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In der Urteilsbegründung führte der Vorsitzende aus, der Sachverständige Bischof habe kein bestimm tes Urteil abgeben können, aber eine Aehnlichkeit der Unterschrift festgestellt. Ebenso habe der Sachverstän dige Kwiecinskt die Fälschung der Unterschrift nicht dciveisen können. Das Gericht habe die Ueberzeugung gewonnen, daß die Unterschrift auf dem Original von der Hand des Angeklagten stamme. Der Angeklagte iei bisher nicht bestraft gewesen. Er habe die Tat aus Liebe zu seinen Volksgenossen und nicht um eines Vorteiles willen begangen. Das Gericht sehe daher eine Strafe von fünf Monaten für ausreichend an un- nr Anrechnung der gesamten Untersuchungshaft. Für die Reststrafe werd« ihm Bewährungsfrist von zwei Zähren gewährt. von der Berteidignug ist gegen das Urteil sofort Berufung eingelegt worden. Sugo Simms fteigesprochen. Auch Rothmann, Leo Hirsch und Schneid sreigesproche», »ie übrigen Angeklagten zu Gefängnis nnd Geld strafen verurteilt. Im Stinnesprozeß wurde Sonnabend durch den Vorsitzenden, Landgerichtsdirektor Arndt, folgendes Ur teil verkündet: Die Angeklagten Stinnes, Rothman», Leo Hirsch und Schnei» werden fre'.geshrochem Es werden ver urteilt: Der Angeklagte v. Waldow wegen gemein schaftlichen vetrugSversuchs zu vier Monaten Gefäng nis, wovon sieben Woche» durch die erlittene Unter suchungshaft verbüßt sind. Der Angeklagte Vela Groß wegen gemeinschaftlichen Betrngsveesnchs zu Viet Mouateu Gefängnis, wovon eine Woche für erlit tene Untersuchungshaft verbüßt ist, der Angeklagte Tugen Hirsch wegen Beihilfe zu versuchten Betrug- zu 80V« M. Geldstrafe, hilsswetse zu einem Monat Ge fängnis. Die Kosten des Verfahrens fallen, soweit Frei spruch erfolgt ist, der Staatskasse, im übrigen den ver- urteilten Angeklagten zur Last. Der Haftbefehl gegen Stinnes, Nothmann und Leo Hirsch wird aufgehoben. Die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe des Angeklag ten v. Waldow wird mir einer Bewährungsfrist von drei Jahren ausgesetzt. Angeklagte und Zuhörer nah men oas Urteil ruhig aus. Zn der Urteilsbegründung. wles der Vorsitzende zunächst auf die erheblichen Schwierigkeiten hin, die in diesem Prozeß der Er fassung der Wahrheit entgegengestanden hätten. Es könne daher nicht zweifelhaft sein, daß der Sachverhalt gewisse Lücken ausweise und daß die Arbeit des Ge- Achtes trotz aller Sorgfalt nur Stückwerk sein könne. Der Vorsitzende schildert dann eingehend den Sachver halt und bedauert, dah Eugen Hirsch, Nothmann, Stin- ues und v. Waldow nicht den Weg zur deutschen Sonderkommifston gesunden hätten. Sie wurden dann zweifellos durchschaut haben, daß es sich hier nicht um ein reelle- Geschäft, sondern um Betrug handele. * von feite» »er Staatsanwaltschaft ist gegen da- Nrt^l, soweit es auf Freisprechung lautet, Berufung eingelegt worben. Sie Liebe der Vrigitta Hollermann. Boman von Elisabeth Ney. Copyright by Martin Feuchtwanger, Halle a. S. 34. Fortsetzung Was hatte das zu bedeuten? In einer Stunde würde er vor Isa stehen. Als der kleine Dampfer anlegte, sprang Eggenbrecht, sich rücksichtslos Bahn brechend, als erster an Land. Wenige Minuten später raste er in einem Auto der Wohnung Ri von Saldens zu. Die Fahri erschien ihm endlos. Endlich hielt der Wagen. Nachdem er den Führer entlohnt hatte, stand er einige Minuten wie betäubt vor der Villa. Fast alle Fenster waren erleuchtet. Hatte von Salden an diesem Abend zufällig Gesell schaft? Schließlich ermannte er sich, und drückte zögernd auf die Klingel. Erst nach längerer Zeit nahten Schritte über den breiten Kiesweg. Vor ihm stand eine Krankenschwester. Eggenbrecht erblaßte, und hielt sich nur mühsam an dem Eisengitter der Pforte fest. «Ich möchte Krau von Salden sprechen", bat er ge preßt. „Das ist heute nicht möglich", entgegnete die Schwester ernst. »Ist Frau von Salden krank?" fragte er beklommen. „Nein, sie selbst nicht, aber die junge Dame, die bei ihr wohnt. Ein Unglücksfall; Sie werden also verstehen, wenn " Eggenbrecht unterbrach sie: „Ich — ich komme soeben aus Hongkong. Ich bin Doktor Eggenbrecht. Die Kranke ist meine Frau. Lassen Sie mich um Himmels willen schnell zu ihrl" Er sah, wle die Schwester erschrocken zurückprallte und dann mit zitternder Hand das Tor aufschloß. „Schwester, was ist geschehen? Meine Frau!" stöhnte Eggenbrecht. „Es tut mir leid, Herr Doktor; wenn ich gewußt hätte, wer Sie sind, dann " „Keine Schonung, Schwester, ich fordere die Wahrheit." .Ihre Frau ist verunglückt; eine Frühgeburt. Der Fall ist sehr ernst", antwortete die Schwester, ängstlich voran- eilend. Sademoral unserer Vorfahren. Sin Ba», das mit dem Bannfluch belegt wurde. — „Lesen «nd Schwimmen", die Kennzeichen eines ge bildeten Menschen. Eine altbewährte Baderegel verbietet, nach hef tigem Aerger oder mit bekümmertem Gemüt zu baden; ist die Seele aber ruhig, so gibt es kaum ein anderes Vergnügen, daß im gleichen Maße imstande ist, ge sunden Frohsinn hervorzuzaubern, wie das Baden und Schwimmen. Eine gewisse Erquickung bieten schon das Wannenbad und die Schwimmbassins der Badeanstal ten. Den richtigen Genuß bereitet aber doch nur daS Baden oder Schwimmen in offenen Seen und Flüssen, und es erhöht den Reiz, wenn dieser Sport in schöner Gegend ausgeübt wird; schon die Griechen und Römer achteten bei der Anlage von Bädern im freien auf eine schöne Umgebung. Besonders heil sam sind aber die Meeresbäder, die erst gegen das Ende des 18. Jahrhunderts üblich geworden srnd und die, wie Professor Eulenburg nachgewiesen hat, wegen der chemischen und physikalischen Eigenschaften der Seeluft namentlich für das mitgenommene Nerven system der moder,:en Großstadtmenschen von unver gleichlicher Wohltat sind. Welche wichtige Rolle das Baden in der An tike spielte, verraten noch heute die Ueberreste der mit höchstem Luxus ausgestatteten römischen Bade räume und überhaupt die Häufigkeit der damals be nutzten Badegelegenheiten. Das Schwimmen galt im klassischen Altertum als unumgänglich notwendig für jeden Mann; die Kenntnis dieser Kunst diente freilich nicht allein der körperlichen Ertüchtigung, sondern mußte auch wegen der schwierigen VerkehrSverhältnisse jener Zeit gefordert werden. Plato nannte einen Menschen, der nicht „lesen und schwimmen konnte", ungebildet, und Horaz Vries einst einen jungen Mann, Prinzgemahl Heinrich der Niederlande X« wurde iit Anerkennung seiner Verdienste um deutsche Universitäten von der Greifswalder Universität zum Ehrensenator ernannt. --X. . Weil dieser besonders schnell den Tiber hinabschwimmen konnte. Dem vielbewunderten Vorbilde der Antue hat Europa erst spät nachgeeifert. „Die an das Wasser gehen und baden uno schwemmen gleich als die Gänse und Enten, die sollen schwer bestraft werden", wurde noch im 16. Jahrhundert gegen das verpönte feuchte Vergnügen gewettert, unv selbst den Heilbädern wurde ost Schlimmes uachgesagt: suchte doch z. B. Herzog Ulrich von Württemberg seinem Sohn von Wildbad abzuraten, indem er an ihn schrieb: „Wenn anch das Bad zum allerbesten ge' riete, so ist doch keine andere Vermutung, als daß Du nach solchem Bad so feist werdest wie eine Moft- sau". So erging es einst den Männern, wenn sie baden wollten; aber die Frauen hatten noch wen größere Schwierigkeiten zu überwinden, um sich den Freuden des Wassers hingeben zu können. Sie sollten von so „unmoralischem Gebaren" ausgeschlossen sein, obgleich ein alter Hygieniker meinte, daß „den Fravenleuthen das lange baden nicht leichtiglich schade, weil sie feuchter und kalter Complexion sind". Al den Frauen später gestattet wurde, an dem Badever- gnügen der Männer teilzunehmen, zeigte sich, daß die moralischen Bedenken des Mittelalters nicht un berechtigt waren. Von kalten Bädern im Freien war zunächst überhaupt nicht die Rede. Man verstand unter „Ba den" den stundenlangen, oft ganze Tage währenden Aufenthalt in geheizten Baoestuben, die in ihrer ein fachsten Form schon zur Merowingerzeit bestanden- Dort ging es wie bei einer Volksbelustigung zu; an geregt durch nicht selten zu Orgien ausartende Eß' und Trinkgelage saßen Männlein und Weiblein in den Badewannen, lachten und scherzten. Den an ständigen Frauen blieb schließlich nichts anderes übrig, als zu dem heute so beliebten Schlagwort: „Bade zu Hause!" zu greisen, was bei der damaligen SHvie' ristkeit der Wasserherbeischaffung und Heizungsmögltch' kert keine leichte Sache war. Erst in einem „Damen-Konversationslexikon", das vor hundert Jahren ersckienen ist, wird unter dein Artikel „Schwimmen" auch den deutschen Damen an geraten, sie möchten doch dem Beispiel der vorneh men Pariserinnen folgen und „ihre physische Kraft und Gewandtheit" durch Schwimmen ausbilden. Zn Wien bestand schon zu Anfang des vorigen Jahr hunderts eine Schwimmschule für Frauen. Me weil ist das Gewitter entfern«? Berechnung der Entfernung. — Welche Orte soll ma» meide»? Die Berechnung der Entfernung von Gewittern ist für viele Aengstüche eine gewisse Beruhigung, d.h sofern das Gewitter noch ziemlich weit entfernt ist' Kommt es näher, so ist es allerdings mit der „Be ruhigung" bei diesen Gewitterängstlichen vorbei. Iw- merhin Ist es aber für solche, dre sich gerade unter' Wegs befinden, oft recht ratsam, die Entfernung eine- heraufziehenden Gewitters festzustellen. Nicht der gen, der oft schon viel früher einsetzt, sondern die Blitzgefahr kann berechnet werden, wenn man nach dem Aufleuchten eines Blitzes bis zum ersten Grolle» des Donners die Sekunden zählt. Man rechnet für je drei Sekunden eine Entfernung von ein Kilometer- Eggenbrecht folgte ihr atemlos. Im Vestibül trat ihr Ri von Salden entgegen. Sie erschrak über sein plötzliches Erscheinen, dann aber faßte sie nur stumm seine Hand und führte ihn in ein Zimmer. „Setzen Sie sich, lieber Doktor, denn in diesem erregten Zustand können Sie keineswegs zu Isa gehen", sagte sie sanft. „Sie lebt, gnädige Frau?" stammelte Eggenbrecht. „Gott erhalte sie uns", entgegnete Frau Ri von Salden mit Tränen in den Augen. „Und das Kind, gnädige Frau?" »Ist gesund und munter, Gott sei Dank, lieber Doktor." Eggenbrecht atmete aus. „Sie haben Doktor Schmidiborn. Was sagt er zu Isa?" forschte er dann wieder ängstlich. „Fassen Sie sich, lieber Freund, Isa geht es leider sehr schlecht. Augenblicklich ist sie ohne Besinnung." „Sie muß sterben, Frau Ri; sagen Sie mir alles, die Wahrheit! Mein Gott, so quälen Sie mich doch nicht so furchtbar!" „Dokror Schmidiborn gibt keine Hoffnung mehr", klang es leise zurück. „Keine Hoffnung!" Eggenbrecht barg stöhnend den Kopf in beiden Händen. „Wie kam es, Frau Ri; erzählen Sie mir bitte alles." „Es war vorgestern zum Gartenfest bei Herrn Ferry. Ich hatte Isa so gebeten, nicht hinzugehen und zu tanzen, sie aber setzte ihren Trotzkopf durch. Ich hoffte immer, daß Sie noch vorher kommen würden. Leider war mein Hoffen vergebens. Um Mitternacht brachte man mir Isa. Sie war beim Tanzen unglücklich gestürzt. Das Kind kam heute früh. Es war ein furchtbares Leiden. Isa ist seitdem noch gar nicht wieder bei Besinnung gewesen." Ein trockenes Aufschluchzen klang durch den stillen Raum. Ri von Salden störte das Leid dieses Mannes nicht. „Ich will, ich muß jetzt zu ihr gehen, vielleicht kann ich sie noch retten!" rief Eggenbrecht dann aufschluchzend. „Doktor Schmidiborn ist bei Isa, er hat ihr Zimmer noch gar nicht verlassen", erklärte Ri von Salden. „Kommen Sie, lieber, armer Freund, und versuchen Sie um Isas willen Fassung zu bewahren." Wie ein Trunkener folgte Hans-Jörg Eggenbrecht der Boranschreitenden. Schmerz, Zorn, Empörung, Todesangst über den Leicht sinn Isas, der sie nun das Leben kosten sollte, tobten in ihm. An der Tür des Krankenzimmers erwartete ihn Doktor Schmidiborn. Ein Blick in dessen Gesicht sagte Eggenbrecht alles- Isa war unrettbar dem Tode verfallen. Schwankend näherte er sich ihrem Lager. Bleich, das Haar wirr zerwühlt, mit heißen, ro^ Fieberflecken auf den Wangen, lag sie stöhnend um wimmernd in den Kissen. Leise war die Schwester hinzugetreten und hielt i-ö das Kind, sein Kind entgegen. Eggenbrecht zuckte zusammen und starrte beinah Hilst»' auf das kleine Bündel, aus dem ein winzig kleines, lockiges Köpfchen schaute. „Ein Mädelchen, Herr Doktor", flüsterte sie erklärend Da riß ihr Hans-Jörg Eggenbrecht fast ungestüm dm kleine, schlafende Wesen aus der Hand, so daß eS kläglich aufwimmerte. Der Schrei des Kindes war bis in die tiefe Ohnmacht der sterbenden jungen Frau gedrungen. Sie schlug plötzlich die Augen aus und sah Verständnis los um sich. „Isa, liebe Isa!" rief Hans-Jörg, sich sanft über sie neigend. Da weitete sich ihr Blick in Hellem Entsetzen. Sie starr«« auf ihn, auf das Kind, und begriff alles. „Geh', geh'!" schrie sie gellend. „Ich hasse dich! Geh, was willst du hier!" „Isa, ich bin gekommen, um dich zu bitten, daß nun alles gut werden soll", sagte Eggenbrecht gepreßt. „Gut?" fragte sie spöttisch. „Ja, ja, es wird alles gut! ich sterbe, und dann ist alles vorbei." »Isa, sprich nicht so furchtbar! Du mußt ja leben " leben um des Kindes willen, deines Kindes willen!" „Leben, haha! Ich möchte Wohl noch leben, aber nM um damit zur Kindermuhme herabzusteigen. Geh', ich will dich nicht sehen!" , „Isa, rührt dich nicht das kleine hilflose Wesen? Komm, ich kühle dir die heiße Stirn, damit du schnell ge« fund wirst. Dann wollen wir endlich zusammen glücklich werden." Eggenbrecht reichte ihr das Kind mit bittender Ge- bärde. Isa aber stieß es heftig von sich, und schrie: „Schaff' es fort, augenblicklich; es ist häßlich. Ich hasst es, oh, wie ich es hasse, da es dir jetzt schon ähnelt, oder bring' es Brigitta!" Fassungslos starrte Hans-Jörg Eggenbrecht aus sei» Weib. Sprach sie im Fieber? (FoAfetzung folgt.)