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Amtsblatt für dir königliche« und Wüschen Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Brauu i« Freiberg. -»— > ad, Jahrgang ' v , B/» l Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. b Uhr für dm g Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angenom-I .Hl) sl . andern Tay. Preis vierteljährlich 2 Mark 2b Ps., 81. UttgNU. :: men und beträgt der Preis sär die gespaltene Zeile ! AXIHUH g zweimonatlich 1 M.bO Ps. und einmonatlich 7S Ps. oder derm Raum 1b Ps. s V Nachbestellungen «nf de« Monat September Gerde» zum Preise von 75 Pfg. von allen kaiserlichen Postanstatten sowie von den be- kaunten Ausgabestellen und der unterzeichnete« Expedition angenommen. Expedition des Freiberger Anzeiger. Zur bulgarischen Angelegenheit. Mit der Rückkehr des Fürsten Alexander von Bulgarien nach Sofia beginnt eine neue Phase in dem spannenden Schauspiel, das vor zehn Tagen mit dem nächtlichen Ueber- sall der Verschwörer eröffnet wurde. Getragen von den Sympathien des zivilisirten Europa, von seinem Volke mit enthusiastischem Jubel begrüßt, kehrt nun Fürst Alexander im Triumphe nach der Hauptstadt Bulgariens zurück. Es war unnatürlich, daß man dem Bunde der drei Kaisermächte die Absicht zuschrieb, den Fürsten zu opfern, um den Frieden ru sichern, und selten hat sich die öffentliche Meinung aller Völker mit so einmüthiger Entrüstung über eine solche et waige Ungerechtigkeit der Diplomaten ausgesprochen. Wie wir in unserem gestern ausgegebenen Extrablatte aus einandersetzten, ergriff die gesammte öffentliche Meinung mit Ausnahme der russischen und etwa der czechischen in deck letzten Tagen für den von einer Verschwörerbande so schmählich behandelten ritterlichen Fürsten Alexander von Bulgarien Partei und vielfach neigte man der Ansicht zu, daß es das Richtigste wäre, wenn Fürst Alexander aus den bulgarischen Thron zurückkehren würde. Trotz der Gefahren, dre damit verbunden sind, hat sich der muthige hessische Prinz nach einigem Zögern dazu entschlossen. Von Lemberg aus, wo die Bevölkerung ihm einen jubelnden Empfang bereitete und einen Fackelzug brachte, ist derselbe Sonnabend Nachmittag zunächst nach Bukarest gereist, von wo er gestern Vormittag ll Uhr über Giurgewo die Fahrt nach Rustschuk fortsetzte. Die Ankunft in Giurgewo erfolgte gestern Nachmittag 1 llhr. An allen bulgarischen Stationen der Donau hatte man auf den Empfang des Fürsten sich vorbereitet, der sich besonders in der reich beflaggten Stadt Rustschuk überaus enthu siastisch gestaltete. Es zeigt sich deutlich, daß das bulgarische Volk nicht so undankbar und empfindungslos für die Ver dienste seines Herrschers ist, wie es nach den ersten, ge fälschten Meldungen angenommen werden mußte. Vor der Abreise von Lemberg mußte der Fürst einen Arzt zu Rathe ziehen, da ihn die erlittenen Mißhandlungen er schöpft hatten. Ueber die schmähliche Behandlung, welche der Fürst durch die Verschwörer erlitt, erhielt das „Berliner Tageblatt" aus Lemberg nähere Mittheilungen, die aus dem Munde des Prinzen Ludwig von Battenberg (des älteren Bruders des Fürsten) stammen, der sich selbst als Quelle genannt wissen wollte. Nach diesen Mitthei lungen handelte das erste Regiment, das die Hauptwache hatte, im Einverständniß mit dem Küstendiler Bataillon und marschirte heimlich ab. Um 2 Uhr stürzte die Palast wache in des Fürsten Schlafzimmer, drückte ihm einen Re volver in die Hand und flüsterte ihm zu: „Rette Dich!" Der Fürst eilte die Treppe hinunter, die in den Winter garten führt, doch schon auf der Treppe traten ihm zwei Soldaten mit Bajonetten entgegen. Der Fürst eilte in das Schlafzimmer zurück und fand dort bereits eine große An zahl Offiziere, die ihm mit gespannten Revolvern entgcgen- traten. Emer riß ein Blatt aus einem Einschreibebuch und schrieb darauf unleserliche Worte. Die klebrigen nöthigten den Fürsten an einen Tisch, hielten ihm das Blatt vor und schrieen: „Unterzeichne! Unterzeichne!" Von allen Seiten dicht gedrängt, unter mehr als zwanzig auf seinen Kopf gerichteten Revolvern, schrieb der Fürst unter das unleserliche Gekritzel auf dem Papierfetzen nur die Worte: „Alexander. Gott schütze Bulgarien!" Dann ward der Fürst in das Kriegsministerium geschleppt, wohin in gleicher Weise der überrumpelte Prinz Franz Josef von Batten berg schon gebracht war. Nach einem Aufenthalte von zwei Stunden wurden beide Brüder forttransportirt, jeder in einem besonderen Wagen und zwei Offiziere neben sich, die ununterbrochen die Revolver nach dem Kopf des Trans- portirten richteten. Ans dem Bock neben dem Kutscher saß je ein Zögling der Jnnkerschule. Als der Fürst von dem Kriegsministerium absuhr, standen dort mindestens vierzig Offiziere in Uniform, mit den Händen in den Hosen taschen, ihn angrinsend. Hauptmann Benderew hatte, als dem Fürsten besagter zu unterschreibender Papierfetzen bei der Szene im Schlafzimmer vorgehalten wurde, ihm fort während mit gespannter Pistole unmittelbar vor dem Ge sicht herumgefuchtelt und gerufen: „Siehst Du! das kommt davon, daß Du mich nicht zum Major gemacht hast!" Be- theiligt waren sämmtliche Offiziere der Junkerschule und des ersten Artillerie-Regiments, viele Ingenieur-Offiziere, mehrere Offiziere vom ersten Infanterie-Regiment. Letzteres hatte der Fürst Tags zuvor besichtigt und dieselben Offiziere, welche um 2 Uhr Morgens mit Revolvern ins Schlaf zimmer drangen, hatten Abends bei ihm gespeist. Die erste Nacht brachte der Fürst in einem Kloster, 25 Kilometer von Sofia entfernt, zu. Auf dem ganzen Wege nach der Donau schrieen jedesmal, wenn der Fürst den Mund öffnete, um eine Frage auszusprechen, di« Offiziere: „Schweig, sonst bist Du todt!" Auf dem Schiffe waren beide Brüder zu sammen in die Kajüte gesperrt; zwei Offiziere mit gezogenen Säbeln standen vor der Thür. Die Hitze war so furcht bar, daß schließlich der Fürst den Kopf zum Fenster hinaus steckte, worauf ihn zwei Soldaten mit dem Bajonett zurück stießen und sofort die Wache alarmirten. Die Bitte, nur wenige Minuten freie Lust schöpfen zu dürfen, wurde rund weg abgeschlagen. Die Schiffswache bestand aus der zweiten Kompagnie des Donau-Regiments mit sämmüichrn Offizieren. Am Dienstag Nachmittag um vier Uhr erfolgte die Ankunft in Reni. Die Offiziere versuchten, Jemand am Land zu finden, dem sie die beiden Prinzen ausliefern könnten. Als dies mißglückte, ging das Schiff zur Nacht wieder in den Fluß zurück. Am folgenden Morgen um 8 Uhr wurde wieder gelandet. Mittlerweile war der russische Truppen- Kommandeur, ein Oberstlieutenant, zur Stelle; nun wurden beide Brüder unter scharfer Bedeckung ans Land und auf das Bürgermeisteramt gebracht. Der Fürst bat, ihn die Donau abwärts reisen zu lassen, worauf man antwortete, das ginge nicht, er würde sein Leben riskiren, denn längs der Donau feien in allen Städten gedungene Mörder, ihn niederzustechen oder niederzuschießen, ganze Räuberbanden seien aufgeboten, ihn einzufangen. Der Fürst Alexander entgegnete, es darauf wagen zu wollen. Da ward ihm ein Telegramm, datirt aus Petersburg, unterzeichnet Minister Obruischeff, vorgewiesen, welches lautete: „Prinz Alexander von Battenberg — nur dieser Ausdruck war gewählt — darf nur über Lemberg oder Warschau reisen." So wurde am Donnerstag stütz um 8 Uhr die Reise angetreten. Ein Extrazug war von der russischen Regierung bestellt, da man dem Fürsten nicht erlauben wollte, einen gewöhnlichen Zug zu benutzen. In dem Zug waren ein Polizei-Lieute nant und mehrere Gendarmen. An der zweiten Station hielt der Zug, ein höherer Beamter, Staatsrath und Ver treter des Gouverneurs, trat zu dem Fürsten und verlangte die Bezahlung des Extrazuges mit sechshundert Rubeln, sonst werde nicht weiter gefahren. Der Fürst hatte unge fähr soviel gerade noch zufällig bei sich und zahlte. In Bender hielt der Zug anderthalb Stunden. Vor jeder Koupeethür stand ein Gendarm mit aufgepflanztem Bajonett. Außer einer Menge Publikum, das den Fürsten zum Fenster hinein verhöhnte, waren sämmtliche Offiziere des Dragoner-Regiments, dessen Chef Prinz Alexander von Hessen, der Vater des Fürsten, ist, und L la ouite dessen Fürst Alexander vor Streichung aus den russischen Armee listen stand, auf dem Bahnhof zugegen und betheiligten sich an der allgemeinen Verhöhnung. Trotz der Bitten des Fürsten, den Wagen bei Seite schieben zu lassen bis zur Abfahrt, geschah dies nicht. Der besagte Beamte, welchem der Fürst 600 Rubel zahlen mußte, benahm sich sonst sehr höflich, zuvorkommend und leistete gewissermaßen Adjutantenoienste. Wie der bulgarische Hofprediger Koch von Lemberg aus der Wiener „Neuen Freien Presse" mit obiger Nachricht übereinstimmend mittheilte, hat der Fürst keine Abdankung unterschrieben, sondern nur die Worte: „Log äa spasi Lulgaria! ^loxauäor" (Gott schütze Bulgarien) auf das ihm vorgelegte Schriftstück gesetzt. Die unsäglich rohe Weise, mit welcher sich die im Interesse Rußlands handeln den bulgarischen Verschwörer und einzelne russische Offi ziere und Beamte nach Schilderung des Prinzen Ludwig von Battenberg gegen den Fürsten in Rußland benahmen, widerstreitet sicher durchaus den Absichten des rusi- schcn Kaisers. Nimmermehr würde Alexander III., wie gegnerisch er auch dem Fürsten von Bulgarien gegenüber steht, seine Zustimmung zu einer solchen Verletzung jeder einem Fremden und Fürsten schuldigen Rücksicht gegeben haben. Alexander III. kann nur mit Entrüstung von diesen Vorfällen Kenntniß genommen haben. Wie sie aber einmal ind, werden sie in Bulgarien bei den Anhängern des Fürsten )ie tiefe Mißstimmung gegen den Zaren noch verschärfen und ein neues Element der Gegnerschaft zwischen Bulgarien und Rußland bilden. Von österreichischer und ungarischer Seite sind dagegen dem nach feinem Lande zurückkehrenden Bulgarenfürsten die lebhaftesten Sympathien bezeugt worden. Sein Aufenthalt in Lemberg wird demselben stets in freundlichster Erinnerung bleiben. Auf der galizischen Station StaniSlau, wo der Fürst am Sonnabend Abend 6 Uhr anlangte, empfing ihn eine große Menschenmenge mit Hochrufen. Der Bürger meister begrüßte ihn in polnischer Nationaltracht, eine Dame überreichte ihm ein Bouquet. Der Fürst bat den Bürger meister zu sich ins Koupce und dankte ihm herzlich für den Empfang. Jubelnd wurde der Fürst auch in Czernowitz, wo die Ankunft Sonnabend Abend 8 Uhr erfolgte, von einer viel tausendköpfigen Menge begrüßt. Als sich der Sturm gelegt hatte, fragte Alexander die Nächststehenden, in welcher Lprache er danken dürfe, und sagte dann deutsch: „Ich danke Ihnen aus tiefster Seele für die herzlichen Sympa thien, die mir, auf österreichischem Boden entgegengebracht, meine schwere Fahrt bedeutend erleichtern. Ich dank Ihnen nochmals; leben Sie wohl!" Neuerlicher Jubel. Ein Mann fragte den Fürsten: „Wem verdanken Hoheit die schwere Fahrt?" worauf dieser erwiederte: „Ich glaube, den Russen! Oesterreich, das mich gastlich beherbergte, werde ich nie vergessen!" Offizielle Persönlichsten waren auf dem Bähnhof in Czernowitz nicht erseht i ? e Hoch-, Hurrah- und Zyjerufe dauerten bis zur Abfahrt. Der Ruf: „Es lebe der preußische Offizier!" machte den Fürsten lächeln. Nach einem Aufenthalt von im ganzen acht Mi nuten, während dessen ibm zahllose Depeschen gereicht und andere zum Expediren abgenommen wurden, fuhr der Fürst weiter. Eine Stunde vor seiner Ankunft war der russische General Lischin auf dem Bahnhof erschienen. Aus Buda pest wird gemeldet, daß die Grafen Eugen Zichy, Ladislaus Karolyi, Elemer Batthyanyi, Sigismund Uechtritz nach Sofia reisen, um beim Empfang als Vertreter der Ungarn zugegen zu fein. Die muthige Rückkehr des Fürsten auf bulgarischen Boden entspricht dem Bilde, das man sich bisher von dem Sieger von Slivnitza und Pirot machte. Das Glück ist mit den Kühnen, wie sollte es bei denen ankommen, die ihm den Rücken drehen? Es ist nicht der am mindesten wunder bare Zug in der außerordentlichen Geschichte dieser Woche, daß Fürst Alexander mit dem Leben davonkam, denn übel genug hatten es die Verschwörer mit ihm im Sinne, die nun von der gerechten Strafe sicher ereilt werden. Im Laufe des vorgestrigen Tages sind sämmtliche bisher noch auf freiemFußebefindlichen Mitglieder der Revolutions-Regierung, darunter der Major Gruew und der Hauptmann Benderew, in Rahowa verhaftet und vorläufig an Bord des Dampfers „Tegetthoff" internirt worden. Gruew suchte sich durch einen Sprung in's Wasser zu retten, wurde aber heraus gefischt. Der Haupträdels fiihrer Zankow ist schwer ver wundet. Bulgarischen Meldungen zufolge verlangt die Be völkerung die Vollstreckung des kriegsgerichtlichen Todes urtheils an sämmrüchen Verschwörungs-Chefs,um vor Europa den Abscheu über deren That kundzugeben. Aus Anlaß der bulgarischen Ereignisse findet zwischen den Kabinetten Rom, Wien, Berlin und London ein lebhafter Depeschen wechsel statt, in welchem die llebereinstimmung der Mächte und der feste Wille, den Frieden zu erhalten, klar zu Tage tritt. Tagesschau. Freiberg, den 30. August Der deutsche Kaiser bestimmte, daß sich zu den Festlich keiten, welche zu Ehren der vor zweihundert Jahren voll zogenen Befreiung der ungarischen Stadt Ofen daselbst am 1. und 2. September stattfinden werden, eine militärische De putation dorthin begebe. Dieselbe wird, der „N. A. Z." zu folge, bestehen aus: dem Generallieutenant von Schlichting, Kommandeur der I. Garde-Jnfanterledivision, dem Oberst v. Etzdorfs, Kommandeur deS Grenadier-Regiments Kronprinz (1. Ostpreußischen) Nr. 1, dem Oberst Freiherrn v. Schleinitz, Kommandeur des Leib-Kürassierregiments (Schlesischen) Nr. I, dem Hauptmann von Kalckstein vom Kaiser Alexander-Gardr- Grenadier-Regiment Nr. 1 und dem Rittmeister Graf zu Dohna I. vom 1. Garde-Dragoner-Regiment. Die genannten