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Afrika. Ta der Anschlag auf Botha und seine Leute gänzlich mißglückt ist, bemüht sich die Londoner Jingo presse, wenigstens die Lage der glücklich Entkommenen so ungünstig wie möglich darzustellen. Sie berichtet, daß das Hauptcorps der Buren an der Natalgrenze den weiteren Vormarsch nach Norden infolge der großen Stärke der britischen Truppen daselbst eingestellt habe und nach Babanango zurückgekehrt sei. Dieser Ort liegt nur einen Büchsenschuß vom Schauplätze der Kämpfe bei Fort Jtala entfernt. Bothas Rückzug nach dem Pongolabusch gestaltete, so wird kleinlaut und zur Ent schuldigung hinzugefügt, die Operationen gegen ihn äußerst schwierig, da sich kleinere Abtheilungen in den waldigen Schluchten des Gebirges leicht verborgen halten können. Dieser Entschuldigungssatz deckt die Inhaltslosigkeit der ersten Behauptung, es gehe Botha und seinem Commando schlecht, zur Genüge auf und es bleibt für jeden un befangenen Beurtheiler die Thatsache bestehen, daß die Bedrohung Natals durch die Buren noch fortdauert. Infolge der Proclamirung des Kriegsrechts im Kapland haben die fremden Consuln die Angehörigen der von ihnen vertretenen Staaten aufgefordert, sich in die Consulatsmatrikel einschreiben zu lassen. Hoffent lich schützt diese Vorsicht die Betreffenden vor einer per- sönlichen Bekanntschaft mit der Justiz des Lord Kitchener. Tas Kitchenersche Mordregiment dauert natürlich weiter, obgleich es selbst die für die Fortsetzung des Krieges L tout xrix begeisterten Londoner Blätter nicht einmal zu rechtfertigen vermögen. Da ist es denn characteristisch, daß die Londoner „Times" drei lange Briefe veröffent lichen, die angeblich von deutschen Offizieren a. T. her rühren und die Kitchenersche Schreckensherrschaft nicht nur billigen, sondern noch für zu milde erklären. Die drei Offiziere sollen außerdem erklären, daß es die Deutschen im französischen Kriege weit ärger getrieben hätten. Es ist jammerschade, daß das Londoner Blatt wegen dieser nichtswürdigen Behauptung nicht zur Ver antwortung gezogen werden kann. Daß ein deutscher Offizier solche Niederträchtigkeiten nicht begeht, wie es die Londoner „Times" durch ihre Briefe glauben machen will, ist selbstverständlich. Bon Burenseite ist officiell erklärt worden, der Ge sandte vr. Leyds habe wiederholt im Namen der Trans vaal-Regierung gegen die Lieferung von Pferden, Waffen rc. aus Deutschland, Oesterreich und anderen Ländern an die englischen Militärbehörden in Südafrika protestirt. Oesterreich und Deutschland hätten nicht einmal den Empfang der Proteste bestätigt. Die „Staatsb.- Ztg." richtet nun die offene Anfrage an den Reichskanzler Grafen Bülow, ob die deutsche Regierung die Selbst ständigkeit der beiden südafrikanischen Republiken über haupt noch anerkenne, oder ob sie sich mit der von England verkündeten Annexion einverstanden erkläre. Lord Kitchener, der Schlächter von Transvaal, hat, wie wenig bekannt sein dürfte, im Jahre 1870/71 auf Seiten der Franzosen gegen die Deutschen ge kämpft. Sein Vater, der als Dragoner-Oberst die Reiterattacke bei Balaplawa mitgemacht hatte, lebte 1870 in Dinan, Departement Cotes-du-Nord, und erhielt dort den Besuch seines Sohnes. Ter jetzige englische Generalissimus in Südafrika wurde dadurch Zeuge der französischen Niederlagen und trat bei der Bildung der Mobilgarden-Bataillone in dasjenige von Dinan ein, um so auf französischer Seite gegen die Deutschen zu kämpfen. Er war englischer Offizier und erhielt bei seinem Einblick in das französische Heer den Rang eines Leutnants. Später wurde er einem Stabe zugetheilt und wohnte in dieser Eigenschaft den Kämpfen bei Orleans bei. Eine lebensgefährliche Lungenentzündung nöthigte ihn alsbald, deu Dienst zu quittiren. Kitcheners Grausamkeit und Lust am Morden ist in England be kannt, in allen liberalen Kreisen dort ist er deshalb aufs beste gehaßt. Trotzdem hat er selbst erklärt, daß der südafrikanische Krieg gegen allen gesunden Sinn unternommen worden ist, und daß lediglich intcresfirte Minister für die Clique der Börsenspeculantcn unter der Vorspiegelung, daß der Krieg ein militärischer Spazier gang sei, Tausende in den Tod trieben. Bös siehts in Johannesburg aus, wie sich aus dem Inhalt eines Privatbriefes ergiebt: „Die Nahrungs mittel, hauptsächlich Mehl, Reis, Zucker, beinahe auf gebraucht. Verkehr fortwährend unterbrochen. Einfuhr gleich Null. Fleisch ungenießbar, zumal im Frauenlager. Krankheit dort zunehmend; in einer Woche 26 Tobte. Kinder leiden an krebsartiger Mundkrankheit. Lippen, Gaumen und Kinnbacken werden weggcfrcssen. Krankheiten entstanden durch Fleisch von milzbrandkranken Schafen. Ein Irländer, der unter dem englischen General Blood bei Middelburg kämpfte, schreibt: „Der ganze Landstrich ist verwüstet. Zwischen Klippen fanden wir vor Hunger und Kälte sterbende Frauen und Kinder. Als wir einmal von den Buren eingeschlossen waren, kamen unsere Offiziere (nette Helden!) auf die Idee, Frauen und Kinder zwischen uns und neben die Kanonen zu stellen. Tas Geschrei der Armen War, um wahnsinnig zu werden. Gott sei Tank er kannten die Buren bald die Sacklage und stellten das Schießen ein. Auch sind viele Koffern als Rekruten gedungen worden. Diese Banditen bekommen außer dem Sold noch Extraprämien, für einen gefangenen Buren 60 Mk., für einen tobten 100 M. Tie Schufte liefern begreiflicherweise keinen gefangenen Buren ein." Schmach, voll für die Endländer. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 21. October. In der Nacht zum Sonntag gegen 12 Uhr wurde hier ein hellleuchtendes Meteor beobachtet, welches seinen Weg in westlicher Richtung nahm und nach sekundenlangem Aufleuchten in grünlichem Lichte wieder verschwand. *— In einem Hause in Altstadtwaldenburg erschien gestern Vormittag gegen 11 Uhr eine fremde Frauens person und legte unter dem Vorgeben, gleich wieder kommen zu wollen, ein kleines Kind im Wickelbettchen nieder. Auf ihr Wiederkommen wartete man jedoch vergeblich; sie soll sich in der Richtung nach Wolken burg zu entfernt haben. *— Beim Landes-Medicinal-Collegium für das König reich Sachsen ist der Antrag eingereicht worden, „das Collegium wolle an geeigneter Stelle beantragen, daß die ärztliche Ueberwachung der Schulkinder durch eine für das ganze Land geltende Verfügung geregelt werde." *— Zur sächsischen Steuerreform schreibt die „Cons. Corr".: Es ist, bis jetzt unwidersprochen, gemeldet worden, daß im Königreich Sachsen die Vermögenssteuer eingeführt werden soll. Bekanntlich planen „Reichs finanzreformer" auf der Linken die Einführung einer Vermögenssteuer; diesem Plane wird durch die sächsische Regierung dauerhaft vorgebaut. Die Bundesstaaten thuu sehr recht daran, die Einnahmequellen aus directen Steuern zu ihrem eigenen ausschließlichen Gebrauche wahrzunehmen. *— Beim hiesigen Etadtrath ist eingegangen Reichs- Gesetzblatt Nr. 42, enthaltend: Verordnung über die Anwendung des Gesetzes, betreffend Versorgung der Kriegsinvaliden und der Kriegshinterbliebenen, vom 31. Mai 1901 auf die Landesbeamten des Schutzgebietes Kiautschau. Ferner Gesetz- und Verordnuugsblatt für das Königreich Sachsen, 13. Stück vom Jahre 1901, enthaltend: Verordnung, eine Abänderung der zur Ver ordnung über die Gewerbe-Beaufsichtigung vom 6. April 1892 gehörigen Beifuge (7) betr. Bekanntmachung, die weitere Ausführung des Reichsstempelgesetzes vom 14. Juni 1900 betr. Bekanntmachung, die Bildung eines Medicinbezirks für die Stadt Chemnitz betr. Bekannt machung, die Versammlung der Stände des Königreichs Sachsen zum nächsten ordentlichen Landtag betr. *— In welcher Weise der Kohlenbedarf in diesem Jahre gesunken ist, geht daraus hervor, daß allein bei den sächsischen Staatseisenbahnen im September 1100 Eisenbahnwagen weniger als im Vorjahre mit Kohlen beladen und verfrachtet worden sind. Bei dieser Sach lage kann man sich die Mindereinnahme unserer Staats- eisenbahncn schon erklären. Franken, 21.'October. Die hiesige Pflichtfenerwehr hielt gestern ihre Herbstübung ab, dieselbe gab bei 310 Meter Anlauf mit 15 Meter Schlauch in 5 Minuten Wasser. Langenchursdorf, 20. Ocjober. Heute beging Herr Cantor Teichmann hier sein 25jähriges Amtsjubiläum. Nachdem bereits am Mittwoch der pädagogische Verein Von Waldenburg, sowie am Sonnabend seine Collegen aus der Umgegend Wünsche in Wort und Lied wie Ge schenke dargebracht hatten, begrüßte heute in der Frühe der hiesige Gesangverein Erholung den Jubilar als sein Ehrenmitglied mit einem Ständchen. Nach dem Vormit tagsgottesdienste, bei dem er an geschmückter Orgel seines Amts wartete, fand in der Turnhalle der neuen Schule eine kurze Feier statt unter Theilnahme der Mitglieder des Kirchen- und des Schulvorstands, des Lehrer collegiums, des Kirchensängerchors wie andrer Gemeinde glieder und der größeren Schulkinder. In derselben wurde ein die segensreiche Thätigkeit des Herrn Cantors voll anerkennendes Glückwunschschreiben der Königlichen Kirchen- und Schulbehörde, von der Gemeinde aber ein großes Bild, Weihnachten in Luthers Hause darstellend, und durch die Kinder eine Blumenspende überreicht. Nach einem erhebenden Chorgesang dankte der Jubilar bewegten Herzens. Auch aus der Gemeinde Kaufungcn, Unterhaltungstheil. Im Berghause. Novelle von Bertha v. Suttner. 30) (Fortsetzung.) „Diejenige, die mich nicht mag, ist jetzt ausgeschieden. Es bleiben aber noch immer drei: die Wirkliche — die ich nicht mag — die nicht Existirende und die Ver gessene — an die Sie mich erst wieder erinnert haben." „Gratulire! . . . Von der letzteren überigens kann ich die gewünschte Auskunft geben. Sie seufzen doch um eine Schönheit, welche im Winter 1887 in den Wiener Salons ein gewisses Aufsehen erregt hat? Da weiß ich genau Bescheid. Ich selber bin zwar nicht mit der Betreffenden zusammengekommen, denn — wenn Sie sich erinnern — eine Familientrauer hielt mich von der Gesellschaft fern; aber ich habe allseitig von einer vielbewunderten Dame gehört, die — das stimmt mit Ihren Angaben — stets ein Halsband von schwarzen Perlen trug. Sie war die Frau eines für sehr reich geltenden serbischen Edelmanns, namens Milowic, eine geborene Deutsche übrigens — die Tochter eines Pro fessors oder so etwas. Sie blieb nur kurze Zeit in Wien, wohnte im Hotel —" „Ja, ja — im Grand Hotel." „Und reiste dann mit ihrem Gatten, der ein sehr unliebenswürdiger Geselle war — ich habe ihn öfters im Klub getroffen — nach London. Tort wird sie wohl wieder während der ,86asorü mit ihren schwarzen Perlen —" „Und schwarzen Augen —" „Furore gemacht haben. Kurz darauf aber, so habe ich erfahren, starb der serbische Gatte, und statt der vermutheten Millionen hinterließ er nur Schulden. Tie Wittwe war vollkommen ruinirt. Nicht einmal die schwarzen Perlen sind ihr geblieben, denn es stellte sich heraus, daß dieses Geschenk des verstorbenen Milowic — wie fast alle ihrs Kleinodien — nicht bezahlt war, und der Juwelier nahm den Schmuck zurück. Was weiter aus der schönen Frau geworden — ich weiß es nicht." „Ist mir auch gleichgiltig. Sagen Sie mir lieber, wer war die gefährliche Pariserin, vor der Sie die Flucht ergriffen haben?" „Keine Pariserin — eine Landsmännin. . . . Sie kennen sie . . ." „Ich . . . kenne ... ah! Tilda Gahlis?" Trahlen nickte bejahend. „Ist sie denn nicht in Trouville?" „Bis vor drei Tagen war sie in Paris; sie war von der Ausstellung so entzückt, daß sie sich nicht trennen konnte, und erst jetzt ist sie nach Trouville abgereist. Es war verabredet, daß ich ihr dahin folge . . . aber die Klugheit hat gesiegt, und statt die Richtung nach Westen einzuschlagen, suchte ich Rettung im Osten." „Rettung? Wovor? Es wäre doch kein Unglück . ." „Eine Lächerlichkeit wäre es! Bedenken Sie, ein Mann von über sechzig Jahren ..." „Glauben Sie denn nicht, daß ein alter Mann noch Leidenschaften einzuflößen im stände sei? Es giebt auch Fälle, daß ältere Frauen Liebe erwarben. . . Da heißt es aber dann gleichfalls, die Lächerlichkeit ver meiden und — fliehen. Das ist mein Fall. Sie sollen ihn kennen, meinen Fall, Trahlen — Vertrauen für Vertrauen. Da Sie selbst verliebt — gegen Ihre bessere Ueberzrugung verliebt sind, so fürchte ich nicht Ihren Spott. Hier" — Bolton holte vom Schreibtische den angefangenen Brief und überreichte ihn dem Freunde — „hier, lesen Sie; das schrieb ich Ihnen heute. Dann schwankte ich, ob ich es abschicken solle, da mir während des Schreibens ein neuer Entchluß gekommen . . . . Jetzt sind Sie da, und ich könnte Ihnen doch nicht länger meinen Seelenzustand verschweigen . . es ist mir nun lieber, wenn Sie denselben durch die schriftliche Schilderung kennen lernen. . . . Und bitte, lesen Sie laut — ich möchte wissen, wie verrückt meine Herzensergießungen klingen, wenn sie von einem dritten Vorgetragen werden. Vielleicht wirkt das heilsam auf mich ein." „Wohlan, ich beginne — darf ich Randbemerkungen machen?" „Nein, ohne Unterbrechung — wenn ich bitten darf." Indessen war Frau Leonore von außen auf die Veranda gekommen, um für den Gast eine Erfrischung bereitzustellen. Durch die Stäbe der gesenkten Jalousien drangen die Stimmen der beiden Männer hinaus. Frau Leonore hörte plötzlich ihren Namen; da blieb si« regungslos stehen. Nicht ohne Gewissensvorwurf lauschte sie weiter, denn Horchen war eine Handlung, die ihr Zartsinn verdammte; aber bei dem, was sie hörte, war zu viel für sie auf dem Spiele — sie widerstand der Versuchung nicht. Der Inhalt des vorgelesenen Briefes schien sie zu befriedigen, denn ein freudiges Lächeln erhellte ihre Züge. „Er ist mein!" murmelte sie, und geräuschlos, wie sie gekommen, entfernte sie sich wieder. * * * „Es bleibt also dabei: morgen um zehn Uhr fahren wir miteinander ab. Gute Nacht!" Bolton hatte den Gast spät abends auf sein Zimmer begleitet, und das waren die letzten Worte, die er ihm noch beim Fortgehen zurief. Die Reise sollte nach Schweden und Norwegen gehen. Keine geringere nördliche Breite mochte den beiden geeignet erschienen sein, ihre unseligen Flammen zu löschen. „Als Sechziger darf man nicht noch ver liebt sein!" war Trahlens Meinung gewesen. „In eine Fünfzigerin verliebt zu sein, das ist noch unerlaubter!" hatte Bolton decretirt, und darauf hin ward die ge meinsame Nordlandsfahrt beschlossen. (Fortsetzung folgt.)