Volltext Seite (XML)
Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. S Uhr für den R0 andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Marl 2b Pf., >/>-» zweimonatlich 1 M. bü Pf. und einmonatlich 7b Pf. WöeMK)eiaE ' und Tageblatt. Amtsblatt für die Umglitheu md stiidWeu BehSrdeu za Freiberg und Braud. Verantwortlicher Redakteur: Iuliu» Brauu in Freiberg. j,» US. Jahrgang - 7> > > ... — u > I Inserate werden bis Bormittag ll Uhr angenom- UHFH/B Dienstag, den 28. September, g E undbenagt^rPreis^ürdi-^spalten-Zelle 1886. Einladung zum Abonnement Indem wir das geehrte Publikum Freibergs sowie der näheren und weiteren Umgebung zum Abonnement auf unser täglich erscheinendes Organ: „Ireiöerger Anzeiger und Tageblatt" pro viertes Quartal 1886 höflichst einzuladen uns erlauben, bitten wir, besonders die auswärtigen Abonnenten, die Bestellungen auf das Blatt rechtzeitig machen zu wollen, damit eine Unterbrechung resp. verspätete Lieferung vermieden wird. Der vierteljährliche Abonnementspreis beträgt 2 Mar! 25 Pfg. Inserate, pro gespaltene Zeile 15 Pfennige, finden bei der großen Auflage des Blattes die weiteste und zweckent sprechendste Verbreitung. Bestellungen nehmen sämmtliche kaiserliche Postanstalten, sowie die bekannten Ausgabestellen entgegen. Die Expedition des „Freiberger Anzeiger nnd Tageblatt". Die Wohnungsnoth der ärmeren Klaffen. Trotz der wiedererwachten Baulust und trotz der in vielen Städten vorhandenen großen Menge leerstehender Wohnungen ist das Kapitel der Wohnungsnoth keineswegs erledigt. Die Errichtung zahlreicher schöner Wohngebäude kommt nur dm bemitteltm Klassen zu Gute, während ein Theil der arbeitmden Bevölkerung nach wie vor durch den Mangel an kleinen freundlichen und gesunden Wohnungen am Schlüsse jede- Vierteljahrs in schwere Sorge versetzt wird. Da das, was bisher in Deutschland geschah, um diesem sühlbaren Urbelstande abzuhelfen, nur vereinzelt und ungenügend war, muß man es mit Freuden begrüßen, daß der „Verein für Sozialpolitik" begonnen hat, sich für diesen wichtigen Zweig der sozialen Frage ernsthaft zu interessiren. Aus seine Veranlassung ist ein zweibändiges Werk unter dem Titel: „Die Wohnungsnoth der ärmeren Klassen in deut schen Großstädten" erschienen, in dem sehr werthvolle, von erfahrenen Männern verfaßte Darstellungen der Wohnungs- Verhältnisse in einer Reihe deutscher Städte enthalten sind. Die Schilderungen der Wohnungen der ärmeren Klassen in Berlin, Breslau, Leipzig und Frankfurt a. M., denen die Ausnahmen der städtischen statistischen Bureaux zu Grunde liegen, sowie die Berichte aus den Industriestädten Bochum, Elberfeld, Essm, Chemnitz und Osnabrück liefern ein klares Bild der einschlagenden Verhältnisse und werden besonders lehrreich durch dm Vergleich mit der alten, erst jetzt aus den engen Banden erlösten Festungsstadt Straßburg. Ein Aufsatz von Neve über die Hauptergebnisse der Wohnungs statistik deutscher Großstädte ergänzt diese Mittheilungen; Denkschriften von vr. Aschroth und Raffalovich berichten über daS, was in England und Frankreich durch den Staat, die Gemeinden und einzelne Gesellschaften zur Abhilfe der Wohnungsnoth geschehen ist; schließlich erörtert eine gründ liche Abhandlung des vr. Leuthold die für Deutschland anwendbaren allgemeinen und örtlichen Maßregeln, welche geeignet erscheinen, eine Besserung in den Wohnungsverhält- mssen herbeizuführen. Dieses reichhaltige schriftliche Material vervollständigte in der am Freitag zu Frankfurt a. M. stattgefundenen General-Versammlung des „Vereins für Sozialpolitik" der dortige Oberbürgermeister vr.Miq uel durch einen lichwollen und überzeugenden Vortrag über „die Wohnungsverhältnisse der ärmeren Klassen in deutschen Großstädten", von dem wir hier leider nur einen kurzen Auszug geben können. Der Redner wies zuerst nach, was von Seiten des Vereins bereits in dieser Angelegenheit geschehen sei, um nach und nach bessere Zustände auf einem Gebiete »u schaffen, welches für die sittliche und physische Wohl fahrt der Menschen geradezu entscheidend ist. Zunächst galt es, dem Verein selbst ein klares Bild über die Gesammtheit der Verhältnisse in dm größeren Städten aus der Summe der einzelnen Thatsachrn zu bilden und dann erst die Mittel der Abhilfe zu erwägen. Aus dm angestellten Ermittelungen ergab sich, daß in den deutschen Großstädten sür die un bemittelten Volksklassen eine ständige Wohnungsnoth vor handen ist, hervorgerufen häufig durch den Mangel an einer genügenden Zahl kleinerer Wohnungen, immer aber durch die unverhältnißmäßige Höhe der Miethpreise für gesunde kleinere Wohnungen und den dadurch bedingten Rückgriff auf ungesunde Lokalitäten und durch die hiervon abhängige Ueberfüllung der kleineren Wohnungen. In rasch an wachsenden Städten, wie Berlin, Breslau, Königsberg und Anderen mehr scheinen die Verhältnisse am ungünstigsten zu liegen; verhältnißmäßig besser steht es damit in den eigent lichen Industriestädten, welche durch die Beschaffenheit der betriebenen Jndustrieen weit auseinander gebaut sind, oder in denen die Arbeitgeber viel für die Wohnungen der Arbeitnehmer gethan haben. In den älteren Städten, deren Bebauungsgrenze namentlich durchFestungs- werke eingeengt war, mit schlechter Ventilation, engen Straßen, mangelhafter Ent-und Bewässerung waren die Verhältnisse von jeher vielleicht noch schlechter als in den heutigen offenen Großstädten und wurden es wenigstens, wenn der wachsenden Bevölkerungs- ziffer nicht die erfreuliche Expansion der bebauten Fläche entgegengestellt werden konnte. Erst neuerdings ist die sanitäre Seite der Bauten in den Vordergrund getretm. Die in vielen Städten berei.S durchgcführtm, in anderen in der Durchführung begriffenen Maßregeln der öffentlichen Gesundheitspflege, die Entwässerung der Städte, die Zuführung guten Wassers, die Wegräumung der engen Stadttheile, die Herstellung breiter luftiger Straßen, die Erweiterung des Bebauungsfeldes u. s. w. haben aber be reits viel dazu beigetragm, die vorhandenen bisher un gesunden Wohnungen selbst im Innern der Städte zu ver bessern und die lleberfüllung derselben weniger schädlich zu machen. Gerade den unteren Volksklassen sind diese großen, auf öffentliche Kosten durchgeführten sanitären Maßregeln in hohem Grade zu Gute gekommen; sie deuten zugleich den Weg an, in welcher Richtung weiter vorgegangen werden muß. Im wetteren Verlauf seiner Rede erörterte vr. Miquel das Wachsen der Bevölkerungsziffer in vielen deutschen Städten und die gleichzeitige verhältnißmäßige Verminderung der Zahl der billigen Wohnungen. Thatsächlich sind im Durchschnitt die Miethpreise in demselben Vcrhältniß ge stiegen als das Einkommen gesunken ist. In vielen großen Städten zahlm die unbemittelten Äolksklassen bis zu 30 Prozent ihres Gesammtcinkommens für Wohnung und werden durchschnittlich die Miethpreise für kleinere Wohnungen zwischen 20 und 29 Prozent des Gesammtcinkommens betragen. Das führt zu dem Physisch und moralisch gefährlichen System der Aftermiethung. Der Redner erläuterte hierbei in aus führlichster Weise die traurigen Folgen dieser Wohnungsnoth und meinte dann, die Besserung der Wohnmigsverhältnisse sei wie jeder Theil des sozialen Fortschrittes bedingt durch die allgemeine Hebung der Lage der unbemittelten Klassen, könne aber auch allein für sich in Angriff genommen werden. Die Privatbauspekulatio» befriedige das Bedürfniß an kleinen Wohnungen nicht in gleicher Weise wie das der größeren und mittleren Wohnungen. Es sei dies auch ganz natürlich, da das Risiko hier größer und die Ver waltung schwieriger ist. Deshalb sollten gemeinnützige Gesellschaften als Akt der Wohlthätigkeit die lästige Ver- waltung solcher Miethshäuser übernehmen. Sie können ohne Nachtheil einen großm Theil ihres Vermögens bei dem Ankauf von Häusern für Arbeiterwohnungen dauernd investiren und doch durch neue Kapitalaufnahmen, vermehrt durch die Hypotheken auf den älteren Besitz, zu Neubauten schreiten. Wesentliche finanzielle Opfer brauchen sie nach allen Erfahrungen nicht zu bringen, fast überall erzielen sie eine angemessene Rente und können durch zweckmäßige Hausordnungen, pünktliche Einziehung der Miethen m kurzen Fristen u. s. w. sehr nützlich auf die Gewohnheiten der Miether einwirken und so den Privatunternehmungen ein fast zur Nachahmung zwingendes Vorbild geben. Die Gemeindeverwaltungen müßten es sich überall angelegen sein lassen, die Bildung solcher gemeinnütziger Gesellschaften zu fördern. Sodann bemerkte Or. Miquel, daß auch die arbeitende Bevölkerung selbst durch Bildung von Bau- und Wohnungs- genvssenschasten mehr als bisher in Deutschland geschehen, zur Selbsthilfe greifen könnte, namentlich wenn sie dabei von der Gemeinde in angemessener Weise unterstützt würden, etwa durch bereitwillige Hingabe nicht zu theuerer, zur Ver fügung stehender Bauplätze und durch mäßigen Ansatz der Beiträge für Straßenherstellung und Kanalisation. Der Redner zählte sodann auf, was der Staat, die Gememden und einzelne große Arbeitgeber zur Linderung der Woh nungsnoth bereits gethan haben und noch thun könnten, und wies die vielfach gehegten Bedenken zurück, daß sich durch Beschaffung billiger Wohnungen das Proletariat noch mehr nach den großen Städten ziehen werde. Nach seiner Ansicht lassen sich die Allerunoemittelsten und theilweise Erwerbsunfähigen am allerwenigsten durch den Mangel an guten Wohnungen vom Zuzug abhalten, wenn sie sonst durch andere Umstände, reichliche Armenversorgung, gute Hospitäler, Stiftungen und Wohlthätigkeitsanstalten, an- gelockt werden, vr. Miquel verlangt ferner die konsequente Durchführung strenger Polizeiverordnungen nicht nur für die Afterwohnungen, sondern für alle Miethswohnungen und für größere Gemeinden die Einsetzung von Wohnungs- inspektoren als Selbstverwaltungsorgane. An Stelle der jetzigen Bauvorschriften möchte er ein sorgfältig ausgearbeitetes Wohnungsgesetz mit genau bemessenem Mindestluftraum für jeden Bewohner einer Miethswohnung. Durch ein solche« Gesetz sollte auch der Miether besser als bisher gegen allzu drückende Bedingungen, gegen die Retention der Pfändung entzogener Objekte, gegen die Verwahrlosung der Räume durch dm Vermiether, gegm die ungesunde Beschaffenheit derselben geschützt werden. Man könne aach in den Bau ordnungen Vorsorge treffen, daß der Kasernenbau nicht allzusehr überhand nimmt und müsse jedenfalls Vorsorge treffen, daß auch die höheren Etagen luftig, gesund gebaut sind und genügende Sicherheit für die Bewohner bieten. Der Redner schloß mit dem Ausdruck der sicher berechtigten Ueberzeugung, daß ein dauerndes und konsequentes Zu sammenwirken aller Faktoren, der Einzelnen, der Gemeinden und des Staates, nach und nach in immer steigendem Maße auf dem für die Gesundheit und Moralität eines großen Theils der Bevölkerung so wichtigen Gebiete der Wohnungsangelegenheit große Erfolge erzielen kann und erzielen wird. Tagesschau. Freiberg, den 27. September. Der deutsche« Reichsregierung find die Auslassungen der österreichischen Blätter und die ungarischen Interpellationen über die bulgarische Angelegenheit entschieden unangenehm. Nach Ansicht der offiziösen preußischen Blätter hat diese Agi tation nur den Zweck, da- Friedensbündniß zwischen beiden Mächten zu sprengen. Da des Fürsten Bismarck Stellung sich als eine zu feste erwiesen habe, solle nun, so deutet die „Nordd. Allg. Ztg." an, diejenige des Grafen Kalnoky er schüttert werden. Die Ausführungen des Berliner Blattes schließen mit der Versicherung, daß das Vcrhältniß der beiden Regierungen zu einander viel zu fest sei, um solchen friedens- frindlichcn Agitationen zu weichen. Die Schlußsätze lauten: „Zum Glück der Völker ist das Bestehen der internationalen Verwöge weder von Zeitungsredaktionen, noch von parlamen tarischen Streitern abhängig, welche für ihre Reden Vorwände zu sittlicher Entrüstung brauchen. Unsere auswärtigen Be ziehungen und die vertragsmäßigen Stipulationen, aus welchen sie beruhen, stehen auf der festen Basis, welche ihnen die wohl erwogene Sanktion der Monarchen der betheiligten Länder verliehen hat. Wenn man sich diese Thatsache angesichts der aufgeregten Leitartikel der Blätter immer gegenwärtig hält, so fallen die phrasmhaften Diatriben der Presse nolhwendig in das Lächerliche." Ein in demselben Sinn gehaltener Ar tikel der „Köln. Ztg." sagt, Oesterreich solle nur gestatten, daß das im Vorjahre zu Ungunsten Rußlands verschobene Gleichgewicht von diesem wieder hergestellt werde. Zielten die