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Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 6^2 Sviilltag, den 17. December 1893 abgehalten. R. Filialen: in Altsiadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Otto Förster; in Langenchurs darf bei Herrn H. Stiegler; in Penig be> Herrn Kaufmann Max Härtig, Leipzigerstr. 163; in Rochsburg bei Herrn Paul Zehl; in Wolkenburg bei Herrn Ernst Rösche; in Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirsten Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstem-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Iltstadt-Waldenburg, Bräunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen euba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg uud Ziegelheim. Der Stadtrat h. Kretschmer, Bürgermeister. Bekanntmachung. Der diesjährige sogenannte „Gute Dienstag" und der damit zusammen- hallende Wochenmarkt, werden Mittworb, den 27. dieses Monas, krscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Innahme von Inserate» für die nächster- cheinende Nummer bis mittags 12 Uhr. 0er Abonnementspreis beträgt vierteljähr- ich 1 Mk. 25 Pf. Einzelne Nrn. 5 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. rxpedition: Waldenburg, Obergasse 291 bi. Witterungsbrricht, ausgenommen am 16. December, nachm. 4 Uhr. da^ometerstaud 772 MM. reducirt auf den Meeresspiegel. Thermometerstand -f- 6" 0. (Morgens 8 Uhr -s- 4".) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nal Lambrechts Polymeter 79"/v. Thauvuukt st- 2,5 Grad. Windrichtung: West. Daher BUttcrunusaussichtkN für den 17. December: Wolkig bis halbheiter. und Val-enburzer Anzeiger 'Waldenburg, 16. December 1893. Vor einem Jahr etwa gab es in den Pariser Zci- etungen einen furchtbaren Lärm, weil der Militärbevoll- kmächtigte der Vereinigten Staaten von Nordamerika in ^Frankreich einen ihm angebotenen Plan einer französischen lSeefestung gekauft hatte. Das war schwerlich ganz in Idcr Ordnung, und wer auf heißem Boden steht, soll sich «sorgfältig in Acht nehmen, daß die Hitze nicht noch grö- sßer wird. Immerhin war die Affaire nicht gerade eine ^velterschütternde, denn an einen Krieg zwischen Frankreich tund Nordamerika ist in absehbarer Zeit wohl kaum zu «denken, und der Plan hätte in den Händen des ameri kanischen Offiziers oder seiner Regierung kaum weiteren Schaden anrichten können. Die Pariser Journale waren nudesscn, als sie vom Vorfall Kenntnis; erhielten, total saus dem Häuschen, und ihr Toben führte denn auch hinterher richtig zur Abberufung des amerikanischen Offi- 'zicrs. Man sollte meinen, die Franzosen, wie die Pa riser Regierung hätten aus diesem Zwischenfall die Lehre ^entnommen, daß es nicht gerade rühmlich und ehrenwerth ^sei, durch Offiziere Spionage treiben zu lassen, und zudem .soll Jemand, der selbst in einem Glashause wohnt, nicht mit Steinen werfen. Aber weit gefehlt. Es ist heute mach so, wie früher. Was andere Leute nicht einmal senken dürfen, das zu thun, halten sich die Franzosen .für vollberechtigt. Diese Thatsache wird wieder einmal illufirirt durch den Prozeß, welcher gegen die im letzten iSommer in Kiel verhafteten französischen Offiziere ver handelt wird, die unter der Maske einer sommerlichen Seefahrt eine Recognoscirungs- oder Spionage-Tour !an den deutschen Küsten unternahmen und auch bereits eine reiche Ausbeute gewonnen hatten. Sie sind Spione, das läßt sich nicht fortreden, Spione gerade aus dem Lande, das sich über fremde Spione beklagt, aus dem Lande, welches ein geradezu drakonisches Spionagegesetz hat, aber am meisten selbst ausüben läßt, was es bei änderen verurtheilt. Im Gefängniß werden die franzö- fischen Offiziere Gelegenheit haben, über ihre Erlebnisse ^reichlich nachzudenken. Vielleicht thut man das angesichts des Reichsgerichtsprozesses auch in Paris einen kurzen Augenblick; aber es ist vorauszusehen, daß bei den Einen die Sache ebenso schnell wieder aus dem Ohre hinaus- gcht, wie sie hincinkommt, und die Anderen werden die verurtheilten Spione wegen ihres „Patriotismus" noch loben, und vielleicht gar eine Nationalsammlung für sie veranstalten. Art läßt nicht von Art, und der Fran zose bleibt nun einmal Franzose. Die beiden französischen Offiziere gehören der Marine an; der Eine ist Schiffslieutenant 1. Klasse und in der Marineabthcilung des französischen Generalstabes thütig, der Andere, Lieutenant 2. Klasse, ist ein jüngerer Be kannter von ihm. Der Erstere sagt selbst, er habe sich mit dem Studium der Küstenbefestigungen zu befassen gehabt, und der Umstand, daß er bereits den Orden der Ehrenlegion besitzt, mag wohl beweisen, daß er eine tüchtige Kraft ist. Was liegt nun näher, als daß der ehrgeizige, heute vierzigjährige Offizier auf den Gedanken kam, einmal selbst sich die deutschen Küsten anzusehen. Die Gefahr war groß, der Lohn, wenn die Sache ge lang, wäre aber ein bedeutender gewesen. Im Sommer, unter der Maske einer Vergnügungsfahrt, glaubte er die Angelegenheit recht wohl verwirklichen zu können. Nach seiner eigenen Aussage hat er bei seinem Urlaubsgesuch seinen Vorgesetzten mitgetheilt, wohin er sich begeben wolle, und darauf ist ihm der Urlaub bewilligt. Ob es da wohl längerer Unterhaltung darüber bedarf, welchen Zweck die Reise haben soll. Ganz gewiß nicht. Selbst verständlich ist auch, daß ein Marineoffizier und tüchtiger Fachmann, der in seiner Pacht an den deutschen Küsten befestigungen vorbeifährt, die Dinge mit ganz anderen Augen betrachtet, wie ein Laie, der von Sturmfreiheit keine Ahnung hat, weder die Seezeichen kennt, noch mit nautischen Dingen vertraut ist. Die Franzosen haben zahlreiche photographische Aufnahmen gemacht, sie wollen aber nicht gewußt haben, daß dieselben verboten waren. Eine solche Ausrede kann vielleicht ein simpler Tourist gebrauchen, aber kein französischer Offizier, der die Spio nagevorschriften seines eigenen Landes ganz genau kennt. Und wenn nun auch einzelne der Photographien scheinbar harmlos aussehen, der Fachmann construirt daraus leicht, was für den Laien für immer und ewig böhmische Dörfer sind und bleiben. Es läßt sich nichts fortreden, es liegt hier ein wenig freundlicher Zug der französischen Regierung gegen Deutschland vor, denn die Vorgesetzten der Offiziere würden denselben im keinem Falle gestattet haben, diese Reise, deren Zweck ohne viele Worte offen zu Tage lag, zu unternehmen, wenn sie nicht im Voraus der Billigung der französischen Regierung sicher gewesen wären. Es ist einmal in Paris stehender Grundsatz, daß gegen Deutschland Alles das erlaubt ist, was, wenn es gegen Frankreich angewendet würde, in Paris den denkbar hef tigsten Zorn Hervorrufen würde. So sind die Franzosen und so bleiben sie. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser hat, wie die „N. A. Z." erfährt, den Reichskanzler Grafen Caprivi und den Staatssekretär Frhrn. v. Marschall nach Annahme des rumänischen Vertrages auf telegraphischem Wege beglückwünscht uüd gleichzeitig seine Genugthuung über die geschickte Ver- theidigung der Handelsverträge vom Regierungstische ausgesprochen. Der deutsche Botschafter am italienischen Hofe, Graf Solms, ist, wie die „N. A. Z." meldet, auf sein An suchen in gnädiger Weise verabschiedet worden. Die geplanten großen Winterübungen des preu ßischen Gardecorps werden voraussichtlich Mitte Fe bruar stattfinden. Ein bestimmter Tag soll vorher nicht angegeben werden, man spricht vielmehr in militärischen Kreisen von einer Alarmirung sämmtlicher Garnisonen des Gardccorps. Ferner verlautet, daß der Kaiser, der die Uebungen persönlich leiten wird, beabsichtige, mehrere Fürstlichkeiten znr Theilnahme einzuladen. In der Nähe von Brandenburg a./H. wird ein großes nächtliches Bi wack sämmtlicher Truppen stattfinden, am Tage darauf wahrscheinlich das entscheidende Gefecht. Der „Stuttg. Beob." bringt die Nachricht, in Folg« der energischen Einsprache der Presse gegen die Aenderung der Militärconvention sei der Plan bis auf günstig gere Zeiten zurückgelegt worden. Dagegen sei das Ab kommen getroffen, daß der König von Würtembcrg an Stelle v. Blumenthals Generalinspecteur der I V. Armeeinspection werden soll; als Chef des Stabes solh ihm der Generaladjutant des Königs, Generallieutenant v. Falckenstein, der dadurch zugleich als Nachfolger des Generals v. Wölckern im Corpscommando beseitigt würde,! beigegeben werden. Zugleich wird mitgetheilt, daß di« Stabsoffiziere des würtembergischen Corps künftig miu den preußischen rouliren sollen. Der „Staatsanz. f. Würtemberg" veröffentlicht diel Ernennung des Staatsraths Pischek zum Minister des! Innern. Eine Kundgebung gegen die Conservativen bringt! die „Nordd. Allg." aus Anlaß der ablehnenden Haltung! der Letzteren gegen die Handelsverträge. Sie schreibt^ „Die Conservativen haben durch ihr Verhalten die ver-! kündeten Regierungen in die Lage gebracht, ihre Vor-! lagen auch mit Hilfe solcher Parteien durchbringen zu! lassen, die man sonst als Verkörperung der Verneinung! im Staatsleben zu betrachten gewohnt ist. Schon! darin liegt, ganz abgesehen von der positiven Nothwen-! digkeit für die ftaatserhaltenden Parteien, sich nicht aus! anderen, als in der Sache selbst liegenden Gründen nc-I girend zu verhalten, ein Beweis dafür, daß die Confer-! vativen einen politischen Fehler begangen haben. Diesen! wieder gut zu machen, kann am wenigsten durch —I wenn auch noch so geharnischte — Reden gelingen.! Dürfte sich, sobald der Kampfeszorn verraucht und die! Neigung zurückgekehrt ist, besonnener Erwägung wieder! mehr Recht einzuräumen, als der Streitlust, in die man! sich hineingeredet und geschrieben hat, Zeit und Gelegen-! heit finden, um den ersten Fehler darin erkennen zu! lassen, daß sich die Conservativen von ihren durch die! Agitation wild gemachten Wählern ein imperatives Man-! dat aufnöthigen ließen, so wird sich vielleicht, auch als! Folge nüchterner Erwägungen die weitere Frage auf-! drängen, ob es nicht im Interesse der conservativen! Parteien gelegen hätte, anläßlich der Abstimmung über! die Handelsverträge wenigstens dem subjectiven Ermesse»! des Einzelnen eren Spielraum zu gönnen, und i»! diesem Falle jeden Fractionszwang gänzlich auszvschließen."! Zur Ausdehnung der Sonntagsruhe auf das Gast-! wirthschaftsgewerbe bringt die „Berl. Börs.-Ztg."! eine Meldung, deren Bestätigung abzuwarten bleibt.! Danach soll nach Ansicht der Negierung die Schließung! der Geschäfte von Sonnabend Nacht 12 Uhr bis Sonn! tags Mittag 12 Uhr eintreten. Destillationen bleibe»! von Sonnabend Abend 8 Uhr bis Montags früh 8 Uhr! gänzlich geschloffen. Hotels und Logirhäuser, soweit fi-Z dem Fremdenverkehr dienen, bleiben von diesen Besinn-! mungen unberührt. Im nächsten Etatsjahre sollen in Preußen eine Reihe!