluft, durchschauerte ihn heftig ein hoffnungsloser Drang nach bisher ungekanntem Liebesglück. Hoffnungs los: denn diejenige, nach der er in stürmischem Begehren die Arme ausbreiten wollte — die existirte nicht; und jene andere, der er so innig wohlwollte, die Frau mit dem klaren Geiste und dem großen Herzen, welche ihm eine so theure Gefährtin hätte sein können, von der stand er im Begriffe, sich für immer zu trennen. Diese beiden Seiten seines Unglücks fühlte er jetzt — unter Türkei. Recht sonderbar ist das Rezept, das die Türkei den christlichen Armeniern gegenüber in Anwendung bringt. In der Gegend von Musch sind etwa 180 Armenier von Kurden hingeschlachtet worden. Man sollte nun meinen, Letztere würden dafür zur Rechenschaft gezogen. Aber nein, das Gegentheil ist der Fall. ES wurden zahlreiche Armenier verhaftet, von denen sieben bereits den Tod erlitten haben. Tas meldet der russische Vizeconsul in Musch, sonst könnte man eS für unglaub lich halten. Nach langer, langer Zeit beginnt die Kretafrage wieder einmal actuell zu werden. Wie verlautet, sollen dieserhalb zwischen den vier Schutzmächten Rußland, Frankreich, England und Italien schon in allernächster Zeit diplomatische Verhandlungen ausgenommen werden, deren Ziel die Einverleibung Kretas mit Griechenland bildet. Dieser Erweiterung seines Königreichs würde sich König Georg sicherlich nicht zu erfreuen haben, wenn er nicht die mächtigsten Fürsten Europas zu nahen Verwandten hätte. Bei dem Könige Christian von Däne mark, seinem Vater, der gleichzeitig der Schwiegervater Europas genannt wird, hatte König Georgios in diesem Sommer mehrere Wochen lang verweilt. Dort hat er den Zaren gesprochen und den König von England. Frankreich thut, wozu ihm Rußland daS Beispiel giebt, und Italien, das zwar keine directen verwandtschaftlichen Beziehungen der Königshäuser mit Griechenland ver bindet, hat für dieses mindestens soviel übrig als für die Pforte. Diese letztere war aus dem griechisch türkischen Kriege als die Siegerin hervorgegangen und hätte daher allen Anspruch auf Kreta gehabt. Die hohe Verwandtschaft des Königs Georg setzte es aber durch, daß Kreta zunächst eine autonome Verwaltung unter der Leitung eines griechischen Prinzen erhielt, und nachdem nun einige Jahre über diesen weniger durch das Recht als durch die Macht ermöglichten Schritt vergangen sind, halten es die vier Mächte für angezeigt, die Einver leibung Kretas in Griechenland zur Thatsache zu machen. Deutschland und Oesterreich-Ungarn wollten diesen Ver gewaltigungsact nicht mitmachen und traten daher bald nach Beendigung des griechisch-türkischen Krieges aus dem Verbände der Schutzmächte aus. Ob die Kreter, die unter türkischer Herrschaft freilich keine Seide spönnen, § von der griechischen Regierung empfangen werden, was sie hoffen und wünschen, das bleibt natürlich noch sehr abzuwarten. Asten. Obwohl in Afghanistan noch vollständige Ruhe herrscht, jetzt Rußland seine Vorbereitungen zur schleu nigen Niederdrückung etwaiger Verwickelungen in Central asien doch mit unvermindertem Eifer fort, so daß die Engländer anfangen, um Indien besorgt zu werden. Treten Afghanistans wegen ernste Friedensstörungen ein, dann haben die Engländer freilich auch nur allzu be rechtigte Ursache zur Besorgniß. Denn abgesehen von allen anderen Calamitäten, denen sie infolge des süd afrikanischen Krieges gegenwärtig ausgesetzt sind, ist die Lage in Indien selbst zur Zeit eine bedrohliche. In diesem Lande der chronischen Hungersnoth ist wieder einmal infolge anhaltender Trockenheit die Ernte gänz lich vernichtet und die Bevölkerung zur Verzweiflung getrieben worden. Ganz Indien gleich daher einem Pulverfaß, in dem der kleinste Feuerfunken eine furcht bare Explosion anzurichten im Stande ist. Ter russische Kriegsminister ist auf seiner Reise durch Centralasien, die gerade jetzt nach dem Thronwechsel in Afghanistan Seitens Englands mit so großer Auf- der Doppelwirkung dieser Nacht — intensiver als je; verliebter als je war er in die geträumte Geliebte, trau riger als je über den nothwendig gewordenen Abschied von der wirklichen Freundin. Was war das? . . . Leise, wie Aeolsharfentöne, drangen aus dem Hause melodische Klänge zu der ent fernteren Stelle hin, bis zu welcher Bolton in seinem Wandelgange sich verloren hatte. Erstannt horchte er auf und ging in die Richtung des Hauses zurück. Dabei wurden die Töne deutlicher, doch immer blieben sie piu- lli88irllo. Er erkannte, daß es keine Aeolsharfe, sondern sein Harmonium war. Dazu erhob sich nun auch eben so leiser Gesang ... es war dieselbe Stimme, welche damals das ^.ve Nuria gesungen, und die nun das Schubertsche Ständchen — hauchte. Denn obwohl er nun schon ganz nahe war — auf der Veranda selber, durch deren offene Thüren die Musik herausdrang — so waren Gesang und Begleitung doch so gedämpft, als kämen sie aus weiter Ferne. Er trat in daS Zimmer. Dasselbe lag in Dunkelheit; nur ein weißer Schimmer vor dem Instrument deutete auf die hell gekleidete Ge stalt der Sängeriu. „Frau Leonore!" Er hatte sie auch an dem Jris- duft erkannt, von dem jetzt, da er ganz nahe gekommen war, ein leichter Strom ihn berührte. „Bolton!" Zwei Hände streckten sich ihm entgegen. Er nahm sie in die seinen. „So wollen wir denn Abschied nehmen, Leonore!" „Nein! Kein Abschied! Sie werden nicht reisen! Sie bleiben bei mir!" merksamkeit verfolgt wird, in Buchara eingetroffen und > von dem Beherrscher dieses russischen Vasallenstaates mit großen Ehren ausgenommen worden. In Central asien kann der russische Bär den Einfluß Englands mit einem Schlage seiner mächtigen Pranken ersticken. Das weiß man in Petersburg und London und daher die fieberhafte Aufregung an der Themse. Die Möglichkeit von lleberraschungen ist auch noch keineswegs ausgeschlossen. Afrika. General Botha hat im Swaziland« bereits gute Erfolge zu verzeichnen. Aus Lorenzo Marquez wird der „Voss. Ztg." gemeldet: Die Buren haben ver schiedene englische Posten im Swazilande überrumpelt und einige hundert Kriegsgefangene dabei gemacht. Nach dem die Engländer dann ihrer Waffen, Munition und eines großen TheilS ihrer Lebensmittel «ntledigt worden waren, wurde ihnen die Freiheit zurückgegeben. In Lorenzo Marquez ist das Haus des eng lischen Konsuls mit portugiesischen Schildwachcn und Nachts auch mit Kavallerie-Patrouillen umgeben worden, da man fürchtet, daß etwas gegen sein Leben geplant sei. Von der wunderbaren Neutralität Portugals legt die Thatsache Zeugniß ab, daß ein englisches Kriegs schiff in Lorenzo Marquez gewissermaßen Hafenpolizei ausübt und darüber wacht, daß keine Kriegscontrebande ansgeschifft wird. König Eduard beabsichtigt dem General Buller, der seiner militärischen Unfähigkeit am Tugela ein Denkmal dauernder als Erz errichtet hat, den Pairstitel zu ver leihen und eine bedeutende Dotation zuzuweisen. Aus Brüssel wird der „Schles. Ztg." gemeldet: In dem Brüsseler Burenhilfscomite erzählt man sich, es sei dem Präsidenten Krüger vor etwa 8 Tagen von gänz lich unbekannter Seite eine Summe von 2 Millionen Francs in englischen Banknoten überwiesen worden mit der Widmung: „Ein Beitrag zur Ergänzung des Waffen- und Munitionsvorraths der tapferen Buren." Im An schluß hieran wird versichert, daß Agenten der Buren seit Langem in allen südafrikanischen Hafenplätzen mit großem Erfolge thätig seien, um aus den Händen eng lischer Kaufleute Kriegsbedarf für die Buren anzukaufen. Botha hat Meldungen aus Dundee zufolge den Pongolabusch verlassen und befindet sich auf dem Zuge ! in nördlicher Richtung durch das Swaziland. Die Einwohner dieses Landes sympathisiren mit den Buren und es wäre wohl möglich, daß sich dem tapferen Burengeneral eine große Anzahl Leut« des genannten Districts anschlösfen. Jedenfalls sind die Engländer um die Dispositionen Bothas dermaßen besorgt, daß sie zu ihrer eigenen Ermuthigung schnell einmal wieder das Gerücht vom Tode Dewets aussprengen. Die Tele gramme besagen, daß das betreffende Gerücht um so wahrscheinlicher sei, als schon seit Wochen nichts mehr von kriegerischen Operationen Dewets zu hören gewesen ist. Die Gerüchte sind aber, wie gesagt, frei erfunden. Tewet befindet sich in vollster Gesundheit, daß er so lange unthätig blieb, oder von seinen Thaten doch nichts durch die englischen Telegramme nach Europa gemeldet worden ist, will nichts besagen. Wahrscheinlich hat dieser allermuthigste sämmtlicher Burenführer einige nette Ueberraschungen für die Engländer vorbereitet, von denen man hoffentlich recht bald zu hören bekommen wird. Wie aus Pretoria gemeldet wird, überraschten canadische Truppen in der Nähe von Balmoral ein Burenlager die Canadier verloren 5, die Buren 3 Mann. Die Buren zogen sich angeblich zurück. Viel leicht allerdings auch blos in der Richtung auf die weichenden Engländer. Immer noch ihre Hände festhaltend, kniete er neben ihr nieder, den Rücken an das Instrument gelehnt. Nicht als Huldigung war daS Niederknieen gemeint — einfach, um in bequemer Lage das zu sagen, was er dieser Frau jetzt sagen mußte. „Doch! Wir müssen uns trennen! . . . Im Namen alles dessen, was vernünftig und was natürlich ist! . . Tas Gespenst des Wahnsinns steht zwischen uns beiden, Leonore. . . Ich wäre schweigend davon gegangen, aber jetzt, da Sie mit Ihrem wundervollen Singen mich hierher gelockt — da ich im Dunkeln an Ihrer Seite bin — wir können beide kein Erröthen sehen — jetzt will ich sprechen . . . Sie sollen erfahren, daß ich Sie fliehe . . . weil ich rasend, rasend verliebt bin . . nein, nein, nicht in Sie selber — aber in das Weib, das Sie sein könnten, das Sie waren, das ich aber nimmer mehr finden kann! . . . Jetzt, in diesem Augenblicke wohl — sehen Sie, da erfaßt mich das wilde Träumen — ich höre noch die süßen Schmeicheltöne Ihrer Stimme ... ich athme den Duft Ihrer Nähe . . . ich habe es gegenwärtig, welch ein Heller Geist cs ist, der meinen Worten lauscht, welch liebendes Herz . . denn Sie lieben mich, Leonore, ich weiß es — mir hier feurig entgegenschlägt, und mit allen Fibern zittere ich danach, den Arm auszustrecken und" — er sprang auf und trat einen Schritt zurück — „und ich thue eS nicht, denn das Erwachen wäre zu fürchterlich und zu — lächerlich!" (Schluß folgt.)