Volltext Seite (XML)
23». Freiberger Anzeiger unv Tageblatt. Seite 2. 188«. Oertliches. Freiberg, dm 4. Oktober. — Entgegen früheren Mitteilungen reist morgen Abend Se. Majestät der König nach Wim, um mit dem Kaiser von Oesterreich und einer Anzahl von Jagdgästen sich nach Mürz« steg zur Abhaltung von Hochwildjagdcn zu begeben. — Bei der am Sonnabend stattgefundenen Vermählung Ihrer königlichen Hoheit der Prinzessin Maria Josefa von Sachsen mit Sr. königl. Hoheit dem Erzherzog Otto von Oesterreich war sür die kirchliche Einsegnung die Mittagsstunde festgesetzt worden. Mit dem Schlage 12 Uhr setzte sich der Trauungszug aus dm Gemächern der Königin im Residenzschlosse in Bewegung. Der durch zwölf königliche Pagm eröffnete und von dem Zeremonienmeister Kammerherrn v. Miltitz geführte Zug passirte die große Schloßtreppe, den Gardereiterwachtsaal, die Bilderzimmer und dm Spiegelsaal und erreichte durch den Verbindungsgang die katholische Hof. kirche an den königl. Oratorien, wo der Zug den Gang hinter der Dammtribüne betrat, um unter Benutzung der zunächst de- ChoreS gelegmm Treppe das Schiff der Kirche zu er reichen. Di« Ordnung des Zuges war folgende: Voran schritten die nicht dimstthumden Kammerherren und Flüg«l- adjutantm, dmen sich die Herren der zweiten Klaffe der Hof- rangordnung anschloffm, unmittelbar dahinter folgten die ZutrittSdamen der Königin, sodann die Hofdame der künftigen Erzherzogin, die Gräfin Pallavicini, welche dm Herren der ersten Klaffe der Hofrangordnung vorausschritt. Dann kämm der österreichisch-ungarische Gesandte Graf Herbert-Rathkeal, zur Rechten deS Hausministers von Nostitz-Wallwitz, hinter Letzterem schritt der Minister Graf v. Fabrice, der den außer ordentlichen Botschafter des Kaisers von Oesterreich Graf TrautmannSdorf geleitete. Als die Spitze des Brautzuges die Kirche betrat, erscholl eine volle Trompetenfanfare, welche die königlichen Hoftrompeter, die Trompeter der königl. Kapelle und das Trompeterchor des Gardereiterregiments auSführten. Dem von Paukmschall begleiteten Tusch folgte ein vom Hof trompeter Herrn Schückel komponirter Festmarsch und ein von Herrn Hoforganisten Kretschmer gespieltes langes Orgel präludium. Als der Zug am Fuße der Chortreppe anlangte, wurde er von der Geistlichkeit empfangen, die den Hohm Herr schaften daS Weihwasser reichte und hiernach an dieser Stelle in dm Zug eintrat. Darauf folgtm die beiden OupitLiues 6u sour Hauptmann Schneider und Rittmeister v. Oppm- Huldmbrrg ll, sodann di« Kammerhcrrm v. Palm-Lauterbach und Graf Rex und Kammerherr Graf v. Einsiedel-Creba. Die nächste Reihe bildeten der Hausmarschall Graf Vitzthum v. Eckstädt und der Oberhosmarschall Freiherr v. Könneritz. Nunmehr kam der Bräutigam in österreichischer Ulanen uniform, mit dem grünen Bande der Rautenkrone geschmückt, geleitet zur Rechten von Sr. Majestät dem König, der di« Uniform eines Feldmarschalls mit dem Bande des St. StrsansordenS und das goldne Vließ trug, und zur Linken von seinem Vater, der die österreichische Generalsuniform und das grüne Band der sächsischen Rauteukrone trug. Gefolgt warm diese allerhöchsten Herrschaften durch den Obersthof meister Baron v. Türkheim, dm Stadtkommandanten General- lieutmant von Funcke und dm Generaldirektor deS HoftheaterS, ReichSgrafeu v. Platen-Hallermund, sowie die Ordonnanz- Offiziere General v. Lschirschky und General ü Byrn, dem General a la suite Sr. Majestät v. Rudorfs und General- adjutant v. Carlowitz, hinter dmm die Obersten v. Raab und v. Nostitz, Flügeladjutaut Major Freiherr v. Malortie und Oberstallmeister Oberst v. Ehrenstein gingen. Der zweiten Abtheilung des Trauzuges schritten der dicnstthuende Kammer- Herr des Prinzen Georg, derjenige der Prinzessin Maria Josefa und derjenige der Königin Vorau. Diesem hohen Dienste folgte die Prinzessin. Braut, geleitet zur Rechten von der Königin, zur Linken von dem Prinzen Georg Die Brauttoilrtte war aus weißem Moiree antique gefertigt Kostbare Silberstickerei deckte in Arabeskenform den Fond der vier Meter langm, abgerundeten Schleppe; zwischen den künstlerisch schön geschlungenen Silber-Arabesken Myrthen- BouquetS in Petit-point-Stickerei; eine breite, antike Silber spitze umgibt den Rand der Schleppe; oberhalb der Spitze mit Tulle-Jllufion verschleierte frische Myrthen-BouqnetS; daS Devant, reich mit Tull- und Silberspitzen garnirt, zeigt in der Mitte auf großer Moiree Antique-Masche ein Myrthen- Bouquet; ähnliche- Arrangement aus dem in Silber gestickten Latz der Taille. Unter dem bräutlichen Myrthenkranze trug die Prinzeß ein Brillant-Diadem in Form einer Mauerkrone, von dem der lange, kostbar gestickte Brautschleier herabwallte. Ihre Majestät die Königin strahlte in einem Meere von Diamanten. Die lange weiße Galarobe endigte in eine kost bare rosarothe filberdurchwirkte Schleppe. Hinter dem Prinzen Georg schritt Rittmeister v. Carlowitz, hinter der Königin die Oberhofmeisterin Freifrau v. Globig, der Oberhofmeister v. Lüttichau und die beiden Hofdamen Gräfin v. Einsiedel und Fräulein v. Carlowitz. Nach Ihrer Majestät kam Prinzessin Mathilde in einer Rosa-Robe mit rosa schattirter Damastschleppe. Gefolgt wurde die Prinzessin von deren Oberhofmeisterin Fräulein v. Zedlitz und der Hof dame Gräfin v. Vitzthum. Letztere trug die Schleppe der Prinzessin. ES kam nunmehr der Ehrendienst der hoch fürstlichen Trauzeugen und dann diese Fürstlichkeiten selbst, deren Reihe die Erzherzogin Maria Theresia eröffnete. Dieser zur Seite schritten Erzherzog Ludwig Viktor und der Groß herzog v. Toskana. Die nächste Reihe bildeten die Kavaliere deS eigenen Dienstes dieser Fürstlichkeiten. Es folgte der Ehrendienst der Frau Herzogin Mutter von Genua und Kammerherr v. Helldorf. Die Frau Herzogin Mutter von Genua trug ein Galakleid von helllila Farbe mit einer etwas dunlleren Sammetschleppe. Zur Linken derselben schritt Prinz Friedrich August in der Uniform der Großenhainer Husaren, zur Rechten: der Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich-Este, der älteste Bruder des Bräutigams. Hinter Prinz Friedrich August kam dessen Adjutant, Haupt mann Freiherr von Wagner, neben diesem di« Hofstaaten der Frau Herzogin. Weiter folgten die Kammerherren Graf von Fabrice, von Könneritz und von Schönberg-Reichstädt. Die hiernächst zwischen dem in italienischer Generalsuniform erschienenen Herzog von Genua und dem Erzherzog Ferdinand schreitende Großherzogin von ToSkana, welche eine rothe mit Silber durchwirkte Robe trug, wurde von deren Obersthof meisterin und Hofdame gefolgt. Die beiden Fürsten hatten ihren eigenen Dienst, sowie die Ordonnanzoffiziere Major Gras v. Einsiedel und Major Zerener im Gefolge. Der Erzher zogin Margarethe, die jüngste Schwester des Bräutigams, welche in duftig Hellblau gekleidet war, schritten die Kammer herren v. Schönberg-Rothschönberg und v. Ziegler-Klipphausen voraus. Zu Seiten der Erzherzogin gingen Prinz Alexander von Sachsen-Weimar in der Uniform der Grimmaer Husaren, und der Fürst von Hohenzollern, der Onkel der fürstlichen Braut, welcher von seinem Hosmarschall und dem Ordonnanz offizier Major v. Hammerstein gefolgt wurde. Dem Kammer- Herrn von Leipziger folgte die Frau Herzogin Isabella von Genua, geborene Herzogin in Baiern. Dieselbe trug eine mauvs-farbene Robe mit stahlgrüner reichgcstickter Schleppe und wurde einerseits vom Prinzen Moritz von Sachsen-Alten burg, andererseits vom Erbrinzen von Meiningen, in der Uniform des kgl. preuß. 1. Garderegiments zu Fuß, geleitet. Die nun folgende Herzogin Amalie von Baiern trug eine Robe von zart Blau mit reich gestickter Schleppe. Zu ihrer Rechten schritt Prinz Johann Georg unter Nachtritt des Major v. Oer, links Prinz Max, dahinter Hessen Ordonnanz offizier Premierlieutenant Graf v. Holtzendorff. Die Prinzen trugen die Uniformen des königl. sächsischen 107. Infanterie-, bez. Schützenregiments Nr. 108 mit dem großm Bande der Rautenkone. Geführt von dem Prinzen Albert von Sachsen- Altenburg, der russische Generalsuniform angelegt hatte, folgte unter Vortritt deS Kammerherrn von Finck di« Erbrixzessi» von Sachsen-Meiningen, Tochter d«S Kronprinzen von Deutsch, land, m einer ebenso kostbaren Toilette in Weiß mit zartchir M attgoldstickerei. Dahinter gmg die Hofdame Frau von Bnaer Dm Schluß der Fürstlichkeiten bildete die von dem Fürst» Ferdinand von Hohmzollern geleitete Prinzessin Albert v» Sachsen-Altenburg, die weiß und blaue Robe trug. Die vor- nehmstm Funktionäre: die Minister Graf von Fabri« und Herr von Nostitz-Wallwitz, der Oberstkämmerer Geh. Rath Graf von Trautmannsdorf und der k. k. öfterreichisch-ungarifche Gesandte Freiherr von Herbert-Rathkeul betraten mit d« allerhöchsten Herrschaften dm durch die Balustrade abg«, grenzten Theil der Kirche. Nachdem die Letzterm ihre Pütze eingenommen, sang der Chor daS von dem Kirchenkompomst« Kretschmer komponirte „Voni ersutor spiritn". Die eigent liche kirchliche Feier eröffnete der Hochwürdigstr Bischof Bernert mit einer gehaltvollen, zum Herzm gehmden Ansprache a» daS Brautpaar, welcher der Wechsel der Ringe folgte. Dieser Akt wurde von dm außerhalb der Kirche postirten Gren», dierm und der am Pontonschuppen aufgestellten Batterie do» § sechs Geschützen durch neun Gewehrsalven und 36 Kanonen schüsse begleitet. Nach der Einsegnung wurde von der königl Kapelle daS Tedeum von Hasse intonirt, währenddessen die Glocken ans sämmtlichm Thürmen der Stadt geläutet und noch 101 Kanonenschüsse abgegeben wurden. DaS Schluß- gebet und der Segen bezeichneten das Ende des feierlich» Weiheaktes. Der HochzeitSzug verließ hierauf unter Boron tritt der Majestäten, denen die durch Prinz Georg und Erz herzog Karl Ludwig geleiteten Neuvermählten und die übrige» Herrschaften mit ihren Hofstaaten folgten, die Kirche und be gab sich nach dem Residenzschlosse zurück, woselbst zunächst die Majestäten die Hof- und ZutrittSdamen und die Mitglieder der fürstlich Schönburg'schm und gräflich SolmS-Wildmselsa Familien zur Glückwunschkour empfingen. In der Zwilche» zeit bis zu der auf Nachmittags 4 Uhr angesagten Tafel m- pfingen die Hohm Neuvermählten und deren Eltern die Glück wünsche der Hof- und ZutrittSdamen, der Staatsminister, so wie des diplomatischen Korps nebst dessen Damm und der außerordentlichen Gesandten fremder Staaten. Um 4 Uhr be» gann im kgl. Schlosse die Zeremonientasel, und zwar für die allerhöchsten und höchsten Herrschaften im kleinen Eckparade- saal und für die übrigen geladenen Herren im daran schließe» den neueren Bank«tsaal. Die fürstliche Tafel war mit da goldcnm Geschirr gedeckt und sehr reich mit dm kostbarst« Blumen geschmückt. An einer Seite des Saales warm dH- bare goldene Geräthe aus dem grünen Gewölbe ausgestellt Den Trinkspruch auf das hohe neuvermählte Paar brachte Se. Majestät der König aus. Nach der Tafel begabm sich die Herrschaften in das Theater in der Altstadt, woselbst eine glänzende Festvorstellung stattfand. — Erzherzog Otto und Erzherzogin Mari, Josefa, die hohen Neuvermählten, reism heute Nachmittag 4 Uhr 2b Minuten von Dresden aus über Freiberg, Hof, München, Salzburg, Linz, St. Valentin nach Kemmelbach und Ups, von welcher Station aus hochdieselbm sich »ach ihre» Schloß Persmbeug begeben. — Der Wohlthätigkeitsverein .Bruderbund" hält am Dienstag, den 12. d. M., Abends 8 Uhr, im Saale zm» »Bairischen Garten" ein großes Konzert, Vorträge und Tanz L — Das Stadtmusikchor veranstaltet am Domas- tag, den 7. d. M., im Saale zum »Bairischen Garten" m großes Extra-Konzert, bei welchem die talentvolle jugendliche Pianistin Elise Kaden Mitwirken wird. Billets zu diese» jedenfalls zahlreich besuchten Konzert sind bei den Herm Kaufleuten Hugo Elßig und C. G. Modes erhältlich. — Wir erhalten folgende Zuschrift: »Ich erlaubt wir die geehrte Redaktion darauf aufmerksam zu machen, daß die Direktion Tauscher (jetzt in Stralsund) sich niemals aufgelöst hat, sondern bisher in Frankfurt a. d. O. die besten Geschäfte machte. Da ich die Ehre habe, für Frau Direktor Tauscha Ein Vermächtnis. Novelle von Klara Schirmer. 32. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Aus v. Waldow's lautm Ruf kam Jochen herbei und mit seiner Hilfe gelang eS ihm, durchzudringen und bald lag das junge Mädchen auf der Bank, von der aus kurz vorher Jochen die offene Thür bemerkt hatte. »Schnell Wasser!" rief Alfred, und Jochen holte in seiner Mütze aus dem nahen See sofort die erwünschte Kühlung. Alfred tauchte daS Taschentuch in's Wasser und legte es auf die blutend« Stirn. Plötzlich ging ein Leben durch den Körper des jungen Mädchens, ein Seufzer kam gleich einem Hauch von den bleichen Lippen und mit Jubel sah Alfred das Leben wiederkehren, denn aus einen Augenblick öffneten sich die Lider und zwei dunkle Augensterne schauten erstaunt zu ihm auf. Doch es war nicht nur die Freude über dies Lebenszeichen, die Alfred durchzuckte: es war eine plötzliche Erinnerung, die ihn bei dem Blick der dunklen Augen mit einem unnennbaren Zauber erfüllte und sein Herz erbeben machte. Diese Augen kannte er, sie hatten ihn schon vor Jahren entzückt. War er denn blind gewesm, daß er dieses Mädchen nicht längst erkannt? Freilich, er hatte ja die Gouvernante kaum beachtet und merk würdigerweise war sie auch stets verschwunden, sobald er nach Darkow kam. Er knicete nieder und nahm dm feinen Kopf des Mädchen in beide Hände und rieb ihr die Schläfe und die Hände und leise sagte er: »Tinka, Tinka, bist Du es wirklich?" Da schlug sie wieder die Augen auf und ein leichtes Roth überzog das bleiche Gesicht. Doch wieder erbebte der Körper und Alfred ahnte, daß sie das Geheimniß be wahren wolle. »Ich werde schweigen, wie Du, Tinka," sagte er dann und neigte sich zu ihrem Ohr. »Ich werde das Geheimniß be wahren, bis Du mir gestattest, zu reden." Sir hatte schon wieder die Augen geschlossen und Jochen stand bei dem Paar mit einem Gesicht, in dem sich Erstaunen und Dummheit mischten. »ES ist die Gouvernante vom Schlosse, gnädiger Herr, Fräulein Clemens. Wenn ich nur wüßte, wie sie an den Thurm gekommen." »Darüber zerbrecht Euch jetzt nicht den Kopf," unterbrach ihn Alfred, „sondern holt Hilfe vom Schlosse, damit wir das Fräulein dorthin schaffen können." Jochen lies so schnell es ihm eben möglich war und Alfred befeuchtete die Stirnwunde, die übrigens nicht bedeutend war, inzwischen mit Wasser. Es war jedenfalls nur eine tiefe Ohnmacht, durch einen Sturz herbeigcsührt, und die kräftige, gesunde Natur des jungen Mädchens siegte nach kurzer Zeit. Noch ehe die Hilfe vom Schlosse kam, konnte Tinka, an Alfred gelehnt, aufstehen. Sie fühlte sich noch schwach, doch ihre Besinnung war vollständig wiedergekehrt und sie erzählte mit leiser Stimme, als schäme sie sich, daß sie von Neugier getrieben, über die Brücke nach dem Thurm gegangen sei. Alfred sah sie erstaunt an, indem er sagte: »Und dies merkwürdige Instrument haben Sie als Trophäe mitgcbracht?" Tinka lächelte. „Es verwögt jedenfalls härtere Stöße als ich, denn es scheint bei dem Fall gar nicht gelitten zu haben." »Dachten Sie gar nicht daran, ob die Brücke Sie tragen würde?" „Ich war ja glücklich hinüber gekommen", entgegnete Tinka, „und dachte später nur daran, so schnell wie möglich ins Schloß zurück zu kommen, ehe es Jemand bemerkte," fügte sie erröthend hinzu. „Soll ich schweigen?" fragte Alfred. Sie sah ihn bittend an, doch die Erfüllung lag nicht in seiner Macht, denn schon hörte man die Stimmen und daher- gcflattert kam Fräulein Römer, die Nichte von Frau von Kronheim. Sie trug ein Körbchen mit belebenden Essenzen und hinter ihr kamen mehrere Leute aus dem Schlosse mit einer Tragbahre. Valeska Römer schien gar nicht befriedigt, daß die Ver unglückte, an der sie ihr Rcttungswerk versuchen wollte, schon wieder auf eigenen Füßen stand. „Mein Gott, Fräulein Clemens, waS haben Sie gemacht!" rief die kleine eifrige Samariterin und begann Tinka'S Hände in Luu äs OoIoZus zu baden. „Also von dem Thurm find Sie gefallen? Wie in aller Welt haben Sie da hinaufklettn» können! welche schreckliche Idee!" Sie schauderte und war dann im besten Zuge, Tinka mit allen möglichen Fragen zu quälen, doch Herr von Waldow schnitt ihr das Wort ab, indem er den Leuten befahl, wieder nach dem Schlosse zurückzukehren und dann ihr versprach, daß Fräulein Clemens, so bald sie sich stark genug fühle, einen vollständigen Bericht über ihre Abenteuer abstatten werde. ,O, es giebt darüber gar nicht viel zu erzählen", sagte Tinka, „und übrigens bin ich jetzt kräftig genug, nach de» Schlosse zu gehen." „So schnell kommen Sie nicht los," versetzte Valeska, .ich bin längst neugierig gewesen, in den Geheimnissen deS alt« Thurmes zu stöbern und ich kündige Ihnen meine Freundschaft wenn Sie mir nicht Alles beichten." „Nun gut," nahm Alfred das Wort, „halten Sie MO die Beichte in Ihrem Zimmer ab, jetzt muß ich aber daraus bestehen, daß Fräulein Clemens zur Ruhe kommt." Tinka sah auch wirklich sehr bleich aus und im Gegensatz zu ihr war Valeska vor Eifer glühend roth. Ihr etwas spitzes Gesichtchen war durchaus nicht schön zu nennen, be sonders da es den Ausdruck beständig wechselte. Ihre ewige Unruhe und ihr äußerst lebhaftes Wesen hatte ihr den Bei namen „Quecksilber" eingetragen. Sie war jedoch unbeschreib lich gutmüthig und stets bereit, zu helfen und sich aufzuopsern. Es blieb aber damit stets bei dem guten Willen, denn fit fing Alles verkehrt an und da sie sich mit ihrer Lebhaftigkeit auch in Alles mischte und ihre Zunge nie im Zaume hielt, bereitete sie sich fortwährend Unannehmlichkeiten. Unter Thronen be kannte sie dann der Tante ihre Fehler und versprach, sich zu bessern, doch blieb es gewöhnlich bei den guten Vorsätzen und nur der großen Herzensgüte der Frau von Kronheim ver dankte sie, daß sie noch in Darkow weilen durste. Tinka war mit Valeska Römer bis jetzt wenig in Berührung gekommen, obgleich Frau von Kronheim wünschte, daß ihre Nichte mit der Gouvernante viel verkehre. (Fortsetzung folgt)